Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.11.2022, Az. VIa ZR 215/22

6a. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 7095

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Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des [X.] vom 25. Januar 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Die Berufung des [X.] gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des [X.] vom 23. Dezember 2020 wird zurückgewiesen, soweit der Kläger beantragt hat, die Beklagte zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 513,30 € zu verurteilen.

Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger nimmt die Beklagte wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Zusammenhang mit der Abgasrückführung in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Der Kläger erwarb am 19. März 2014 von einem Vertragshändler ein Neufahrzeug des Typs [X.] zum Kaufpreis von 27.900 €. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe [X.] mit sogenannter Umschaltlogik ausgestattet. Mit seiner im August 2020 erhobenen Klage hat der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von 8.348,35 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs und zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 513,30 € verurteilt sowie den Annahmeverzug der Beklagten festgestellt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Zurückweisung der Berufung weiter.

Entscheidungsgründe

3

Die uneingeschränkt statthafte ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 16 ff.; Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 7) und auch im Übrigen zulässige Revision hat Erfolg.

I.

4

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, wie folgt begründet:

5

Der Kläger habe gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 826, 31 BGB in Höhe von 8.348,35 € (27.900 € Kaufpreis abzüglich 19.551,65 € Nutzungsentschädigung), der aufgrund der Verjährungseinrede der [X.] nicht mehr durchsetzbar sei. Er könne sich jedoch auf einen Restschadensersatzanspruch aus § 852 BGB berufen, der in gleicher Höhe bestehe. Der [X.] sei auch unter Berücksichtigung der [X.] und nach Abzug der Umsatzsteuer aus dem [X.] von 27.900 € ein Betrag zugeflossen, der die Schadensersatzforderung deutlich übersteige. Einer weiteren Substantiierung des diesbezüglichen Vorbringens des [X.] bedürfe es nicht. Zudem habe der Kläger einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und sei der Annahmeverzug der [X.] festzustellen.

II.

6

Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

7

1. Rechtsfehlerfrei und von den Parteien im Revisionsverfahren nicht angegriffen hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger einen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB auf Erstattung des von ihm gezahlten Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs habe, dem die Beklagte die Einrede der Verjährung nach § 214 Abs. 1 BGB entgegenhalten könne (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.]Z 233, 16 Rn. 24 ff.). Ferner ist das Berufungsgericht zutreffend von der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 852 Satz 1 BGB in den Fällen des sogenannten Dieselskandals ausgegangen (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], aaO, Rn. 51 ff.; Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 12; Urteil vom 14. Juli 2022 - [X.], [X.], 1743 Rn. 35).

8

2. Das Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen getroffen, welche die Annahme rechtfertigen, dass die Beklagte im Zuge des Fahrzeugerwerbs des [X.] etwas auf dessen Kosten erlangt habe.

9

Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der Anwendungsbereich des § 852 Satz 1 BGB eröffnet, wenn dem Neuwagenkauf eines nach § 826 BGB durch den Fahrzeughersteller Geschädigten bei einem Händler die Bestellung des bereitzustellenden Fahrzeugs durch den Händler bei dem Fahrzeughersteller zugrunde liegt und der Fahrzeughersteller und der Händler einen Kaufvertrag über das Fahrzeug schließen, aufgrund dessen der Fahrzeughersteller gegen den Händler einen Anspruch auf Zahlung des [X.] erlangt. In diesem Fall beruhen der schadensauslösende Vertragsschluss zwischen dem Geschädigten und dem Händler einerseits und der Erwerb des Anspruchs auf Zahlung des [X.] bzw. der Erwerb des [X.] durch den Fahrzeughersteller andererseits auf derselben, wenn auch mittelbaren Vermögensverschiebung ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 14; Urteil vom 21. März 2022 - [X.], [X.], 745 Rn. 27).

Daran gemessen ergibt sich aus den bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht, dass zwischen dem Kläger und der [X.] eine Vermögensverschiebung im Sinne von § 852 Satz 1 BGB stattfand. Festgestellt ist lediglich, dass der Kläger das Fahrzeug bei einem Vertragshändler der [X.] erworben habe und der Kaufpreis der [X.] bei wirtschaftlicher Betrachtung unter Abzug einer [X.] zugeflossen sei. Daraus geht nicht ohne Weiteres hervor, dass die Beklagte aufgrund des Fahrzeugkaufs des [X.] einen Kaufpreisanspruch gegen diesen oder den Händler erlangt hätte. Die bislang getroffenen Feststellungen lassen die Möglichkeit offen, dass der Händler das verkaufte Fahrzeug schon vor der Bestellung des [X.] auf eigene Kosten und eigenes ([X.] erworben hatte. Diese Möglichkeit kommt auch angesichts der Daten in der vom [X.] in Bezug genommenen Auftragsbestätigung (Anlage [X.]) in Betracht (Kaufvertrag vom 19. März 2014, Liefertermin 31. März 2014). Ein Anspruch aus §§ 826, 852 Satz 1 BGB stünde dem Kläger in diesem Fall nicht zu.

3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Annahmeverzug der [X.] seit dem 27. Juli 2020 festgestellt. Unabhängig davon, dass es an einem rechtfehlerfrei festgestellten, Zug um Zug gegen die angebotene Leistung durchsetzbaren Anspruch des [X.] gegen die Beklagte fehlt, war jedenfalls das vom Berufungsgericht in Bezug genommene Anwaltsschreiben vom 10. Juli 2020 (Anlage [X.]) nicht geeignet, den Annahmeverzug der [X.] herbeizuführen. Zum einen wird hier nur die „Rückgabe“ des Fahrzeugs angeboten, nicht aber dessen Übereignung; zum anderen wird das Angebot an eine unberechtigte Bedingung geknüpft, indem auch [X.] von mehr als 7.000 € geltend gemacht werden und damit ein deutlich höherer Betrag verlangt wird, als ihn der Kläger - möglicherweise - hätte beanspruchen können. Ein zur Begründung des Annahmeverzugs geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben ([X.], Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, [X.]Z 225, 316 Rn. 85).

4. Schließlich hat das Berufungsgericht verkannt, dass der Kläger nach §§ 826, 852 Satz 1 BGB von der [X.] nicht Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangen kann (vgl. [X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 21).

III.

Das Berufungsurteil unterliegt mithin in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang der Aufhebung (§ 562 ZPO), da es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO).

Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, soweit das Berufungsgericht die Beklagte zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt hat, weil die Aufhebung des Berufungsurteils insoweit nur wegen einer Rechtsverletzung bei der Anwendung des Gesetzes auf den festgestellten Sachverhalt erfolgt und danach die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Regelungen über den [X.] nach § 280 Abs. 1 und 2, § 286 Abs. 1 BGB ergeben einen Anspruch insoweit ebenso wenig wie §§ 826, 852 Satz 1 BGB. Der Kläger behauptet einen Verzugseintritt aufgrund des Schreibens seiner vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten vom 10. Juli 2020. Die Kosten der den Verzug begründenden Mahnung stellen aber keinen Schaden infolge des Verzugs dar ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 22).

Da die Sache im Übrigen nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Sollte das Berufungsgericht eine Vermögensverschiebung im Sinne von § 852 Satz 1 BGB zwischen dem Kläger und der [X.] feststellen, wird es - worauf die Revision zu Recht hinweist - nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung ([X.], Urteil vom 12. September 2022- VIa ZR 122/22, juris) Feststellungen zur Höhe des [X.] zu treffen und anschließend die Grundsätze der Vorteilsausgleichung anzuwenden haben ([X.], Urteil vom 21. Februar 2022 - [X.], [X.], 742 Rn. 16).

[X.]     

  

Möhring     

  

Götz

  

Rensen     

  

Vogt-Beheim     

  

Meta

VIa ZR 215/22

07.11.2022

Bundesgerichtshof 6a. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg), 25. Januar 2022, Az: 13 U 13/21

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 07.11.2022, Az. VIa ZR 215/22 (REWIS RS 2022, 7095)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 7095

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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