Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2011, Az. 26 W (pat) 551/10

26. Senat | REWIS RS 2011, 5315

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – "GEORGIEN TRANSPORT LOGISTIK GMBH (Wort-Bild-Marke)" – kein Hoheitszeichen - kein Freihaltungsbedürfnis - Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Markenanmeldung 30 2009 065 988.5

hat der 26. Senat ([X.]) des [X.] in der Sitzung vom 29. Juni 2011 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.] [X.] sowie des [X.] [X.] und der Richterin Dr. Schnurr

beschlossen:

Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 [X.] Patent- und Markenamtes vom 21. Juli 2010 aufgehoben.

Gründe

I.

1

Zur Eintragung in das [X.]register angemeldet ist die in den Farben schwarz und rot auf weißem Grund gehaltene Wort/Bildmarke

Abbildung

2

für die Dienstleistungen der Klasse 39:

3

„Dienstleistungen einer Spedition (Güterbeförderung), Lagerung von Waren, Logistikdienstleistungen auf dem Transportsektor“.

4

Die [X.]stelle für Klasse 39 des [X.] hat die Anmeldung mit Beschluss vom 21. Juli 2010 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der durch die Kombination des Zeichens bewirkte Gesamteindruck gehe nicht über eine Zusammenfügung beschreibender Elemente hinaus, sondern erschöpfe sich in deren bloßer Summenwirkung. „[X.]“ bezeichne einen Staat in Vorderasien. Die Transportlogistik beschäftige sich mit der physikalischen Verbringung von Gütern zwischen verschiedenen Orten innerhalb von Logistiknetzwerken, wobei der Transport durch einen Frachtführer oder einen Spediteur im Selbsteintritt durchgeführt werde, welcher auch die Transportorganisation übernehme. Der [X.] „GmbH“ besage lediglich, dass die beanspruchten Dienstleistungen von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erbracht würden. Die Wortkombination „[X.] [X.]“ enthalte lediglich die beschreibende Aussage, dass [X.], die Transporte von und nach [X.] beträfen, von einer GmbH erbracht würden und sei daher nicht geeignet, den angesprochenen Verkehrskreisen als betrieblicher Herkunftshinweis zu dienen. Auch der mit einem Teil der [X.] Flagge gefüllte Umriss des Landes [X.] vermöge der angemeldeten Marke in ihrer Gesamtheit nicht zur Schutzfähigkeit zu verhelfen, weil der überwiegende Teil des Verkehrs in ihrem Bildbestandteil lediglich eine Illustration des Wortes „[X.]“ sehen werde.

5

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Sie hält das beanspruchte Zeichen für unterscheidungskräftig. Weder die Flagge noch der Umriss der Landesgrenzen des Staates [X.] sei den angesprochenen Interessenten von Speditionsdienstleistungen von [X.] nach [X.] so präsent, dass sie den Bildbestandteil ausschließlich als Wiederholung des Wortes [X.] wahrnähmen. Die Anmelderin verweist schließlich auf die Anordnung von Bild- und [X.]n des angemeldeten [X.]s sowie auf ihrer Ansicht nach vergleichbare Voreintragungen.

6

Die Anmelderin beantragt,

7

den angefochtenen Beschluss der [X.]stelle für Klasse 39 des [X.] vom 21. Juli 2010 aufzuheben.

8

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

9

Die nach § 66 Abs. 1, 2 [X.] zulässige Beschwerde der Anmelderin hat auch in der Sache Erfolg. Der begehrten Eintragung in das [X.]register steht weder das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 6 [X.], noch das [X.] der fehlenden Unterscheidungskraft entgegen, § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]. Schließlich ist das angemeldete Zeichen nicht freihaltebedürftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.].

Eine Eintragung des Zeichens „[X.] [X.]“ ist nicht gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 6 [X.] deshalb zu versagen, weil sein Bildbestandteil die wesentlichen heraldischen Merkmale der Staatsflagge des Staates [X.] enthält. Die Flagge wird nur ausschnittsweise, im stilisierten Umriss des Staatsgebietes von [X.] und in einer von links nach rechts blasser werdenden Rotfärbung abgebildet. Hierdurch bleiben zwar ihre wesentlichen Merkmale als solche erkennbar. Jedoch werden die Landesfarben [X.]s ersichtlich als Dekoration in einer Form verwendet, die keine Ähnlichkeit mit Flaggen oder anderen bei Hoheitszeichen üblichen Formen besitzen. Die konkrete Darstellung eines Flaggenausschnitts im Inneren des stilisierten Umrisses des Staatsgebietes von [X.] einerseits und mit einer von links nach rechts blasser werdenden Rotfärbung andererseits stellt kein Hoheitszeichen dar, dessen sich der Staat [X.] als Symbol und zur Repräsentation des Staatsganzen bedient oder das er als Zeichen der Ausübung seiner Hoheitsgewalt einsetzt (vgl. [X.]/[X.] in [X.], Grundgesetz, Stand Februar 2004, Art. 22 Rn. 21, 22; vgl. [X.], GRUR 1990,196 – [X.]; [X.] PROMA, 32 W (pat) 11/01 - Bodensee-Arena; [X.] PROMA, 27 W (pat) 136/02 D-Info; [X.]/[X.], [X.], 9. Auflage, Rn. 512 zu § 8).

Auch steht das [X.] mangelnder Unterscheidungskraft nicht entgegen.

Unterscheidungskraft [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur [X.] Rspr. [X.] GRUR 2004, 674 - Postkantoor; [X.], 1050 – [X.]). Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Bei [X.], die aus Wort- und Bildbestandteilen kombiniert sind, hat sich die Prüfung der Schutzfähigkeit der Marke darauf zu erstrecken, ob die Marke als solche jedenfalls in einem ihrer Bestandteile den Anforderungen an die Unterscheidungskraft genügt (vgl. [X.] 2001, 397 – antiKalk). So kann ein eigenständiger betrieblicher Herkunftshinweis durch eine besondere graphische Ausgestaltung als solcher nicht unterscheidungskräftiger [X.] erreicht werden (vgl [X.], 136, 137 - [X.]; [X.]. 1993, 367 - [X.]; [X.]. 1996, 215 - [X.]; [X.]. 1998, 272 - [X.]; [X.], 805 - Immo-Börse; [X.], 889 - Fantastic.5), sofern sie eine den schutzunfähigen Charakter der übrigen [X.]teile aufhebende, kennzeichnungskräftige Verfremdung des Gesamteindrucks der Marke zu bewirken vermag (vgl. [X.], 1153 - antiKALK; [X.] GRUR 2006, [X.], [X.], 74 - BioID; [X.]/[X.], [X.]recht, 9. Aufl., Rn. 126 ff., 87 f.).

Es kann hier letztlich dahingestellt bleiben, ob der Verkehr die Wortkombination "[X.] [X.]““ im Zusammenhang mit den angemeldeten Dienstleistungen lediglich in dem durch die [X.]stelle nachvollziehbar erläuterten Sinne als beschreibende Sachangabe versteht. Denn von einer reinen Sachangabe unterscheidet sich die angemeldete Marke durch ihre graphische Gestaltung deutlich.

Der Bildbestandteil verhindert, dass das [X.] ohne analysierende Betrachtungsweise ausschließlich im Sinne von "[X.] [X.]“ verstanden wird. Eine Reduzierung auf diesen Sinngehalt wird dem besonderen Charakter der angemeldeten Marke nicht gerecht (vgl. hierzu auch [X.] PROMA, 27 W (pat) 92/97 - PRO Comfort; [X.] PROMA, 25 W (pat) 145/04 - [X.]). Entgegen der von der [X.]stelle geäußerten Rechtsauffassung erschöpft sich die bildliche Gestaltung nicht in einer ausschließlich sachbezogenen Illustration der anderen [X.]teile (vgl. [X.] GRUR 2004, 873, 874 - [X.] (Hinzufügung de Piktogramms "Messer und Gabel" bei [X.] im Gastronomiebereich); [X.] PROMA 33 W (pat) 129/06 - [X.] OPEN AIR [X.] (Unterlegung der [X.] mit einer Abbildung der betreffenden Örtlichkeit); [X.] PROMA 27 W (pat) 59/08 - Weihnachtsmarkt an der [X.] (Beifügung einer stilisierten Darstellung der Dresdner [X.]); vgl. auch [X.] 15.10.2008 - [X.]/07 ([X.]) - Intelligent Voltage Guard (zusätzliche Abbildung des Grundtyps eines elektrischen Messgeräts); [X.] in: [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., Rn. 129 f. zu § 8). Von einem Piktogramm oder dem im Inland weiterhin bekannten Schattenriss unterscheidet sich der Bildbestandteil des hier angemeldeten Zeichens dadurch, dass der Umriss des Staatsgebietes von [X.] im Unterschied zu demjenigen eines beliebten Urlaubslandes wie beispielsweise [X.] auf dem hier einschlägigen inländischen Transport- und Logistiksektor dem angesprochenen [X.] mehrheitlich unbekannt i[X.] Dass der angesprochene durchschnittliche inländische Interessent für Transport- und Logistikdienstleistungen den Umriss des Staatsgebietes von [X.] auf Grund von ihm bekannten charakteristischen geographischen Eigenheiten gerade diesem Staat zuzuordnen vermag, steht nicht zu erwarten.

Hieran ändert sich nichts, wenn er auf einen stilisierten Umriss eines Staatsgebietes trifft, der mit einer graphisch veränderten Flagge des Staates [X.] angefüllt ist, die lediglich ausschnittsweise und im Unterschied zum Staatssymbol in einer von links nach rechts blasser werdenden Rotfärbung abgebildet i[X.] Diese Kombination verschiedener grafischer Gestaltungselemente verleiht dem Bildbestandteil des Zeichens bereits eine gewisse Eigentümlichkeit, die ihn von einem Piktogramm oder einer anderen, allgemein verständlichen [X.] unterscheidet.

Erst der Umstand, dass der Betrachter des [X.]s in dessen Wortbestandteil auf die Bezeichnung eines Staates, nämlich „[X.]“ trifft, führt ihn zu der Annahme, dass es sich bei dem ihm als solchem unbekannten Schattenriss eines Staatsterritoriums in Kombination mit der veränderten Darstellung einer Flagge um die Illustration des im Wortbestandteil bezeichneten Staates handeln werde. Dieser Umstand nimmt jedoch dem Bildbestandteil des angemeldeten Zeichens nicht seine Eigentümlichkeit. Er stellt vielmehr einen gedanklichen Schritt dar, der letztlich dem [X.] zum notwendigen Mindestmaß an Unterscheidungskraft verhilft. Ohne nähere analysierende Betrachtungsweise, die sich bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft eines Zeichens verbietet (vgl [X.] GRUR 2003, 58, 60, Nr. 24 - Companyline

Auch steht das [X.] des § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] der Eintragung nicht entgegen, denn das Zeichen besteht nicht ausschließlich aus beschreibenden Angaben, da jedenfalls die besondere graphische Gestaltung von einer reinen Sachangabe wegführt.

Dieser Umstand ist allerdings, darauf sei abschließend hingewiesen, zugleich von wesentlicher Bedeutung für den - entsprechend geringen - Schutzumfang des angemeldeten Zeichens (vgl. näher [X.], [X.]/[X.], [X.], 9. Aufl., Rn. 334 zu § 9).

Die Beschwerde der Anmelderin hat aus diesen Gründen Erfolg.

Meta

26 W (pat) 551/10

29.06.2011

Bundespatentgericht 26. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 29.06.2011, Az. 26 W (pat) 551/10 (REWIS RS 2011, 5315)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5315


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. 26 W (pat) 551/10

Bundespatentgericht, 26 W (pat) 551/10, 31.08.2011.

Bundespatentgericht, 26 W (pat) 551/10, 29.06.2011.


Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

26 W (pat) 551/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "GEORGIEN TRANSPORT LOGISTIK GMBH (Wort-Bild-Marke) - Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr" – andere …


26 W (pat) 4/13 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "stoff4you (Wort-Bild-Marke)" – keine Unterscheidungskraft


26 W (pat) 102/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "Volks.Plasma-TV (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – Freihaltungsbedürfnis – keine Zulassung der Rechtsbeschwerde


26 W (pat) 522/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren - "MAZ & MORE (Wort-Bild-Marke)" – Unterscheidungskraft – kein Freihaltungsbedürfnis


26 W (pat) 98/10 (Bundespatentgericht)

Markenbeschwerdeverfahren – "CASA DEL ESPRESSO" – keine Unterscheidungskraft


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.