Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2012, Az. V ZR 61/11

V. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8326

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
V ZR
61/11
Verkündet am:

9. März 2012

Lesniak

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
EGBGB Art. 237 § 2
Wer am 3. Oktober 1990 fälschlicherweise im Grundbuch als Eigentümer eingetra-gen gewesen ist, hat mit Ablauf der Ausschlussfristen nach Art. 237 § 2 EGBGB das Eigentum an dem Grundstück nicht erworben, wenn am 3. Oktober 1990 auch der wahre Eigentümer auf einem anderen [X.] eingetragen war.

[X.], Urteil vom 9. März 2012 -
V [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der V.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2012
durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Krüger, die Richte-rin Dr.
Stresemann, [X.]
Czub und die Richterinnen Dr.
[X.] und Weinland

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 18. Februar 2011 aufgeho-ben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 4. März 2010 wie folgt abgeändert:

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, in die Abvermessung derjenigen Teilflächen aus den im Grundbuch von H.

Blatt 2155
(Gemarkung [X.]

, Flur 2, Flurstück 25) und Blatt
692
(Gemarkung [X.] , Flur 2, Flurstück 30) eingetrage-nen Grundstücken einzuwilligen, die auf der Fläche des ehemali-gen Flurstücks 1543/87 der Flur 2 der Gemarkung [X.]liegen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, den über die Abvermessung ausgestellten [X.] zu genehmigen und der Abschreibung der abvermessenen Teilfläche auf ein neues [X.] und der Eintragung der Kläger als Eigentümer in Erbengemeinschaft in das Grundbuch zuzustim-men.

Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, in die Abvermessung derjenigen Teilfläche aus dem im Grundbuch von [X.]
Blatt 2107
(Gemarkung [X.] , Flur 2, Flurstück 23) eingetragenen Grundstück einzuwilligen, die auf der Fläche des ehemaligen [X.] 1543/87 der Flur 2 der Gemarkung [X.]
liegt.

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Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, den über die Abvermessung ausgestellten [X.] zu genehmigen und der Abschreibung der abvermessenen Teilfläche auf ein neues [X.] und der Eintragung der Kläger als Eigentümer in Erbengemeinschaft in das Grundbuch zuzustim-men.

Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger sind die Erben nach [X.]und [X.](im Folgen-den: Erblasser), die in der [X.] lebende Eigentümer eines in der [X.] gelegenen, aus dem Flurstück 1543/87
der Gemarkung N.
bestehenden Grundstücks waren.
Das Grundstück lag in dem Gebiet, das durch Beschluss des Rates der [X.] [X.] von
November 1981 zum [X.] erklärt wurde. Im Zuge der Errichtung der [X.] wurden im Wege einer Umflurung durch Ver-schmelzung und Sonderung neue Flurstücke gebildet und in dem Bestands-blatt der Liegenschaftskartei das Volk, Rechtsträger Rat der [X.], als Eigen-tümer eingetragen. Das ehemalige Flurstück 1543/87 der Gemarkung N.
wurde mit Teilen eines Wohnblocks, einer Straße und eines [X.] überbaut. Eine Entscheidung über die Inanspruchnahme des Grundstücks er-folgte nicht. Streitig ist, ob das Grundbuch für das Grundstück der Kläger mit 1
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der Erklärung zum [X.] geschlossen wurde und nur in einer Liste der Flächen aufgeführt wurde, für die es noch einer Rechtsänderung bedurfte.
Im Februar 1990 wurde durch den Liegenschaftsdienst des Bezirks im [X.] des volkseigenen Grundstücks unter Bezugnahme auf [X.] von dem Flurstück [X.] der Flur 26 mit einer Größe von
insgesamt 149.316
m2
eine Teilfläche von 9.365 m2
abgeschrieben und aus dieser eine Fläche von 7.948 m2
auf das [X.] 54 des Grundbuchs von [X.]
übertragen, wobei im Bestandsblatt dieses Grundbuch-blatts die alte Flurstücksnummer (1543/87) angegeben und die Erblasser als Eigentümer des Grundstücks eingetragen wurden. 1993 wurden die Kläger als Eigentümer dieses Grundstücks eingetragen.
1993/1994 wurde abermals eine katastermäßige Neubildung der [X.] vorgenommen, wobei die neuen [X.], 25 und 30 der Flur 2 nunmehr nach den Funktionsflächen für den Wohnblock, für die Straße und für die Schule gebildet wurden. Diese Flurstücke wurden auf neue [X.] übertragen, die keine Hinweise auf abgeschriebene Teilflächen enthielten. Mit Bescheiden des Präsidenten der [X.] wurde festgestellt, dass die Beklagte zu
1 ([X.]) Eigentümerin der Flurstücke 25 und 30 der Flur 2 und die Beklagte zu
2 (Wohnungsgenossenschaft) Eigentümerin des [X.] 23 der Flur 2 geworden sei. Das für das Grundstück der Kläger [X.] wurde nachfolgend

ohne Mitteilung an diese

geschlossen. Einen von den Klägern im Jahre 1991 gestellten Antrag auf Rückübertragung nach dem [X.] wies das Amt zur Regelung
offener [X.] im Juni 2008 mit der Begründung zurück, dass keine Enteignung erfolgt sei.
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Die Kläger haben in erster Instanz die Berichtigung des Grundbuchs mit dem Ziel beantragt, als Eigentümer eingetragen zu werden. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz haben die Kläger

im Hinblick darauf, dass sich ihr Grundstück nur auf Teilflächen der neu gebilde-ten Grundstücke erstreckt

erklärt, dass sie die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung der Abvermessung der
Teilflächen und die Feststellung der Ver-pflichtung der Beklagten, der Abschreibung der Teilflächen und sodann der Eintragung der Kläger als Eigentümer zuzustimmen, beantragt hätten; vorsorg-lich haben sie dahingehende Anträge mit einer hilfsweise erhobenen
An-schlussberufung geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat die Klage [X.]. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, dass zwar die Klage mit den Anträgen auf Verurteilung der Beklagten, die Berichtigung des Grundbuchs für [X.] zu bewilligen, nicht zulässig gewesen sei; zulässig seien aber die in diesen Leistungsanträgen enthaltenen Anträge auf Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet seien, einer Abvermessung und Abschreibung der [X.]n zuzustimmen und sodann die Eintragung der Kläger als Eigentümer zu bewilligen. Diese Anträge seien jedoch unbegründet, weil die Grundbücher auch in Bezug auf das ehemals den Klägern gehörende Grundstück nicht un-richtig seien.
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Zwar hätten die Erblasser zu Zeiten der [X.] nicht das Eigentum an dem Grundstück verloren, weil dieses nicht in Anspruch genommen und in [X.] überführt worden sei. Auch habe kein nach Art.
237 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unbeachtlicher Rechtsanwendungsfehler vorgelegen, weil nach dem Recht und der Verwaltungspraxis der [X.] ein Entzug des Eigentums allein durch die Buchung eines Grundstücks als Volkseigentum nicht habe [X.] werden können.
Die Kläger hätten aber das Eigentum an ihrem Grundstück mit Ablauf der in Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB bestimmten Ausschlussfrist verloren, weil sie nicht rechtzeitig die Buchposition der Beklagten (durch eine Klage auf Grund-buchberichtigung oder einen Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs) [X.] hätten, wodurch das am 3. Oktober 1990 als Volkseigentum gebuchte Grundstück Eigentum der Beklagten geworden sei.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
Die Revision hat Erfolg, weil die Klage mit den
in der Berufungsinstanz klargestellten Anträgen begründet ist. Die Kläger können nach §
894 BGB von den Beklagten die Zustimmung zu der für die Eintragung des Eigentums
an einer Teilfläche notwendigen Abvermessung und Grundstücksabschreibung verlangen (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 1986

[X.], NJW 1986, 1867, 1868 und vom 2. April 1993

[X.], NJW-RR 1993, 840, 841).
1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Erblasser Eigentümer eines im Grundbuch eingetragenen Grundstücks wa-ren, von dem Teilflächen nunmehr im Bestandsverzeichnis der den Beklagten 8
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gehörenden Grundstücke gebucht sind. Dies ist auf Grund ihrer damaligen Ein-tragung als Eigentümer im Grundbuch nach §
7 Abs. 1 GDO-[X.] (der eine §
891 BGB entsprechende Bestimmung enthielt) zu vermuten (vgl. Senat, Urteil vom 26. September 1969

[X.], [X.]Z 52, 355, 358). Einwendungen werden insoweit von den Beklagten nicht erhoben.
2. Richtig ist auch, dass die Erblasser das Eigentum an dem Grundstück bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 nicht verloren haben.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts über die für eine Enteignung notwendigen Entscheidungen eines Staatsorgans entsprechen der [X.] (Urteile vom 3. November 2000

[X.], [X.]Z 145, 383, 390 [zum Aufbaugesetz] und vom 17. März 1995

[X.], [X.]Z 129, 112, 120 [zum Baulandgesetz]). Ebenso trifft es zu, dass weder die Um-schreibung der Grundbücher unter Bezugnahme auf die Liegenschaftskartei der neu gebildeten Flurstücke mit der Eintragung von Volkseigentum noch die

hier streitige

Schließung des bisherigen Grundbuchs (zu den in [X.] des zuständigen Ministers
des Inneren der [X.] vorgeschriebe-nen Eintragungen bei der Überführung von Grundstücken in das Volkseigen-tum: Senatsurteil vom 29. März 1996

[X.], [X.]Z 132, 245, 259 mwN) die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück änderten, weil der Grundbuchvollzug als solcher kein Instrument der Enteignung darstellte (Se-natsbeschluss vom 21. Juni 2000

[X.], NJW 2001, 683, 684).
3. Im Ergebnis zutreffend ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dass die katastermäßige Umflurung und Buchung im Bestandsblatt als [X.] keine sonstige Überführung des Grundstücks der Kläger in das [X.] im Sinne des Art. 237 §
1 EGBGB darstellte, die nach dieser Vor-schrift ungeachtet aller Fehler als wirksam anzusehen wäre.
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a) Rechtlichen Bedenken begegnet allerdings die Begründung, dass das Grundstück deshalb nicht Volkseigentum geworden sein könne, weil nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und der ordnungs-gemäßen Verwaltungspraxis der [X.] eine Enteignung nur durch förmliche In-anspruchnahmeentscheidung und nicht durch einen Buchungsvorgang durch-geführt werden konnte.

i-Grundstücks als Volkseigentum, falls dem ein staatlicher Wille und nicht nur ein Versehen zugrunde lag (Senat, Urteil vom 8. Dezember 2000

[X.], [X.] 2001, 213, 214; [X.], [X.] 1997, 581, 583; MünchKomm-BGB/[X.], 4. Aufl., Art. 237 § 1 EGBGB Rn. 7; a.[X.], [X.] 1997, 561, 565 der eine auf Überführung eines Grundstücks in das Volkseigentum gerich-tete Rechtshandlung für erforderlich erachtet). Entscheidend für den Bestands-schutz nach Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB ist zudem nicht, ob das vorgeschrie-bene Verfahren durchgeführt wurde, sondern ob das angestrebte Ergebnis nach den vorhandenen Vorschriften erreichbar war (Senatsurteile vom 9. Okto-ber 1998

[X.], [X.] 1999, 38, 39 und vom 8. Dezember 2000

V
ZR 489/99, [X.] 2001, 213, 214; [X.], [X.]
1997, 581, 583). Das ist hier zu bejahen, weil eine Inanspruchnahme des Grundstücks nach den bereits genannten Rechtsvorschriften der [X.] (Aufbau-
und Baulandgesetz) möglich und angesichts der baulichen Nutzung für einen neuen [X.]teil eigentlich auch geboten gewesen wäre.
b) Ob der Einbeziehung der Fläche des Grundstücks der Kläger in die durch Umflurung neu gebildeten, als Volkseigentum gebuchten Grundstücke ein Enteignungswille der staatlichen Organe der [X.] zugrunde lag, ist nicht festgestellt, kann hier jedoch dahinstehen.
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Die Nichtanwendung des Art. 237 § 1 EGBGB stellt sich nämlich

unabhängig davon

als im Ergebnis richtig dar. Die Vorschrift ist im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nicht auf die Fälle anzuwenden, in [X.] die staatlichen Stellen der [X.] ein Grundstück noch als [X.] behandelt haben, was hier dadurch zum Ausdruck kam, dass der Staatliche Liegenschaftsdienst der [X.] ein Grundbuch für das Grundstück neu angelegt und die Erblasser als dessen Eigentümer eingetragen hat. Mit der Anerkennung auch der Überführungen in das Volkseigentum gemäß Art. 237 § 1 EGBGB, die nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften der [X.] nicht wirksam waren, ist ein entschädigungsloser Verlust der aus dem Eigentum folgenden Rechte verbunden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1997

[X.], [X.] 1998, 94, 95 und vom 6. Juni 2003

[X.], [X.] 2004, 79, 81). Diese Rechtsfolge ist vor dem Hintergrund des Art. 14 GG nur dann als verhältnismä-ßig anzusehen, wenn den betroffenen Eigentümern eine nur noch formale [X.] verblieben war, die in der [X.] nicht durchsetzbar und des-halb ohne jeden wirtschaftlichen Wert war (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 1997

[X.], [X.] 1998, 94, 95; [X.], [X.] 1998, 507, 508; EGMR, NJW 2004, 927, 929). Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn der für das Grundbuchwesen zuständige staatliche Liegenschaftsdienst der [X.] das Pri-vateigentum an dem Grundstück

ungeachtet aller faktischen Veränderungen

respektierte und dies durch die
Anlegung eines Grundbuchs für den Eigentü-mer dokumentierte.
4. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, dass die [X.] als Berechtigte aus der Abwicklung des ehemaligen [X.] nach Art.
237 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB Eigentümer des Grundstücks der Kläger geworden seien, weil diese die Ausschlussfrist für einen Angriff gegen unrichti-ge Eintragungen versäumt hätten.
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a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass vor dem 3. Oktober 1990 im Bestandsblatt der Liegenschaftskartei (§ 105 Abs. 1 Nr. 5 GBV) Eigentum des Volkes eingetragen war, ohne dass dieses entstanden war.
Das Grundstück der Kläger war am 3. Oktober 1990 eine Teilfläche ei-nes 1974 neu gebildeten,
auf dem Bestandsblatt des Liegenschaftskatasters
als Volkseigentum gebuchten Grundstücks, woran die Buchungsvorgänge vom 20. Februar 1990 nichts geändert hatten. Die von dem Liegenschaftsdienst [X.] Berichtigung durch Abschreibung des Grundstücks der Kläger war sachenrechtlich nicht wirksam, weil nicht

wie für die Abschreibung einer [X.] von einem Grundstück notwendig (vgl. zur Rechtslage in der [X.]: Senatsurteile vom 20. Juni 1962

[X.], [X.]Z 37, 233, 242 und vom 25. Januar 2008

[X.], [X.]Z 175, 123, 132 Rn.
25 mwN)
-
neue Grundstücke gebildet worden waren. In der [X.] galten keine anderen Grundsätze. §
7 Abs. 2 Satz 1 GBVerfO-[X.] enthielt eine dem §
28 Satz 1 GBO entsprechende Regelung für die Anträge. Die gemäß § 18 GDO-[X.] erlassene Colido-Grundbuchanweisung sah in Nummer 25 Abs. 3 und 4 vor, dass die Abschreibung von Grundstücken und Grundstücksteilen unter Streichung einer in der Abteilung 0 eingetragenen Grundstücksnummer und unter Hinweis auf die neue Grundstücksnummer zu erfolgen habe. Dies war nicht erfolgt.
b) Das Berufungsgericht bejaht jedoch zu Unrecht einen Eigentumser-werb durch den Buchberechtigten selbst dann, wenn

wie hier

ein neues [X.] für das in [X.] gebliebene Grundstück angelegt [X.]. Wer am 3. Oktober 1990 fälschlicherweise im Grundbuch als Eigentümer eingetragen gewesen ist, hat mit Ablauf der Ausschlussfristen nach Art. 237 § 2 EGBGB das Eigentum an dem Grundstück nicht erworben, wenn am 3. Okto-20
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ber 1990 auch der wahre Eigentümer auf einem anderen [X.] ein-getragen war. In den Fällen einer Doppelbuchung (Eintragung desselben [X.] auf zwei verschiedenen [X.]) führte die gegenteilige Aus-legung der Norm durch das Berufungsgericht zu dem seltsamen Ergebnis, dass mit Ablauf der
Ausschlussfrist die falsche Buchung richtig und die richtige Bu-chung falsch geworden wäre.
Ein Rechtserwerb gegen den Inhalt eines Grundbuchs ist jedoch

ebenso wie bei der Ersitzung nach § 900 BGB (vgl. [X.], 58, 60; Senat, Urteil vom 19. Oktober 2007

[X.], [X.]Z 174, 61, 66)

auch nach Art.
237 Abs. 2 EGBGB nicht möglich. Der Senat hat, wenngleich in einem an-deren Zusammenhang, ausgeführt, dass die richtige Eintragung des wahren Eigentümers einem gesetzlichen Eigentumserwerb aus der unrichtigen Buch-position mit dem Ablauf der Ausschlussfrist entgegensteht (vgl. Senat, [X.] vom 13. Februar 2003

[X.], juris und vom 14. März 2003

V
ZR 280/02, [X.] 2003, 344, 345).
aa) Das Gegenteil lässt sich auch nicht mit dem Zweck der Norm be-gründen, die [X.] an Grundstücken im Beitrittsgebiet im Interesse der Rechtssicherheit

unabhängig von der materiellen Rechtslage, allein nach den Eintragungen im Grundbuch

einer endgültigen Klärung herbeizuführen. Dieser Zweck rechtfertigt, wenn sich beide Parteien auf eine Eintragung als Ei-gentümer berufen können, keine Entscheidung gegen den wahren Eigentümer zugunsten des Nichtberechtigten.
bb) Aus den knappen Gesetzesmaterialen ([X.]. 13/7275, S. 33 f.) und aus den von dem Berufungsgericht zitierten Erläuterungen ([X.], [X.] 1997, 449, 453) lässt sich für eine derartige Regelungsvorstel-lung nichts entnehmen. Aus diesen ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber 23
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nur die Fälle im Auge hatte, in denen es für das jeweilige Grundstück allein die unrichtige Eintragung gab. Doppelbuchungen von Volks-
und [X.] lagen außerhalb der Vorstellung und des Regelungswillens des Gesetzgebers.
cc) Schließlich ist es ein Gebot der verfassungskonformen Auslegung, die Vorschrift nicht gegen den im Grundbuch eingetragenen Eigentümer [X.]. Das Verstreichen der Ausschlussfrist in Art. 237 § 2 EGBGB führt

ebenso wie die Anerkennung zwar nicht rechtswirksamer, aber in der [X.] faktisch unangreifbarer Enteignungen nach Art. 237 §
1 EGBGB

zu einem entschädigungslosen Entzug von [X.]. Die Regelung stellt nur deshalb eine verhältnismäßige Eigentumsbeschränkung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, weil die von dem [X.] bedrohten Eigentümer durch die Nichteintragung ihres Eigentums Anlass und von dem Beitritt an auch acht Jahre lang Zeit hatten, ihre Eigentümerrechte geltend zu machen und damit den [X.] zu vermeiden (Senat, Urteil vom 6. Juni 2003

[X.], [X.] 2004, 79, 81; [X.], [X.] 2006, 123). Bei einer Anwendung der [X.] wäre dem im Grundbuch eingetragenen Ei-gentümer eine (dem System der Bürgerlichen Rechts widersprechende) Oblie-genheit auferlegt worden, sein eingetragenes Recht gegenüber einem aus den Eintragungen auf einem anderen [X.] Berechtigten

notfalls gericht-lich

durchzusetzen; andernfalls wäre es trotz richtiger Eintragung mit Ablauf der Ausschlussfrist zu einem [X.] ohne jeden Ausgleich gekommen. Das wäre eine mit Art. 14 GG unvereinbare, einseitige Entscheidung des [X.] zwischen zwei nach dem Grundbuch Berechtigten zum Nachteil des wah-ren Eigentümers.
c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist es auch nicht ent-scheidend, dass mit der Neuanlegung des Grundbuchs durch den Liegen-schaftsdienst der [X.] kein Grundstück im Rechtssinne wieder entstanden war, 26
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weil es einen räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der im Bestands-verzeichnis des [X.]s für das Grundstück der Kläger unter Nummer 1543/87 der Gemarkung [X.] gebucht war, nicht mehr gab.
Darauf kommt es nicht an, weil es bei der Auslegung des Art. 237 § 2 EGBGB nicht um den öffentlichen Glauben der Eintragungen im [X.] (dazu: Senat, Urteil vom 5. Dezember 2005

V ZR 11/05,
NJW-RR 2006, 662, 663), sondern um die Voraussetzungen eines gesetzlichen Erwerbs des Eigentums durch [X.] geht. Mit Art. 237 § 2 EGBGB hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die Rechtverhältnisse in der [X.] einen besonde-ren Erwerbstatbestand aus
in der [X.] begründeten Buchpositionen geschaf-fen, wobei er sich wegen der Obliegenheit des wahren Eigentümers, seine [X.] aus dem Eigentum zur Vermeidung eines [X.] innerhalb [X.] Frist von acht Jahren seit dem Beitritt geltend zu machen, an dem Verwir-kungsgedanken orientiert hat (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juni 2003

V
ZR 320/02, [X.] 2004, 79, 80; [X.], [X.] 1997, 581, 585). Demjenigen, der als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, kann jedoch nicht

wie ei-nem nicht eingetragenen Berechtigten

zur Last gelegt werden, sich nicht rechtzeitig um die Herstellung eines die wahre Rechtslage wiedergebenden Grundbuchs gekümmert zu haben. War der wahre Eigentümer bereits am 3.
Oktober 1990 im Grundbuch eingetragen, vermag auch der Hinweis auf die Rechtswirklichkeit in der [X.] (nachlässiger Umgang mit Rechtsvorschriften; faktische Unangreifbarkeit der Eintragungen von Volkseigentum) es nicht zu rechtfertigen, das Vertrauen des Inhabers einer Buchposition auf die unrichtige Eintragung stärker zu schützen als das des Eigentümers auf eine richtige Ein-tragung. In diesen Fällen fehlt es vielmehr an einer Voraussetzung des gesetz-lichen Erwerbstatbestands nach Art. 237 § 2 EGBGB.

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14
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, §
97 Abs. 1 ZPO.

Krüger

Stresemann

Czub

[X.]

Weinland

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.03.2010 -
6 O 516/09 -

OLG [X.], Entscheidung vom 18.02.2011 -
12 U 32/10 -

29

Meta

V ZR 61/11

09.03.2012

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.03.2012, Az. V ZR 61/11 (REWIS RS 2012, 8326)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8326

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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