Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2012, Az. XII ZB 221/12

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3079

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

XII ZB 221/12

vom

19. September
2012

in der Familiensache

-
2
-
Der XII. Zivilsenat des [X.] hat am 19. September 2012 durch die [X.] [X.], [X.], Schilling, Dr.
Nedden-Boeger und Dr.
Botur
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5.
Senats für Familiensachen des [X.] 19.
März
2012
wird auf Kosten der Antragsgegnerin
verworfen.
[X.]: 3.000

Gründe:
I.
Gegenstand des vor dem 1.
September 2009 eingeleiteten Verfahrens ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das betroffene Kind.
Das [X.] hat die widerstreitenden Anträge beider Elternteile
durch Beschluss vom 5.
Dezember 2011, der dem erstinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin (Mutter)
noch am selben Tage
zugestellt wurde, [X.].
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit einer am 2.
Januar 2012
per Telefax und am 4.
Januar 2012
im Original jeweils beim [X.] eingegangenen Beschwerde. Auf die Verfügung des [X.] vom 3.
Januar 2012
hin
ist die Beschwerdeschrift mitsamt der
Akte am 4.
Januar 2012
auf
der Geschäftsstelle des [X.]s versandfertig gemacht
und 1
-
3
-
auf dem [X.] am 5.
Januar 2012
beim Amtsgericht abgeholt worden und am 6.
Januar 2012
beim [X.] eingegangen.
Auf richterlichen Hinweis vom 15.
Februar 2012
hat die Antragsgegnerin am 27.
Februar 2012
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die
ver-säumte Beschwerdefrist beantragt.
Ihr zweitinstanzlicher Bevollmächtigter sei bei der Abfassung der [X.] davon ausgegangen, dass der [X.] Beschluss erst am 7.
Dezember 2011 zugestellt worden sei
und die Rechtsmittelfrist daher erst am Montag, den 9.
Januar 2012 ablaufe. Außerdem habe nicht damit gerechnet werden müssen, dass der gewöhnlich von Mittwoch auf Donnerstag stattfindende Kurierdienst in der betreffenden Woche um einen Tag verschoben worden sei.
Das [X.]
hat den Wiedereinsetzungsantrag [X.] und die Beschwerde
als unzulässig verworfen. Die Antragsgegnerin habe die Beschwerdefrist
nicht
schuldlos versäumt.
Sie müsse sich das Verschulden ihres zweitinstanzlichen Bevollmächtigten zurechnen lassen, der es versäumt habe, sich bei dem erstinstanzlichen Bevollmächtigten nach dem Zustellungs-datum
zu erkundigen. Das [X.] habe alles Erforderliche
getan, in-dem es die Weiterleitung der Akte an das [X.] im normalen Ge-schäftsgang veranlasst
habe.

II.
Für das Verfahren ist gemäß Art.
111 Abs.
1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil das Verfahren
vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3.
November 2010 -
XII
ZB 197/10
-
FamRZ 2011, 100).
2
3
4
-
4
-
Die gemäß §§
238
Abs.
2 Satz
1, 574 Abs.
1 Nr.
1 ZPO i.V.m.
§§
621
e Abs.
3 Satz
2, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO
statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO nicht erfüllt sind.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt die Antragsgegnerin
weder in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvol-len Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m.
dem Rechtsstaatsprinzip) noch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG). Danach darf einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von [X.] an die Sorgfaltspflichten ihres Verfahrensbevollmächtigten versagt wer-den, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten In-stanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 11.
Juni 2008 -
XII
ZB 184/07
-
FamRZ 2008, 1605
Rn.
6 mwN).
2. a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ge-hört es zu den Aufgaben des Verfahrensbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener [X.] rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht
(vgl. Senatsbeschluss vom 29.
Juni 2011 -
XII
ZB 691/10
-
FamFR 2011, 370 Rn.
6).
Gemäß §
621
e Abs.
3 Satz
1 ZPO war das gegen die erstinstanzliche Entscheidung statthafte Rechtsmittel nicht beim [X.], sondern beim Beschwerdegericht einzulegen. Dorthin ist das Rechtsmittel jedoch erst am 6.
Januar 2012, also einen Tag nach Ablauf der Beschwerdefrist, gelangt.

5
6
7
8
-
5
-
Rechtsfehlerfrei ist das [X.] davon ausgegangen, dass der
verspätete Eingang
der Beschwerde
beim zuständigen Rechtsmittelgericht auf einem Verschulden des
Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin
be-ruht. An einen mit der Beschwerdeeinlegung betrauten Rechtsanwalt sind hin-sichtlich der Ermittlung des für die Einlegung des Rechtsmittels zuständigen Gerichts hohe Sorgfaltsanforderungen zu stellen (vgl. etwa
Senatsbeschluss vom 3.
November 2010 -
XII
ZB 197/10
-
FamRZ 2011, 100
Rn.
19
mwN). Denn die Klärung der Zuständigkeit fällt in seinen Verantwortungsbereich. Er ist daher gehalten, die [X.] und insbesondere die Empfangszuständigkeit des darin bezeichneten Adressaten
auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (vgl. Se-natsbeschluss vom 15.
Juni 2011 -
XII
ZB 572/10
-
NJW 2011, 2367 Rn.
13; BGH Beschlüsse
vom 14.
Oktober 2010 -
VIII
ZB 20/09
-
NJW 2011, 683 Rn.
16 und vom 12.
April 2010 -
V ZB 224/09
-
NJW-RR 2010, 1096 Rn.
12 mwN).
b) Die Ursächlichkeit des der Antragsgegnerin
gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnenden schuldhaften Versäumnisses ihres Verfahrensbevollmächtig-ten ist auch nicht durch ein Versäumnis des Gerichts bei der Weiterleitung der Beschwerdeschrift entfallen.
Nach der auf eine Entscheidung des [X.] zurück-gehenden Rechtsprechung des [X.] darf ein Rechtsuchender allerdings darauf vertrauen, dass ein mit der Sache bereits befasstes Gericht einen bei ihm eingereichten, aber für das Rechtsmittelgericht bestimmten [X.] im ordentlichen Geschäftsgang dorthin weiterleiten wird ([X.] vom 23.
Mai 2012 -
XII
ZB 375/11
-
FamRZ 2012, 1205 Rn.
12 und vom 15.
Juni 2011 -
XII
ZB 468/10
-
FamRZ 2011, 1389 Rn.
12). Das
ist im vor-liegenden Fall geschehen, indem der Abteilungsrichter am Tag nach dem Ein-gang der [X.] beim [X.] deren Weiterleitung an das 9
10
11
-
6
-
[X.] verfügte, die
Akte mit der [X.] am [X.] versandfertig gemacht wurde und die Akte vom
darauffolgenden auf den übernächsten Tag per
Kurier an das [X.] übermittelt wurde. Diese Vorgehensweise bewegt sich auch dann noch im Rahmen des [X.] Geschäftsgangs, wenn in anderen Wochen der Kurierdienst gewöhnlich
einen Wochentag eher
stattfindet.
Eine Verpflichtung, die [X.] von der Akte zu trennen und sie dem [X.] vorab per Briefpost zu senden, bestand ebenfalls nicht.
c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Ursächlichkeit des Versäumnisses des
Verfahrensbevollmächtigten auch nicht dadurch entfal-len, dass der Abteilungsrichter des [X.]s nach dem Eingang der [X.] keinen gesonderten Hinweis darüber erteilt hat, dass die
Rechtsmittelfrist durch den Eingang der [X.] beim [X.] nicht gewahrt sei.
Zwar ist der [X.] aufgrund des Anspruchs auf ein faires Verfahren zur Rücksichtnahme auf die [X.]en verpflichtet. Daher
wirkt sich nach der Recht-sprechung des [X.] das Verschulden eines Verfahrensbevoll-mächtigten
dann nicht mehr aus, wenn ein
fälschlich angerufenes Rechtsmittel-gericht
anhand der [X.] frühzeitig gewichtige Anhaltspunkte für seine fehlende Zuständigkeit
erkannt und diese in den Akten vermerkt hat, [X.] den schriftlich dokumentierten Hinweis über die aufgekommenen Zustän-digkeitsbedenken dem Rechtsmittelführer vorenthält
(BGH
Beschluss vom 14.
Oktober 2010 -
VIII
ZB
20/09
-
NJW
2011, 683 Rn.
20).
Eine generelle Fürsorgepflicht des fälschlich angegangenen
Ausgangs-gerichts,
durch Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen eine Fristversäu-mung des Rechtsmittelführers zu verhindern, besteht jedoch
nicht (vgl. Senats-12
13
14
-
7
-
beschluss vom 15.
Juni 2011 -
XII
ZB 468/10
-
FamRZ 2011, 1389
Rn.
12 mwN).
Anders als in dem vom VIII.
Zivilsenat des [X.] entschie-denen Fall (aaO) oblag dem Amtsgericht
nämlich nicht die Prüfung der Zuläs-sigkeit des eingelegten Rechtsmittels, so dass auch ein rechtlicher Hinweis an den Rechtsmittelführer von ihm nicht erwartet werden konnte.
Klinkhammer

[X.]

Schilling

Nedden-Boeger

Botur

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 05.12.2011 -
10 F 179/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 19.03.2012 -
3 UF 4/12 -

Meta

XII ZB 221/12

19.09.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2012, Az. XII ZB 221/12 (REWIS RS 2012, 3079)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3079

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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