Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 01.03.2022, Az. 9 AZB 25/21

9. Senat | REWIS RS 2022, 942

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Gegenstand

Rechtsweg - Corona-Prämie


Leitsatz

Für Rechtsstreitigkeiten zwischen zugelassenen Pflegeeinrichtungen und deren Arbeitnehmern über die Berechnung und Höhe des Bundesanteils der Corona-Prämie nach § 150a Abs. 1 Satz 1 SGB XI ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des [X.] vom 9. Juli 2021 - 3 Ta 18/21 - aufgehoben.

2. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des [X.] vom 23. April 2021 - 4 Ca 1316/20 - abgeändert:

Der Rechtsstreit wird an das zuständige [X.] verwiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen und in der Hauptsache über die [X.]erechnung und Höhe der dem Kläger nach [X.]- und [X.]recht zustehenden [X.]n.

2

Der Kläger ist bei dem beklagten Verein seit 2010 in der Einrichtung „W“ als Pflegefachkraft mit 90 % der durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Mitarbeiters beschäftigt. Der [X.]eklagte hat an den Kläger im Jahr 2020 insgesamt 549,09 [X.] als „[X.]“ und 274,41 [X.] als „[X.]“ ausgezahlt.

3

Die Auszahlung der „[X.]prämie“ erfolgt auf der Grundlage einer im [X.] geltenden „Verwaltungsvereinbarung zur Umsetzung des [X.] zur Erhöhung der [X.] nach § 150a Abs. 9 [X.]“ idF der „Ergänzung der Verwaltungsvereinbarung vom 22. Juni 2020“ vom 1. Juli 2020 (im Folgenden [X.]). In der Präambel [X.] heißt es ua.:

        

„1. Das Land wird die unter § 150a Abs. 2 und 3 SG[X.] XI genannten [X.]eträge für die einmalige Sonderleistung zum Zweck der Wertschätzung der [X.]eschäftigten zugelassener Pflegeeinrichtungen für die besonderen Anforderungen während der [X.] (Corona-Prämie) auf die in § 150a Abs. 9 SG[X.] XI genannten Höchstbeträge aus [X.]mitteln aufstocken („[X.]prämie“). Die der Aufstockung zugrundeliegenden [X.]eträge nach § 150a Abs. 2 und 3 SG[X.] XI werden aus Mitteln der [X.] finanziert.

        

…       

        

3. Es besteht Konsens, dass die Detailregelungen und das Verfahren einschließlich der Fristen, die für die „Grundprämie“ in § 150a Abs. 1 - 8 SG[X.] XI geregelt sind, sowie der Festlegungen des [X.], entsprechend auf die Auszahlung der Aufstockung nach Ziffer 1 zum Tragen kommen sollen.“

4

[X.]ereits im August 2020 hatte der Kläger den [X.]eklagten aufgefordert, an ihn insgesamt 1.500,00 [X.] als [X.] zu zahlen und entsprechende Nachzahlungen zu leisten. Dies lehnte der [X.]eklagte mit Schreiben vom 3. August 2020 ab, in dem es ua. heißt:

        

„…    

        

Die Einrichtung W ist eine Einrichtung, die Pflegeheim und Eingliederungshilfeeinrichtung (SG[X.] IX; SG[X.] XI § 43a) vorhält. Die [X.]ewohner erhalten daher Leistungen entsprechend SG[X.] IX und entsprechend SG[X.] XI. Somit wird das [X.] (bzw. jeder einzelne Mitarbeiter) anteilig in Personal für die Pflege und Personal für die Eingliederungshilfe aufgeteilt. Die Mitarbeiter arbeiten so 56 % in der Pflege und 44 % in der Eingliederungshilfe. Diese Aufteilung ist [X.]estandteil der Leistungsvereinbarung der Einrichtung und ist Grundlage für die Prüfungen der Heimaufsicht.

        

Da die Eingliederungshilfe [X.] Prämie erhält, konnte zur [X.]emessung der Prämie nur der Anteil für die Pflege, sprich 56 %, herangezogen werden. Daher ergibt sich die Minderung der [X.]eträge. Wir bedauern dies als Träger ausdrücklich, sind aber verpflichtet die gesetzlichen Rahmenbedingungen einzuhalten.

        

…“    

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stünden der [X.]- und [X.]anteil der [X.] in voller Höhe von zusammengerechnet 1.500,00 [X.] zu, weil er als Pflegefachkraft eingestellt worden sei und wöchentlich mehr als 35 Stunden gearbeitet habe. Sollte der [X.]eklagte ihn prämienmindernd mit Aufgaben außerhalb des [X.] einer Pflegefachkraft beschäftigt haben, resultiere der von ihm geltend gemachte Anspruch jedenfalls aus dessen Organisationsverschulden.

6

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

den [X.]eklagten zu verurteilen, gegenüber dem Kläger die Corona-Prämie iHv. 676,50 [X.] netto nachzuzahlen nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen [X.]asiszinssatz auf 744,00 [X.] seit dem 12. August 2020 und 67,05 [X.] in der [X.] vom 12. August 2020 bis zum 27. Januar 2021 zu zahlen.

7

Hilfsweise wird beantragt,

        

den [X.]eklagten zu verurteilen, an den Kläger die Corona-Prämie iHv. 450,91 [X.] netto als Leistung des [X.] und 225,59 [X.] netto als Leistung des [X.] nachzuzahlen.

8

Der [X.]eklagte hat die Auffassung vertreten, dem Kläger stünden die [X.] und die [X.]prämie nur in anteiliger Höhe zu, weil er in einer sogenannten „Komplexeinrichtung Eingliederungshilfe und Pflege“ beschäftigt sei und nur teilweise Arbeitsleistungen iSd. [X.] erbracht habe, im Übrigen aber solche iSd. [X.], die nicht prämienfähig seien. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei nicht eröffnet. Der Rechtsstreit sei an das [X.] zu verweisen. Es handele sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der [X.] Pflegeversicherung. Auch für den Streit über die [X.]prämie seien die Sozialgerichte zuständig, weil für die [X.]erechnungs- und Verfahrensmodalitäten allein die sozialrechtlichen [X.]estimmungen maßgeblich seien.

9

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig erklärt. Das [X.]arbeitsgericht hat die sofortige [X.]eschwerde des [X.]eklagten zurückgewiesen. Mit der vom [X.]arbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der [X.]eklagte weiterhin die Verweisung des Rechtsstreits an das [X.].

II. Die nach § 17a Abs. 4 Satz 4 [X.] statthafte und auch im Übrigen nach § 78 ArbGG, §§ 574 ff. ZPO zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Das [X.]arbeitsgericht hat die sofortige [X.]eschwerde des [X.]eklagten gegen den [X.]eschluss des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Für den Rechtstreit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet.

1. Das [X.]arbeitsgericht hat angenommen der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei eröffnet. Es handele sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.]uchst. a ArbGG. § 150a Abs. 1 [X.] begründe einen originären und unmittelbaren Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, der das [X.]estehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetze und unmittelbar an die Erbringung der Arbeitsleistung anknüpfe. Gleiches gelte für den Streit über den [X.]anteil Mecklenburg-Vorpommern, denn Ziff. 3. [X.] regele, dass die Auszahlung der [X.]prämie nach § 150a Abs. 1 bis Abs. 8 [X.] zu erfolgen habe.

2. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist entgegen der Annahme der Vorinstanzen nicht eröffnet. Zwischen den Parteien besteht keine [X.], sondern eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Aus diesem Grund kommt eine Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen weder nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 [X.]uchst. a ArbGG noch - wie zum Teil vertreten wird - nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 [X.]uchst. a ArbGG in [X.]etracht (ebenso vgl. [X.] NJW 2020, 1911, 1916; [X.] 23. April 2021 - 3 Ta 10/21 - Rn. 18 - 24; [X.]/[X.] 2021, 107, 108; vgl. auch auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 [X.]uchst. a ArbGG abstellend [X.] 30. Juli 2021 - 4 Ta 178/21 - Rn. 14, 17 ff.).

a) Nach § 2 Abs. 1 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen allein für „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ zuständig. Ob eine Streitigkeit [X.]r oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der [X.] abgeleitet wird ([X.] 10. April 1986 - [X.] 1/85 - zu III 1 der Gründe, [X.]GHZ 97, 312; [X.] 19. August 2008 - 5 [X.] - Rn. 6). Eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit kann nicht nur bestehen, wenn die [X.]eteiligten zueinander in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung stehen, sondern auch dann, wenn sie sich in einem [X.] gegenüberstehen (vgl. [X.] 1. August 2017 - 9 [X.] - Rn. 9, [X.]E 160, 22; 22. November 2016 - 9 [X.] - Rn. 9 mwN). Maßgeblich ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird ([X.] 7. Mai 2013 - 10 [X.] - Rn. 7; 5. Oktober 2005 - 5 [X.] - Rn. 13, [X.]E 116, 131). Nicht entscheidend ist, ob sich die klagende Partei auf eine zivilrechtliche oder öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlage beruft (vgl. [X.] 21. Juli 2021 - 9 [X.] - Rn. 12 mwN; 16. Februar 2000 - 5 [X.] - zu II 2 a der Gründe, [X.]E 93, 310; [X.]VerwG 26. März 2018 - 7 [X.] 8.17 - Rn. 5).

b) Das Rechtsverhältnis, aus dem der Kläger die geltend gemachten Ansprüche ableitet, ist ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur. Der Kläger nimmt den [X.]eklagten mit der von ihm erhobenen allgemeinen Leistungsklage, die auf die Auszahlung eines erhöhten [X.]- und [X.] der [X.] gerichtet ist, auf die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten in Anspruch, die dem [X.]eklagten mit § 150a Abs. 1 Satz 1 [X.] und Ziff. 1 [X.] iVm. § 150a Abs. 9 Satz 1 [X.] auferlegt sind. Der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt und die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge wird ausschließlich durch Rechtssätze des öffentlichen Rechts geprägt, die die Auslegung und Anwendung der vorgenannten öffentlich-rechtlichen [X.]estimmungen betreffen. Es besteht kein Rechtssatz des bürgerlichen Rechts, der die Frage beantworten könnte, wie die [X.] und die [X.]prämie bei Arbeitnehmern zu berechnen ist, die in einer „Komplexeinrichtung Eingliederungshilfe und Pflege“ beschäftigt sind.

aa) Der Gesetzgeber hat mit der „obligatorischen“ [X.] nach § 150a Abs. 1 Satz 1 [X.] einen öffentlich-rechtlicher Zahlungsanspruch geregelt. [X.]ei der Prämie handelt es sich um eine Sonderleistung aus Mitteln der [X.] Pflegeversicherung, die - soweit vorliegend von [X.]edeutung - den in zugelassenen Pflegeeinrichtungen beschäftigten Arbeitnehmern, die in dem [X.]raum vom 1. März 2020 bis einschließlich zum 31. Oktober 2020 ([X.]emessungszeitraum) mindestens drei Monate in einer zugelassenen oder für eine zugelassene Pflegeeinrichtung tätig waren und Leistungen nach dem [X.] erbracht haben (§ 150a Abs. 2 Satz 1 [X.]), „zum Zweck der Wertschätzung für die besonderen Anforderungen während der Coronavirus-SARS-CoV-2-Pandemie“ gewährt wird. Dem öffentlich-rechtlicher Charakter des Anspruchs steht nicht entgegen, dass § 150a Abs. 1 [X.] den Arbeitgeber als zur Auszahlung der [X.] Verpflichteten bestimmt und der Anspruch der Arbeitnehmer nach Maßgabe des § 150a Abs. 4 bis 6 [X.] grundsätzlich an die tatsächliche Ausübung einer pflegerischen Tätigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses gebunden ist.

(1) Der Anspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung der „obligatorischen“ [X.] durch den Arbeitgeber knüpft zwar hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen an das Arbeitsverhältnis an, er hat seine Grundlage jedoch nicht in der Vertragsbeziehung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sondern in den durch § 150a Abs. 1 [X.] begründeten Leistungspflichten der [X.] Pflegeversicherung und den dem Arbeitgeber in diesem Zusammenhang auferlegten öffentlich-rechtlichen Pflichten. Der Arbeitgeber erfüllt mit der Auszahlung der „obligatorischen“ [X.] weder eine auf den arbeitsvertraglichen Abreden beruhende, im arbeitsvertraglichen [X.] stehende Leistungspflicht noch eine Zahlungspflicht, die ihm als selbst zu erbringende Arbeitgeberleistung - z[X.] aus sozialstaatlichen Gründen (vgl. zum Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 EFZG MüKo[X.]G[X.]/Müller-Glöge 8. Aufl. EFZG § 3 Rn. 1) oder zur Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer (vgl. zum Anspruch bezahlten Erholungsurlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 [X.]UrlG [X.] 19. Februar 2019 - 9 [X.] - Rn. 25, [X.]E 165, 376) - auferlegt ist. Der Arbeitgeber fungiert allein als von der [X.] Pflegeversicherung in Dienst genommener Zahlstelle, denn er hat die [X.] nach § 150a Abs. 7 Satz 1 und Abs. 8 Satz 1 [X.] nicht aus eigenen Mitteln zu bestreiten, sondern lediglich nach der Vorauszahlung durch die [X.] Pflegeversicherung unverzüglich an die Arbeitnehmer durch deren Auszahlung weiterzuleiten (vgl. [X.] NJW 2020, 1911, 1916; [X.], 23. April 2021 - 3 Ta 10/21 - Rn. 18 - 24; [X.]/[X.] 2021, 107, 108; vgl. auch auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 [X.]uchst. a ArbGG abstellend [X.] 30. Juli 2021 - 4 Ta 178/21 - Rn. 14, 17 ff.).

(2) Die öffentlich-rechtliche Natur des Anspruchs aus § 150a Abs. 1 Satz 1 [X.] wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass sich der zur Auszahlung der Prämie verpflichtete Arbeitgeber und der Arbeitnehmer als Leistungsempfänger gleichrangig und nicht in einem hoheitlichen Verhältnis der Über- und Unterordnung gegenüberstehen. Eine gleichgeordnete [X.]eziehung zwischen dem [X.]erechtigten und dem Verpflichteten ist dem Recht der Sozialversicherung nicht fremd (vgl. zum Arbeitgeberzuschuss zur privaten Krankenversicherung Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des [X.] 4. Juni 1974 - [X.] 2/73 -, [X.] 37, 292; [X.] 19. August 2008 - 5 [X.] - Rn. 16).

(3) Der Annahme einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers steht auch nicht entgegen, dass die in § 150a Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelte Auszahlungspflicht, wie die mit ihr verbundenen Anzeige- und Meldepflichten des Arbeitgebers nach § 150a Abs. 7 Satz 7 und Satz 8 [X.] auf § 242 [X.]G[X.] beruhende Nebenpflichten des Arbeitgebers begründen können (vgl. zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Gewährung von Kurzarbeitergeld vgl. [X.] 19. März 1992 - 8 [X.] - zu I der Gründe, [X.]E 70, 71). Diese arbeitsrechtlichen Nebenpflichten werden inhaltlich durch Regelungen des [X.] geprägt und ausgestaltet und nicht durch arbeitsrechtliche Vorschriften (vgl. zu den sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten des Arbeitgebers gegenüber der Krankenkasse [X.] 5. Oktober 2005 - 5 [X.] - Rn. 17, [X.]E 116, 131; zur [X.]erichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung [X.] 7. Mai 2013 - 10 [X.] - Rn. 12; 11. Juni 2003 - 5 [X.] - zu II 3 der Gründe, [X.]E 106, 269).

bb) [X.]ei dem Anspruch auf Auszahlung der „[X.]prämie“ handelt es sich ebenfalls um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch. Das [X.] hat sich unter Ausschöpfung des den Ländern durch § 150a Abs. 9 Satz 1 [X.] eingeräumten Gestaltungsspielraums mit Ziff. 1 [X.] zu einer freiwilligen staatlichen Leistung aus Mitteln des [X.]haushalts verpflichtet. Für die [X.]prämie gelten nach Ziff. 3 [X.] die in § 150a Abs. 1 bis Abs. 8 [X.] festgelegten [X.]erechnungs- und Verfahrensmodalitäten. Der Arbeitgeber erfüllt dementsprechend im Zusammenhang mit der Auszahlung der „[X.]prämie“ öffentlich-rechtliche Pflichten. Ihm kommt, wie bei der Auszahlung der [X.], die Funktion einer in Dienst genommener Zahlstelle zu.

3. Für den Rechtstreit ist der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und nicht der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Die Streitigkeit ist im Sinne des § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ausdrücklich durch [X.]gesetz einem anderen Gericht zugewiesen.

a) Soweit die „[X.]“ nach § 150a Abs. 1 Satz 1 [X.] im Streit steht, folgt dies unmittelbar aus § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 SGG, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der [X.] Pflegeversicherung ([X.]) handelt. Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 2 SGG entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der [X.] Pflegeversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Die Rechtswegzuweisung des § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG bezieht sich auf den gesamten [X.]ereich des Leistungs- und Leistungserbringerrechts des [X.], soweit es um Streitfragen nach dem [X.], mithin um die Auslegung von Vorschriften des [X.] geht. Es kommt entscheidend darauf an, ob die Vorschriften, die zur Klärung der streitigen Rechtsfragen heranzuziehen und auszulegen sind, zumindest im Grundsatz im [X.] geregelt sind (vgl. [X.] - Rn. 8; [X.] 22. September 2021 - L 4 P 1402/21 [X.] - Rn. 17; ausführlich zur Gesetzeshistorie [X.]SG 8. August 1996 - 3 [X.]S 1/96 - [X.] 79, 80). Für Rechtsstreitigkeiten, die sich aufgrund der Regelungen des § 150a [X.] zur [X.]erechnung, Zahlung, Finanzierung und Refinanzierung der [X.] ergeben, ist deshalb der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet. Dies gilt auch, soweit - wie vorliegend - zwischen der Pflegeeinrichtung als in Dienst genommener Zahlstelle und Arbeitnehmern Streit über die [X.]erechnung und Höhe der [X.] entsteht (vgl. [X.] NJW 2020, 1911, 1916; [X.] 23. April 2021 - 3 Ta 10/21 - Rn. 18 - 24; [X.] 30. Juli 2021 - 4 Ta 178/21 - Rn. 14, 17 ff.; [X.]/[X.] 2021, 107, 108).

b) Von der Sonderzuweisung an die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ist auch der Streit der Parteien über die „[X.]prämie“ nach Ziff. 1 [X.] iVm. § 150a Abs. 9 Satz 1 [X.] erfasst. Der Kläger verfolgt den Anspruch auf Zahlung einer höheren [X.]prämie zwar als selbstständigen Hauptanspruch und nicht als bloßen Annex zu dem auf Zahlung einer höheren „[X.]“ (vgl. dazu [X.] 4. September 2018 - 9 AZ[X.] 10/18 - Rn. 34; [X.]VerwG 21. November 2016 - 10 AV 1.16 - Rn. 9, [X.]VerwGE 156, 320; [X.]GH 27. November 2013 - III Z[X.] 59/13 - Rn. 18, [X.]GHZ 199, 159). Jedoch hat das [X.] von der mit § 150a Abs. 9 Satz 4 [X.] durch [X.]gesetz eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, zu bestimmen, dass für die [X.]prämie die Verfahrensregelungen anzuwenden sind, die für die nach § 150a Abs. 1 Satz 1 [X.] zu zahlende „[X.]“ gelten. Dies steht einer Aufspaltung der Rechtswegzuständigkeit entgegen.

4. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist auch eröffnet, soweit der Kläger hilfsweise (Schadensersatz)Ansprüche wegen eines Organisationsverschuldens des [X.]eklagten geltend macht. Solange der Hauptantrag rechtshängig ist, muss die [X.] einheitlich beantwortet werden, da sich die hilfsweise geltend gemachten [X.]egehren nicht abtrennen lassen. Die Zuständigkeit für die gesamte Klage bestimmt sich deshalb allein nach dem Hauptantrag. Kommt es zur Entscheidung über den Hilfsantrag, ist vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden, sofern nach Maßgabe von § 17a [X.] Anlass besteht. Dabei wären die vorstehenden Grundsätze zu beachten. Ein vorhergehender [X.]eschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs für den Hauptantrag entfaltet keine [X.]indungswirkung (vgl. [X.] 3. Dezember 2014 - 10 AZ[X.] 98/14 - Rn. 19 mwN).

5. Der Kläger hat die Kosten des [X.]eschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

        

    Kiel    

        

    [X.]    

        

    Weber    

        

        

        

             

        

             

                 

Meta

9 AZB 25/21

01.03.2022

Bundesarbeitsgericht 9. Senat

Beschluss

Sachgebiet: AZB

vorgehend ArbG Rostock, 23. April 2021, Az: 4 Ca 1316/20, Beschluss

§ 2 Abs 1 Nr 3 ArbGG, § 2 Abs 1 Nr 4 ArbGG, § 150a SGB 11, § 51 Abs 1 Nr 2 SGG, § 51 Abs 2 S 2 SGG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 01.03.2022, Az. 9 AZB 25/21 (REWIS RS 2022, 942)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 942 NJW 2022, 1899 REWIS RS 2022, 942 MDR 2022, 831-832 REWIS RS 2022, 942

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7 Ta 81/23

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