Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2021, Az. VII R 32/20

7. Senat | REWIS RS 2021, 352

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Gegenstand

Haftung für pauschalierte Lohnsteuer


Leitsatz

1. Die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten begründet regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers einer GmbH. Das gilt auch im Fall der nachträglichen Pauschalierung der Lohnsteuer.

2. Bei der pauschalierten Lohnsteuer handelt es sich nicht um eine Unternehmenssteuer eigener Art, sondern um die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer (Aufgabe der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 03.05.1990 - VII R 108/88, BFHE 160, 417, BStBl II 1990, 767).

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 29.05.2020 - 8 K 2529/19 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war seit der Gründung alleinige Geschäftsführerin der GmbH.

2

Im Rahmen einer [X.] bei der [X.] bis Juni 2017 wurde festgestellt, dass für Juli 2015 bis Juni 2017 für die private Nutzung eines [X.] durch die Klägerin keine Lohnsteuer angemeldet, einbehalten und abgeführt worden war. Ferner setzte der Prüfer für den Zeitraum Januar 2015 bis Juni 2017 einen geschätzten Anteil von an die Arbeitnehmer der GmbH erstatteten Verpflegungsmehraufwendungen, die bisher in vollem Umfang als steuerfrei behandelt worden waren, als steuerpflichtig an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) führte in Umsetzung dieser Feststellungen im Einvernehmen mit der GmbH eine pauschale Nachversteuerung nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG durch und setzte mit Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018 Lohnsteuer in Höhe von ... € und Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer in Höhe von ... € fest, welche am 12.04.2018 fällig waren.

3

Für die [X.] und Januar 2018 meldete die GmbH zwar Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge fristgerecht an, führte diese jedoch für Dezember 2017 nur noch teilweise, in Höhe von ... € (Lohnsteuer) und ... € (Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer), und für Januar 2018 (Lohnsteuer in Höhe von ... € und Solidaritätszuschlag zur Lohnsteuer in Höhe von ... €) überhaupt nicht mehr ab.

4

Bereits mit Schreiben vom 21.12.2017, das beim Amtsgericht (AG) am 27.12.2017 eingegangen war, hatte ein Sozialversicherungsträger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beantragt. Die Klägerin stellte am 25.01.2018 einen eigenen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss des [X.] wurde die vorläufige Insolvenzverwaltung angeordnet und bestimmt, dass Verfügungen der GmbH nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sein sollten (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alternative 2 der Insolvenzordnung --InsO--) und dass dies auch für die Einziehung von [X.] gelte. Das Insolvenzverfahren wurde am 30.04.2018 eröffnet. Die vom [X.] zur Insolvenztabelle angemeldeten noch offenen Steuerforderungen für Dezember 2017 und Januar 2018 sowie die mit Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018 festgesetzten Steuerbeträge und die bisher entstandenen Säumniszuschläge wurden widerspruchslos zur Insolvenztabelle festgestellt.

5

Weil die Forderungen von der GmbH nicht beigetrieben werden konnten, nahm das [X.] die Klägerin nach vorheriger Anhörung gemäß §§ 69, 34 der Abgabenordnung ([X.]) mit drei Haftungsbescheiden vom 10.10.2018 in Haftung (1.) wegen Lohnsteuer Januar 2017 in Höhe von ... € und sonstigen Lohnabzugsbeträgen sowie Säumniszuschlägen (gemäß Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018), (2.) wegen Lohnsteuer und sonstigen Lohnabzugsbeträgen sowie Säumniszuschlägen für Dezember 2017 und (3.) wegen Lohnsteuer und sonstigen Lohnabzugsbeträgen sowie Säumniszuschlägen für Januar 2018. Nach der Begründung des Haftungsbescheids wegen Lohnsteuer Januar 2017 lagen diesem die Zeiträume September 2014 bis Juni 2017 zugrunde.

6

Nachdem das Einspruchsverfahren erfolglos geblieben war, hatte die Klage hinsichtlich der Säumniszuschläge teilweise Erfolg.

7

Das Finanzgericht ([X.]) urteilte, das [X.] habe sein Ermessen hinsichtlich der Säumniszuschläge fehlerhaft ausgeübt, soweit diese über die zur Insolvenztabelle festgestellten Beträge hinausgingen. Denn diese Säumniszuschläge seien entstanden, nachdem die GmbH bereits zahlungsunfähig gewesen sei, weswegen eine Reduzierung (regelmäßig um die Hälfte) zu prüfen gewesen wäre.

8

Im Übrigen wies das [X.] die Klage ab. Zutreffend habe das [X.] die Klägerin für die Lohnsteuer Dezember 2017 und Januar 2018 in Anspruch genommen. Sie sei nicht dadurch entschuldigt, dass im Dezember 2017 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt und am 01.02.2018 ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden sei. Dass der vorläufige Insolvenzverwalter sie an der Zahlung gehindert habe, sei weder vorgetragen worden noch anderweitig erkennbar. Auch für die mit Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018 festgesetzte pauschale Lohnsteuer habe das [X.] die Klägerin zu Recht als Haftende in Anspruch genommen. Sie wäre verpflichtet gewesen, die fraglichen Lohnabzugsbeträge in die monatlichen [X.] für Januar 2015 bis Juni 2017 aufzunehmen, einzubehalten und abzuführen. Zwar bedürfe die pauschale Versteuerung noch der Zustimmung bzw. der Ausübung eines Wahlrechts; es handele sich aber nicht um eine Steuer eigener Art (anderer Ansicht Senatsurteil vom 03.05.1990 - VII R 108/88, [X.], 417, [X.] 1990, 767). Bezugspunkt der Haftung bleibe deshalb der Zuflusszeitpunkt des Arbeitslohns. Deshalb seien im Streitfall die Umstände, dass die [X.] erst am 15.02.2018 beendet gewesen und die pauschale Steuer erst zu einem Zeitpunkt fällig geworden sei, in dem die GmbH bereits zahlungsunfähig gewesen sei, unmaßgeblich. Auch für die Haftung für pauschale Lohnsteuer finde der Grundsatz der anteiligen Tilgung keine Anwendung. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2020, 1347 abgedruckt.

9

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin.

Das [X.] habe rechtsfehlerhaft eine grob fahrlässige Pflichtverletzung angenommen. Dies gelte insbesondere bezüglich der durch die Außenprüfung festgestellten [X.]. Die Klägerin habe sich auf die Ausführungen ihres Steuerberaters verlassen dürfen. Dass Zahlungen anfallen würden, habe sie erst infolge der Prüfung erfahren. Zudem habe das [X.] übersehen, dass die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung vom 01.02.2018 auch die Einziehung von [X.] erfasst habe. In der Folge habe der vorläufige Insolvenzverwalter ein Anderkonto eingerichtet, über welches die GmbH bzw. die Klägerin nicht habe verfügen können. Weil der Insolvenzverwalter zur Sicherung der Masse regelmäßig gehalten sei, keine Zustimmungen zu Zahlungen an Gläubiger zu erteilen, sei es eine "[X.]", von der Klägerin die Einholung einer Zustimmung zu verlangen. Schließlich sei die Auffassung des [X.] unzutreffend, dass Bezugspunkt für die Haftung der Zufluss des Arbeitslohns und nicht die Fälligkeit der mit Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018 festgesetzten pauschalen Lohnsteuer gewesen sei (Verweis auf Senatsurteil in [X.], 417, [X.] 1990, 767). Tatsächlich könne die Steuerschuld erst mit der Pauschalierung berechnet werden und die Steuer dem [X.] frühestens ab diesem Zeitpunkt zufließen (Hinweis auf Urteil des [X.] --BFH-- vom 06.05.1994 - VI R 47/93, [X.], 363, [X.] 1994, 715).

Die Klägerin verweist zudem auf die Neufassung des § 15b InsO. Darin habe der Gesetzgeber nunmehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Verletzung steuerlicher Pflichten spätestens nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ausscheide.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil der Vorinstanz und die drei Haftungsbescheide vom 10.10.2018 über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge sowie Säumniszuschläge, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom [X.], aufzuheben, soweit der Klage nicht stattgegeben wurde.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Die Vorentscheidung entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O). Die drei angefochtenen [X.] sind rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 [X.]O), soweit das [X.] die Klage abgewiesen hat.

Gemäß § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 [X.] haften die gesetzlichen Vertreter einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Danach trifft den Geschäftsführer einer GmbH die Pflicht, für eine fristgerechte Anmeldung und Abführung der von der GmbH geschuldeten Lohnsteuer zu sorgen (§ 41a Abs. 1 EStG).

Im Streitfall sind diese Voraussetzungen erfüllt.

1. Nach den mit der Revision nicht angegriffenen und damit den [X.] bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) war die Klägerin im gesamten Haftungszeitraum Geschäftsführerin der GmbH.

2. Die Klägerin hat ihre Pflichten zum einen dadurch verletzt, dass sie die für die Monate Dezember 2017 und Januar 2018 angemeldete Lohnsteuer nicht bzw. nicht vollständig abgeführt hat. Zum anderen hat sie die mit Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018 für die Monate September 2014 bis Juni 2017 festgesetzte Lohnsteuer (und die Nebenleistungen) weder korrekt angemeldet noch gezahlt.

3. Diese Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer beruht auf einer zumindest grob fahrlässigen Verletzung der Pflichten der Klägerin als Geschäftsführerin.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s stellt die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer zu den gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkten regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar (vgl. [X.]surteil vom 20.04.1982 - VII R 96/79, [X.], 416, [X.] 1982, 521; [X.]sbeschluss vom 09.12.2005 - VII B 124-125/05, [X.], 897, m.w.N.).

b) Das [X.] ist zutreffend zu dem Schluss gelangt, dass die Klägerin keine Gründe glaubhaft gemacht hat, welche im Einzelfall die Pflichtverletzung entschuldigen oder den Vorwurf grober Fahrlässigkeit entkräften können.

aa) Zahlungsschwierigkeiten der GmbH ändern weder etwas an der Pflichtenstellung des GmbH-Geschäftsführers noch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH aus. Reichen die ihm zur Verfügung stehenden Mittel zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne (einschließlich des in ihnen enthaltenen Steueranteils) nicht aus, so darf der Geschäftsführer die Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen und muss aus den dadurch übrig bleibenden Mitteln die auf die gekürzten (Netto-)Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]sbeschluss vom 21.12.1998 - VII B 175/98, [X.] 1999, 745, m.w.N.; [X.]surteil vom 01.08.2000 - VII R 110/99, [X.], 249, [X.] 2001, 271).

(1) Der vorliegende Fall bietet für den [X.] keinen Anlass zu entscheiden, ob der Grundsatz der anteiligen Tilgung auch auf die pauschalierte Lohnsteuer nach § 40 Abs. 2 EStG keine Anwendung findet.

Im Hinblick auf den Haftungsbescheid wegen Lohnsteuer Januar 2017 u.a. hat die Klägerin schon nicht vorgetragen, dass sich die GmbH im für die Haftung laut Haftungsbescheid maßgeblichen Zeitraum September 2014 bis Juni 2017 in Zahlungsschwierigkeiten befand. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es im Streitfall nicht auf den Fälligkeitszeitpunkt der pauschalierten Lohnsteuer laut Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018 an, sondern auf die Pflichtverletzung durch Nichtanmeldung und Nichtabführung der Lohnsteuer zu den gesetzlich vorgesehenen Fälligkeitszeitpunkten.

Nach § 40 Abs. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer in bestimmten Fällen mit einem Pauschsteuersatz von 25 Prozent erheben. Er hat die pauschale Lohnsteuer zu übernehmen. Nach § 40 Abs. 3 EStG ist der Arbeitgeber Schuldner der pauschalen Lohnsteuer. Der pauschal besteuerte Arbeitslohn und die pauschale Lohnsteuer bleiben bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer und beim [X.] außer Ansatz. Die pauschale Lohnsteuer ist weder auf die Einkommensteuer noch auf die [X.] anzurechnen. Geregelt wird in § 40 EStG ein Besteuerungsverfahren besonderer Art ([X.]/[X.], EStG, 40. Aufl., § 40 Rz 1). Es handelt sich um eine von der Steuer des Arbeitnehmers abgeleitete Steuer. Die Steuerschuldnerschaft des Arbeitgebers ist steuertechnischer (formeller) Art (vgl. ausführlich [X.]-Urteil in [X.], 363, [X.] 1994, 715).

Zwar hatte der [X.] in seinem Urteil in [X.], 417, [X.] 1990, 767 ausgeführt, dass sich die Pflichtverletzung und das Verschulden des [X.] nach § 69 Satz 1 [X.] im Falle der Lohnsteuerpauschalierung nach dem Zeitpunkt der Fälligkeit der durch den [X.] festgesetzten pauschalen Lohnsteuer bestimmten und nicht --wie in den Fällen der Haftung des Geschäftsführers für die individuelle [X.] nach dem in § 41a Abs. 1 EStG geregelten Zeitpunkt der Anmeldung und Abführung der Lohnsteuer.

Diese Entscheidung beruhte jedoch zum einen auf einer Einordnung der pauschalen Lohnsteuer als Unternehmenssteuer eigener Art, wie sie der [X.] in seinem Urteil vom 05.11.1982 - VI R 219/80 ([X.]E 137, 46, [X.] 1983, 91) vertreten hatte. Die Einordnung der pauschalen Lohnsteuer als Unternehmenssteuer eigener Art haben verschiedene [X.]e des [X.] mittlerweile ausdrücklich aufgegeben ([X.]-Urteile vom 30.11.1989 - I R 14/87, [X.]E 159, 82, [X.] 1990, 993, und in [X.], 363, [X.] 1994, 715). Danach ist die pauschale Lohnsteuer die durch die Tatbestandsverwirklichung des Arbeitnehmers entstandene und vom Arbeitgeber lediglich übernommene Lohnsteuer. Dem schließt sich der [X.] an.

Zum anderen betrifft der Haftungsbescheid vom 10.10.2018 zwar der Höhe nach die pauschalierte Lohnsteuer laut Nachforderungsbescheid vom 09.03.2018, stellt jedoch primär auf die unvollständige Anmeldung und infolgedessen zu niedrige Abführung der Lohnsteuer ab. Der [X.] hat erst unlängst klargestellt, dass sich die maßgebliche Handlung bzw. Unterlassung nach dem Inhalt des Haftungsbescheids richtet ([X.]surteil vom 19.01.2021 - VII R 38/19, [X.] 2021, 1057, Rz 28).

Dass sich die GmbH zu diesem Zeitpunkt bereits in Zahlungsschwierigkeiten befand, hat die Klägerin nicht vorgetragen.

(2) Bezüglich der [X.] zur Lohnsteuer Dezember 2017 und Januar 2018 bleibt es bei den allgemeinen Ausführungen (s. oben unter [X.] aa). Mit einem Hinweis auf Zahlungsschwierigkeiten der GmbH vermag sich die Klägerin nicht zu entlasten.

bb) Die Klägerin ist auch nicht durch ihren Hinweis auf den von ihr beauftragten Steuerberater entschuldigt.

Nach der Rechtsprechung des [X.] ist zwar generell davon auszugehen, dass der Geschäftsführer einer GmbH dann nicht schuldhaft handelt, wenn er die Sachkunde eines ihm als zuverlässig bekannten [X.] als Angehöriger eines rechtsberatenden oder steuerberatenden Berufs befugten-- steuerlichen Beraters in Anspruch nimmt, sich auf diesen verlässt und bei gewissenhafter Ausübung seiner Überwachungspflichten keinen Anlass hat, die steuerliche Korrektheit der Arbeit des steuerlichen Beraters in Frage zu stellen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.]sbeschlüsse vom 28.08.2008 - VII B 240/07, [X.] 2008, 1983, und vom 04.05.2004 - VII B 318/03, [X.] 2004, 1363).

Allerdings darf der Geschäftsführer nicht blind auf die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung durch den [X.] und auf eine Überwachung gänzlich verzichten. Vielmehr muss er sich fortlaufend über den Geschäftsgang unterrichten, so dass ihm Unregelmäßigkeiten nicht über einen längeren Zeitraum verborgen bleiben können ([X.]sbeschlüsse vom 31.10.2005 - VII B 66/05, [X.], 480, und vom 05.03.1998 - VII B 36/97, [X.] 1998, 1325). Schließlich kann eine konkrete Anfrage und eine entsprechende Antwort allenfalls dann einen [X.] darstellen, wenn der Rechtsanwalt bzw. Steuerberater über den Sachverhalt vollständig und zutreffend in Kenntnis gesetzt wurde und daraufhin die unmissverständliche Auskunft erteilt hat, dass steuerliche Pflichten im Hinblick auf die in Frage stehenden Steuern nicht zu erfüllen seien (vgl. [X.]surteil vom 19.09.1985 - VII R 88/85, [X.] 1986, 133).

(1) Bezüglich der konkreten Umstände, welche der pauschalierten Lohnsteuer zugrunde liegen, hat die Klägerin lediglich vorgetragen, dass sie in [X.] durch eine Steuerberatungsgesellschaft betreut worden sei und erst infolge der Außenprüfung erfahren habe, dass Zahlungen in dieser Höhe anfallen. Allein die Betreuung durch einen fachkundigen Dritten entlastet die Klägerin jedoch nicht. Sie hat bereits nicht vorgetragen, ob der Steuerberater von dem maßgeblichen Sachverhalt (private [X.] durch die Klägerin, Erstattung von Verpflegungsmehraufwendungen an Arbeitnehmer) Kenntnis hatte und demzufolge überhaupt in der Lage war, diesen Sachverhalt steuerrechtlich zu würdigen.

(2) Da die beiden übrigen [X.] auf eine Pflichtverletzung durch die teilweise bzw. vollständige Nichtzahlung der Lohnsteuer abstellen, vermag der Hinweis auf eine Beratung durch den Steuerberater bereits grundsätzlich nicht durchzudringen.

cc) Durch den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens war die Klägerin rechtlich nicht gehindert, die Lohnsteuer für Dezember 2017 abzuführen. Denn allein der Antrag schränkt den Geschäftsführer in seiner Verfügungsbefugnis nicht ein (vgl. [X.]surteil vom [X.] - VII R 30/18, [X.] 2020, 711, Rz 26).

[X.]) Soweit die Haftung für die Lohnsteuer für Januar 2018 betroffen ist, welche nach Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters am 01.02.2018 fällig geworden war, hat das [X.] zutreffend auf die Rechtsprechung des [X.]s und die dort dargestellten Anforderungen an das Verhalten des Geschäftsführers verwiesen (vgl. [X.]surteile vom 16.05.2017 - VII R 25/16, [X.]E 257, 515, [X.] 2017, 934; vom 26.09.2017 - VII R 40/16, [X.]E 259, 423, [X.] 2018, 772, und in [X.] 2020, 711).

Danach muss der in Haftung genommene Geschäftsführer substantiiert darlegen und ggf. nachweisen, welche Schritte er zur Zahlung der Steuer am Fälligkeitstag eingeleitet hatte und dass und aus welchen Gründen sich deren Weiterverfolgung wegen der Haltung des vorläufigen Insolvenzverwalters als sinnlos darstellte (zuletzt [X.]surteil in [X.] 2020, 711, Rz 29). In der Krise der Gesellschaft treffen den Geschäftsführer erhöhte Pflichten. Deshalb kann sich ein Geschäftsführer nicht allein mit der Behauptung entlasten, er habe angenommen, der vorläufige Insolvenzverwalter werde seine Zustimmung zur Abgabentilgung verweigern. Im Regelfall ist vom Geschäftsführer zumindest eine entsprechende dokumentierte Anfrage an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu erwarten. Nur in seltenen Ausnahmefällen kann darauf verzichtet werden, wenn nämlich konkrete und eindeutige objektive Anhaltspunkte für die Sinnlosigkeit einer solchen Anfrage bestehen. In diesem Zusammenhang ist die Rechtsprechung des [X.]s zu beachten, nach der ein hypothetischer Kausalverlauf keine Berücksichtigung finden kann ([X.]surteil vom 26.01.2016 - VII R 3/15, [X.] 2016, 893, m.w.N.).

(1) Dieser Rechtsprechung ist entgegengehalten worden, der [X.] verschließe die Augen vor der Tatsache, dass ein vorläufiger Insolvenzverwalter aufgrund der insolvenzrechtlichen Massesicherungspflicht die Zahlung von Steuern, die Insolvenzforderungen darstellen, nie genehmigen werde ([X.], [X.], 240). Die formalistische Rechtsprechung habe zur Folge, dass schlecht beratene Geschäftsführer in [X.] gerieten ([X.] [X.]/[X.], [X.]. 15.10.2021, [X.] § 15b Rz 26). Der [X.] habe sich weder mit der Rechtsfigur des "[X.]" als "Verfügungsbeschränkung" auseinandergesetzt noch § 24 Abs. 1 [X.] erwähnt ([X.], Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht 2020, 391). Verfügungen des Schuldners, die gegen einen solchen "Zustimmungsvorbehalt" verstießen, seien gemäß § 24 Abs. 1 i.V.m. § 81 Abs. 1 [X.] absolut (schwebend) unwirksam gegenüber jedermann.

(2) Nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) hat der vorläufige Insolvenzverwalter, falls dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wurde, die künftige Masse zu sichern und zu erhalten (§ 22 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.]). Daraus folgt, dass er Forderungen einzelner Gläubiger nur erfüllen [X.] somit das Schuldnervermögen nur vermindern-- darf, wenn dies im Einzelfall zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben, etwa zur Fortführung des [X.], im Interesse der Gläubigergesamtheit erforderlich oder wenigstens zweckmäßig erscheint (vgl. [X.]-Urteil vom [X.] - IX ZR 22/03, [X.]Z 161, 49).

(3) Der [X.] hält für den Streitfall an seiner Rechtsprechung fest. Er sieht sich auch durch die Auffassungen im Schrifttum nicht veranlasst, seine Ansicht zu ändern. Denn zum einen hat der Gesetzgeber sein Ziel, alle Gläubiger gleich zu behandeln, nur innerhalb der [X.], nicht aber darüber hinaus verfolgt (so [X.]-Urteil vom [X.], [X.]E 267, 542, [X.] 2021, 252, Rz 74 und 77). Zum anderen widerspricht das grundsätzliche Erfordernis, den vorläufigen Insolvenzverwalter um eine Zustimmung zu ersuchen, dem Anliegen des Gesetzgebers nicht. Die Haftung betrifft nämlich nicht den Insolvenzschuldner, sondern den Geschäftsführer, und die Möglichkeit der Haftungsinanspruchnahme besteht --zugunsten des Fiskus-- unabhängig von einer Insolvenz. Aus der dargestellten Rechtsprechung des [X.] ergibt sich zudem, dass dem vorläufigen Insolvenzverwalter nicht ausnahmslos die Zustimmung untersagt ist, sondern dass die Umstände des Einzelfalles entscheiden. Würde man ausnahmslos und ohne konkrete und eindeutige objektive Anhaltspunkte unterstellen, dass eine Zustimmung nicht erteilt wird, widerspräche dies der Rechtsprechung des [X.]s zur Nichtberücksichtigung hypothetischer Kausalverläufe (so zuletzt [X.]surteil in [X.] 2020, 711, Rz 35; ausführlich [X.]surteil in [X.] 2016, 893).

(4) Auch die durch das AG angeordnete Einziehung der Außenstände der GmbH durch den vorläufigen Insolvenzverwalter erfordert keine andere Beurteilung. Zwar sind die Zahlungseingänge nach dem Insolvenzgutachten auf dem von dem vorläufigen Insolvenzverwalter eingerichteten [X.] zu verzeichnen, über welches die Klägerin nicht verfügen konnte. Darauf kommt es jedoch nicht an, weil die Klägerin auch von einem Konto der GmbH keine wirksamen Verfügungen hätte vornehmen können (§ 24 Abs. 1 i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Deshalb ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede zu den bislang entschiedenen Fällen.

(5) Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall hat das [X.] zutreffend ein Verschulden der Klägerin angenommen, weil diese den vorläufigen Insolvenzverwalter nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanz (§ 118 Abs. 2 [X.]O) nicht um Zustimmung zur Zahlung der Lohnsteuer für Januar 2018 ersucht hat. Das [X.] ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass aus der E-Mail vom ... nicht zu entnehmen ist, dass der vorläufige Insolvenzverwalter seine Zustimmung verweigert hätte ([X.]-Urteil, Rz 37). Aus dieser E-Mail ergibt sich lediglich die unstreitige Tatsache, dass keine Zustimmung erteilt worden ist, jedoch nicht, ob die Klägerin um eine solche Zustimmung ersucht hat.

Ob die Klägerin den Insolvenzverwalter auch um Zustimmung zur Zahlung hätte bitten müssen, wenn die GmbH zum Fälligkeitszeitpunkt über keine Mittel zur Zahlung der Steuerschuld verfügt hätte, musste der [X.] nicht entscheiden. Denn soweit die Klägerin vorträgt, die GmbH habe nur noch über ca. ... € verfügt und der Kontokorrentkredit sei ausgeschöpft gewesen, handelt es sich zum einen um neuen und demzufolge im Revisionsverfahren nicht relevanten Vortrag. Zum anderen käme es darauf auch nicht an, weil sich der Geschäftsführer im Fall der Haftung für Lohnsteuer nach der ständigen Rechtsprechung nicht auf Zahlungsschwierigkeiten und den Grundsatz der anteiligen Tilgung berufen kann (s. oben). Selbst eine verweigerte Zustimmung hätte die Klägerin in einem solchen Fall nicht ohne weiteres entlastet.

ee) Schließlich führt auch der Hinweis der Klägerin auf § 15b [X.] i.d.[X.] des Sanierungs- und Insolvenzrechts ([X.]) vom 22.12.2020 ([X.], 3256) zu keinem anderen Ergebnis.

Nach § 15b Abs. 8 [X.] liegt eine Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten nicht vor, wenn zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 [X.] oder der Überschuldung nach § 19 [X.] und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern die Antragspflichtigen ihren Verpflichtungen nach § 15a [X.] (Insolvenzantragspflicht) nachkommen. Zwar war die Lohnsteuer für Dezember 2017 und Januar 2018 nach Stellung des Insolvenzantrags (und vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens) fällig, die Neuregelung gilt nach Art. 25 [X.] jedoch erst ab dem 01.01.2021.

4. Die Pflichtverletzungen waren auch kausal für die nicht rechtzeitige Festsetzung und Abführung der Steuern bzw. den Steuerausfall.

5. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 32/20

14.12.2021

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 29. Mai 2020, Az: 8 K 2529/19, Urteil

§ 34 Abs 1 AO, § 69 AO, § 191 AO, § 40 EStG 2009, InsO, EStG VZ 2017, EStG VZ 2018

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.12.2021, Az. VII R 32/20 (REWIS RS 2021, 352)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 352


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VII R 32/20

Bundesfinanzhof, VII R 32/20, 14.12.2021.


Az. 8 K 2529/19

FG München, 8 K 2529/19, 29.05.2020.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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IX ZR 22/03

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