Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.12.2011, Az. XII ZB 233/11

12. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 500

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Prozessvollmacht: Verletzung des rechtlichen Gehörs bei Berufungsverwerfung wegen unterbliebener Vorlage der Vollmacht innerhalb der hierfür gesetzten Frist


Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 6. Familiensenats des [X.] vom 25. Februar 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur Verhandlung und erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

[X.]: 23.760 € (12 x 1.980 €)

Gründe

I.

1

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Trennungsunterhalt in Anspruch. Ihre Klage ist durch Versäumnisurteil abgewiesen und der hiergegen gerichtete Einspruch durch Urteil vom 28. Juli 2010 verworfen worden. Das betreffende Urteil ist den erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17. September 2010 zugestellt worden. Bereits mit Schriftsatz vom 5. September 2010 - unterzeichnet von Rechtsanwältin [X.] - hatten diese mitgeteilt, dass sie die Klägerin nicht mehr vertreten. Am 18. Oktober 2010, einem Montag, hat Rechtsanwältin [X.], die inzwischen aus der Kanzlei der erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten ausgeschieden war, gegen das Urteil Berufung eingelegt und diese am 17. November 2010 begründet. Nachdem der Beklagte den Mangel der [X.] von Rechtsanwältin [X.] gerügt hatte, ist der Klägerin durch Verfügung vom 30. Dezember 2010 aufgegeben worden, die Prozessvollmacht ihrer Anwältin bis zum 31. Januar 2011 nachzuweisen. Die Auflage ist innerhalb der Frist nicht erfüllt worden.

2

Durch den angefochtenen Beschluss hat das [X.] die Berufung verworfen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.

II.

3

Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - [X.] - FamRZ 2010, 192 Rn. 5).

4

1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig. Eine Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Das Berufungsgericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) verletzt, das es den Gerichten verbietet, den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23. März 2011 - [X.]/11 - FamRZ 2011, 881 Rn. 7 mwN).

5

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.]. Die Berufung hätte nicht mit der Begründung verworfen werden dürfen, die Bevollmächtigung von Rechtsanwältin [X.] durch die Klägerin sei nicht bis zum 31. Januar 2011 nachgewiesen worden.

6

a) Das [X.] ist zwar zu Recht davon ausgegangen, dass sich die [X.]en vor dem [X.] durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen müssen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Insofern ist die wirksame Prozessvollmacht grundsätzlich Prozesshandlungsvoraussetzung. Liegt sie bei der Einlegung eines Rechtsmittels nicht vor, so ist dieses zu verwerfen ([X.], 219, 221 = NJW 1990, 910 mwN).

7

b) Der Mangel der [X.] kann von dem Gegner in jeder Lage des Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO). Auf diese Rüge ist die Bevollmächtigung - abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen (vgl. hierzu [X.] ZPO 22. Aufl. § 80 Rn. 23 f.) - durch eine schriftliche [X.] nachzuweisen und diese zu den Gerichtsakten einzureichen; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen (§ 80 ZPO).

8

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich hierbei indessen nicht um eine Ausschlussfrist (BGHZ 166, 278, 280 = NJW 2007, 772 Rn. 8; [X.] aaO § 89 Rn. 6; [X.]/[X.] ZPO 29. Aufl. § 80 Rn. 12; [X.] in [X.]/[X.] ZPO 32. Aufl. § 80 Rn. 8). Wird die [X.] innerhalb der Frist nicht eingereicht, so kann sie noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung oder bis zu dem in § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO bestimmten Zeitpunkt beigebracht oder die bisherige Prozessführung durch die [X.] oder ihren neuen Vertreter genehmigt werden ([X.]/[X.] aaO § 80 Rn. 12; [X.] in [X.]/[X.] aaO § 80 Rn. 8).

9

d) Die Klägerin brauchte deshalb nicht damit zu rechnen, dass ihre Berufung vor der auf den 15. April 2011 anberaumten mündlichen Verhandlung verworfen werden würde. Vielmehr konnte sie, wie nach dem Vorbringen der Rechtsbeschwerde beabsichtigt, die [X.] noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nachweisen. Dass das Berufungsgericht die Berufung gleichwohl bereits zuvor verworfen hat, stellt sich danach als rechtsfehlerhaft dar.

e) Die Vorgehensweise des [X.]s verletzt die Klägerin überdies in ihrem Grundrecht auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG. Zwar sieht § 522 Abs. 1 ZPO im Gegensatz zu § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Fall der Verwerfung eines Rechtsmittels eine Anhörung der [X.] nicht ausdrücklich vor. Die Pflicht hierzu folgt indessen unmittelbar aus Art. 103 Abs. 1 GG (st. Rspr.: Senatsbeschlüsse vom 24. Februar 2010 - [X.] 168/08 - FamRZ 2010, 882 Rn. 7; vom 15. August 2007 - [X.] 101/07 - NJW-RR 2007, 1718 und vom 18. Juli 2007 - [X.] 162/06 - FamRZ 2007, 1725). Art. 103 Abs. 1 GG gibt dem Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt (hier: zu der angenommenen fehlenden [X.] von Rechtsanwältin [X.]) äußern zu können. Hätte das [X.] der Klägerin einen entsprechenden Hinweis erteilt, so hätte diese die Anfang Oktober 2010 erteilte [X.] - wie mit der Rechtsbeschwerdebegründung durch Einreichen des Originals geschehen - nachweisen können. Dass die Bevollmächtigung "unter dem Vorbehalt erfolgt" ist, "dass die Kosten des Verfahrens von Rechtsanwältin [X.] übernommen werden", bleibt auf die Wirksamkeit ohne Einfluss. Der Zusatz betrifft, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend ausführt, allein das Innenverhältnis zwischen der Klägerin und Rechtsanwältin [X.] Der angefochtene Beschluss beruht deshalb auch auf dem unterbliebenen Hinweis.

[X.]                                              Weber-Monecke                                                     Klinkhammer

                         [X.]

Meta

XII ZB 233/11

14.12.2011

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend OLG Düsseldorf, 25. Februar 2011, Az: II-6 UF 163/10, Beschluss

Art 103 Abs 1 GG, § 80 ZPO, § 128 Abs 2 S 2 ZPO, § 522 Abs 1 S 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14.12.2011, Az. XII ZB 233/11 (REWIS RS 2011, 500)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 500

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

XII ZB 233/11 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 82/06 (Bundesgerichtshof)


VII ZB 78/17 (Bundesgerichtshof)

Einlegung eines Rechtsmittels durch eine Gesellschaft ohne gesetzlichen Vertreter: Beauftragung eines Rechtsanwalts durch den zur …


VIII ZB 46/12 (Bundesgerichtshof)


VIII ZB 46/12 (Bundesgerichtshof)

Versäumung der Berufungsfrist bei fehlerhafter oder unzureichender Bezeichnung des Rechtsmittelklägers: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.