Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.03.2012, Az. V ZR 61/11

5. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8327

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Gegenstand

Grundstücksrecht im Beitrittsgebiet: Ausschluss einer Buchersitzung an zu Unrecht als Volkseigentum eingetragenem Grundeigentum


Leitsatz

Wer am 3. Oktober 1990 fälschlicherweise im Grundbuch als Eigentümer eingetragen gewesen ist, hat mit Ablauf der Ausschlussfristen nach Art. 237 § 2 EGBGB das Eigentum an dem Grundstück nicht erworben, wenn am 3. Oktober 1990 auch der wahre Eigentümer auf einem anderen Grundbuchblatt eingetragen war.

Tenor

Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 18. Februar 2011 aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des [X.] vom 4. März 2010 wie folgt abgeändert:

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, in die Abvermessung derjenigen Teilflächen aus den im Grundbuch von [X.] 2155(Gemarkung H.        , Flur 2, Flurstück 25) und Blatt 692(Gemarkung H.              , Flur 2, Flurstück 30) eingetragenen Grundstücken einzuwilligen, die auf der Fläche des ehemaligen Flurstücks 1543/87 der Flur 2 der Gemarkung [X.]    liegen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1 verpflichtet ist, den über die Abvermessung ausgestellten [X.] zu genehmigen und der Abschreibung der abvermessenen Teilfläche auf ein neues Grundbuchblatt und der Eintragung der Kläger als Eigentümer in Erbengemeinschaft in das Grundbuch zuzustimmen.

Die Beklagte zu 2 wird verurteilt, in die Abvermessung derjenigen Teilfläche aus dem im Grundbuch von [X.] 2107(Gemarkung H.       , Flur 2, Flurstück 23) eingetragenen Grundstück einzuwilligen, die auf der Fläche des ehemaligen Flurstücks 1543/87 der Flur 2 der Gemarkung [X.]     liegt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2 verpflichtet ist, den über die Abvermessung ausgestellten [X.] zu genehmigen und der Abschreibung der abvermessenen Teilfläche auf ein neues Grundbuchblatt und der Eintragung der Kläger als Eigentümer in Erbengemeinschaft in das Grundbuch zuzustimmen.

Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Kläger sind die Erben nach [X.]und [X.](im Folgenden: Erblasser), die in der [X.] lebende Eigentümer eines in der [X.] gelegenen, aus dem Flurstück 1543/87 der Gemarkung [X.] bestehenden Grundstücks waren.

2

Das Grundstück lag in dem Gebiet, das durch Beschluss des [X.]von November 1981 zum [X.] erklärt wurde. Im Zuge der Errichtung der [X.] wurden im Wege einer Umflurung durch Verschmelzung und Sonderung neue Flurstücke gebildet und in dem Bestandsblatt der Liegenschaftskartei das Volk, Rechtsträger Rat der [X.], als Eigentümer eingetragen. Das ehemalige Flurstück 1543/87 der Gemarkung [X.]wurde mit Teilen eines Wohnblocks, einer Straße und eines [X.] überbaut. Eine Entscheidung über die Inanspruchnahme des Grundstücks erfolgte nicht. Streitig ist, ob das Grundbuch für das Grundstück der Kläger mit der Erklärung zum [X.] geschlossen wurde und nur in einer Liste der Flächen aufgeführt wurde, für die es noch einer Rechtsänderung bedurfte.

3

Im Februar 1990 wurde durch den Liegenschaftsdienst des Bezirks im [X.] des volkseigenen Grundstücks unter Bezugnahme auf Veränderungsnachweise von dem Flurstück [X.] der Flur 26 mit einer Größe von insgesamt 149.316 m2 eine Teilfläche von 9.365 m2 abgeschrieben und aus dieser eine Fläche von 7.948 m2 auf das [X.] 54 des Grundbuchs von [X.]übertragen, wobei im Bestandsblatt dieses [X.]s die alte Flurstücksnummer (1543/87) angegeben und die Erblasser als Eigentümer des Grundstücks eingetragen wurden. 1993 wurden die Kläger als Eigentümer dieses Grundstücks eingetragen.

4

1993/1994 wurde abermals eine katastermäßige Neubildung der Flurstücke vorgenommen, wobei die neuen [X.], 25 und 30 der Flur 2 nunmehr nach den Funktionsflächen für den Wohnblock, für die Straße und für die Schule gebildet wurden. Diese Flurstücke wurden auf neue Grundbuchblätter übertragen, die keine Hinweise auf abgeschriebene Teilflächen enthielten. Mit Bescheiden des Präsidenten der [X.] wurde festgestellt, dass die Beklagte zu 1 ([X.]) Eigentümerin der Flurstücke 25 und 30 der Flur 2 und die Beklagte zu 2 (Wohnungsgenossenschaft) Eigentümerin des Flurstücks 23 der Flur 2 geworden sei. Das für das Grundstück der Kläger angelegte Grundbuch wurde nachfolgend - ohne Mitteilung an diese - geschlossen. Einen von den Klägern im Jahre 1991 gestellten Antrag auf Rückübertragung nach dem [X.] wies das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen im Juni 2008 mit der Begründung zurück, dass keine Enteignung erfolgt sei.

5

Die Kläger haben in erster Instanz die Berichtigung des Grundbuchs mit dem Ziel beantragt, als Eigentümer eingetragen zu werden. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. In der Berufungsinstanz haben die Kläger - im Hinblick darauf, dass sich ihr Grundstück nur auf Teilflächen der neu gebildeten Grundstücke erstreckt - erklärt, dass sie die Verurteilung der Beklagten zur Einwilligung der Abvermessung der Teilflächen und die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, der Abschreibung der Teilflächen und sodann der Eintragung der Kläger als Eigentümer zuzustimmen, beantragt hätten; vorsorglich haben sie dahingehende Anträge mit einer hilfsweise erhobenen Anschlussberufung geltend gemacht. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

I.

6

Das Berufungsgericht meint, dass zwar die Klage mit den Anträgen auf Verurteilung der Beklagten, die Berichtigung des Grundbuchs für unvermessene Teilflächen zu bewilligen, nicht zulässig gewesen sei; zulässig seien aber die in diesen Leistungsanträgen enthaltenen Anträge auf Feststellung, dass die Beklagten verpflichtet seien, einer Abvermessung und Abschreibung der Teilflächen zuzustimmen und sodann die Eintragung der Kläger als Eigentümer zu bewilligen. Diese Anträge seien jedoch unbegründet, weil die Grundbücher auch in Bezug auf das ehemals den Klägern gehörende Grundstück nicht unrichtig seien.

7

Zwar hätten die Erblasser zu Zeiten der [X.] nicht das Eigentum an dem Grundstück verloren, weil dieses nicht in Anspruch genommen und in Volkseigentum überführt worden sei. Auch habe kein nach Art. 237 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unbeachtlicher Rechtsanwendungsfehler vorgelegen, weil nach dem Recht und der Verwaltungspraxis der [X.] ein Entzug des Eigentums allein durch die Buchung eines Grundstücks als Volkseigentum nicht habe herbeigeführt werden können.

8

Die Kläger hätten aber das Eigentum an ihrem Grundstück mit Ablauf der in Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB bestimmten Ausschlussfrist verloren, weil sie nicht rechtzeitig die Buchposition der Beklagten (durch eine Klage auf Grundbuchberichtigung oder einen Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs) angegriffen hätten, wodurch das am 3. Oktober 1990 als Volkseigentum gebuchte Grundstück Eigentum der Beklagten geworden sei.

II.

9

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

Die Revision hat Erfolg, weil die Klage mit den in der Berufungsinstanz klargestellten Anträgen begründet ist. Die Kläger können nach § 894 BGB von den Beklagten die Zustimmung zu der für die Eintragung des Eigentums an einer Teilfläche notwendigen Abvermessung und Grundstücksabschreibung verlangen (vgl. Senatsurteile vom 21. Februar 1986 - [X.], NJW 1986, 1867, 1868 und vom 2. April 1993 - [X.], NJW-RR 1993, 840, 841).

1. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Erblasser Eigentümer eines im Grundbuch eingetragenen Grundstücks waren, von dem Teilflächen nunmehr im Bestandsverzeichnis der den Beklagten gehörenden Grundstücke gebucht sind. Dies ist auf Grund ihrer damaligen Eintragung als Eigentümer im Grundbuch nach § 7 Abs. 1 GDO-[X.] (der eine § 891 BGB entsprechende Bestimmung enthielt) zu vermuten (vgl. Senat, Urteil vom 26. September 1969 - [X.], [X.], 355, 358). Einwendungen werden insoweit von den Beklagten nicht erhoben.

2. Richtig ist auch, dass die Erblasser das Eigentum an dem Grundstück bis zum Ablauf des 2. Oktober 1990 nicht verloren haben.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts über die für eine Enteignung notwendigen Entscheidungen eines Staatsorgans entsprechen der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 3. November 2000 - [X.], [X.], 383, 390 [zum Aufbaugesetz] und vom 17. März 1995 - [X.], [X.], 112, 120 [zum Baulandgesetz]). Ebenso trifft es zu, dass weder die Umschreibung der Grundbücher unter Bezugnahme auf die Liegenschaftskartei der neu gebildeten Flurstücke mit der Eintragung von Volkseigentum noch die - hier streitige - Schließung des bisherigen Grundbuchs (zu den in [X.] des zuständigen Ministers des Inneren der [X.] vorgeschriebenen Eintragungen bei der Überführung von Grundstücken in das Volkseigentum: Senatsurteil vom 29. März 1996 - [X.], [X.], 245, 259 mwN) die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück änderten, weil der Grundbuchvollzug als solcher kein Instrument der Enteignung darstellte (Senatsbeschluss vom 21. Juni 2000 - [X.], NJW 2001, 683, 684).

3. Im Ergebnis zutreffend ist ferner die Annahme des Berufungsgerichts, dass die katastermäßige Umflurung und Buchung im Bestandsblatt als Volkseigentum keine sonstige Überführung des Grundstücks der Kläger in das Volkseigentum im Sinne des Art. 237 § 1 EGBGB darstellte, die nach dieser Vorschrift ungeachtet aller Fehler als wirksam anzusehen wäre.

a) Rechtlichen Bedenken begegnet allerdings die Begründung, dass das Grundstück deshalb nicht Volkseigentum geworden sein könne, weil nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und der ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis der [X.] eine Enteignung nur durch förmliche Inanspruchnahmeentscheidung und nicht durch einen Buchungsvorgang durchgeführt werden konnte.

Art. 237 § 1 EGBGB erfasst mit dem Tatbestandsmerkmal der „sonstigen Überführung“ nämlich auch faktische Vorgänge wie die Buchung des Grundstücks als Volkseigentum, falls dem ein staatlicher Wille und nicht nur ein Versehen zugrunde lag (Senat, Urteil vom 8. Dezember 2000 - [X.], [X.] 2001, 213, 214; [X.], [X.] 1997, 581, 583; MünchKomm-BGB/[X.], 4. Aufl., Art. 237 § 1 EGBGB Rn. 7; a.[X.], [X.] 1997, 561, 565 der eine auf Überführung eines Grundstücks in das Volkseigentum gerichtete Rechtshandlung für erforderlich erachtet). Entscheidend für den Bestandsschutz nach Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB ist zudem nicht, ob das vorgeschriebene Verfahren durchgeführt wurde, sondern ob das angestrebte Ergebnis nach den vorhandenen Vorschriften erreichbar war (Senatsurteile vom 9. Oktober 1998 - [X.], [X.] 1999, 38, 39 und vom 8. Dezember 2000 - [X.], [X.] 2001, 213, 214; [X.], [X.] 1997, 581, 583). Das ist hier zu bejahen, weil eine Inanspruchnahme des Grundstücks nach den bereits genannten Rechtsvorschriften der [X.] (Aufbau- und Baulandgesetz) möglich und angesichts der baulichen Nutzung für einen neuen Stadtteil eigentlich auch geboten gewesen wäre.

b) Ob der Einbeziehung der Fläche des Grundstücks der Kläger in die durch Umflurung neu gebildeten, als Volkseigentum gebuchten Grundstücke ein Enteignungswille der staatlichen Organe der [X.] zugrunde lag, ist nicht festgestellt, kann hier jedoch dahinstehen.

Die Nichtanwendung des Art. 237 § 1 EGBGB stellt sich nämlich - unabhängig davon - als im Ergebnis richtig dar. Die Vorschrift ist im Wege einer verfassungskonformen Auslegung nicht auf die Fälle anzuwenden, in denen die staatlichen Stellen der [X.] ein Grundstück noch als [X.] behandelt haben, was hier dadurch zum Ausdruck kam, dass der Staatliche Liegenschaftsdienst der [X.] ein Grundbuch für das Grundstück neu angelegt und die Erblasser als dessen Eigentümer eingetragen hat. Mit der Anerkennung auch der Überführungen in das Volkseigentum gemäß Art. 237 § 1 EGBGB, die nach Maßgabe der einschlägigen Rechtsvorschriften der [X.] nicht wirksam waren, ist ein entschädigungsloser Verlust der aus dem Eigentum folgenden Rechte verbunden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1997 - [X.], [X.] 1998, 94, 95 und vom 6. Juni 2003 - [X.], [X.] 2004, 79, 81). Diese Rechtsfolge ist vor dem Hintergrund des Art. 14 GG nur dann als verhältnismäßig anzusehen, wenn den betroffenen Eigentümern eine nur noch formale Eigentumsposition verblieben war, die in der [X.] nicht durchsetzbar und deshalb ohne jeden wirtschaftlichen Wert war (vgl. Senat, Urteil vom 10. Oktober 1997 - [X.], [X.] 1998, 94, 95; [X.], [X.] 1998, 507, 508; EGMR, NJW 2004, 927, 929). Davon kann jedoch keine Rede sein, wenn der für das Grundbuchwesen zuständige staatliche Liegenschaftsdienst der [X.] das [X.] an dem Grundstück - ungeachtet aller faktischen Veränderungen - respektierte und dies durch die Anlegung eines Grundbuchs für den Eigentümer dokumentierte.

4. Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht jedoch an, dass die Beklagten als Berechtigte aus der Abwicklung des ehemaligen Volkseigentums nach Art. 237 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB Eigentümer des Grundstücks der Kläger geworden seien, weil diese die Ausschlussfrist für einen Angriff gegen unrichtige Eintragungen versäumt hätten.

a) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass vor dem 3. Oktober 1990 im Bestandsblatt der Liegenschaftskartei (§ 105 Abs. 1 Nr. 5 GBV) Eigentum des Volkes eingetragen war, ohne dass dieses entstanden war.

Das Grundstück der Kläger war am 3. Oktober 1990 eine Teilfläche eines 1974 neu gebildeten, auf dem Bestandsblatt des Liegenschaftskatasters als Volkseigentum gebuchten Grundstücks, woran die Buchungsvorgänge vom 20. Februar 1990 nichts geändert hatten. Die von dem Liegenschaftsdienst beabsichtigte Berichtigung durch Abschreibung des Grundstücks der Kläger war sachenrechtlich nicht wirksam, weil nicht - wie für die Abschreibung einer Teilfläche von einem Grundstück notwendig (vgl. zur Rechtslage in der [X.]: Senatsurteile vom 20. Juni 1962 - [X.], [X.], 233, 242 und vom 25. Januar 2008 - [X.], [X.], 123, 132 Rn. 25 mwN) - neue Grundstücke gebildet worden waren. In der [X.] galten keine anderen Grundsätze. § 7 Abs. 2 Satz 1 GBVerfO-[X.] enthielt eine dem § 28 Satz 1 GBO entsprechende Regelung für die Anträge. Die gemäß § 18 GDO-[X.] erlassene Colido-Grundbuchanweisung sah in Nummer 25 Abs. 3 und 4 vor, dass die Abschreibung von Grundstücken und Grundstücksteilen unter Streichung einer in der Abteilung 0 eingetragenen Grundstücksnummer und unter Hinweis auf die neue Grundstücksnummer zu erfolgen habe. Dies war nicht erfolgt.

b) Das Berufungsgericht bejaht jedoch zu Unrecht einen Eigentumserwerb durch den Buchberechtigten selbst dann, wenn - wie hier - ein neues Grundbuchblatt für das in [X.] gebliebene Grundstück angelegt wurde. Wer am 3. Oktober 1990 fälschlicherweise im Grundbuch als Eigentümer eingetragen gewesen ist, hat mit Ablauf der Ausschlussfristen nach Art. 237 § 2 EGBGB das Eigentum an dem Grundstück nicht erworben, wenn am 3. Oktober 1990 auch der wahre Eigentümer auf einem anderen Grundbuchblatt eingetragen war. In den Fällen einer Doppelbuchung (Eintragung desselben Flurstücks auf zwei verschiedenen [X.]) führte die gegenteilige Auslegung der Norm durch das Berufungsgericht zu dem seltsamen Ergebnis, dass mit Ablauf der Ausschlussfrist die falsche Buchung richtig und die richtige Buchung falsch geworden wäre.

Ein [X.] ist jedoch - ebenso wie bei der Ersitzung nach § 900 BGB (vgl. [X.], 58, 60; Senat, Urteil vom 19. Oktober 2007 - [X.], [X.], 61, 66) - auch nach Art. 237 Abs. 2 EGBGB nicht möglich. Der Senat hat, wenngleich in einem anderen Zusammenhang, ausgeführt, dass die richtige Eintragung des wahren Eigentümers einem gesetzlichen Eigentumserwerb aus der unrichtigen Buchposition mit dem Ablauf der Ausschlussfrist entgegensteht (vgl. Senat, Beschlüsse vom 13. Februar 2003 - [X.], juris und vom 14. März 2003 - [X.], [X.] 2003, 344, 345).

aa) Das Gegenteil lässt sich auch nicht mit dem Zweck der Norm begründen, die [X.] an Grundstücken im Beitrittsgebiet im Interesse der Rechtssicherheit - unabhängig von der materiellen Rechtslage, allein nach den Eintragungen im Grundbuch - einer endgültigen Klärung herbeizuführen. Dieser Zweck rechtfertigt, wenn sich beide Parteien auf eine Eintragung als Eigentümer berufen können, keine Entscheidung gegen den wahren Eigentümer zugunsten des Nichtberechtigten.

bb) Aus den knappen Gesetzesmaterialen ([X.]. 13/7275, S. 33 f.) und aus den von dem Berufungsgericht zitierten Erläuterungen ([X.], [X.] 1997, 449, 453) lässt sich für eine derartige Regelungsvorstellung nichts entnehmen. Aus diesen ergibt sich vielmehr, dass der Gesetzgeber nur die Fälle im Auge hatte, in denen es für das jeweilige Grundstück allein die unrichtige Eintragung gab. [X.] von Volks- und [X.] lagen außerhalb der Vorstellung und des [X.] des Gesetzgebers.

cc) Schließlich ist es ein Gebot der verfassungskonformen Auslegung, die Vorschrift nicht gegen den im Grundbuch eingetragenen Eigentümer anzuwenden. Das Verstreichen der Ausschlussfrist in Art. 237 § 2 EGBGB führt - ebenso wie die Anerkennung zwar nicht rechtswirksamer, aber in der [X.] faktisch unangreifbarer Enteignungen nach Art. 237 § 1 EGBGB - zu einem entschädigungslosen Entzug von [X.]. Die Regelung stellt nur deshalb eine verhältnismäßige Eigentumsbeschränkung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar, weil die von dem [X.] bedrohten Eigentümer durch die Nichteintragung ihres Eigentums Anlass und von dem Beitritt an auch acht Jahre lang Zeit hatten, ihre Eigentümerrechte geltend zu machen und damit den [X.] zu vermeiden (Senat, Urteil vom 6. Juni 2003 - [X.], [X.] 2004, 79, 81; [X.], [X.] 2006, 123). Bei einer Anwendung der Ausschlussfrist auf [X.] wäre dem im Grundbuch eingetragenen Eigentümer eine (dem System der Bürgerlichen Rechts widersprechende) Obliegenheit auferlegt worden, sein eingetragenes Recht gegenüber einem aus den Eintragungen auf einem anderen Grundbuchblatt Berechtigten - notfalls gerichtlich - durchzusetzen; andernfalls wäre es trotz richtiger Eintragung mit Ablauf der Ausschlussfrist zu einem [X.] ohne jeden Ausgleich gekommen. Das wäre eine mit Art. 14 GG unvereinbare, einseitige Entscheidung des Konflikts zwischen zwei nach dem Grundbuch Berechtigten zum Nachteil des wahren Eigentümers.

c) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist es auch nicht entscheidend, dass mit der Neuanlegung des Grundbuchs durch den Liegenschaftsdienst der [X.] kein Grundstück im Rechtssinne wieder entstanden war, weil es einen räumlich abgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis des Grundbuchblatts für das Grundstück der Kläger unter Nummer 1543/87 der Gemarkung [X.]     gebucht war, nicht mehr gab.

Darauf kommt es nicht an, weil es bei der Auslegung des Art. 237 § 2 EGBGB nicht um den öffentlichen Glauben der Eintragungen im Bestandsverzeichnis (dazu: Senat, Urteil vom 5. Dezember 2005 - [X.], NJW-RR 2006, 662, 663), sondern um die Voraussetzungen eines gesetzlichen Erwerbs des Eigentums durch [X.] geht. Mit Art. 237 § 2 EGBGB hat der Gesetzgeber im Hinblick auf die Rechtverhältnisse in der [X.] einen besonderen Erwerbstatbestand aus in der [X.] begründeten Buchpositionen geschaffen, wobei er sich wegen der Obliegenheit des wahren Eigentümers, seine Ansprüche aus dem Eigentum zur Vermeidung eines [X.] innerhalb einer Frist von acht Jahren seit dem Beitritt geltend zu machen, an dem Verwirkungsgedanken orientiert hat (vgl. Senat, Urteil vom 6. Juni 2003 - [X.], [X.] 2004, 79, 80; [X.], [X.] 1997, 581, 585). Demjenigen, der als Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, kann jedoch nicht - wie einem nicht eingetragenen Berechtigten - zur Last gelegt werden, sich nicht rechtzeitig um die Herstellung eines die wahre Rechtslage wiedergebenden Grundbuchs gekümmert zu haben. War der wahre Eigentümer bereits am 3. Oktober 1990 im Grundbuch eingetragen, vermag auch der Hinweis auf die Rechtswirklichkeit in der [X.] (nachlässiger Umgang mit Rechtsvorschriften; faktische Unangreifbarkeit der Eintragungen von Volkseigentum) es nicht zu rechtfertigen, das Vertrauen des Inhabers einer Buchposition auf die unrichtige Eintragung stärker zu schützen als das des Eigentümers auf eine richtige Eintragung. In diesen Fällen fehlt es vielmehr an einer Voraussetzung des gesetzlichen Erwerbstatbestands nach Art. 237 § 2 EGBGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Krüger                                              Stresemann                                            Czub

                        Brückner                                                  Weinland

Meta

V ZR 61/11

09.03.2012

Bundesgerichtshof 5. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 18. Februar 2011, Az: 12 U 32/10

Art 237 § 2 Abs 2 S 1 BGBEG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 09.03.2012, Az. V ZR 61/11 (REWIS RS 2012, 8327)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8327

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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