Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.12.2010, Az. 26 W (pat) 181/09

26. Senat | REWIS RS 2010, 907

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Business Workplace" – keine Unterscheidungskraft - Freihaltungsbedürfnis


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2008 022 330.8

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 1. Dezember 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat das [X.] die unter anderem für die Waren und Dienstleistungen

2

„Telekommunikation; Dienstleistungen von Presseagenturen; Vermietung von [X.]; Auskünfte über Telekommunikation; wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, fotografische, Film-, optische, [X.], Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; Magnetaufzeichnungsträger; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte und [X.]omputer; bespielte und unbespielte Datenträger aller Art (soweit in [X.] enthalten); [X.]omputerprogramme (gespeichert); elektronisch gespeicherte Daten (herunterladbar); elektronische Publikationen (herunterladbar); Druckereierzeugnisse; Fotografien; Büroartikel (ausgenommen Möbel); Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Sammeln, Systematisierung, Zusammenstellung und betriebswirtschaftliche Analyse von Daten und Informationen in [X.]omputerdatenbanken; Einzelhandelsdienstleistungen (auch über das [X.] und sonstige Kommunikationsnetze), betreffend Waren der Klassen 9 und 16; Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; Immobilienwesen; Bauwesen; Installationsarbeiten; wissenschaftliche und technologische Dienstleistungen und Forschungsarbeiten und diesbezügliche Designerdienstleistungen; industrielle Analyse- und Forschungsdienstleistungen; Entwurf und Entwicklung von [X.]omputerhardware, -software und Datenbanken; Wartung von Software; technische Beratung; elektronische Datenspeicherung; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten; Gestaltung von Webseiten für Dritte“

3

angemeldete Wortmarke 30 2008 022 330.8

4

[X.]

5

für die genannten Waren und Dienstleistungen wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] zurückgewiesen. „[X.]“ werde von den angesprochenen Verkehrskreisen als „[X.], [X.]“ verstanden. Die angemeldete Wortfolge bezeichne zugleich eine [X.]/ Arbeitsoberfläche in einem Unternehmen. Neben der Ausstattung eines physikalischen Arbeitsplatzes könnten die angemeldeten Waren der [X.] und die angemeldeten Dienstleistungen der [X.] der Bereitstellung einer ebenfalls als Arbeitsplatz/Workplace bezeichneten IT-Infrastruktur dienen oder hierfür bestimmt sein. Die Dienstleistungen „Bauwesen, Installationsarbeiten, Forschungsarbeiten und wissenschaftliche Dienstleistungen, Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte; Immobilienwesen“ könnten sich ebenfalls auf die Gestaltung und Ausstattung von Arbeitsplätzen beziehen. Im Hinblick auf die genannten Waren und Dienstleistungen werde der Verkehr in „[X.]“ jeweils einen im Vordergrund stehenden Hinweis auf Arbeitsplätze in Unternehmen, aber keinen Herkunftshinweis erkennen.

6

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. „[X.]“ sei lexikalisch weder in der [X.] noch in der [X.] nachweisbar. Sie verweist auf eine Reihe ihrer Ansicht nach vergleichbarer Voreintragungen.

7

Sie beantragt,

8

die Beschlüsse vom 17.9.2008 und [X.] hinsichtlich der zur Eintragung versagten Waren und Dienstleistungen aufzuheben.

9

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akte des [X.]. 30 2008 022 330.8 Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 1 und 2 [X.] zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Sie ist zurückzuweisen, weil einer Eintragung der angemeldeten Marke „[X.]“, soweit diese durch die Markenstelle versagt wurde, für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen die Schutzhindernisse fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Freihaltebedürfnisses im Sinne der §§ 37, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 [X.] entgegenstehen.

Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] bedeutet die Eignung einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch für den Verkehr von denen anderer Anbieter unterscheidbar zu machen (vgl. [X.] GRUR 2006, 233, 235, [X.]. 45 - Standbeutel; [X.] GRUR 2003, 604, 608, [X.]. 62 - [X.]). Die Eintragung als Marke kommt nur in Betracht, wenn ein Zeichen diese Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. [X.] GRUR 2003, 55, 57 f., [X.]. 51 - [X.]; [X.], 395, 397, [X.]. 18 - [X.], [X.]). Ist dies nicht der Fall, widerspricht es dem Allgemeininteresse, das fragliche Zeichen durch seine Eintragung ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. [X.] GRUR 2008, 608, 610, [X.]. 59 - [X.]; [X.] GRUR 2004, 943, 944, [X.]. 26 - SAT.2; [X.] GRUR 2003, 604, 608, [X.]. 60 – [X.]). Die erforderliche Unterscheidungskraft ist zum einen solchen Angaben und Zeichen abzusprechen, die einen unmittelbar beschreibenden Sinngehalt aufweisen. Aber auch anderen Angaben kann die Unterscheidungskraft fehlen, etwa wenn sie sich auf Umstände beziehen, durch die ein enger beschreibender Bezug zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird (vgl. [X.], 850, [X.]. 28 - [X.]; [X.], 162 - RATIONAL SOFTWARE [X.]ORPORATION).

Die Markenstelle ist zutreffend von einer Bedeutung des angemeldeten Zeichens „[X.]“ als „[X.], [X.]“ ausgegangen. Dabei kann es sich um einen physischen Arbeitsplatz in einem Unternehmen oder um eine IT-Infrastruktur handeln. Insbesondere bezeichnet „[X.]“ im elektronischen Buchführungssystem [X.] die virtuelle Schnittstelle zwischen einem Endanwender und dem so genannten Workflow-System (vgl. http://help.sap.com/saphelp_dimp50/helpdata/DE). Die dem angesprochenen [X.] Durchschnittsverbraucher ebenso wie dem Handel ohne weiteres verständliche Wortkombination „[X.]“ wird vom Publikum für die von der Zurückweisung umfassten Waren und Dienstleistungen als beschreibende Sachangabe und nicht als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen werden. Daher fehlt ihr insoweit jegliche Unterscheidungskraft.

Die Waren der Klassen 9 und 16 können zum Einsatz am [X.] bestimmt sein oder besondere Merkmale aufweisen, die sie zum Einsatz am Arbeitsplatz wie beispielsweise in Großraumbüros geeignet erscheinen lassen. Lehrmittel, Fotografien und Druckereierzeugnisse können sich mit der Benutzung des „[X.]“ im elektronischen Buchführungssystem [X.] beschäftigen. Dieser kann zur Unterstützung der angemeldeten Geschäftsführungs-, Systematisierungs-, Verwaltungs- und Einzelhandelsdienstleistungen der Klasse 35 dienen.

Werbung wird an Geschäftsarbeitsplätzen entworfen; auch die angemeldeten Dienstleistungen der Klassen 36, 37 und 38 werden dort erbracht. Die beanspruchten Dienstleistungen der [X.] können einer Fortentwicklung oder Anpassung des „[X.]“ im elektronischen Buchführungssystem [X.] an veränderte Rahmenbedingungen dienen. Zwischen diesen Dienstleistungen und „[X.]“ besteht daher jeweils ein enger sachlicher beschreibender Bezug.

Dass sich die angemeldete Marke bislang nicht lexikalisch nachweisen lassen soll (vgl. aber „workplace“ - zu deutsch „Arbeitsplatz“, [X.], 734 und „work place computer“ - zu deutsch „Arbeitsplatzrechner, Arbeitsplatzcomputer“, [X.], [X.], [X.], [X.], [X.], 4. Aufl. 290), macht sie nicht unterscheidungskräftig im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Da die Unterscheidungskraft einer Marke ohnehin nur im Wege einer Prognose unabhängig von einer möglichen Benutzung festgestellt werden kann, vermag aus einer etwaigen Neuheit einer Bezeichnung noch nichts über deren Unterscheidungskraft hergeleitet zu werden (vgl. [X.] GRUR 2004, 1027, 1029 f. (Nr. 37 - 47) – DAS PRINZIP DER BEQUEMLI[X.]HKEIT; [X.] GRUR 2004, 146, 147 (Nr. 32) – [X.]; [X.] 2004, 99, 109 ([X.]. 97) - Postkantoor; [X.] 2004, 111, 115 ([X.]. 38) – BIOMILD).

Der Eintragung der angemeldeten Marke steht überdies – ohne dass es darauf angesichts des vorstehend festgestellten Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] noch entscheidend ankäme –  für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zugleich das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] entgegen. Da es auch Mitbewerbern gestattet bleiben muss, ihre Waren und Dienstleistungen künftig mit dem beschreibenden Begriff „[X.]“ im Sinne von „[X.]“ oder „[X.]“ zu versehen, besteht insoweit ein Freihaltebedürfnis im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 [X.].

Die Entscheidung über die Eintragungsfähigkeit einer angemeldeten Marke stellt schließlich eine der freien Ermessensausübung unzugängliche Rechtsfrage dar. Weil dem [X.]en Patent- und Markenamt insoweit kein Beurteilungsspielraum zur Verfügung steht, scheidet auch eine anspruchsbegründende Selbstbindung dieser Behörde aus. Wegen ihrer spezifischen Eigenart ist in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG die Geltung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts für Verfahren vor dem [X.] ausdrücklich ausgeschlossen worden. Indes steht dem [X.] die gegen die Zurückweisung seiner Anmeldung durch das [X.] in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständige Überprüfung im Beschwerdeverfahren zur Verfügung. Der [X.] hat in der Rechtssache [X.] - 39/08 klargestellt, dass sich niemand auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zu Gunsten eines anderen berufen kann, um eine identische Entscheidung zu erlangen (vgl. EUGH Slg. 1994, 3465, [X.], 7211 [X.]r. 510 - White/Parliament; Slg 1985, 22, 25, [X.], 7157 [X.]r. 14 - [X.]/[X.]). Die zuständige Behörde eines Mitgliedsstaates, die über eine Markenanmeldung zu entscheiden hat, ist nicht verpflichtet, die in Art. 3 Abs. 1 lit b und c der [X.] aufgeführten [X.] unberücksichtigt zu lassen und einem Antrag auf Eintragung deshalb stattzugeben, weil das angemeldete Zeichen auf identische oder vergleichbare Art und Weise wie ein Zeichen gebildet wird, dessen Eintragung als Marke sie bereits bewilligt hat und das sich auf identische oder ähnliche Waren und Dienstleistungen bezieht.

Das [X.] hat im Übrigen den Marken „workplace shell“ und „Workplace [X.]entered [X.]omputing“ für mit den hier angemeldeten teilweise übereinstimmende Waren und Dienstleistungen ebenfalls die Schutzfähigkeit wegen eines bestehenden [X.] und fehlender Unterscheidungskraft versagt ([X.] PAVIS PROMA 24 W (pat) 298/94 - workplace shell, [X.] PAVIS PROMA 30 W (pat) 320/96 - Workplace [X.]entered [X.]omputing).

Aus diesen Gründen war die Beschwerde zurückzuweisen.

Meta

26 W (pat) 181/09

01.12.2010

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 01.12.2010, Az. 26 W (pat) 181/09 (REWIS RS 2010, 907)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 907

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Wird zitiert von

25 W (pat) 536/18

25 W (pat) 537/18

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