Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2001, Az. VI ZR 381/99

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2001, 3898

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[X.] DES [X.] am:16. Januar 2001Holmes,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z: neinZPO § 256Wird die Feststellung der Pflicht zum Ersatz künftigen Schadens aus einer bereitseingetretenen Rechtsgutsverletzung beantragt, so reicht für das [X.] die Möglichkeit eines Schadenseintritts aus, die nur verneint werden darf, wennaus der Sicht des [X.] bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit [X.] eines Schadens wenigstens zu rechnen.[X.], Urteil vom 16. Januar 2001 - [X.] - [X.]LG Cottbus- 2 -Der VI. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 16. Januar 2001 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.], [X.] und [X.] sowie die Richterin [X.] Recht erkannt:Auf die Revision der Kläger zu 2) und zu 3) wird das Teil- undGrundurteil des 4. Zivilsenats des [X.] vom 5. November 1999 insoweit aufgehoben, als [X.] auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für mate-rielle Schäden der Kläger zu 2) und zu 3) mit einer Haftungsquotevon 1/5 abgewiesen worden sind.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten [X.] und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Die Kläger machen Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfallvom 25. Mai 1994 geltend, bei welchem die Ehefrau des [X.] zu 1) [X.] der Kläger zu 2) und zu 3) als Fahrerin eines PKW getötet wurde, nach-dem sie nach links in eine bevorrechtigte Straße eingebogen und dort mit demKraftfahrzeug des Beklagten zu 1) zusammengestoßen war, dessen [X.] 3 -pflichtversicherer die Beklagte zu 2) war. Der im Jahre 1985 geborene [X.] 2) war Beifahrer im Wagen seiner Mutter; er wurde bei dem Unfall selbstverletzt und erlebte den Tod seiner Mutter mit. Der beim Unfallgeschehen nichtanwesende Kläger zu 3) ist 1980 geboren.Die Kläger haben ein unfallursächliches, schuldhaft verkehrswidrigesVerhalten des Beklagten zu 1) behauptet und die Verurteilung der Beklagtenzum Ersatz bezifferten materiellen Schadens, zur Zahlung von Schmerzens-geld an die Kläger aus eigenem und aus ererbtem Recht, des weiteren zur Ent-richtung von Schadensersatzrenten wegen entgangenen Unterhalts begehrtsowie die Feststellung der Pflicht der Beklagten beantragt, ihnen allen künftigentstehenden materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. [X.] haben die Kläger zu 2) und zu 3) auf psychische [X.], insbesondere Depressionen, abgestellt, die sie durch den [X.] Mutter erlitten hätten.Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der [X.] das [X.] durch Teil- und Grundurteil - unter [X.] Berufung im übrigen - die Klageanträge hinsichtlich des bezifferten materi-ellen Schadensersatzbegehrens sowie der [X.] dem Grunde nachzu 1/5 für gerechtfertigt erklärt. Der Senat hat die Revision der Kläger, mit dersie ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt haben, nur insoweit an-genommen, als die Anträge auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten [X.] Schäden der Kläger zu 2) und zu 3) mit einer Haftungsquote von 1/5abgewiesen worden [X.] 4 -Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht hält die - allein noch im Streit befindlichen - Fest-stellungsanträge der Kläger zu 2) und zu 3) für unzulässig. Die Kläger hättensich für ihr Feststellungsbegehren ausschließlich auf andauernde unfallbe-dingte Störungen der Psyche (Depressionen) berufen. Soweit sich diese Anträ-ge auf die Ersatzpflicht für hieraus resultierende finanzielle Belastungen([X.], Medikamente) bezögen, mangele es der Klage an demerforderlichen [X.]. Die Kläger hätten weder hinreichenddargetan, daß bei ihnen psychische Störungen mit Krankheitswert aufgetretenseien, noch sei ersichtlich, daß mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit [X.] solcher Beeinträchtigungen zu rechnen sei. Insoweit sei zu berück-sichtigen, daß in den zurückliegenden Jahren für keinen der Kläger entspre-chende Kosten angefallen seien. Sollte es dementgegen künftig zu unfallbe-dingten psychischen Erkrankungen der Kläger kommen, stünde der Geltend-machung diesbezüglicher Ansprüche eine Rechtskraft des Urteils nicht entge-gen.II.Die Beurteilung des Berufungsgerichts zu den [X.] zu 2) und zu 3) hält den Angriffen der Revision nicht stand. Die [X.] im Berufungsurteil, die teilweise auf nicht verfahrensfehlerfrei zustandegekommenen Feststellungen beruhen, tragen die Verneinung des [X.] und die Abweisung dieser Anträge als unzulässig [X.] -1. Das Berufungsgericht geht beanstandungsfrei davon aus, daß [X.] der Kläger zu 2) und zu 3) auf die Feststellung der Ersatzpflicht [X.] ausschließlich für Schäden aus psychischen Störungen mit Krank-heitswert, insbesondere Depressionen, gerichtet sind. Es geht insoweit um vondiesen beiden Klägern befürchtete künftige materielle Beeinträchtigungen, dieaus einer unfallbedingten Gesundheitsbeschädigung im Hinblick auf das trau-matische Erlebnis des Todes ihrer Mutter resultieren könnten.2. Das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO hinsicht-lich eines solchen - vorliegend allein noch auf § 7 Abs. 1 StVG gegründeten -Schadensersatzanspruchs, der noch nicht abschließend mit der Leistungsklagegeltend gemacht werden kann, ist grundsätzlich dann zu bejahen, wenn [X.] seine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit in Abrede stelltund durch die Klageerhebung einer drohenden Verjährung nach § 14 StVGi.[X.]. § 852 BGB entgegengewirkt werden soll. Geht es dabei wie hier um [X.] erst künftig befürchteten Schadens aufgrund einer nach Behauptung [X.] bereits eingetretenen Rechtsgutsverletzung, so setzt das Feststel-lungsinteresse weiter die Möglichkeit dieses Schadenseintritts voraus; diese istzu verneinen, wenn aus der Sicht der Kläger bei verständiger Würdigung keinGrund besteht, mit dem Eintritt eines derartigen Schadens wenigstens zu [X.] (vgl. z.B. Senatsurteil [X.]Z 116, 60, 75 m.w.[X.]); entgegen der [X.] kann im Rahmen der Zulässigkeit nicht darüber [X.] hinreichende Schadenswahrscheinlichkeit gefordert werden.Ein in solcher Weise zulässig gestellter Feststellungsantrag ist begrün-det, wenn die sachlich-rechtlichen Voraussetzungen des Schadensersatzan-spruchs vorliegen, also insbesondere ein haftungsrechtlich relevanter Eingriffin ein nach § 7 Abs. 1 StVG geschütztes Rechtsgut des Geschädigten gegeben- 6 -ist, der zu den für die Zukunft befürchteten Schäden führen kann. Ob darüberhinaus im Rahmen der Begründetheit eine gewisse Wahrscheinlichkeit desSchadenseintritts zu verlangen ist (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 15. Juli1997 - [X.] - [X.], 1508, 1509 m.w.[X.]; [X.], Urteile vom15. Oktober 1992 - [X.] - [X.]R ZPO § 256 Abs. 1 Schadensersatz 2und vom 23. April 1991 - [X.] - NJW 1991, 2707, 2708), bedarf unterden Umständen des Streitfalls keiner abschließenden Entscheidung. An derErforderlichkeit eines solchen zusätzlichen Begründungselements hat der [X.] Zweifel jedenfalls für den Fall, daß - wie hier - Gegenstand der Feststel-lungsklage ein befürchteter Folgeschaden aus der Verletzung eines delikts-rechtlich geschützten absoluten Rechtsguts ist (vgl. hierzu auch von [X.],[X.], 525, 531 [X.] Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze durfte das Berufungsge-richt nicht ohne weitere Sachaufklärung zu einer vollständigen Abweisung [X.] der Kläger zu 2) und zu 3) gelangen, sie insbesonderenicht mangels Feststellungsinteresses für unzulässig erachten. Die Revisionrügt zu Recht, daß sich das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ver-fahrensfehlerhaft nicht hinreichend mit entscheidungserheblichem Sachvortragund [X.] der Kläger auseinandergesetzt hat.a) Die Kläger haben in der Berufungsbegründung vorgetragen, beimKläger zu 2), der habe miterleben müssen, wie seine Mutter verstarb, und [X.] vergeblich versucht habe, ihr zu helfen, sie aus dem Auto zu ziehen undmit ihr zu sprechen, seien nach dem Unfall psychisch bedingte Lähmungser-scheinungen aufgetreten; er habe das Unfallereignis nach wie vor nicht verar-beitet und leide unter Alpträumen. Für diesen Vortrag wurde Beweis angetreten- 7 -unter anderem durch das (sachverständige) Zeugnis der [X.]. Dr. R. sowie des Arztes Dr. T..Für den Kläger zu 3) wurde in der Berufungsbegründung behauptet- und in gleicher Weise wie beim Kläger zu 2) unter Beweis gestellt -, daß derTod seiner Mutter bei ihm schwere depressive Verstimmungen ausgelöst [X.] er heute noch unter dem Tod seiner Mutter leide; er habe sich nach [X.] mehr und mehr verschlossen und sich noch nicht von dem [X.] Trauma erholt.b) Mit diesem Vorbringen haben die Kläger zu 2) und zu 3) nicht nur inhinreichend substantiierter Weise schlüssig eine unfallbedingte [X.] im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG vorgetragen, sondern auch - imHinblick auf das Feststellungsinteresse - ausreichend dargetan und unter [X.] gestellt, weshalb sie aus ihrer Sicht den Eintritt künftiger Schäden ausdieser Rechtsgutsverletzung für möglich erachten.aa) Daß durch ein Unfallgeschehen ausgelöste, traumatisch bedingtepsychische Störungen von Krankheitswert, die sich etwa in Depressionen nie-derschlagen, eine Verletzung des geschützten Rechtsguts Gesundheit [X.] können, ist nicht zu bezweifeln und wird ersichtlich auch im [X.] nicht in Abrede gestellt (vgl. zu Fällen des Schockschadens sowie [X.] z.B. [X.]Z 132, 341, 344 m.w.[X.]).bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts waren von [X.] zu 2) und zu 3) für das Vorliegen solcher gesundheitlichen Beeinträch-tigungen und die Möglichkeit hieraus künftig resultierender, im Rahmen der [X.] Beklagten entfallenden Haftungsquote von 1/5 ersatzfähiger Schäden keineweitergehenden Darlegungen erforderlich. Dabei darf nicht außer acht gelas-- 8 -sen werden, daß derartige traumatische psychische Störungen mit Krankheits-wert und mit negativen Folgen für ihre spätere körperliche und seelische Ent-wicklung bei Kindern, die - wie hier - im Alter von neun bzw. 14 Jahren mit demplötzlichen Unfalltod ihrer Mutter konfrontiert werden oder ihn sogar, wie [X.] Kläger zu 2) der Fall war, unmittelbar miterlebt haben, von vornhereinnaheliegen; dies gibt besonderen Anlaß, die Anforderungen an die Erfüllungder Darlegungslast in angemessenen Grenzen zu halten, vor allem, soweit esim Hinblick auf das Feststellungsinteresse nur um die Möglichkeit [X.] geht. Das Berufungsgericht durfte dabei nicht entscheidend daraufabstellen, daß in den zurückliegenden Jahren - auch ausweislich der Beziffe-rung des bisher geforderten materiellen Schadensersatzes - für keinen [X.] entsprechende Kosten angefallen seien. Vielmehr hätte das Berufungs-gericht, bevor es zu einer vollständigen Abweisung der Feststellungsanträgeder Kläger zu 2) und zu 3) gelangte, erst recht bevor es sie bereits mangelsFeststellungsinteresses als unzulässig behandelte, auf der Grundlage des dar-gestellten Sachvortrags den [X.] nachgehen [X.] 9 -II[X.] Berufungsurteil war daher, soweit die Anträge der Kläger zu 2) undzu 3) auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für materielle Schädenmit einer Haftungsquote von 1/5 abgewiesen worden sind, aufzuheben; die Sa-che war in diesem Umfang zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgerichtzurückzuverweisen.[X.] Dr. v. [X.] Dr. Dress-ler [X.] [X.]

Meta

VI ZR 381/99

16.01.2001

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.01.2001, Az. VI ZR 381/99 (REWIS RS 2001, 3898)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3898

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