Bundessozialgericht, Urteil vom 05.07.2018, Az. B 8 SO 30/16 R

8. Senat | REWIS RS 2018, 6492

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Sozialhilfe - Hilfe zur Pflege - stationäre Pflege - Bindung des Sozialhilfeträgers an die Pflegesatzvereinbarungen - Beteiligung am Pflegesatzverfahren - Bestehen einer Investitionskostenvereinbarung - Auswahl der Einrichtung - Wunsch- und Wahlrecht des Leistungsberechtigten - Mehrkostenvorbehalt


Leitsatz

Das sozialhilferechtliche Wunsch- und Wahlrecht einer leistungsberechtigten Person ist nicht durch den sogenannten Mehrkostenvorbehalt beschränkt, wenn sie eine Einrichtung wählt, mit der Pflegesatz- bzw Vergütungsvereinbarungen bestehen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 28. September 2016 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 11 456,51 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

[X.] ist ein Anspruch der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der am 7.11.2016 verstorbenen Hilfeempfängerin [X.] ([X.]) auf Zahlung von Heimpflegekosten für die stationäre Pflege in der [X.] vom 1.11.2009 bis 16.7.2014.

2

Die Klägerin ist Betreiberin einer nach § 72 [X.] - ([X.]) zugelassenen, landesrechtlich nicht geförderten Pflegeeinrichtung und erbrachte der im November 2016 verstorbenen [X.] ab 20.10.2009 Pflegeleistungen; zuvor war [X.] in einem Krankenhaus stationär behandelt worden. Grundlage der erbrachten Leistungen war der Heimvertrag für vollstationäre Pflege vom 21.10.2009. Danach schuldete [X.] der Klägerin pro Tag insgesamt 73,35 [X.] (vollstationärer Pflegesatz 37,35 [X.], Investitionskosten 19,40 [X.], Unterkunft und Verpflegung 16,60 [X.]).

3

[X.] erhielt neben ihrer Altersrente (bis Juni 2011 715,93 [X.], ab Juli 2011 720,65 [X.], ab Juli 2012 736,92 [X.], ab Januar 2013 736,10 [X.], ab Juli 2013 760,31 [X.] und ab Juli 2014 779,52 [X.]) und einer Witwenrente (bis Juni 2011 182,94 [X.], ab Juli 2011 185,44 [X.], ab Juli 2012 189,62 [X.], ab Januar 2013 189,41 [X.], ab Juli 2013 195,64 [X.] und ab Juli 2014 221,62 [X.]) im gesamten streitbefangenen [X.]raum Leistungen nach der [X.] gemäß §§ 14, 15 Abs 1 Satz 1 Nr 1 [X.] (hier in der bis zum 31.12.2016 geltenden [X.]assung) in Höhe von monatlich 1023 [X.]. Über weiteres Einkommen oder Vermögen verfügte [X.] nicht.

4

[X.]ür die [X.] vom 1.9.2009 bis 31.12.2013 bestanden zwischen der Klägerin und dem Beklagten Vereinbarungen über gesondert berechenbare Investitionskosten nach § 75 Abs 5 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]I), wonach 12,98 [X.] je [X.] für 117 nicht geförderte vollstationäre Pflegeplätze und für sechs Kurzzeitpflegeplätze zu zahlen waren (Vereinbarungen vom [X.], 21.1.2011 und 18.1.2012). Die Klägerin hat für die [X.] ab 15.7.2009 eine Vergütungsvereinbarung über stationäre Pflegeleistungen nach § 85 [X.] mit mehreren Kranken- bzw Pflegekassen abgeschlossen (Vereinbarung vom 7.7.2009). Der Beklagte, der an den Vertragsverhandlungen beteiligt war, hat zu den Vereinbarungen sein Einvernehmen nicht erteilt, ihnen aber nicht durch Anrufung der Schiedsstelle widersprochen. Zu der für die [X.] ab [X.] abgeschlossenen Vereinbarung liegt das Einvernehmen des Beklagten vor.

5

Den Antrag der [X.] auf Übernahme ungedeckter Heimkosten lehnte der Beklagte mit der Begründung ab, sie sei darauf zu verweisen, einen Heimplatz in einer - konkret benannten - investiv geförderten Einrichtung zu wählen, weil die dort entstehenden Kosten vollständig aus dem eigenen Einkommen gezahlt werden könnten (Bescheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom [X.]). Der ab 17.7.2014 bestehenden Schuld der [X.] trat der Beklagte später bei. Während die (zuletzt der Höhe nach auf 11 524,15 [X.] begrenzte) Klage der [X.] vor dem Sozialgericht ([X.]) [X.] ohne Erfolg geblieben ist (Urteil vom 30.4.2012), hat das [X.] ([X.]) [X.] auf die Berufung der [X.] das Urteil des [X.] geändert und den Beklagten unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen verurteilt, für die [X.] vom 1.11.2009 bis 16.7.2014 ungedeckte Heimkosten in Höhe von insgesamt 11 459,83 [X.] zu gewähren und diese an die Beigeladene (die jetzige Klägerin) zu zahlen (Urteil vom 28.9.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ua ausgeführt, [X.] sei einer durchsetzbaren [X.]orderung der Klägerin ausgesetzt gewesen; die Klägerin habe die [X.]orderung nur gestundet. [X.] könne, ob bereits aufgrund der bestehenden Vergütungsvereinbarungen ein Kostenvergleich ausscheide. Denn auch dann, wenn ein Kostenvergleich vorzunehmen sei, entstünden durch die von [X.] gewählte Einrichtung keine unverhältnismäßigen Mehrkosten. Lediglich wegen geringfügig niedriger Bedarfe als von [X.] geltend gemacht, habe die Klage keinen Erfolg gehabt.

6

Der Beklagte rügt mit seiner Revision einen Verstoß gegen § 9 Abs 2 Satz 3 [X.]I sowie § 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Der Mehrkostenvergleich nach § 9 Abs 2 Satz 3 [X.]I sei auch bei bestehenden Vergütungsvereinbarungen durchzuführen. [X.]ühre man den Vergleich (anders als das [X.] meine) nach Berücksichtigung des Einkommens durch, entstünden bei der von [X.] gewählten Einrichtung Mehrkosten von etwa 200 [X.] monatlich. Diese seien unverhältnismäßig, denn auch die vorgeschlagenen Alternativeinrichtungen seien in [X.] gelegen und für die Angehörigen der [X.] fußläufig erreichbar gewesen. [X.] sei zudem keiner ernsthaften [X.]orderung der Klägerin ausgesetzt gewesen; insbesondere seine im Berufungsverfahren vorgebrachten Argumente gegen die Wirksamkeit der Stundungsabrede zwischen [X.] und der Klägerin habe das [X.] nicht berücksichtigt. Außerdem stünden die Bevollmächtigten der Klägerin, die auch [X.] vertreten hätten, in einem Interessenkonflikt, was das [X.] ebenfalls nicht beachtet habe.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.]s [X.] vom 28. September 2016 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts [X.] vom 30. April 2012 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält die angefochtene Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Beklagten hat insoweit Erfolg, als er nur zur Zahlung von 11 456,51 Euro (statt der vom [X.] tenorierten 11 459,83 Euro) an die [X.]lägerin verpflichtet ist (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <[X.]>). Insoweit ist das Urteil des [X.] zu ändern. Im Übrigen ist die Revision zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]).

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom [X.] in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom [X.] (§ 95 [X.]), mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, die das Einkommen der [X.] übersteigenden Heimpflegekosten zu übernehmen. Dabei verfolgt die [X.]lägerin den Anspruch zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4, § 56 [X.]); bereits im Berufungsverfahren hatte [X.] den Streitgegenstand auf die [X.] vom 1.11.2009 bis zum 16.7.2014 und - weil sie insoweit das Urteil des [X.] nicht angegriffen hat - weiter im Revisionsverfahren der Höhe nach auf 11 459,83 Euro begrenzt.

Diesen Anspruch macht die [X.]lägerin nach § 19 Abs 6 [X.] als Rechtsnachfolgerin der [X.] geltend. Verfahrensbeteiligte sind nach dem Versterben der [X.] während des Revisionsverfahrens nur noch der Beklagte und die frühere Beigeladene, jetzt als [X.]lägerin. Mit dem Tod der [X.] ist die [X.]lägerin als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 19 Abs 6 [X.] unmittelbar kraft Gesetzes (cessio legis) in das Verfahren eingetreten (grundlegend dazu [X.], 264 = [X.] 4-3500 § 19 [X.]). Dieser durch die [X.] herbeigeführte [X.] ist keine [X.]lageänderung iS der §§ 99, 168 Satz 1 [X.], sondern führt lediglich von Amts wegen zu einer Berichtigung des Rubrums (vgl [X.], 93 = [X.] 4-3500 § 19 [X.] Rd[X.] 13 mwN; [X.], 27, 28 = [X.] 3-2600 § 307b [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 99 Rd[X.] 7a mwN) und ist deshalb auch im Revisionsverfahren zulässig (BSG [X.] 4-3500 § 77 [X.] Rd[X.] 11 mwN).

Den auf sie übergegangenen Anspruch verfolgt die [X.]lägerin gegen den örtlich und sachlich zuständigen Beklagten. Dessen Zuständigkeit beurteilt sich für die [X.] bis 31.12.2010 unmittelbar nach § 3 Abs 1, § 97 Abs 1 [X.], wonach für die Sozialhilfe sachlich zuständig der örtlich zuständige Träger ist (zur örtlichen Zuständigkeit gleich); abweichende Bestimmungen iS des § 97 Abs 2 [X.] enthielt das bis 31.12.2010 maßgebliche [X.] Landesrecht nicht (vgl Gesetz zur Ausführung des [X.] und zur Änderung des Brandenburgischen [X.]inanzausgleichsgesetzes vom 6.12.2006 - Gesetz und Verordnungsblatt für das [X.] Teil [X.] ff). [X.]ür die [X.] ab 1.1.2011 (mit Inkrafttreten des geänderten AG-[X.] vom 3.11.2010 - [X.]/10 [X.]6) bestimmt sich die Zuständigkeit des Beklagten nach § 3 Abs 1, § 97 Abs 1 iVm Abs 2, § 98 Abs 2 [X.] iVm § 2 Abs 1 und § 4 Abs 1 [X.] AG-[X.]. Danach sind örtliche Träger der Sozialhilfe die [X.] und kreisfreien Städte und als solche sachlich zuständig [X.] für die Hilfe zur Pflege. Eine Ausnahme von dieser Zuständigkeit nach § 5 AG-[X.] liegt nicht vor. Der [X.] ist an entsprechenden [X.]eststellungen zum Landesrecht nicht gehindert, weil das [X.] dieses ungeprüft gelassen hat. Da [X.] nach dem Gesamtzusammenhang der [X.]eststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) zudem ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs 3 Sozialgesetzbuch [X.] - <[X.] I>) vor Aufnahme in die erste stationäre Einrichtung ([X.]rankenhaus) im [X.]reisgebiet des Beklagten hatte, war dieser nach § 98 Abs 2 Satz 1 [X.] auch örtlich für die Leistungserbringung an [X.] zuständig.

Der geltend gemachte Anspruch bestimmt sich in der Sache nach § 19 Abs 6 [X.] iVm § 19 Abs 3 [X.] (in der Normfassung des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der [X.]inanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.4.2007 - [X.] bzw in der ab 1.1.2011 geltenden [X.]assung des [X.] [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011 - [X.]) iVm § 61 Abs 1 Satz 1 [X.] (in der ab [X.] geltenden Normfassung - im [X.]olgenden: alte [X.]assung - des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung vom 28.5.2008 - [X.]). Danach ist Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen [X.]rankheit oder Behinderung iS des § 61 Abs 3 [X.] a[X.] für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen, Hilfe zur Pflege zu leisten. Hilfe zur Pflege umfasst dabei [X.] auch stationäre Pflege (§ 61 Abs 2 Satz 1 [X.] a[X.]). [X.] war leistungsberechtigt im Sinne dieser Vorschriften. Nach den bindenden [X.]eststellungen des [X.] litt sie [X.] an einem mäßigen hirnorganischen Psychosyndrom, einer koronaren Drei-Gefäß-Erkrankung, Zustand nach [X.] und einer mittelschweren dementiellen Entwicklung und bedurfte deshalb dauerhaft der Hilfe zur stationären Pflege, die in einer Einrichtung der [X.]lägerin erbracht worden ist.

Der Beklagte hat es zu Unrecht abgelehnt, der Schuld der [X.] gegenüber der [X.]lägerin beizutreten (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis vgl grundlegend [X.], 1 = [X.] 4-1500 § 75 [X.]), soweit deren eigenes Einkommen einschließlich der Leistungen der Pflegekasse nicht ausreichten, um das Heimentgelt zu zahlen.

Der zwischen [X.], vertreten durch ihre Betreuerin, und der [X.]lägerin abgeschlossene Heimvertrag ist wirksam zustande gekommen. Nach dem Inhalt des Vertrags schuldete [X.] bei Pflegestufe I ab Aufnahme in die Einrichtung kalendertäglich 73,35 Euro (vollstationärer Pflegesatz 37,35 Euro, Unterkunft und Verpflegung 16,60 Euro, Investitionskosten 19,40 Euro). Zutreffend ist das [X.] aber davon ausgegangen, dass tatsächlich nur Investitionskosten von 12,98 Euro täglich geschuldet waren. Denn nach § 11 Abs 9 Satz 2 des [X.] tritt bei sozialhilfeberechtigten Bewohnern an die Stelle des vertraglichen der mit dem Sozialhilfeträger vereinbarte [X.] (§ 75 Abs 5 Satz 3 [X.]), der sich für die gesamte streitgegenständliche [X.] auf 12,98 Euro belief. Das kalendertägliche Entgelt und damit die Schuld der [X.] betrug folglich 66,93 Euro (für die [X.] von November 2009 bis Juli 2013) und nach Erhöhung des Tagessatzes zum [X.], basierend auf den geänderten Pflegesatzvereinbarungen (vgl insoweit § 15 des [X.]), 68,35 Euro. Die vertraglich geschuldeten Beträge für den Pflegesatz und für Unterkunft und Verpflegung entsprachen jeweils den in den Vergütungsvereinbarungen für stationäre Pflegeleistungen nach § 85 [X.] vereinbarten Beträgen, die für den Beklagten verbindlich sind (dazu gleich).

[X.] war auch einer durchsetzbaren [X.]orderung der [X.]lägerin ausgesetzt. Das [X.] hat für den [X.] bindend Tatsachen festgestellt (§ 163 [X.]), die den rechtlichen Schluss auf eine wirksame Stundungsabrede zwischen [X.] und der [X.]lägerin bis zur endgültigen Entscheidung im vorliegenden Verfahren zulassen. Diese umfasste die Heimpflegekosten, die [X.] nicht aus eigenem Einkommen selbst bezahlen konnte. Anders als der Beklagte meint, bedarf eine Stundungsabrede zu ihrer Wirksamkeit nicht der Schriftform, sodass es auf den [X.]punkt des Abschlusses der schriftlichen Vereinbarung nicht ankommt. Die [X.]eststellungen des [X.] hat der Beklagte nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen. Soweit er vorträgt, das [X.] habe insbesondere die von ihm vorgetragenen Zweifel an der Ernsthaftigkeit dieser Vereinbarung nicht hinreichend gewürdigt, bemängelt er ohne entsprechende Verfahrensrüge die Beweiswürdigung durch das [X.], die der revisionsgerichtlichen [X.]ontrolle jedoch entzogen ist. Selbst wenn der von der [X.]lägerin bereits im [X.]lageverfahren bevollmächtigte Rechtsanwalt bis zu ihrem Versterben auch [X.] vertreten hatte und er mit dieser "Doppelvertretung" gegen das Verbot widerstreitender Interessen nach § 43a Abs 4 Bundesrechtsanwaltsordnung ([X.]) verstoßen haben sollte, hätte dies weder die Wirksamkeit der ihm erteilten Vollmachten noch - entsprechend § 114a Abs 2, § 155 Abs 5 [X.] - der für seine Parteien vorgenommenen Prozess- oder Verfahrenshandlungen berührt ([X.] Beschluss vom 8.9.2016 - 13 U[X.] 84/15 - juris Rd[X.]1 mwN). Auch eine [X.]ündigung des [X.] nach § 627 Abs 1 BGB (dazu [X.] Urteil vom 7.6.1984 - [X.] - NJW 1985, 41 ff) ist durch [X.] nicht erfolgt. Nach den [X.]eststellungen des [X.] (§ 163 [X.]) liegen zudem keine Umstände vor, die den Schluss auf einen Verzicht der [X.]lägerin auf die [X.]orderung rechtfertigen könnten.

Nach § 75 Abs 5 Satz 1 [X.] (in der hier maßgeblichen Normfassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.] vom 27.12.2003 - [X.]) richten sich bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen iS des § 72 [X.] Art, Inhalt, Umfang und Vergütung der ambulanten und teilstationären Pflegeleistungen sowie der Leistungen der [X.] und der vollstationären Pflegeleistungen sowie der Leistungen bei Unterkunft und Verpflegung und der Zusatzleistungen nach den Vorschriften des Achten [X.]apitels des [X.], soweit nicht nach § 61 [X.] a[X.] weitergehende Leistungen zu erbringen sind. Der Sozialhilfeträger ist in Bezug auf zugelassene Pflegeeinrichtungen also an die für stationäre Einrichtungen maßgeblichen Pflegesatzvereinbarungen nach den §§ 85 ff [X.] gebunden. Mit dieser Regelung soll die Einheitlichkeit der Vergütung im Pflegesektor sichergestellt werden, um gerade in dem typischen "[X.]" zwischen den nach dem [X.] betragsmäßig begrenzten Pflegeleistungen und den Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem [X.] eine einheitliche Vergütung in beiden Systemen sicherzustellen (BSG [X.] 4-3500 § 65 [X.] Rd[X.] 17; [X.] in LP[X.]-[X.], 10. Aufl 2015, § 75 Rd[X.] 4; [X.]/[X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2014, § 75 Rd[X.] 150; [X.] in [X.]/[X.], [X.] § 75 Rd[X.] 44, Stand Mai 2017; [X.] in NZS 2004, 462 ff).

Dies gilt zwar nicht (§ 75 Abs 5 Satz 2 [X.]), soweit Vereinbarungen nach dem Achten [X.]apitel des [X.] nicht im Einvernehmen mit dem Träger der Sozialhilfe getroffen worden sind. Jedoch kommt § 75 Abs 5 Satz 2 [X.] nach Sinn und Zweck der Regelung nicht zur Anwendung, wenn der Sozialhilfeträger - wie hier, bezogen auf die Vereinbarung vom 7.7.2009 - tatsächlich an den Verhandlungen beteiligt war und nur sein Einvernehmen zu der getroffenen Vereinbarung nicht erteilt hat (BSG [X.] 4-3500 § 65 [X.] Rd[X.] 18). Denn in diesem [X.]all, also etwa wenn er von der Mehrheit der am Verfahren beteiligten [X.]ostenträger überstimmt worden ist (§ 85 Abs 4 Satz 1, § 89 Abs 3 Satz 4 [X.]), kann der Sozialhilfeträger binnen zwei Wochen nach Abschluss der [X.] bzw Vergütungsvereinbarung Widerspruch erheben, durch den ein Schiedsstellenverfahren eingeleitet wird (§ 85 Abs 5 Satz 2, § 89 Abs 3 Satz 4 [X.] in der bis 31.12.2016 geltenden Normfassung des Ersten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften). Macht der Sozialhilfeträger von dieser Möglichkeit - wie hier - keinen Gebrauch, sondern lässt die [X.] verstreichen, muss er die ggf gegen seine Stimme, jedenfalls aber ohne sein Einvernehmen zustande gekommene Vereinbarung gegen sich gelten lassen (sog fingiertes Einvernehmen, vgl nur: [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 19. Aufl 2015, § 75 Rd[X.] 63 mwN; [X.]/[X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2014, § 75 Rd[X.] 175; [X.] in LP[X.]-[X.], 10. Aufl 2015, § 75 Rd[X.] 41; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 6. Aufl 2018, § 75 Rd[X.]2). Zu der ab [X.] abgeschlossenen Pflegesatzvereinbarung hat der Beklagte sein Einvernehmen ohnedies erteilt.

Das Wunsch- und Wahlrecht der leistungsberechtigten Person (§ 9 Abs 2 Satz 1 [X.] in der bis 31.12.2017 maßgeblichen [X.]assung ) ist nicht durch den Mehrkostenvorbehalt nach § 9 Abs 2 Satz 3 [X.] beschränkt, wenn sie - wie hier - eine Einrichtung wählt, mit der für den Beklagten verbindliche [X.] bzw Vergütungsvereinbarungen nach § 75 Abs 5 Satz 1 und 2 [X.] iVm § 85 Abs 4 [X.] und wirksamen Vereinbarungen über gesondert berechenbare Investitionskosten (§ 75 Abs 5 Satz 3 [X.], hier ab 1.1.2014 fortgeltend in - entsprechender Anwendung - des § 77 Abs 2 Satz 4 [X.]) bestehen. Bei den für die Pflegeleistungen zu zahlenden Vergütungen nach den insoweit maßgeblichen Vergütungsvereinbarungen handelt es sich per se nicht um unverhältnismäßige (Mehr-)[X.]osten (vgl zur Sit[X.]tion bei ambulanten Vergütungen und dem dort anzulegenden Maßstab angemessener [X.]osten nach § 65 Abs 1 Satz 2 [X.] a[X.]: BSG [X.] 4-3500 § 65 [X.] mwN). Vielmehr inkorporieren die Vereinbarungen nach den §§ 75 ff [X.] bzw §§ 82 ff [X.] iVm § 75 Abs 5 [X.] bereits den in § 9 Abs 2 Satz 3 [X.] normierten Mehrkostenvorbehalt. Der Gesetzgeber geht normativ typisierend davon aus, dass bereits die Vergütungsvereinbarungen die Gewähr für die Wirtschaftlichkeit der im Einzelnen zu erbringenden Leistung bieten. Denn die vereinbarten Leistungen müssen [X.] ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (§ 76 Abs 1 Satz 3 [X.]). Außerdem müssen nach § 84 Abs 2 Satz 1 und Satz 4 [X.] Pflegesätze leistungsgerecht sein und einem Pflegeheim bei wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen, seine Aufwendungen zu finanzieren und seinen Versorgungsauftrag zu erfüllen. Nicht zuletzt dürfen Versorgungsverträge nach dem [X.] nur mit solchen Pflegeheimen abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten (§ 72 Abs 3 [X.] [X.]).

Die ältere Rechtsprechung des [X.] (<[X.]> insbesondere [X.]E 94, 202, 209; ähnlich [X.]E 97, 53, 55 ff = juris Rd[X.]8), wonach die Vorgaben des Leistungserbringungsrechts die Beschränkungen des individuellen [X.] nach Maßgabe des Mehrkostenvorbehalts unberührt lassen (so auch [X.] in [X.]/[X.], [X.], [X.] § 9 Rd[X.] 117, Stand Juni 2014), führt der [X.] nicht fort. Diese Entscheidungen, die den Rechtsstand vor dem [X.] betreffen, hat das [X.] damit begründet, dass die Vertragsverhandlungen mit Pflegeheimen, die zum damaligen [X.]punkt (vor Einführung der Pflegeversicherung) nur vom Sozialhilfeträger zu führen waren, für sich genommen nicht zu "einheitlichen [X.]ostensätzen" führten. Systematisch steht ein solcher Ansatz aber in Widerspruch zum mittlerweile erheblich ausdifferenzierten System der §§ 75 ff [X.], dessen Ziel die Vereinbarung einer leistungsgerechten Vergütung zwischen Einrichtung und Sozialhilfeträger in jedem Einzelfall nach Maßgabe der individuellen Verhältnisse vor Ort ist. Insbesondere bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen nach dem [X.] soll die Einheit der Pflegesatzfestsetzung im Verfahren nach dem [X.] durch § 75 Abs 5 [X.] erhalten bleiben und es soll dem Träger der Sozialhilfe gerade nicht möglich sein, durch eigene Vertragsverhandlungen eine "verdeckte Bedarfsplanung" zu betreiben (vgl BSG [X.] 4-3500 § 75 [X.] 8). "Einheitliche Vergütungen" sind angesichts unterschiedlicher Standards und Leistungen von Einrichtungen ohnedies allenfalls bei vergleichbaren Einrichtungen denkbar (vgl zum sog externen Vergleich [X.], 51 = [X.] 4-3500 § 75 [X.]; zum "internen" Vergleich: BSG [X.] 4-3500 § 75 [X.] 10), wenn auch nicht zwingend. Der insoweit notwendige Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen der beteiligten Vertragsparteien kommt in dem zum [X.] eingeführten Schiedsverfahren umfassend zum Tragen. Im Ergebnis können Vergütungen dabei nach der gesetzgeberischen Vorstellung auch bei einem vergleichbaren Leistungsangebot differieren, sei es infolge unterschiedlicher Personalstruktur und daraus resultierender Personalkosten (vgl dazu nur [X.], 51 = [X.] 4-3500 § 75 [X.]) oder baulichen Besonderheiten, die sich in unterschiedlichen Investitionsbeträgen niederschlagen können. [X.]ostenunterschiede sind damit noch kein Indiz für Mehrkosten im Sinne von höheren [X.]osten für dieselbe Leistung, und schon gar nicht für ihre Unverhältnismäßigkeit. Sie bilden nach dem Regelungskonzept der §§ 75 ff [X.] (nur) den Wert der zu erbringenden, notwendigen Leistungen im Rahmen des wirtschaftlich Gebotenen ab. Bei Verträgen nach § 85 Abs 4 [X.] gilt im Verhältnis zum Leistungsberechtigten nach dem [X.] systematisch nichts anderes. Eine weitere "Schranke" für die Übernahme der [X.]osten des [X.] zieht § 9 Abs 2 Satz 3 [X.] in dieses System nicht ein (vgl [X.]/[X.] in jurisP[X.]-[X.], 2. Aufl 2014, § 75 [X.] Rd[X.] 117).

Zudem steht die Auffassung, bei Prüfung des individuellen [X.] sei im [X.]alle einer nach dem [X.] zugelassenen Pflegeeinrichtung gleichwohl noch ein Mehrkostenvorbehalt vorzunehmen, auch der Ausgleichsfunktion entgegen, die gerade den Vereinbarungen über gesondert berechenbare Investitionskosten nach § 75 Abs 5 Satz 2 [X.] zukommt (dazu bereits BSG [X.] 4-3500 § 75 [X.] 8 Rd[X.] 17). Es werden insbesondere nach § 9 [X.] landesrechtlich investiv geförderte Einrichtungen, bei denen Investitionskosten nicht (vollständig) vom Pflegebedürftigen zu zahlen bzw vom Sozialhilfeträger zu übernehmen sind, im Regelfall kostengünstiger sein als diejenigen, die nach Landesrecht nicht gefördert werden und deshalb nach § 82 Abs 4 [X.] gesondert berechenbare Investitionskosten von den (sozialhilfebedürftigen) Bewohnern verlangen können. Ließe man in dieser Sit[X.]tion einen Mehrkostenvergleich zu, würde dies letztlich zu einer Belegungsgarantie von durch das Land geförderten Einrichtungen zulasten anderer, nicht geförderter Einrichtungen führen, dh das Unternehmerrisiko wie auch der Wettbewerb würden verzerrt (dazu im Zusammenhang mit dem Einsatz von [X.]ördermitteln BSGE 88, 215, 222 = [X.] 3-3300 § 9 [X.] 1 S 8). Dass nach § 9 Abs 1 und 2 des Gesetzes über die pflegerische Versorgung im [X.] (Landespflegegesetz vom 29.6.2004, [X.]/04 [X.] 15 S 339, zuletzt id[X.] des [X.], [X.]/11 [X.] 15) öffentlich geförderte staatliche Pflegeplätze vorrangig mit Personen zu belegen sind, die nach Aufnahme in eine stationäre Pflegeeinrichtung Anspruch auf Leistungen der Hilfe zur Pflege nach dem [X.] haben (§ 9 Abs 2 Satz 2 LPflegeG), steht diesem [X.] nicht entgegen, denn diese Regelung zum "Belegungsrecht" betrifft ausschließlich das Verhältnis zwischen Sozialhilfeträger und Einrichtung, lässt aber das Wunsch- und Wahlrecht des zu pflegenden Menschen unberührt.

Der Regelung des § 9 Abs 2 Satz 3 [X.] kommt auch nach dieser Auslegung noch ein erheblicher Regelungsgehalt zu. Sie kommt jedenfalls im Verhältnis von ambulanter zu stationärer Leistung zur Geltung (dazu bereits BT-Drucks 10/335 [X.] zur Einführung des § 3 Abs 2 Bundessozialhilfegesetz ). Auf die [X.]rage nach dem Maßstab, der an die Annahme "unverhältnismäßiger" Mehrkosten zu stellen ist, kommt es damit im vorliegenden Verfahren ebenso wenig an wie auf die [X.]rage, ob der [X.]ostenvergleich vor oder nach Einkommensanrechnung durchzuführen ist.

Die Revision des Beklagten hatte aber insoweit Erfolg, als er nur zur Zahlung von 11 456,51 Euro verpflichtet ist. Das [X.] hat zunächst nach Maßgabe des § 19 Abs 3 iVm §§ 82, 85 [X.] und unter Berücksichtigung des § 35 Abs 2 Satz 2 [X.] (id[X.] des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - [X.] 2670; seit 1.1.2011 § 27b [X.]) zutreffend die rechtlichen Grundlagen, das Einkommen der [X.] und die zu deckenden Bedarfe (Heimkosten) dargestellt, exemplarisch für ausgewählte Monate berechnet und dann für die gesamte hier streitbefangene [X.] hochgerechnet. Ausgehend von diesen Grundlagen und der darauf gestützten Berechnung, die der [X.] im Einzelnen nachvollzogen hat, ergeben sich aber geringfügige Rechendifferenzen für den Monat [X.]ebr[X.]r 2010 (anstelle der vom [X.] aufgeführten 49,06 Euro bestand ein Bedarf von 49,10 Euro), für die Monate Jan[X.]r, März und Mai 2013 (Bedarf von 226,46 Euro anstelle des vom [X.] errechneten in Höhe von 229,46 Euro) und für Juni 2014 (anstelle von 103,92 Euro ein Bedarf von 103,38 Euro). Diese Differenzen lassen den Unterschied zwischen dem vom [X.] in den Entscheidungsgründen (abweichend vom Tenor) für zutreffend erachteten Betrag von 11 440,01 Euro und den tatsächlich vom Beklagten zu zahlenden [X.]osten nachvollziehen.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 [X.] (BSG [X.] 4-1500 § 183 [X.] 8); eine [X.]ostenteilung kommt aufgrund des nur geringfügigen Obsiegens des Beklagten nicht in Betracht.

Meta

B 8 SO 30/16 R

05.07.2018

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Neuruppin, 30. April 2012, Az: S 14 SO 75/10, Urteil

§ 61 Abs 1 S 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 61 Abs 2 S 1 SGB 12 vom 27.12.2003, § 75 Abs 3 S 1 SGB 12, § 75 Abs 5 S 1 SGB 12, § 75 Abs 5 S 2 SGB 12, § 75 Abs 5 S 3 SGB 12, § 9 Abs 2 S 1 SGB 12, § 9 Abs 2 S 3 SGB 12, § 85 Abs 4 SGB 11

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 05.07.2018, Az. B 8 SO 30/16 R (REWIS RS 2018, 6492)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6492

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