Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2016, Az. StB 27/16

3. Strafsenat | REWIS RS 2016, 5737

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Gegenstand

Kriegsverbrechen gegen Personen: Verstorbener als nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person


Leitsatz

Auch ein Verstorbener gilt als nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 9 VStGB.

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftfortdauerbeschluss des [X.] vom 5. August 2016 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

1

Der Angeklagte wurde am 25. Februar 2015 aufgrund des Haftbefehls des [X.] vom 24. Februar 2015 (6120 [X.]) festgenommen und befindet si[X.]h seitdem in Untersu[X.]hungshaft. Na[X.]hdem der Senat diesen Haftbefehl dur[X.]h Bes[X.]hluss vom 28. Juli 2016 ([X.]) wegen Unverhältnismäßigkeit des weiteren Vollzugs der Untersu[X.]hungshaft auf dessen Grundlage aufgehoben hat, wird die Untersu[X.]hungshaft nunmehr aufgrund des Haftbefehls des [X.] vom 16. Juni 2016 (5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16) vollzogen.

2

Gegenstand dieses Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeklagte habe in der [X.] von September 2013 bis Anfang Februar 2014 in [X.] als mit einem Sturmgewehr des Typs [X.] bewaffnetes Mitglied des "[X.]" an Kampfhandlungen und der Verstümmelung der Lei[X.]he eines gegneris[X.]hen Kämpfers mitgewirkt sowie eine propagandistis[X.]h nutzbare Videoaufnahme dieser Verstümmelung erstellt und si[X.]h dadur[X.]h in zwei Fällen als Mitglied an einer [X.] im Ausland beteiligt, deren Zwe[X.]ke und deren Tätigkeiten darauf geri[X.]htet seien, Mord (§ 211 StGB) oder Tots[X.]hlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbre[X.]hen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen, dabei jeweils tateinheitli[X.]h die tatsä[X.]hli[X.]he Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsä[X.]hli[X.]hen Gewalt auf einer Genehmigung na[X.]h dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen beruht habe oder eine Anzeige na[X.]h § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a [X.] erstattet worden sei, sowie in einem Fall tateinheitli[X.]h damit im Zusammenhang mit einem ni[X.]htinternationalen bewaffneten Konflikt eine na[X.]h dem humanitären Völkerre[X.]ht zu s[X.]hützende Person in s[X.]hwerwiegender Weise entwürdigend und erniedrigend behandelt (strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 [X.], § 8 Abs. 1 Nr. 9 [X.], § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB).

3

Wegen des dem Haftbefehl zugrunde liegenden Vorwurfs hat der [X.] unter dem 25. Mai 2016 Anklage beim [X.] erhoben. Mit Bes[X.]hluss vom 5. August 2016 hat das [X.] die Fortdauer der Untersu[X.]hungshaft angeordnet. Dagegen hat der Angeklagte mit S[X.]hriftsatz seines Verteidigers vom 8. August 2016 Bes[X.]hwerde eingelegt.

II.

4

Die Bes[X.]hwerde ist unbegründet.

5

1. Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Taten dringend verdä[X.]htig.

6

a) Na[X.]h dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverda[X.]hts von folgendem Sa[X.]hverhalt auszugehen:

7

aa) Der "[X.] im [X.] und in [X.]" (im Folgenden: [X.]) bzw. nunmehr der "[X.]" (im Folgenden: [X.]) ist eine Organisation mit militant-fundamentalistis[X.]her islamis[X.]her Ausri[X.]htung, die es si[X.]h ursprüngli[X.]h zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen [X.] und die historis[X.]he Region "ash-Sham" - die heutigen [X.] [X.], [X.] und [X.] sowie [X.] - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" zu erri[X.]hten und dazu die s[X.]hiitis[X.]h dominierte Regierung im [X.] und das Regime des [X.] Präsidenten [X.] zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der si[X.]h ihren Ansprü[X.]hen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung sol[X.]her "Feinde" oder ihre Eins[X.]hü[X.]hterung dur[X.]h Gewaltakte sieht die [X.] als legitimes Mittel des Kampfes an.

8

Die Organisation geht zurü[X.]k auf die als "[X.] im [X.] ([X.])" bekannt gewordene, von [X.] al-Zarqawi geführte Gruppierung "[X.] fi Bilad [X.]" ("Organisation der Basis des [X.] im [X.]") und deren Vorgängerorganisationen. Na[X.]h Leistung des Treueids auf [X.] bin Laden und dessen "[X.]" ernannte [X.] im Dezember 2005 zu seinem Stellvertreter im [X.].

9

[X.] s[X.]hloss si[X.]h die [X.] mit anderen Gruppierungen unter der Da[X.]horganisation "[X.] der [X.] im [X.]" zusammen, aus der na[X.]h dem Tod [X.] im Juni 2006 der "[X.] im [X.]" ([X.]I) unter der Führung von [X.] hervorging. Na[X.]hdem dieser im Frühjahr 2010 bei einer [X.] getötet worden war, übernahm [X.] die Führung des [X.]I und griff ab dem [X.] - einem Aufruf des Anführers der [X.], [X.], folgend - in den [X.] Bürgerkrieg ein, indem er Kämpfer dorthin entsandte. Im Januar 2012 hatten si[X.]h die in [X.] agierenden, überwiegend [X.] Kämpfer unter der Führung des im [X.] kampferprobten Syrers [X.] al-Jaulani zu der terroristis[X.]hen [X.] "Jabhat an-Nusra li-Ahl ash-Sham" (im Folgenden: [X.]) zusammenges[X.]hlossen, die von [X.] als dem [X.]I unterstehende Regionalorganisation vorgesehen war. Um seinen Führungsanspru[X.]h zu dokumentieren, verkündete er im April 2013 den Zusammens[X.]hluss von [X.]I und [X.] zur Organisation "[X.] [X.] und [X.]". [X.] lehnte diesen Zusammens[X.]hluss in der Folgezeit zwar ab und betonte die Eigenständigkeit der [X.]; glei[X.]hwohl setzte si[X.]h der von [X.] befehligte [X.] mit eigenen Kämpfern in [X.] fest und erhielt als radikalere Organisation vielfa[X.]h Zulauf von [X.] anderer Organisationen, etwa der [X.]. Na[X.]hdem ein S[X.]hli[X.]htungsversu[X.]h der [X.]-Führung erfolglos geblieben war, kam es Anfang des Jahres 2014 zum Bru[X.]h [X.]s sowohl mit [X.] als au[X.]h mit der [X.], der im April 2014 mit einer öffentli[X.]hen Lossagung des [X.] vom [X.]-Netzwerk bestätigt wurde.

Dem [X.] gelang es, si[X.]h in einigen Regionen [X.] als Ordnungsma[X.]ht festzusetzen. Aus dem Kampf gegen das [X.]-Regime zog si[X.]h die Organisation in der Folge weitgehend zurü[X.]k und konzentrierte si[X.]h auf die Ma[X.]hterhaltung in den von ihr beherrs[X.]hten Gebieten. Angehörige anderer Oppositionsgruppen sowie Teile der Zivilbevölkerung, die den Herrs[X.]haftsanspru[X.]h des [X.] in Frage stellten, sahen si[X.]h Verhaftung, Folter und Hinri[X.]htung ausgesetzt. Im August 2013 kam es bei Operationen mehrerer Gruppen in der [X.] unter der Führung des [X.] zu Massakern unter der regierungstreuen alawitis[X.]hen Zivilbevölkerung, denen 190 Mens[X.]hen zum Opfer fielen; weitere [X.]a. 200 wurden entführt. Unter den [X.] Oppositionsgruppen ist die Organisation wegen des von ihr einges[X.]hlagenen Weges zwis[X.]henzeitli[X.]h isoliert; teils im offenen Kampf gegen den [X.] haben andere Gruppierungen in einigen Regionen wieder die Oberhand gewonnen. Au[X.]h [X.] distanzierte si[X.]h Mitte Mai 2014 ausdrü[X.]kli[X.]h vom Vorgehen des [X.].

Wegen der Parteinahme der [X.] "[X.]" für das [X.]-Regime verübte der [X.] ferner am 2. Januar 2014 einen Bombenans[X.]hlag in einem s[X.]hiitis[X.]hen Wohngebiet von [X.], der vier Mens[X.]hen tötete und 77 verletzte. Daneben kam es zu weiteren Aktionen im [X.], so zu dem Überfall auf die Gefängnisse in [X.] und [X.] am 22. Juli 2013 sowie einem Selbstmordans[X.]hlag in [X.] am 29. September 2013 mit jeweils mehreren Todesopfern.

In der Folge verlagerte der [X.] seine Aktivitäten zunehmend in den [X.], wo es ihm Anfang Juni 2014 u.a. gelang, die Stadt [X.] unter seine Gewalt zu bringen.

Die Führung des [X.] bestand aus [X.], dem "Minister" als Verantwortli[X.]he für einzelne Berei[X.]he unterstellt waren, so ein "[X.]" und ein "Propagandaminister". Der Führungsebene zugeordnet waren beratende "[X.]" sowie "Geri[X.]hte", die über die Einhaltung der Regeln der Sharia wa[X.]hten. Veröffentli[X.]hungen wurden in der Medienabteilung "[X.]" produziert und über die Medienstelle "al-I'tisam" verbreitet. Das au[X.]h von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der [X.] bestand aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Ins[X.]hrift: "[X.] - [X.] - [X.]", auf s[X.]hwarzem Grund, übers[X.]hrieben mit dem [X.] Glaubensbekenntnis. Die etwa 10.000 Kämpfer - im [X.] sunnitis[X.]he Teile der ehemaligen [X.] von [X.] - waren dem "[X.]" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Im Juni 2014 rief der offizielle Spre[X.]her des [X.] das "Kalifat" aus und erklärte [X.] zum "Kalifen", dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Zuglei[X.]h wurde die Umbenennung des [X.] in "[X.]" ([X.]) verkündet. Dadur[X.]h verdeutli[X.]hte die [X.] - bei Beibehaltung der bisherigen ideologis[X.]hen Ausri[X.]htung - eine Abkehr von der regionalen Selbstbes[X.]hränkung auf ein "[X.]" und erhob einen Führungs- und Herrs[X.]haftsanspru[X.]h in Bezug auf das gesamte "[X.]". Zuglei[X.]h eingeleitete organisatoris[X.]he Veränderungen, so die Bildung von "Räten" für [X.], die Einteilung der besetzten Gebiete in [X.] und die Einri[X.]htung eines [X.] zielen auf die S[X.]haffung totalitärer staatli[X.]her Strukturen.

bb) Der Angeklagte ließ si[X.]h am 17. September 2013 beim [X.] als Kämpfer registrieren. Er gliederte si[X.]h von diesem Tag an bis Anfang Februar 2014 zwe[X.]ks Erfüllung einer vermeintli[X.]hen religiösen Pfli[X.]ht in Kenntnis und Billigung der Ziele und Vorgehensweisen des [X.] wissentli[X.]h und willentli[X.]h in die Organisation sowie deren Weisungshierar[X.]hie ein und ordnete si[X.]h dem Willen der Führung des [X.] unter. Er beteiligte si[X.]h fortlaufend - zum Beispiel am 10. Oktober sowie am 6., 7. und 8. November 2013 - an bewaffneten Kämpfen des [X.]. Er war dabei mit einem Sturmgewehr vom Typ [X.] ausgerüstet und in einen Kampfverbund von mindestens fünf Personen eingebunden, der si[X.]h in die vorderste Reihe der Kampflinien begab, von denen si[X.]h jedenfalls eine im November 2013 nahe [X.] befand.

Am 7. November 2013 rü[X.]kte die Einheit des [X.], der au[X.]h der Angeklagte angehörte, gegen 6.10 Uhr in eine von gegneris[X.]hen Kämpfern aufgegebene Stellung ein, die si[X.]h an einem ni[X.]ht näher bekannten Ort in der Gegend von [X.] befand. Der Angeklagte und seine Mitkämpfer su[X.]hten dort zunä[X.]hst na[X.]h verwertbaren Gegenständen wie Waffen und Proviant. Gegen 6.55 Uhr traten sie aufgrund eines gemeinsam gefassten Ents[X.]hlusses an den auf der [X.] liegenden Lei[X.]hnam eines entweder im Kampf gefallenen oder in Gefangens[X.]haft ermordeten gegneris[X.]hen Kämpfers heran, um diesen zu misshandeln und zu s[X.]hmähen. Während der Angeklagte das Ges[X.]hehen mit seinem Mobiltelefon filmte, s[X.]hnitt ein Mitkämpfer dem Getöteten mithilfe eines Messers beide Ohren und die Nase ab.

Der Angeklagte begleitete diese Handlungen dur[X.]h Ausrufe wie "jetzt s[X.]hneiden wir ihm Ohren ab", "ab die Nase", "in die Hölle, in die Hölle ... [X.]u Akbar ... [X.]u Akbar" sowie dur[X.]h höhnis[X.]hes La[X.]hen. Mit den Worten "mögest du in der Hölle s[X.]hmoren, du Hurensohn!" versetzte der Angeklagte dem Getöteten sodann einen Tritt in das entstellte Gesi[X.]ht. Dana[X.]h s[X.]hwenkte er die Aufnahme auf sein eigenes Gesi[X.]ht und spra[X.]h mit erhobenem Zeigefinger das muslimis[X.]he Glaubensbekenntnis. Ans[X.]hließend forderte er einen ni[X.]ht näher identifizierten, mit einem Sturmgewehr bewaffneten Milizionär seiner Einheit mit den Worten "Kuffar! Ma[X.]h jetzt, im Namen [X.]s!" auf, dem Getöteten in den Kopf zu s[X.]hießen, was der Mitkämpfer au[X.]h tat. Dur[X.]h den Austritt des Ges[X.]hosses wurde ein Stü[X.]k des S[X.]hädels des Lei[X.]hnams weggesprengt. Der Angeklagte filmte die ausgetretene Gehirnmasse in Nahaufnahme und kommentierte dies mit den Worten "[X.] sei Dank". Dabei kam es dem Angeklagten und seinen Mitkämpfern darauf an, den Getöteten, den sie als "Ungläubigen" ansahen, zu verhöhnen und in seiner Totenehre herabzuwürdigen, wobei der Angeklagte die Erniedrigung dur[X.]h die Filmaufnahmen bewusst und gewollt vertiefte.

b) Der dringende Tatverda[X.]ht beruht im Hinbli[X.]k auf die terroristis[X.]he [X.] [X.] bzw. [X.] auf den diesbezügli[X.]hen Auswerteberi[X.]hten des [X.] und Guta[X.]hten des Sa[X.]hverständigen Dr. S.    .

Der dringende Verda[X.]ht, dass si[X.]h der Angeklagte beim [X.] als Kämpfer registrieren ließ und si[X.]h ans[X.]hließend - bewaffnet mit einem Sturmgewehr des Typs [X.] - an Kampfhandlungen der Organisation beteiligte, ergibt si[X.]h aus Vermerken des [X.], wona[X.]h diesem am 25. Februar 2016 insgesamt 50 Personalbögen übergeben wurden, die na[X.]h den bislang vorliegenden Erkenntnissen von der "[X.]" des [X.] ausgestellt wurden und Registrierungsdaten von Personen enthalten, die zum [X.] na[X.]h [X.] gereist sind; auf einem der Personalbögen befinden si[X.]h Daten, die dem Angeklagten zuzuordnen sind. Außerdem übermittelten die [X.] Ermittlungsbehörden Li[X.]htbilder, die den mit einem Hemd bekleideten Angeklagten zeigen, auf dessen linken Ärmel ein Emblem aufgenäht ist, das den Ausführungen des Islamwissens[X.]haftlers S[X.]h.  zufolge den [X.] Namenszug des [X.] zeigt. Die Teilnahme des Angeklagten an den Kampfhandlungen sowie an der Lei[X.]hens[X.]händung wird überdies dur[X.]h diverse Videoaufnahmen belegt, die auf dem Mobilfunkgerät des Angeklagten gesi[X.]hert wurden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Ausführungen in dem Haftbefehl sowie der Anklages[X.]hrift und die dort in Bezug genommenen Beweismittel verwiesen.

[X.]) Dana[X.]h hat si[X.]h der Angeklagte mit hoher Wahrs[X.]heinli[X.]hkeit in zwei Fällen als Mitglied an einer [X.] im Ausland beteiligt, deren Zwe[X.]ke und deren Tätigkeiten darauf geri[X.]htet sind, Mord (§ 211 StGB) oder Tots[X.]hlag (§ 212 StGB) oder Kriegsverbre[X.]hen (§§ 8, 9, 10, 11 oder 12 [X.]) zu begehen, und dabei jeweils tateinheitli[X.]h die tatsä[X.]hli[X.]he Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsä[X.]hli[X.]hen Gewalt auf einer Genehmigung na[X.]h dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen beruhte oder eine Anzeige na[X.]h § 12 Abs. 6 Nr. 1 oder § 26a [X.] erstattet worden war, sowie in einem Fall tateinheitli[X.]h damit im Zusammenhang mit einem ni[X.]htinternationalen bewaffneten Konflikt eine na[X.]h dem humanitären Völkerre[X.]ht zu s[X.]hützende Person in s[X.]hwerwiegender Weise entwürdigend und erniedrigend behandelt, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Sätze 1 und 2 StGB, § 22a Abs. 1 Nr. 6 [X.], § 8 Abs. 1 Nr. 9 [X.], § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB.

Die na[X.]h § 8 Abs. 1 Nr. 9 [X.] strafbewehrte s[X.]hwerwiegende entwürdigende oder erniedrigende Behandlung einer na[X.]h dem humanitären Völkerre[X.]ht zu s[X.]hützenden Person - wozu gemäß § 8 Abs. 6 Nr. 3 [X.] insbesondere Angehörige der [X.] und Kämpfer der gegneris[X.]hen Partei zählen, wel[X.]he die Waffen gestre[X.]kt haben oder in sonstiger Weise wehrlos sind - erfasst au[X.]h Verstorbene; die Vors[X.]hrift dient insoweit au[X.]h dem S[X.]hutz der Totenehre bzw. der über den Tod hinaus fortwirkenden Würde des Mens[X.]hen ([X.], Völkerstrafre[X.]ht, 4. Aufl., Rn. 1238; MüKoStGB/[X.]/[X.], 2. Aufl., § 8 [X.] Rn. 204). Das ergibt si[X.]h aus dem Sinn und Zwe[X.]k der Norm. Der Gesetzgeber wollte mit dem [X.] die Strafvors[X.]hriften des [X.] ([X.]tGH-Statut) umsetzen und si[X.]herstellen, dass [X.] stets in der Lage ist, die in die Zuständigkeit des [X.] ([X.]tGH) fallenden Verbre[X.]hen selbst zu verfolgen, weshalb die dur[X.]h das [X.] normierte Strafbarkeit gegenüber derjenigen na[X.]h dem [X.]tGH-Statut teilweise sogar bewusst ausgedehnt wurde (BT-Dru[X.]ks. 14/8524, [X.]). § 8 Abs. 1 Nr. 9 [X.] orientiert si[X.]h an Art. 8 Abs. 2 Bu[X.]hst. b ([X.]) und Bu[X.]hst. [X.] (ii) [X.]tGH-Statut (BT-Dru[X.]ks. 14/8524, [X.]), wona[X.]h die entwürdigende und erniedrigende Behandlung in internationalen und ni[X.]htinternationalen bewaffneten Konflikten als Kriegsverbre[X.]hen erfasst wird. Zur Auslegung dieser Norm dienen gemäß Art. 9 Abs. 1 [X.]tGH-Statut die sog. Verbre[X.]henselemente. Darin ist im Hinbli[X.]k auf die Elemente, die Art. 8 Abs. 2 Bu[X.]hst. b ([X.]) und Bu[X.]hst. [X.] (ii) [X.]tGH-Statut betreffen, jeweils in einer Fußnote ausgeführt, dass au[X.]h Tote erfasst sind (Verbre[X.]henselemente zu Art. 8 Abs. 2 Bu[X.]hst. b ([X.]), Ziffer 1 [X.]. 49; zu Art. 8 Abs. 2 Bu[X.]hst. [X.] (ii), Ziffer 1 [X.]. 57). Glei[X.]hermaßen ist dementspre[X.]hend au[X.]h § 8 Abs. 1 Nr. 9 [X.] zu verstehen (vgl. zu allem [X.], aaO Rn. 1236, 1238).

Deuts[X.]hes Strafre[X.]ht ist anwendbar. Das folgt hinsi[X.]htli[X.]h der Mitglieds[X.]haft des Angeklagten in einer terroristis[X.]hen [X.] im Ausland entweder unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 StGB (vgl. [X.], Bes[X.]hluss vom 31. Juli 2009 - StB 34/09, [X.]R StGB § 129b Anwendbarkeit 1) oder - ebenso wie im Hinbli[X.]k auf den Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 [X.] - aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, weil der Angeklagte Deuts[X.]her ist und das Gebiet, in dem er si[X.]h als Mitglied des [X.] bzw. [X.] bei den Kampfhandlungen beteiligte, effektiv keiner staatli[X.]hen Strafgewalt unterlag. Im Übrigen sind Personenzusammens[X.]hlüsse, die si[X.]h terroristis[X.]her Akte bedienen, um die grundlegende Gesells[X.]haftsordnung zu ändern, gemäß Art. 304 bis 306 des [X.] Strafgesetzbu[X.]hes und das Tragen bzw. der Besitz von S[X.]husswaffen ohne Waffens[X.]hein na[X.]h den §§ 39, 41 des [X.] [X.] [X.] vom 24. September 2001 am Tatort ebenfalls mit Strafe bedroht. Die Anwendbarkeit des § 8 Abs. 1 Nr. 9 [X.] ergibt si[X.]h aus § 1 [X.].

Die na[X.]h § 129b Abs. 1 Sätze 2 und 3 StGB erforderli[X.]he Ermä[X.]htigung zur strafre[X.]htli[X.]hen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern des [X.] bzw. [X.] liegt vor.

2. Es bestehen die Haftgründe der Flu[X.]htgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.]) und der S[X.]hwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 [X.]).

a) Der Angeklagte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer hohen Freiheitsstrafe zu re[X.]hnen. Dem davon ausgehenden Flu[X.]htanreiz stehen keine hinrei[X.]henden flu[X.]hthindernden Umstände entgegen. Insbesondere sind die persönli[X.]hen und familiären Bindungen des Angeklagten ni[X.]ht geeignet, den Flu[X.]htanreiz zu relativieren. Sie haben ihn ni[X.]ht davon abgehalten, s[X.]hon einmal na[X.]h [X.] zu reisen, um si[X.]h dem [X.] anzus[X.]hließen. Au[X.]h seine Ehefrau na[X.]h islamis[X.]hem Ritus,       [X.], und seine Kinder waren bereits aus [X.] ausgereist. Zudem ist ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h, dass der Angeklagte seine religiös-fanatis[X.]he Motivation, die seiner mitglieds[X.]haftli[X.]hen Beteiligung am [X.] zugrunde lag, aufgegeben hat. In Anbetra[X.]ht dessen ist zu erwarten, dass si[X.]h der Angeklagte, sollte er in Freiheit gelangen, dem Strafverfahren entziehen wird (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 [X.]).

b) Jedenfalls begründen die genannten Umstände entgegen der Ansi[X.]ht des Bes[X.]hwerdeführers die Gefahr, dass die Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung des Angeklagten vereitelt werden könnte, so dass die Fortdauer der Untersu[X.]hungshaft au[X.]h bei der gebotenen restriktiven Auslegung der Vors[X.]hrift (vgl. [X.]/[X.], [X.], 59. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) auf den Haftgrund der S[X.]hwerkriminalität gemäß § 112 Abs. 3 [X.] gestützt werden kann.

[X.]) Weniger eins[X.]hneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 [X.] sind aus den oben genannten Gründen ni[X.]ht erfolgverspre[X.]hend.

3. S[X.]hließli[X.]h steht die Fortdauer der Untersu[X.]hungshaft entgegen der Ansi[X.]ht des Bes[X.]hwerdeführers au[X.]h unter Berü[X.]ksi[X.]htigung der bereits vollzogenen Untersu[X.]hungshaft sowie der in der [X.] erlittenen Freiheitsentziehung ni[X.]ht außer Verhältnis zu der S[X.]hwere der dem Angeklagten zur Last gelegten Taten und der im Falle der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Daraus, dass der Senat den der Untersu[X.]hungshaft ursprüngli[X.]h zugrunde liegenden Haftbefehl des [X.] vom 24. Februar 2015 dur[X.]h Bes[X.]hluss vom 28. Juli 2016 unter diesem Gesi[X.]htspunkt aufgehoben hat, ergibt si[X.]h ni[X.]hts anderes. Gegenstand dieses Haftbefehls war der Vorwurf, der Angeklagte habe si[X.]h in der [X.] von Oktober 2013 bis zum 9. Februar 2014 ein Mas[X.]hinengewehr des Typs [X.], Handgranaten sowie eine mit Ammonium- und Kaliumnitrat gefüllte Rohrbombe vers[X.]hafft, um si[X.]h an den Kampfhandlungen islamistis[X.]her Gruppierungen gegen das [X.]-Regime zu beteiligen, und die Rohrbombe am 9. Februar 2014 an        [X.] übergeben, die no[X.]h am selben Tage mit der Sprengvorri[X.]htung im Gepä[X.]k na[X.]h [X.] habe zurü[X.]kfliegen wollen, und dadur[X.]h eine gegen das Leben geri[X.]htete (§ 211 StGB) s[X.]hwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, die na[X.]h den Umständen bestimmt und geeignet gewesen sei, die Si[X.]herheit eines Staates zu beeinträ[X.]htigen, indem er si[X.]h eine S[X.]husswaffe und eine Sprengvorri[X.]htung vers[X.]haffte (§ 89a Abs. 1 und 2 Nr. 2 StGB), tateinheitli[X.]h damit über Kriegswaffen die tatsä[X.]hli[X.]he Gewalt ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsä[X.]hli[X.]hen Gewalt auf einer Genehmigung na[X.]h dem [X.] beruht habe (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 Bu[X.]hst. a [X.]), sowie entgegen § 2 Abs. 3 [X.] i.V.m. [X.]. 2 Abs[X.]hnitt 1 Nr. 1.3.4 einen Gegenstand besessen, in dem unter Verwendung explosionsgefährli[X.]her Stoffe eine Explosion ausgelöst werden könne (§ 52 Abs. 1 Nr. 1 [X.]). Demgegenüber wiegen die dem Haftbefehl des [X.] vom 16. Juni 2016 zugrunde liegenden Tatvorwürfe, wona[X.]h si[X.]h der Angeklagte über einen längeren [X.]raum an Kampfhandlungen sowie an einer Lei[X.]hens[X.]händung beteiligte, deutli[X.]h s[X.]hwerer.

Der Einwand des Bes[X.]hwerdeführers, dass das Verfahren insoweit zögerli[X.]h betrieben worden sei, geht fehl. Die nunmehr gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe beruhen auf der Auswertung von Beweismitteln, die den Ermittlungsbehörden erst seit Februar 2016 zur Verfügung standen. Der [X.] hat insoweit bereits unter dem 25. Mai 2016 Anklage erhoben, die der 5. Strafsenat des [X.] am 14. Juli 2016 zur Hauptverhandlung zugelassen hat; die Hauptverhandlung vor dem [X.] hat am 22. August 2016 begonnen. In Anbetra[X.]ht dessen kann von einem Verstoß gegen das Bes[X.]hleunigungsgebot keine Rede sein.

[X.]                      Tiemann

Meta

StB 27/16

08.09.2016

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: False

vorgehend OLG Frankfurt, 5. August 2016, Az: 5 - 3 StE 4/16 - 4 - 3/16

§ 8 Abs 1 Nr 9 VStGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2016, Az. StB 27/16 (REWIS RS 2016, 5737)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5737

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