Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2007, Az. VI ZR 133/06

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 5898

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[X.] vom 9. Januar 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 256 Abs. 1 Eine Klage auf Feststellung der deliktischen Verpflichtung eines Schädigers zum Er-satz künftiger Schäden ist zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des [X.] bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (im [X.] an Senat, Urteile vom 20. März 2001 - [X.] - VersR 2001, 876 f.; vom 16. Januar 2001 - [X.] - VersR 2001, 874 f.). Eine solche Feststellungsklage ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzanspruchs vorliegen, also insbesondere ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu den für die Zukunft [X.] Schäden führen kann. Ob darüber hinaus im Rahmen der Begründetheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist, bleibt offen (im [X.] an Senat, Urteil vom 16. Januar 2001 - [X.] - VersR 2001, 874, 875 m.w.[X.]) [X.], Beschluss vom 9. Januar 2007 - [X.]/06 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Januar 2007 durch die Vi-zepräsidentin Dr. [X.] und [X.] [X.], Wellner, Pauge und Zoll beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 30. Mai 2006 unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung der Beklagten das am 3. Juli 2003 verkündete Urteil der 21. Zivil-kammer des [X.] zu den Feststel-lungsanträgen der Klägerin abgeändert und die Feststellungsan-träge auch insoweit abgewiesen worden sind, als die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten als Gesamtschuldner zum Ersatz der ihr als Folgen des ärztlichen Eingriffs vom 18. Juni 1991 entstandenen und noch entstehenden materiellen Schäden - soweit kein Anspruchsübergang auf Sozialversicherungsträger erfolgt oder erfolgt ist - sowie der als Folgen dieses ärztlichen Ein-griffs noch entstehenden immateriellen Schäden beantragt hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht [X.]. Gegenstandswert: 22.564,60 • - 3 - Gründe: 1 Die Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg, soweit sich die Klägerin ge-gen die Abweisung ihrer Anträge auf Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten für sämtliche materiellen Schäden wendet, die ihr als Folgen des ärztlichen Eingriffs am 18. Juni 1991 entstanden sind und entstehen werden und soweit sie sich gegen die Abweisung ihres Antrags auf Feststellung der Ersatzverpflichtung der Beklagten für die immateriellen Schäden wendet, die ihr als Folgen dieses Eingriffs entstehen werden und nicht von der Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld umfasst sind. 1. Die angefochtene Entscheidung verletzt mit der Abweisung dieser Feststellungsanträge den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). 2 Zwar ist ein Gericht nicht verpflichtet, zu jedem Angriffsmittel im [X.] Stellung zu nehmen (§ 313 Abs. 3 ZPO; Senat, Beschluss vom 24. August 2005 - [X.] ZR 227/04 - n.v.; [X.], Beschluss vom 24. Februar 2005 - [X.]/04 - NJW 2005, 1432, 1433). Auch ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nur dann festzustellen, wenn sich dies aus den be-sonderen Umständen des Falles ergibt ([X.] 96, 205, 216 f.). Solche Um-stände liegen hier vor. 3 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Abweisung der Fest-stellungsanträge ausschließlich auf die psychischen Schäden abgestellt, die nach Ansicht der Klägerin künftig zu befürchten, nach Ansicht des [X.] - 4 - richts aber von dem [X.] über das Schmerzensgeld umfasst seien. Das vermag die Abweisung der Feststellungsbegehren nicht zu tragen. 5 2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ist eine Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz bereits eingetretener und künftiger Schäden zulässig, wenn die Möglichkeit eines Schadenseintritts besteht. Ein Feststellungsinteresse (§ 276 Abs. 1 ZPO) ist nur zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (vgl. Senat, Urteile vom 20. März 2001 - [X.] - VersR 2001, 876; vom 16. Januar 2001 - [X.] - VersR 2001, 874, 875). Ein zulässiger Feststellungsantrag ist begründet, wenn die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs vorliegen, also ein haftungsrechtlich relevanter Eingriff gegeben ist, der zu möglichen künftigen Schäden führen kann. Ob darüber hinaus im Rahmen der Begründet-heit eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu verlangen ist (vgl. dazu Senat, Urteil vom 16. Januar 2001 - [X.] - aaO; von [X.] VersR 2000, 525, 531 f.), bedarf unter den Umständen des Streitfalls keiner abschließenden Entscheidung. 6 Nach diesen Grundsätzen hatte das Berufungsgericht Veranlassung nä-her darzulegen, aus welchem Grund es die Feststellungsanträge der Klägerin umfassend zurückgewiesen hat. Das beanstandet die Nichtzulassungsbe-schwerde mit Erfolg. 7 3. Der Antrag, die Ersatzverpflichtung der Beklagten für sämtliche mate-riellen Schäden festzustellen, der mit einem bereits eingetretenen Schaden [X.] wurde, war nach den genannten Grundsätzen der Rechtsprechung zu-lässig; davon ist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen. 8 - 5 - Der Antrag war auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen auch nicht unbegründet. Das Berufungsgericht hat die Aufklärung zu dem Eingriff vom 18. Juni 1991 für verspätet und den Eingriff dementsprechend als haf-tungsbegründend für das zugesprochene Schmerzensgeld gewertet. Zugleich ist es davon ausgegangen, dass die mit der [X.] verbundenen Schmerzen und Beschwerden sowie die daraus folgenden Beeinträchtigungen, [X.] die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin einer psychosomatisch-psychotherapeutischen Behandlung bedürften, welche gute Erfolgsaussichten habe. Das Entstehen von Kosten für eine psychosomatische Behandlung und damit die Entstehung eines materiellen Folgeschadens ist nach der Lebenser-fahrung wahrscheinlich. Die Kosten einer solchen Behandlung wären mithin ein Folgeschaden des rechtswidrigen Eingriffs, der geeignet ist, die begehrte Fest-stellung zu tragen. Die Klägerin hat zudem vorgetragen, dass weitere materielle Schäden zu befürchten seien. 9 Hiernach durfte das Berufungsgericht den Antrag auf Feststellung der Ersatzpflicht für sämtliche materiellen Schäden aus der [X.] vom 18. Juni 1991 nicht ohne hinreichende Begründung abweisen. 10 4. Im Ergebnis Entsprechendes gilt für die Abweisung der Klage auf Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger immaterieller [X.]. 11 Auch insoweit ist ein Feststellungsinteresse zu bejahen, weil ein Grund bestehen kann, mit dem Eintritt von Spätschäden wenigstens zu rechnen (vgl. Senat, [X.] 116, 60, 75; Urteil vom 9. April 1991 - [X.] ZR 106/90 - VersR 1991, 704, 705). 12 Das Berufungsgericht konnte auch diese Feststellungsklage nicht ohne weitere tatsächliche Feststellungen als unbegründet abweisen. Es hat in der 13 - 6 - nicht ausreichend aufgeklärten und daher rechtswidrigen [X.] vom 18. Juni 1991 einen haftungsrechtlich relevanten Eingriff gesehen. Damit lagen die rechtlichen Voraussetzungen eines Anspruchs auf Schmerzensgeld vor, wie das Berufungsgericht mit der Zubilligung einer solchen Entschädigung selbst erkannt hat. Eine Klage auf Feststellung der Ersatzverpflichtung für künftige immaterielle Schäden schied nur aus, wenn ausschließlich voraussehbare Schädigungsfolgen in Betracht standen, die von der Zubilligung des [X.] umfasst wären (Grundsatz der Einheitlichkeit des [X.]; vgl. dazu Senat, Urteil vom 14. Februar 2006 - [X.] ZR 322/04 - [X.], 1090, 1091). Dieses Ergebnis hat das Berufungsgericht ausschließlich mit psy-chischen Beeinträchtigungen begründet. Die Klägerin hatte jedoch durch Vorla-ge des Gutachtens Dr. P. vom 23. April 2000 vorgetragen, es seien nicht nur psychische Schäden, sondern auch organische Schäden wie Schrumpfungen von Narben und des Genitale eingetreten und die Auswirkungen der Entfernung von [X.] und Eileiter seien nicht voraussehbar. Damit waren zukünftige immaterielle Beeinträchtigungen aufgrund organischer [X.]sfolgen mög-lich. Hierzu hätte das Berufungsgericht Stellung nehmen müssen, denn [X.] Folgen machen den Eintritt von darauf beruhenden Beschwerden nach der Lebenserfahrung wahrscheinlich. Dann aber kam eine Abweisung der Feststel-lungsklage auf Ersatz künftiger immaterieller Schäden ohne weitere tatsächli-che Feststellungen nicht in Betracht. Auch in diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung der [X.], ob zur Begründetheit der Feststellungsklage eine gewisse Wahrscheinlich-keit des Schadenseintritts zu verlangen ist (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 2001 - [X.] - aaO m.w.[X.]). Diese wäre im hier zu entscheidenden Fall zu bejahen. 14 - 7 - 5. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsurteil auf der Nichtbeachtung des Vortrags der Klägerin beruht, ist es in dem ausgespro-chenen eingeschränkten Umfang aufzuheben und die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. 15 16 6. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde hat dagegen keinen Erfolg. Sie zeigt nicht auf, dass die Rechtssache im Übrigen grundsätzliche Be-deutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer [X.] Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordern (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Insbesondere ist insoweit eine Verletzung von [X.] der Klägerin nicht ersichtlich. Von einer weiteren [X.] wird abgesehen. [X.] [X.] [X.]Zoll Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 03.07.2003 - 2/21 O 116/98 - [X.], Entscheidung vom 30.05.2006 - 8 U 155/03 -

Meta

VI ZR 133/06

09.01.2007

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.01.2007, Az. VI ZR 133/06 (REWIS RS 2007, 5898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 5898

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