Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.05.2013, Az. VI R 41/12

6. Senat | REWIS RS 2013, 5854

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Gegenstand

Verpflegungsmehraufwand für Leiharbeitnehmer


Leitsatz

Auch Leiharbeitnehmern steht Verpflegungsmehraufwand nur in den Grenzen der Dreimonatsfrist nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG zu. Insoweit gilt für Leiharbeitnehmer nichts anderes als für andere auswärts tätige Arbeitnehmer .

Tatbestand

1

I. Streitig ist, in welchem Umfang ein in einem Hafengebiet tätiger Leiharbeitnehmer Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten geltend machen kann.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren (2004, 2007, 2008) als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger war als Hafenarbeiter bei [[X.].] beschäftigt. Der [X.] überlässt seine [X.]rbeitnehmer den in den Häfen von [X.] und [X.] tätigen Unternehmen. Der täglich an seinen Wohnort zurückkehrende Kläger erfuhr jeweils am Ende eines [X.]rbeitstages telefonisch von dem [X.] Einsatzort und Einsatzzeit für den nächsten [X.]rbeitstag. In den Streitjahren war er ausschließlich im Hafen von [X.] tätig. Dort war er im Wesentlichen an fünf Einsatzstellen tätig, nämlich in [X.], in der Einsatzstelle [X.] und in drei weiteren Einsatzstellen ([X.] bis [X.]). Im Streitjahr 2004 war der Kläger in [X.] an 161 von 217 [X.]rbeitstagen, im Streitjahr 2007 an 141 von 225 [X.]rbeitstagen bei [X.] und an weiteren 60 Tagen bei [X.] eingesetzt. Im Streitjahr 2008 war er an 92 von 165 [X.]rbeitstagen bei [X.] und an 51 Tagen bei [X.] eingesetzt.

3

Die Kläger machten im Rahmen ihrer Einkommensteuerveranlagung die tatsächlichen Fahrtkosten des [X.] zu dessen jeweiligem Einsatzort mit der Pauschale in Höhe von 0,30 € je gefahrenen Kilometer sowie Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 6 € pro Tag (1.278 € für 2004, 1.362 € für 2007 und 984 € für 2008) als Werbungskosten geltend.

4

Nachdem der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --F[X.]--) diese [X.]ufwendungen zunächst nicht berücksichtigt hatte, änderte er im Einspruchsverfahren auf Grundlage des zwischen denselben [X.]eteiligten ergangenen Urteils des erkennenden Senats zum Veranlagungszeitraum 2006 vom 17. Juni 2010 VI R 35/08 ([X.]FHE 230, 147, [X.]St[X.]l II 2010, 852) auch die hier streitigen Einkommensteuerfestsetzungen. Das F[X.] berücksichtigte dabei zwar die Fahrtkosten zu den Einsatzstellen des [X.] wie beantragt, den Verpflegungsmehraufwand je Einsatzstelle allerdings nur bis zur Dauer der zusammenhängenden Einsatztage von drei Monaten. Für die darüber hinausgehenden Zeiten erkannte es Verpflegungsmehraufwand nur an, wenn den weiteren Einsätzen an dieser Stelle eine Unterbrechung von mindestens vier Wochen vorausgegangen war.

5

Das Finanzgericht ([X.]) hat die dagegen erhobene Klage abgewiesen.

6

Die Kläger rügen mit der Revision die Verletzung des § 4 [X.]bs. 5 Satz 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes in den Fassungen der streitigen Veranlagungszeiträume (EStG).

7

Sie beantragen sinngemäß,
das Urteil des [X.] aufzuheben und unter [X.]bänderung der Einkommensteuerbescheide und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidungen bei den Einkünften des [X.] aus nichtselbständiger [X.]rbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 702 € (2004), 654 € (2007) und 558 € (2008) zu berücksichtigen und die Einkommensteuern der Streitjahre entsprechend herabzusetzen.

8

Das F[X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass über den bereits berücksichtigten Umfang hinaus keine weiteren Verpflegungsmehraufwendungen anzusetzen sind.

Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG kann ein Arbeitnehmer Mehraufwendungen für seine Verpflegung dann als Werbungskosten abziehen, wenn er vorübergehend von seiner Wohnung und dem [X.] entfernt beruflich tätig ist. Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG gilt dies entsprechend, wenn er bei seiner individuellen beruflichen Tätigkeit typischerweise nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug tätig wird. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG beschränkt bei einer längerfristigen vorübergehenden Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte den pauschalen Abzug nach Satz 2 auf die ersten drei Monate (sog. Dreimonatsfrist). Diese Begrenzung auf die ersten drei Monate begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu Senatsurteil vom 8. Juli 2010 VI R 10/08, [X.], 352, [X.], 32, m.w.N.).

a) Die Beteiligten gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass der Kläger als Leiharbeitnehmer eine Auswärtstätigkeit ausübte, die grundsätzlich zum Abzug erwerbsbedingter Verpflegungsmehraufwendungen berechtigt. Der erkennende Senat nimmt insoweit zur Begründung auf sein zwischen denselben Beteiligten ergangenes Urteil in [X.], 147, [X.], 852 Bezug. Danach kommt ein Leiharbeitnehmer typischerweise weder an einer regelmäßigen Arbeitsstätte noch an einem [X.] zum Einsatz, so dass ein Abzug erwerbsbedingter Verpflegungsmehraufwendungen grundsätzlich nicht ausgeschlossen ist. Entsprechendes gilt auch für die hier streitigen Veranlagungszeiträume. Denn auch in den hier zu entscheidenden Streitjahren war der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit nicht in einer betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers, sondern an jeweils verschiedenen Orten des [X.] bei jeweils unterschiedlichen Kunden seines Arbeitgebers tätig.

b) Wie der erkennende Senat schon früher entschieden hat, gilt die Dreimonatsfrist grundsätzlich für alle Formen einer Auswärtstätigkeit einschließlich der Einsatzwechseltätigkeit (Urteile vom 27. Juli 2004 VI R 43/03, [X.], 196, [X.] 2005, 357; vom 19. Dezember 2005 VI R 30/05, [X.], 218, [X.] 2006, 378). An dieser Rechtsauffassung hält der Senat unverändert fest. Denn das mit der Neuregelung des [X.] durch das Jahressteuergesetz 1996 verfolgte Ziel, allen Arbeitnehmern mit [X.] die gleichen Pauschalen zuzumessen, dient der steuerlichen Gleichbehandlung und der Vereinfachung. Damit ist es insbesondere entbehrlich, einzelne Formen der Auswärtstätigkeit voneinander abzugrenzen, um ihnen unterschiedliche Rechtsfolgen zuzuweisen. Von diesem Grundsatz sind lediglich Fahrtätigkeiten ausgenommen. Denn insoweit unterscheidet § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG zwischen Tätigkeitsstätte einerseits und Fahrzeug andererseits (Senatsurteil vom 24. Februar 2011 VI R 66/10, [X.], 524, [X.] 2012, 27).

2. Nach diesen Rechtsgrundsätzen steht dem Kläger Verpflegungsmehraufwand nur in den Grenzen der Dreimonatsfrist nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG zu. Insoweit gilt für Leiharbeitnehmer nichts anderes als für andere Arbeitnehmer, die sich auf Auswärtstätigkeit befinden, indem sie bei Kunden ihres Arbeitgebers tätig werden. Im Übrigen hat der Senat schon früher auf diese Rechtsauffassung hingewiesen. Denn er hat bereits in dem zwischen denselben Beteiligten ergangenen Urteil in [X.], 147, [X.], 852, unter [X.] in Rz 16 der Gründe mit Hinweis auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 5 EStG hinsichtlich des Abzugs von Verpflegungsmehraufwand darauf abgehoben, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger bei den jeweiligen Auftraggebern seines Arbeitgebers jeweils länger als drei Monate ununterbrochen tätig gewesen war.

Entgegen der Auffassung der Kläger folgt aus dem Senatsurteil in [X.], 524, [X.] 2012, 27 nicht, dass die Dreimonatsfrist für Leiharbeitnehmer keine Geltung haben sollte. Denn dort hat der Senat unter Hinweis auf seine Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Dreimonatsfrist (Urteil in [X.], 352, [X.], 32) ausgeführt, dass die Dreimonatsfrist auch sachgerecht erscheint, weil sich der Arbeitnehmer nach einer Übergangszeit typischerweise auf die [X.] vor Ort einstellen, die Höhe der Kosten beeinflussen und damit den "Mehr"-Aufwand minimieren oder sogar vermeiden kann. Wird der Steuerpflichtige an einem solchen Ort längerfristig, nämlich über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten eingesetzt, geht das Gesetz mithin typisierend davon aus, dass dem Steuerpflichtigen mit Fristablauf die [X.] vor Ort bekannt ist. Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Kläger von seinem Einsatzort erfahren hatte, sondern nur, dass er tatsächlich längerfristig an derselben ihm bekannten Tätigkeitsstätte eingesetzt worden war.

Meta

VI R 41/12

15.05.2013

Bundesfinanzhof 6. Senat

Urteil

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 9. Mai 2012, Az: 4 K 216/11, Urteil

§ 4 Abs 5 S 1 Nr 5 EStG 2002, § 9 Abs 5 EStG 2002, EStG VZ 2007, EStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 15.05.2013, Az. VI R 41/12 (REWIS RS 2013, 5854)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5854

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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5 Ta 135/17

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