Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.07.2020, Az. 30 W (pat) 2/19

30. Senat | REWIS RS 2020, 150

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "Trucker-Anwalt" – fehlende Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2017 231 951.4

hat der 30. Senat (Marken- und Design-Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 16. Juli 2020 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.]s Prof. Dr. Hacker sowie der [X.] [X.] und Dr. Meiser

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

1

Die am 16. Oktober 2017 angemeldete Bezeichnung

2

[X.]

3

soll als Marke für die Dienstleistungen

4

"Klasse 36: Dienstleistungen eines Steuerberaters [ausgenommen Buchführung]; persönliche Versicherungsdienstleistungen in Bezug auf juristische Dienstleistungen

5

Klasse 45: Juristische Dienstleistungen; Juristische Dienstleistungen in Zusammenhang mit Gerichtsverfahren"

6

eingetragen werden.

7

Die Markenstelle für Klasse 45 des [X.] hat die Anmeldung mit zwei Beschlüssen vom 19. Januar 2018 und vom 28. September 2018, von denen letzterer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen, weil es der angemeldeten Bezeichnung an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]).

8

Die Marke bestehe aus den Begriffen "Trucker" und "Anwalt", wobei "Trucker" ein aus dem [X.] stammendes Wort für "Fernfahrer" sei, das auch in den [X.] Sprachgebrauch Eingang gefunden habe. Der angesprochene Verkehr verstehe unter dem [X.] gebildeten Markenwort [X.] einen Fachanwalt für Fernfahrer und entnehme der angemeldeten Bezeichnung somit lediglich einen Hinweis darauf, dass die angebotenen Dienstleistungen von einem Anwalt erbracht würden, der auf die Bedürfnisse und Besonderheiten des Berufsfeldes der Fernfahrer spezialisiert sei.

9

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der er im Wesentlichen geltend macht, dass jedenfalls die Kombination der Zeichenbestandteile "Trucker" und "Anwalt" keine beschreibende Angabe darstelle, weil diese keinen Eingang in den Sprachgebrauch gefunden habe. Es werde vom Verkehr sofort erkannt, dass es sich dabei um eine Marke handele, unter der rechtliche Dienstleistungen für Fernfahrer angeboten würden, ohne dass eben diese allgemeingültigen Begriffe alleinstehend verwendet würden.

Die angemeldete Bezeichnung [X.] verfüge daher über die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Ihr stehe auch kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] entgegen.

Der Anmelder hat keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

A. Die Beschwerde ist gemäß § 66 [X.] zulässig. Ein konkreter Antrag ist ebenso wenig erforderlich wie eine Beschwerdebegründung. Fehlt – wie vorliegend – ein Antrag, ist von einer Anfechtung des Beschlusses in vollem Umfang auszugehen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 66 Rdnr. 40).

B. In der Sache hat die Beschwerde allerdings keinen Erfolg. Denn der angemeldeten Marke fehlt es in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen an Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 [X.]).

1. Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. z. B. [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.], 610 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608 ([X.]) – [X.]; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; [X.], 173 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565 (Nr. 12) – smartbook; [X.] 2013, 731 (Nr. 11) – [X.]; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.], jeweils m. w. N.). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. etwa [X.] [X.], 1198 ([X.]) – [X.]; [X.] 2014, 373 (Nr. 20) – [X.]; 2010, 1008, 1009 ([X.]) – [X.]; [X.] 2008, 608, 611 ([X.]) – [X.]; [X.] 2006, 233, 235, Nr. 45 – Standbeutel; [X.], 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.] 2016, 934 ([X.]) – [X.]; [X.], 581 (Nr. 16) – [X.]; BGH [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2009, 949 (Nr. 10) – [X.]). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung des [X.] ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 29) – [X.]; [X.] 2016, 1167 (Nr. 13) – [X.]; [X.], 581 ([X.]) – [X.]; [X.], 173, 174 (Nr. 15) – for you; [X.] 2014, 565, 567 (Nr. 12) – smartbook; [X.], 1143 (Nr. 7) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 8) – Link economy). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen [X.] bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen ist (vgl. [X.] [X.] 2006, 411, 412 (Nr. 24) – Matratzen Concord/Hukla).

Hiervon ausgehend besitzen Marken insbesondere dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise im Zeitpunkt der Anmeldung des Zeichens (vgl. BGH [X.] 2013, 1143, Nr. 15 – [X.] werden Fakten) lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. [X.] [X.] 2013, 519 (Nr. 46) – [X.]; [X.] 2004, 674 ([X.]) – Postkantoor; BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 30, 32) – [X.]; 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 270 (Nr. 11) – Link economy; [X.] 2009, 952 (Nr. 10) – [X.]). Darüber hinaus kommt nach ständiger Rechtsprechung auch solchen Zeichen keine Unterscheidungskraft zu, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird (vgl. BGH [X.] 2017, 186 (Nr. 32) - [X.]; [X.] 2014, 1204 (Nr. 12) – [X.]; [X.], 1143 ([X.]) – [X.]; [X.] 2010, 1100 (Nr. 23) – [X.]!; [X.] 2006, 850 (Nr. 28 f.) – FUSSBALL WM 2006).

2. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen weist die angemeldete Marke [X.] in Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen keine Unterscheidungskraft i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] auf.

a. Die angemeldete Marke besteht aus den beiden durch Bindestrich zu einer Kombination verbundenen Wörtern "Trucker" und "Anwalt".

aa. Der Begriff "Trucker" ist eine aus dem [X.] stammende Bezeichnung für einen Fernfahrer/Lastwagenfahrer, die sich auch im [X.] Sprachgebrauch etabliert hat (vgl. DUDEN-online zu "Trucker", abrufbar unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Trucker).

bb. Bei dem weiteren Markenbestandteil "Anwalt" handelt es sich um das im allgemeinen Sprachgebrauch übliche Kurzwort für "Rechtsanwalt", welches in der Umgangssprache darüber hinaus als Sammelbegriff für sämtliche Angehörige der rechtsberatenden und -vertretenden Berufe verwendet wird (vgl. [X.] 30 W (pat) 539/14 v. 22. September 2016 – Mein Anwalt).

In Zusammensetzungen wird der Begriff "Anwalt" häufig verwendet in Verbindung mit dem Zusatz "Fach-" und dem speziellen Rechtsgebiet, für das bereits Fachanwaltschaften eingeführt sind, wie zB Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Fachanwalt für Baurecht.

Darüber hinaus ist es seit langer Zeit üblich, dass Rechtsanwälte im Rahmen der zulässigen Eigenwerbung auf Tätigkeits- und Interessenschwerpunkte und/oder eine besondere Qualifikation in einem bestimmten Rechts- und/oder Sachgebiet schlagwortartig durch [X.] mit dem Wort "Anwalt" und einem vorangestellten, das spezielle Tätigkeitsgebiet beschreibenden Wort wie zB "Familienanwalt", "Scheidungsanwalt", "Mietanwalt" etc. hinweisen bzw. umgangssprachlich solche [X.] zur Beschreibung eines auf ein bestimmtes Rechtsgebiet spezialisierten oder zumindest schwerpunktmäßig tätigen Rechtsanwaltes verwendet werden (vgl. dazu bereits [X.] (pat) 240/03 v. 21. Februar 2005 – [X.]). Dabei kann der Tätigkeitsschwerpunkt bzw. die Spezialisierung sowohl durch die Bezeichnung des Rechts- und/oder Sachgebiets als solches – wie es zB bei "[X.]" (vgl. dazu [X.] aaO), "Rentenanwalt", "Mietanwalt", "Tieranwalt", "Sportanwalt" der Fall ist -, aber auch durch Benennung des mit dem betreffenden speziellen Sach-/Rechtsgebiet konfrontierten Personenkreises ("Sportleranwalt", "Beamtenanwalt") zum Ausdruck gebracht werden.

cc. In diese [X.] reiht sich auch die aus allgemein bekannten Substantiven gebildete angemeldete Bezeichnung [X.] ein. Der Verkehr wird daher die Kombination dieser ihm ohne weiteres verständlichen Begriffe auf Anhieb und ohne weitergehende Überlegungen iS eines "Anwalts für "Trucker" (Fernfahrer)" und damit als Bezeichnung eines Rechtsanwalts verstehen, welcher auf die in Zusammenhang mit der Ausübung des Berufs eines Fernfahrers anfallenden Rechtsfragen in zivil-, verwaltungs- oder auch strafrechtlicher Hinsicht spezialisiert ist bzw. auf diesem Gebiet jedenfalls schwerpunktmäßig tätig ist.

b. Sämtliche beanspruchten Dienstleistungen können sich, wie die Markenstelle im Erinnerungsbeschluss vom 28. September 2018 zutreffend festgestellt hat und auch seitens des Anmelders nicht in Abrede gestellt wird, inhaltlich/thematisch schwerpunktmäßig mit (steuer-)rechtlichen Fragen und Problemen im Umfeld von Lastkraftwagenfahrern/Fernfahrern beschäftigen und durch entsprechend spezialisierte Anwälte erbracht werden.

[X.] erschöpft sich damit in Bezug auf sämtliche beanspruchten Dienstleistungen in einer sprach- und werbeüblichen Aneinanderreihung zweier beschreibender Begriffe zu einem verständlichen, schlagwortartigen Hinweis auf die berufliche Qualifikation und/oder den Tätigkeitsschwerpunkt des Anbieters dieser Dienstleistungen. Alle Bestandteile der Wortkombination werden entsprechend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff (vgl. [X.] [X.] 2004, 680 Nr. 39 - 41 – BIOMILD).

c. Soweit der Anmelder im Beschwerdeverfahren geltend macht, dass [X.] vom Verkehr als Marke ("unter der rechtliche Dienstleistungen für Fernfahrer angeboten werden" !) wahrgenommen werde, weil die Kombination dieser Begriffe "an keiner Stelle Eingang in [X.] Sprachgebrauch" gefunden habe, verkennt er, dass angesichts des ohne weiteres erkennbaren Bedeutungsgehalts der sprachüblich und grammatikalisch korrekten Wortfolge für den Verkehr nicht entscheidend ist, ob es sich dabei um eine Wortneuschöpfung handelt, zumal der Verkehr daran gewöhnt ist, vor allem im Bereich der Werbung ständig mit neuen, schlagwortartigen Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen in einprägsamer Form übermittelt werden sollen (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, [X.], 12. Aufl., § 8 Rdnr. 199).

d. Die Eintragung anderer Bezeichnungen wie "[X.]" spielt diesbezüglich keine Rolle, da diese begrifflich der angemeldeten Bezeichnung nicht vergleichbar ist und keinen Bezug zu dieser aufweist. Abgesehen davon ist jedenfalls der Begriff "[X.]" als ([X.] nur für solche Waren eingetragen, für die dieser Begriff keinen hinreichend beschreibenden und/oder sachbezogenen Aussagehalt aufweist.

3. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.

Meta

30 W (pat) 2/19

16.07.2020

Bundespatentgericht 30. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 16.07.2020, Az. 30 W (pat) 2/19 (REWIS RS 2020, 150)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 150

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30 W (pat) 539/14

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