Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2012, Az. 4 AZR 267/11

4. Senat | REWIS RS 2012, 506

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Gegenstand

Neuer Entgelttarifvertrag - Überleitung - Pflegehelfer


Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 11. März 2011 - 5 [X.]/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die zutreffende Überleitung des [X.] in die [X.]n des aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden [X.] für die Kliniken der [X.] Holding AG ([X.] [X.]).

2

Der Kläger ist seit 1993 als angelernter Pflegehelfer in der Forensischen Klinik des [X.], das Mitte des letzten Jahrzehnts von der [X.] übernommen wurde, beschäftigt. Er erhielt zunächst eine Vergütung nach der [X.]. [X.]. I (Fallgr. 1) und später ein Entgelt nach der [X.]. [X.]. II (Fallgr. 3 - nach [X.]) der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O ([X.]). Die [X.] Holding AG und die [X.] ([X.]) schlossen am 30. April 2008 den [X.] [X.] 2008, der zum 1. Jan[X.]r 2008 in [X.] trat. Am 2. März 2010 vereinbarten sie den - weitgehend inhaltsgleichen - [X.] [X.] 2010 - ebenfalls mit Wirkung ab dem 1. Jan[X.]r 2008 - mit der Abweichung, dass die [X.] Holding AG auch im Namen und in Vollmacht für die in der Geltungsbereichsbestimmung namentlich aufgeführten Konzerngesellschaften - wie die Beklagte - handele. Die [X.] [X.] 2008/2010 enthalten [X.]. eine identische Tabelle zur Überleitung der Vergütungs-, Lohn- und [X.]n aus verschiedenen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes in die [X.]n 1 bis 14 der [X.] [X.] 2008/2010.

3

Nach Überleitung in den [X.] [X.] 2008 zahlte die Beklagte dem Kläger rückwirkend ab dem 1. Jan[X.]r 2008 Entgelt nach der [X.] 2 des Tarifvertrages.

4

Der Kläger hat gegenüber der [X.] eine Überleitung nach § 5 [X.] [X.] 2008/2010 in die [X.] 3 erfolglos geltend gemacht. Mit seiner Klage hat er den Differenzbetrag iHv. von monatlich 136,84 Euro brutto für den Zeitraum Jan[X.]r 2008 bis einschließlich März 2009 gefordert und mit seinem Feststellungsantrag eine entsprechende Feststellung für den Zeitraum ab dem 1. April 2009 begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, die Überleitungstabelle des § 5 [X.] [X.] 2008/2010 ordne die [X.]. [X.]. II [X.]/[X.]-O der [X.] 3 [X.] [X.] 2008/2010 zu.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, 1.368,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass der Kläger in [X.] 3 des [X.] (Kliniken), abgeschlossen zwischen der [X.] Holding AG und der Gewerkschaft [X.], datierend vom 30. April 2008, eingruppiert ist.

6

Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages ausgeführt, nach der Überleitungstabelle in § 5 [X.] [X.] 2008/2010 werde der Kläger zutreffend nach der [X.] 2 vergütet, da er im Jahre 2004 im Wege des [X.]s von der [X.]. [X.]. I in die [X.]. [X.]. II gelangt sei. Die Tarifvertragsparteien hätten bei der Überleitung diejenigen Arbeitsaufgaben, die im [X.]/[X.]-O wegen eines [X.]s in zwei unterschiedlichen Vergütungsgruppen aufgeführt worden seien, im neuen Tarifsystem einheitlich nur noch einer [X.] zugeordnet. Dieser Regelungsplan ergebe sich aus der „[X.]“ zu § 5 [X.] [X.] 2008/2010. Soweit die [X.]. [X.]. II [X.]/[X.]-O dabei nur der [X.] 3 [X.] [X.] 2008/2010 zugeordnet worden sei, handele es sich um ein Redaktionsversehen. Die Tarifvertragsparteien hätten übersehen, dass auch die [X.]. [X.]. I einen [X.] in die [X.]. [X.]. II vorsehe. In der Zeile, die zu der [X.] 2 gehöre, müsse deshalb in die Spalte zu den [X.]-Vergütungsgruppen statt „I“ im Wege der Lückenfüllung „I bis II*“ hineingelesen werden. Bei einer Überleitung aus der [X.]. [X.]. II [X.]/[X.]-O in die [X.] 3 [X.] [X.] 2008/2010 komme es ansonsten zu der ungewöhnlichen Tariferhöhung von 25,4 %. Dies verdeutliche, dass die Tarifvertragsparteien eine solche Überleitung offensichtlich nicht gewollt hätten. Die das Redaktionsversehen berücksichtigende, zutreffende Überleitung in die [X.] 2 [X.] [X.] 2008/2010 führe dagegen nur zu einer Erhöhung von 4,16 %.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das [X.] hat die Berufung der [X.] zurückgewiesen. Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision der [X.] ist unbegründet. Das [X.] hat die Berufung der [X.] gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger ist gemäß § 5 ETV-Kliniken Damp 2010 zum 1. Januar 2008 zutreffend in die [X.] 3 übergeleitet worden.

9

I. Die Klage ist zulässig. Auch der neben dem Leistungsantrag gestellte Feststellungsantrag ist - nach gebotener Auslegung - als sog. Elementenfeststellungsklage zulässig (st. Rspr., s. nur [X.] 22. Oktober 2008 - 4 [X.] - Rn. 11 mwN, [X.]E 128, 165). Das Feststellungsinteresse ist auf die [X.] ab April 2009 gerichtet und überschneidet sich deshalb zeitlich nicht mit dem Leistungsantrag. Die Beklagte hat ausdrücklich erklärt, sie werde sich im Fall einer klagestattgebenden, rechtskräftigen Entscheidung daran halten. Trotz des Zusatzes „datierend vom 30. April 2008“ hat der Kläger seinen Antrag im [X.] hinreichend deutlich auf den ETV-Kliniken Damp 2010 bezogen.

II. Beide Klageanträge sind begründet. Der Anspruch des [X.] auf Überleitung in die [X.] 3 ergibt sich aus § 5 ETV-Kliniken Damp 2010, der für das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit normativ nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG gilt. Da dieser Tarifvertrag rückwirkend zum 1. Januar 2008 geschlossen worden ist, ist der Kläger zum 1. Januar 2008 nach § 5 ETV-Kliniken Damp 2010 aus dem bisherigen Entgeltsystem in die neuen [X.]n übergeleitet worden.

Abbildung

2. In Anwendung dieser Überleitungsregeln ist der Kläger zum 1. Januar 2008 von der [X.]. [X.]. II (Fallgr. 3) der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O in die [X.] 3 des [X.] übergeleitet worden.

a) Nach dem Wortlaut der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 [X.] ist der Kläger mit der [X.]. [X.]. II (Fallgr. 3) der Anlage 1b zum [X.]/[X.]-O nach der Zeile „[X.] KR - II bis [X.]*“ der [X.] 3 [X.] zugeordnet. Danach besteht ein Anspruch ab dem 1. Januar 2008 auf ein Entgelt dieser [X.], das der Höhe nach zwischen den Parteien unstreitig ist.

b) Die Auffassung der [X.], es sei eine Überleitung in die [X.] 2 erfolgt, ist unzutreffend. Hiergegen sprechen der Wortlaut, die Systematik und der Sinn und Zweck der tariflichen Regelungen.

aa) Der Wortlaut der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 [X.] ist unmissverständlich und widerlegt die Annahme der [X.]. In der zur [X.] 2 gehörenden Zeile ist die [X.]. [X.]. II nicht genannt. Ausdrücklich genannt ist sie nur in der [X.] 3.

bb) Aus der Systematik der Regelung ergibt sich nicht anderes.

(1) Aus § 5 [X.] oder anderen Überleitungsbestimmungen dieses Tarifvertrages lässt sich keine zwingende Regel ableiten, nach der Ausgangs- und Bewährungsfallgruppen des [X.] immer in einer [X.] des neuen Tarifvertrages zusammengefasst werden. Eine solche ergibt sich auch nicht mittelbar aus dem mit einem Sternchen gekennzeichneten Zusatz unterhalb der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 [X.].

Aus dem dort aufgeführten Satz: „Lautet die Bezeichnung ‚a bis b’“ (was als Platzhalter für Angaben in der Tabelle steht, ua. „II bis [X.]“, vgl. dazu auch den nachfolgenden Beispielsatz im Tariftext), „so sind … gemeint“, ergibt sich eine solche Regel nicht. Es handelt sich um eine Erklärung der Tabellenspalten, in denen diese „a bis b“-Bezeichnungen ausdrücklich aufgeführt sind, was sich auch an der Formulierung „so sind … gemeint“ zeigt. Der Text stellt lediglich auf die Fälle ab, in denen „II bis [X.]*“, „[X.] bis IV*“ usw. bereits ausdrücklich in einer der Tabellenspalten aufgeführt ist. Deshalb kann diese Erklärung gerade nicht auf solche Tabellenspalten erstreckt werden, in denen lediglich eine Vergütungsgruppe genannt ist.

(2) Die Annahme der [X.], Ausgangs- und Bewährungsfallgruppen des [X.] würden immer in einer [X.] des neuen Tarifvertrages zusammengefasst, findet auch in der Gesamtschau der Angaben der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 [X.] keine Stütze. Für sie fehlt es an einer ausreichenden Grundlage, da jedenfalls auch die [X.]. [X.]. V und [X.]. [X.]. Va, obwohl [X.] im [X.] vorgesehen waren, ohne „a bis b“-Bezeichnung geblieben sind.

(3) Demgegenüber ist auch die Annahme der [X.], eine Überleitung des [X.] in die [X.] 3 [X.] komme im Ergebnis einem weiteren, weder im alten noch im neuen Entgeltsystem vorgesehenen [X.] gleich, unzutreffend. Eine Überleitung kann bereits nicht mit einem [X.] gleichgesetzt werden. Zudem liefe eine solche Erwägung auf eine inhaltliche Bewertung der vereinbarten Überleitungsregelungen hinaus, die den Tarifvertragsparteien vorbehalten ist. Entsprechendes gilt für die Einwände der [X.], die Tarifvertragsparteien hätten mit der Überleitung der Beschäftigten keine Besserstellung zur vorherigen Situation erreichen wollen und eine solche Vergütungserhöhung sei bei Tarifverhandlungen ungewöhnlich.

3. Die Verfahrensrügen der [X.] sind nicht begründet.

a) Entgegen der Auffassung der [X.] war keine Tarifauskunft zur Auslegung der Überleitungstabelle in § 5 Ziffer 1 [X.] einzuholen. Eine solche darf zum einen nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein (vgl. nur [X.] 24. Februar 2010 - 10 [X.] - Rn. 23; 18. August 1999 - 4 [X.] - zu I 2.3.1 der Gründe, [X.]E 92, 229). Die Auslegung von Tarifverträgen und tariflichen Begriffen ist Sache des Gerichts (vgl. ausführlich [X.] Die „Tarifauskunft“ im Arbeitsgerichtsverfahren in [X.] S. 286 ff., 294). Zum anderen kann der Wille der Tarifvertragsparteien wegen der weitreichenden Wirkung von [X.] auf die Rechtsverhältnisse von Dritten, die an den [X.] unbeteiligt waren, im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nur dann berücksichtigt werden, wenn er in den tariflichen Normen unmittelbar seinen Niederschlag gefunden hat ([X.] 19. September 2007 - 4 [X.] - Rn. 32, [X.]E 124, 110; 31. Oktober 1990 - 4 [X.] - [X.]E 66, 177, 181).

b) Einer Erhebung des von der [X.] angebotenen Zeugenbeweises durch die an den Tarifverhandlungen beteiligten Vertreter der Tarifvertragsparteien zu ihrer Behauptung, die Tarifvertragsparteien hätten nicht gewollt, dass die Pflegehelfer der [X.]. [X.]. II [X.]/[X.]-O in die [X.] 3 [X.] „aufsteigen“, sondern sie vielmehr in die [X.] 2 [X.] überleiten wollen, bedurfte es nicht. Zum einen lag keine schlüssige Tatsachenbehauptung der [X.] vor. Zum anderen ist der subjektive Wille der Tarifvertragsparteien nur insoweit von Bedeutung als er in den tariflichen Normen seinen unmittelbaren Niederschlag gefunden hat.

c) Schließlich war der von der [X.] vermisste gerichtliche Hinweis nach § 139 ZPO zum weiteren Vortrag der [X.] des „eigentlich Gewollten“ der Tarifvertragsparteien entbehrlich. Auch insoweit gilt, dass ein abweichender Regelungswille der Tarifvertragsparteien weder im Wortlaut noch in der Systematik der tariflichen Regelungen seinen Niederschlag gefunden hat.

[X.]. Der Zinsanspruch für die Klageforderung folgt aus § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

IV. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Eylert    

        

    [X.]    

        

    Winter    

        

        

        

    [X.]    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 267/11

12.12.2012

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Stralsund, 23. Februar 2010, Az: 1 Ca 119/09, Urteil

§ 4 Abs 1 TVG, § 3 Abs 1 TVG

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.12.2012, Az. 4 AZR 267/11 (REWIS RS 2012, 506)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 506

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