Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2008, Az. XII ZB 34/07

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 3980

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BUNDESGERICHTSHOF [X.]/07
vom 14. Mai 2008 in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 85 Abs. 2, 233 Fd Ein Rechtsanwalt genügt seiner Pflicht zur wirksamen [X.] frist-wahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des [X.] zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Dabei ist ein Vergleich der Anzahl der zu übermittelnden Seiten mit den laut [X.] versandten Seiten besonders nachdrücklich anzuordnen, wenn die Vorgaben eines in der Anwaltskanzlei verwendeten [X.] in die-sem Punkt lückenhaft sind (im [X.] an Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - [X.]/07 - FamRZ 2007, 1722 ff.). [X.], Beschluss vom 14. Mai 2008 - [X.] 34/07 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 14. Mai 2008 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], die Richterinnen [X.] und Dr. Vézina und [X.] beschlossen: Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats - Familiensenat - des [X.] vom 20. Februar 2007 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. [X.]: 4.524 •. Gründe: [X.] Durch das am 3. Januar 2007 zugestellte Urteil hat das Amtsgericht die Abänderungsklage der Klägerin teilweise abgewiesen. Dagegen hat die Kläge-rin mit am 8. Februar 2007 bei dem [X.] - im Original - eingegan-genem Schriftsatz vom 5. Februar 2007 (Montag) Berufung eingelegt. Bereits am 5. Februar 2007 waren die erste Seite der zweiseitigen Berufungsschrift sowie das sechs Seiten umfassende erstinstanzliche Urteil per Telefax beim Berufungsgericht eingegangen. Die bei der Faxübermittlung fehlende Seite 2 der Berufungsschrift enthält neben der Angabe der gegnerischen [X.] erster Instanz die Mitteilung, dass und gegen welches Urteil [X.] eingelegt werden soll, sowie die Unterschrift des [X.] - 3 - ten der Klägerin. Die mit "Berufungsschrift" überschriebene Seite 1 nennt [X.] die Parteien und die Prozessbevollmächtigten der Klägerin. 2 Auf telefonischen gerichtlichen Hinweis vom 7. Februar 2007, dass die Seite 2 der Berufungsschrift fehle, hat die Klägerin am selben Tag erneut Beru-fung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäu-mung der Berufungsfrist beantragt. Zur Begründung des [X.] hat sie ausgeführt: Die unterbliebene Übermittlung der zweiten Seite der Berufungsschrift per Telefax sei auf ein Versäumnis der Rechtsanwaltsfachangestellten M. zu-rückzuführen, die den Auftrag gehabt habe, die Berufungsschrift zusammen mit dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Berufungsgericht zu senden. Zu den Aufgaben von Frau M. gehöre die Notierung von Fristen und deren Über-wachung. Die Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten sei nach [X.] 9001 zertifi-ziert, was es mit sich bringe, dass nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbe-sondere die der Rechtsanwaltsfachangestellten, in einem Qualitätshandbuch verzeichnet seien. Die Einhaltung der so vorgegebenen Vorgänge werde re-gelmäßig überprüft. Frau M. sei mit dem Inhalt des [X.] gut ver-traut. Sie sei angewiesen, den Zugang der [X.] durch Telefax besonders zu überprüfen. Diese Überprüfung sei durch den Ausdruck eines [X.] erfolgt, den Frau M. auf die Richtigkeit des Adressaten sowie der Fax-Nummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten habe über-prüfen müssen. Sie habe an dem betreffenden Tag erstmals versäumt, die Voll-ständigkeit einer Faxübermittlung zu kontrollieren. Nach Beendigung des [X.] habe Frau M. den Sendebericht sowie den [X.] mit dem Vermerk "[X.] (Sendebericht) in Akte, Frist streichen?" dem [X.] vorgelegt, damit dieser die Frist streichen könne. Der Anwalt habe den Sendebericht in Bezug auf die korrekte Faxnummer sowie den Erfolg der [X.] - 4 - tragung kontrolliert, allerdings ebenfalls versäumt, die Anzahl der versendeten Seiten zu überprüfen. 4 Dieser Vortrag ist von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin anwalt-lich und von M. an Eides statt versichert worden. Außerdem ist neben einer Ko-pie des [X.]s ein Auszug aus dem Qualitätshandbuch vorgelegt [X.]. Das [X.] hat das Wiedereinsetzungsgesuch [X.]. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin. 5 I[X.] Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil der von der Rechtsbeschwerde allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht vorliegt (§ 574 Abs. 2 ZPO). 6 1. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch zurückge-wiesen, weil die Versäumung der Berufungsfrist auf einem der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten beruhe. Dabei könne offen bleiben, ob das Versehen der [X.] auf einem Büroorganisationsverschulden des Anwalts beruhe. Denn dieser hätte bei der der Absendung per Telefax folgenden eigenen Kon-trolle des [X.] jedenfalls noch rechtzeitig erkennen können, dass eine Seite, bei der es sich um einen Teil der Berufungsschrift habe handeln können, nicht übermittelt worden sei. Übernehme der Anwalt die [X.] im 7 - 5 - konkreten Fall mit, komme er der damit verbundenen Verpflichtung nur nach, wenn er sich selbst davon überzeuge, dass alle abzusendenden Seiten des Schriftsatzes ordnungsgemäß gesendet worden seien. 8 Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. 9 2. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die am 5. Februar 2007 abgelaufene Berufungsfrist nicht gewahrt ist. Zwar könnte sich die Erklärung der Berufungseinlegung (§ 519 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) möglicherweise aus der Überschrift der ersten Seite des Schriftsatzes vom 5. Februar 2007 ([X.]sschrift) entnehmen lassen; die angefochtene Entscheidung (§ 519 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) könnte aus dem beigefügten erstinstanzlichen Urteil zu erse-hen sein. In jedem Fall mangelt es dem per Telefax am letzten [X.] eingegangenen Schriftsatz aber an der Unterschrift des [X.]. Diese war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil sich nicht aus anderen, eine Beweisaufnahme nicht erfordernden Umständen eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr dafür ergab, dass der Rechtsmittelanwalt die Verantwortung für den Schriftsatz übernommen und diesen willentlich in den Rechtsverkehr gebracht hat (vgl. Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - [X.] 120/06 - zur [X.] vorgesehen). 3. Der Klägerin ist die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu Recht versagt worden, weil nach ihrem Vortrag ein ihr nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes [X.] nicht ausgeräumt ist. 10 a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen [X.] fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermitt-lung per Telefax anhand des [X.] zu überprüfen, ob die Übermitt-11 - 6 - lung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im [X.] gestrichen werden (Senatsbeschlüsse vom 18. Juli 2007 - [X.]/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723; vom 20. Juli 2005 - [X.] 68/05 - FamRZ 2005, 1534 f. und vom 10. Mai 2006 - [X.] 267/04 - FamRZ 2006, 1104, 1105 f.). 12 Diese zwingend notwendige [X.] muss sich entweder - für alle Fälle - aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder - in einem Einzelfall - aus einer konkreten [X.] ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die [X.], einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die [X.] erstrecken. Die [X.] ist dann zusätzlich [X.], die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung an-hand des [X.] zu streichen (Senatsbeschluss vom 18. Juli 2007 - [X.]/07 - FamRZ 2007, 1722, 1723). b) Eine diesen Anforderungen genügende [X.] im Büro des Klägervertreters ist nicht dargetan worden. 13 aa) Dass durch allgemeine Kanzleianweisungen vorgeschrieben ist, bei der Übermittlung einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegründungsschrift per Telefax nicht nur die Versendung an den richtigen Empfänger zu prüfen, son-dern auch die Vollständigkeit der Übermittlung einer Kontrolle zu unterziehen, ergibt sich aus dem Vorbringen der Klägerin nicht. Danach sind zwar nahezu sämtliche Arbeitsvorgänge, insbesondere die der Rechtsanwaltsfachangestell-ten, in einem Qualitätshandbuch niedergeschrieben; die Einhaltung der so vor-gegebenen Vorgänge wird auch regelmäßig überprüft. Der in Kopie vorgelegte Auszug aus dem Qualitätshandbuch sieht für die [X.] der [X.] durch Telefax allerdings nur vor, dass die Fachsekretärin einen Sendebe-14 - 7 - richt ausdrucken lässt und diesen auf die Richtigkeit des Adressaten und der Faxnummer überprüft. Der weitere Vortrag, Frau M. sei angewiesen, die Über-mittlung der [X.] durch Fax besonders zu überprüfen, lässt nicht erkennen, welche konkreten, allgemeingültigen Vorgaben insofern gemacht worden sind, insbesondere dass und in welcher Weise diese über die Anweisungen des [X.] hinausgehen. Solche waren hinsichtlich der Überprüfung der Übermittlung auf Vollständigkeit in besonderer Weise erforderlich, weil die Vor-gaben des [X.] in diesem Punkt lückenhaft waren, andererseits die Fachangestellten mit diesen Vorgaben aber gut vertraut gewesen sein [X.]. Gerade unter diesen Umständen hätte ausdrücklich darauf hingewiesen werden müssen, dass die Vorgaben des [X.] nicht ausreichen, sondern in jedem Fall zusätzlich die Vollständigkeit des Übermittlungsvorgangs zu überprüfen ist. Soweit ausgeführt wird, die besondere Überprüfung sei durch den Ausdruck eines [X.] erfolgt, diesen habe Frau M. auf die Richtig-keit des Adressaten sowie der Faxnummer und selbstverständlich auch auf die Anzahl der übermittelten Seiten überprüfen müssen, wird hieraus, ebenso we-nig wie aus dem weiteren Vorbringen, erkennbar, dass diesen Anforderungen eine allgemeine Kanzleianweisung zugrunde lag. Das Vorbringen lässt sich ebenso dahin verstehen, dass es sich auf die stillschweigend erwartete [X.] der konkreten Sache bezieht. [X.]) Eine den genannten Anforderungen genügende konkrete [X.] ist ebenfalls nicht dargetan. Es ist nämlich nicht im Einzelnen vorge-tragen, dass Frau M. im vorliegenden Fall der Auftrag erteilt worden sei, die Berufungsschrift nebst dem angefochtenen Urteil per Telefax an das Oberlan-desgericht zu übermitteln, anschließend einen Sendebericht ausdrucken zu [X.] und diesen sodann auch auf die Vollständigkeit der Übermittlung zu prüfen. 15 - 8 - c) Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, ob den Kläger-vertreter auch deshalb ein Verschulden an der Fristversäumung trifft, weil die einzelnen Schritte der Fristenkontrolle in seiner Kanzlei nicht eindeutig zuge-wiesen waren. Nach dem Vortrag zum Wiedereinsetzungsantrag ist nämlich davon auszugehen, dass der Anwalt selbst die Streichung einer Frist verfügt und es hier bei der zu diesem Zweck erfolgten Vorlage des [X.]s ver-sehentlich unterlassen hat, die Vollständigkeit der Übermittlung zu kontrollieren. Danach kann nicht ausgeschlossen werden, dass sowohl der Anwalt selbst als auch Frau M. für die Fristenkontrolle zuständig waren. Die dadurch bedingte Überschneidung von Kompetenzen eröffnet aber Fehlerquellen, weil die Gefahr besteht, dass sich im Einzelfall einer auf den anderen verlässt (vgl. Senatsbe-schluss vom 8. Juli 1992 - [X.] 55/92 - FamRZ 1993, 45). Ob auch insofern ein für die Fristversäumnis [X.] Organisationsverschulden vorliegt, kann aber dahinstehen. 16 Hahne [X.] [X.]
[X.]: [X.], Entscheidung vom 21.12.2006 - 23 F 89/06 - [X.], Entscheidung vom [X.] -

Meta

XII ZB 34/07

14.05.2008

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.05.2008, Az. XII ZB 34/07 (REWIS RS 2008, 3980)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 3980

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