Bundessozialgericht, Urteil vom 07.10.2015, Az. B 8 SO 1/14 R

8. Senat | REWIS RS 2015, 4333

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Gegenstand

(Sozialhilfe - Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12 - örtliche Zuständigkeit für den Abschluss einer Vergütungsvereinbarung - ordnungsgemäße Besetzung der Schiedsstelle - Anrufung der Schiedsstelle während des laufenden Vereinbarungszeitraums zwecks Neufestsetzung der Investitionskosten - keine Notwendigkeit der Kündigung oder sonstigen Beendigung der laufenden Vergütungsvereinbarung - Nichtvorliegen einer unvorhersehbare wesentliche Veränderung iS des § 77 Abs 3 SGB 12 - Entscheidungsspielraum der Schiedsstelle)


Leitsatz

1. Die Anrufung der sozialhilferechtlichen Schiedsstelle und deren Schiedsspruch über eine Vergütungsvereinbarung setzen nicht die Kündigung bzw sonstige Beendigung der laufenden Vereinbarung voraus.

2. Zum Entscheidungsfreiraum der Schiedsstelle in diesem Fall.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 5. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 197 181,20 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

[X.] ist ein Schiedsspruch über die Höhe der Investitionskostenvergütung für die Zeit vom 1.10.2009 bis 31.12.2010.

2

Die Klägerin, die bis etwa Mitte 2005 unter dem Namen "[X.]" firmierte, ist Trägerin des landesrechtlich nicht geförderten Pflegeheims "[X.]" in [X.] (nachfolgend Pflegeheim) im [X.], einer nach dem [X.] - (S[X.]B XI) zugelassenen Pflegeeinrichtung. Das Pflegeheim verfügt über 131 vollstationäre Dauerpflegeplätze, davon 6 zur [X.]. Die "[X.]" und der [X.] (als überörtlicher Träger der Sozialhilfe) haben im Jahr 2004 eine Vereinbarung über die Vergütung der gesondert berechenbaren Aufwendungen für Investitionskosten in Höhe von 15,03 Euro täglich abgeschlossen (Vereinbarung vom [X.]), und zwar ohne zeitliche Befristung ab 1.5.2004; kündbar sollte sie frühestens zum [X.] sein. Unter dem 17.7.2009 forderte die Klägerin den Beklagten als nunmehr zuständigen Sozialhilfeträger zur Verhandlung auf und forderte eine Investitionskostenvergütung in Höhe von täglich 18,58 Euro ab 1.10.2009. Nachdem der Beklagte im September 2009 Verhandlungen über Investitionskosten abgelehnt hatte, rief die Klägerin am [X.] die Schiedsstelle an.

3

Die Schiedsstelle setzte die Vergütung ab 1.10.2009 mit weiterhin täglich 15,03 Euro fest (Beschluss vom 18.1.2010). Zur Begründung wurde [X.] ausgeführt, die am [X.] abgeschlossene Investitionskostenvereinbarung sei von der Klägerin wirksam gekündigt worden. Soweit es sich bei den von der Klägerin als Investitionen bezeichneten Aufwendungen tatsächlich um Ersatzbeschaffungen gehandelt habe, seien diese schon im Wege der Abschreibung in der Vereinbarung vom [X.] berücksichtigt. Im Übrigen habe der Beklagte dem Erhöhungsverlangen zu Recht entgegengehalten, dass er von Investitionen (darlehensweise Anschaffung eines Klaviers, Miete von zwei Kopierern, Leasingvertrag über eine Kaffee-Spezialitäten-Maschine) nichts gewusst und ihnen auch nicht zugestimmt habe. Deshalb sei davon auszugehen, dass sich - bei unveränderter Höhe der Pacht - die für den Investitionsbetrag maßgeblichen Berechnungsgrundlagen seit dem [X.] nicht verändert hätten. Soweit die Klägerin geltend mache, der Betrag von 15,03 Euro täglich sei schon 2004 nicht auskömmlich gewesen, könne darauf das Erhöhungsverlangen ebenfalls nicht gestützt werden. Denn der Betrag sei damals einvernehmlich, ohne Zwang und von der Klägerin im Bewusstsein der Unterdeckung vereinbart worden; die behauptete Unterdeckung sei zudem nicht plausibel dargelegt. Auf einen Vergleich mit anderen Einrichtungen habe deshalb verzichtet werden können.

4

Die Klage, gerichtet auf Aufhebung des Schiedsspruchs, "soweit ein [X.] von weniger als 18,58 Euro pro [X.] festgesetzt worden" war, und auf "Zurückverweisung des Verfahrens an die Schiedsstelle", hat das [X.] (LS[X.]) [X.] abgewiesen (Urteil vom 5.12.2013). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LS[X.] ausgeführt, die Schiedsstelle sei ordnungsgemäß besetzt gewesen. Auch wenn ein Mitglied der Schiedsstelle auf Seiten des Beklagten an den [X.] beteiligt gewesen sei, führe dies nicht zu seinem Ausschluss. Der Schiedsspruch sei jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Die Beteiligten hätten am [X.] wirksam eine Vereinbarung über die Investitionskostenvergütung geschlossen, die weder durch Zeitablauf wirkungslos noch wirksam gekündigt worden sei. Die Klägerin habe weder durch die Aufforderung zu Neuverhandlungen noch ansonsten eine Kündigung ausgesprochen oder erklären wollen; der Beklagte habe dies auch so verstanden. Dass die Schiedsstelle zu Unrecht von einer Kündigung ausgegangen sei, sei aber unbeachtlich, weil die Voraussetzungen - unvorhersehbare wesentliche Veränderungen - für ein Anpassungsverlangen nach dem allein anwendbaren § 77 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (S[X.]B XII) nicht vorlägen. Bei den Investitionen handele es sich vielmehr um solche, die schon 2004 der Kalkulation zugrunde gelegt worden seien. Ob es einer Zustimmung des Sozialhilfeträgers zu den Investitionen bedurft hätte, könne deshalb offen bleiben. Ansonsten realisiere sich in der behaupteten Unterdeckung nur ein allgemeines Vertragsrisiko.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin, das LS[X.] sei zu Unrecht davon ausgegangen, sie habe die Vereinbarung vom [X.] nicht kündigen wollen; insoweit habe das LS[X.] bei der Beweiswürdigung gegen Denkgesetze verstoßen. Die Aufforderung zu Verhandlungen vom 17.7.2009 könne nicht als bloßes Anpassungsverlangen verstanden werden. Der Schiedsspruch selbst verstoße gegen § 75 Abs 5 Satz 3 S[X.]B XII iVm § 82 Abs 4 S[X.]B XI. Die Refinanzierbarkeit von Investitionen nicht nur bei Neuverhandlungen, sondern auch im Falle von Unterdeckungen im Rahmen der bisherigen Kalkulation, werde vom [X.]rundrecht auf Berufsfreiheit (Art 12 [X.]rundgesetz <[X.][X.]>) gedeckt.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LS[X.] und die Entscheidung der Schiedsstelle aufzuheben.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält die Entscheidung des LS[X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der [X.]lägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ).

Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist - neben der Aufhebung des [X.] - nur noch die Aufhebung des Schiedsspruchs, gegen den sich die [X.]lägerin zulässigerweise mit einer Anfechtungsklage gegen den [X.]n - den Vertragspartner (§ 77 Abs 1 Satz 5 [X.], in der Normfassung des Gesetzes zur Änderung des [X.] und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - [X.] 2670) - wehrt (vgl hierzu nur [X.], 227 ff Rd[X.]1 mwN = [X.]-3500 § 77 [X.]). Auch wenn sie ihren Anfechtungsantrag vor dem [X.] noch dahin formuliert hat, den Schiedsspruch aufzuheben, "soweit ein [X.] von weniger als 18,58 Euro pro [X.] festgesetzt worden ist", ging ihr Interesse, wovon das [X.] selbst ausgegangen ist, von Anfang an auf die vollständige Aufhebung des Schiedsspruchs; denn nur so kann die [X.]lägerin ihr Prozessziel, eine erneute Entscheidung der Schiedsstelle über den von ihr gestellten Antrag, erreichen. Dies hat sie mit dem im Revisionsverfahren formulierten Antrag klargestellt. Den Antrag auf Zurückverweisung des Verfahrens an die Schiedsstelle (zur Unzulässigkeit einer derartigen Verurteilung vgl nur: [X.], 233 ff Rd[X.] 25 = [X.]-3500 § 76 [X.]; [X.], 227 ff Rd[X.]2 = [X.]-3500 § 77 [X.]) hat die [X.]lägerin vor dem [X.] ([X.]) nicht mehr aufrechterhalten.

Prozess[X.]le Verfahrensfehler stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Der Durchführung eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (§ 77 Abs 1 Satz 6 [X.], § 78 Abs 1 Satz 2 [X.] SGG). Es bedurfte auch keiner Beiladung der Schiedsstelle ([X.], 227 ff Rd[X.]3 = [X.]-3500 § 77 [X.]).

Zu Recht hat das [X.] den Schiedsspruch - wenn auch mit teilweise unzutreffender Begründung - im Ergebnis bestätigt. Die Entscheidung der Schiedsstelle, die eine Schlichtungsmaßnahme eines sachnahen, weisungsfreien, mit Vertretern der Interessen der betroffenen Gruppen paritätisch zusammengesetzten Gremiums darstellt ([X.], 227 ff Rd[X.] 9 mwN = [X.]-3500 § 77 [X.]) und deren Entscheidungsspielraum sich am [X.] der Vertragsparteien messen muss, ist gerichtlich im Rahmen der normativen Vorgaben der §§ 75 ff [X.] zwar regelmäßig nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob der Sachverhalt ermittelt ist, die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten sind und die Schiedsstelle bei der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt hat (vgl dazu: [X.], 233 ff Rd[X.]4 mwN = [X.]-3500 § 76 [X.]; [X.]/[X.] in juris [X.] [X.], 2. Aufl 2014, § 77 [X.] Rd[X.] 92 mit umfassenden weiteren Nachweisen; [X.] in Hauck/[X.], [X.], [X.] § 77 Rd[X.] 38 ff, Stand März 2012; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 19. Aufl 2015, § 80 [X.] Rd[X.] 5 ff; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2014, § 80 [X.] Rd[X.] 31). [X.] bleibt verfahrensrechtlich damit aber die Ordnungsgemäßheit des vorliegend erst nach Ablauf der sechswöchigen Verhandlungsfrist (§ 77 Abs 1 Satz 3 [X.]) eingeleiteten Schiedsverfahrens.

Hier ist das Schiedsverfahren als Verwaltungsverfahren nicht deshalb fehlerhaft durchgeführt worden, weil der [X.] für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen nicht zuständig gewesen wäre. Hierzu stellt § 77 Abs 1 Satz 2 [X.] für die örtliche Zuständigkeit auf den Sitz des für die Einrichtung (Pflegeheim) zuständigen Trägers der Sozialhilfe ab ([X.], 233 ff Rd[X.]4 = [X.]-3500 § 76 [X.]), also darauf, wo die Einrichtung selbst gelegen ist. Auf den Sitz des Trägers der Einrichtung kommt es nach Sinn und Zweck der Regelung nicht an. Nur die Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an den Sitz des [X.] selbst stellt sicher, dass auf Seiten des Sozialhilfeträgers derjenige verhandelt, der mit den örtlichen Verhältnissen vertraut ist und damit die erforderlichen [X.]enntnisse zur Beurteilung der Angemessenheit der geforderten Vergütungen am ehesten besitzt (vgl BVerwGE 126, 295 ff). Die Regelungen zur Zusammensetzung der Schiedsstelle in § 80 Abs 2 Satz 1 [X.] (in der Normfassung des [X.], aaO), wonach die Schiedsstelle neben Vertretern der Einrichtungen aus Vertretern der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe besteht, knüpft an ein derartiges Normverständnis an. Die sachliche Zuständigkeit des [X.]n ergibt sich hier aus § 97 Abs 1 [X.] (in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das [X.] vom 27.12.2003 - [X.] 3022), der für die "Sozialhilfe" allgemein die Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe bestimmt, solange keine abweichenden landesrechtlichen Regelungen getroffen sind. Dies hat das [X.] nach Prüfung des Landesrechts für den Senat bindend (§ 163 SGG) verneint.

Der Schiedsspruch ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil an seiner Beschlussfassung eine Person beteiligt war, die als Beschäftigte des [X.]n bereits bei den [X.] mitgewirkt hat; dies stellt keinen Ausschlussgrund für das Schiedsverfahren dar. Da die §§ 75 ff [X.] keine Regelungen zum Ausschluss oder der Befangenheit von Schiedsstellenmitgliedern enthalten, ist insoweit zwar auf die allgemeinen Bestimmungen der §§ 16 und 17 [X.] - ([X.] X) zurückzugreifen (§ 37 Sozialgesetzbuch [X.] - <[X.] I>), die auch für Ausschussmitglieder gelten (§§ 16 Abs 4, 17 Abs 2 [X.] X). Der Anwendungsbereich der Regelungen ist jedoch teleologisch zu reduzieren, soweit die Besonderheiten des Schiedsstellenverfahrens eine abweichende Beurteilung rechtfertigen (so [X.]/[X.], jurisP[X.] [X.], 2. Aufl 2014, § 80 [X.] Rd[X.] 63 ff; für eine "zurückhaltende" Anwendung der §§ 16 und 17 [X.] X auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 19. Aufl 2015, § 80 [X.] Rd[X.]0). Dies ist insbesondere hinsichtlich der Ausschlussgründe des § 16 Abs 1 Satz 1 [X.] 3 und [X.] 5 [X.] X der Fall, wonach in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden darf, wer [X.] einen Beteiligten kraft Gesetzes oder Vollmacht allgemein oder in diesem Verwaltungsverfahren vertritt, bzw wer bei einem Beteiligten gegen Entgelt beschäftigt ist. Denn diese Ausschlussgründe berücksichtigen nicht die gesetzliche Zusammensetzung der Schiedsstelle, die [X.] aus Vertretern der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe in gleicher Zahl besteht (§ 80 Abs 2 Satz 1 [X.]), also gerade denjenigen, die nach den allgemeinen Regelungen des § 16 Abs 1 Satz 1 [X.] 3 und [X.] 5 [X.] X von der Mitwirkung ausgeschlossen wären. Für eine vergleichbare Sit[X.]tion bestimmt § 16 Abs 2 Satz 2 [X.] X, dass § 16 Abs 1 Satz 1 [X.] 3 und [X.] 5 [X.] X nicht für das Verwaltungsverfahren aufgrund der Beziehungen zwischen Ärzten, Zahnärzten und [X.]rankenhäusern gelten, also [X.] auch nicht für das Verfahren der Schiedsämter nach § 89 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche [X.]rankenversicherung - ([X.] V). Auch in diesen Gremien wirken, wie bei den Schiedsstellen nach § 80 [X.], regelmäßig Personen mit, die [X.] bei den [X.]rankenkassen arbeiten und deren Mitwirkung am Verwaltungsverfahren in der Praxis unverzichtbar ist (vgl [X.] [X.] 3-1300 § 16 [X.]). Zudem sind, worauf das [X.] zutreffend hingewiesen hat, die Mitglieder der Schiedsstelle nach § 80 Abs 3 Satz 2 [X.] an Weisungen nicht gebunden. Gründe, die in der Person des Schiedsstellenmitglieds die Besorgnis der Befangenheit (§ 17 [X.] X) begründen könnten, können aus den genannten Erwägungen heraus ebenfalls nicht an seine Stellung als Behördenmitarbeiter angeknüpft werden (so im Ergebnis auch [X.]/[X.], aaO, Rd[X.] 66). Andere, besondere Umstände, die eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, sind nicht vorgetragen.

Der Entscheidung der Schiedsstelle standen auch keine [X.] entgegen. Für die Zulässigkeit der Anrufung der Schiedsstelle genügt es bereits nach dem Gesetzeswortlaut, dass zwischen den Beteiligten eine angestrebte Vereinbarung über die Höhe der Investitionskostenvergütung ab 1.10.2009 nicht zustande gekommen ist. Ob die Voraussetzungen für eine Neuvereinbarung der Vergütung tatsächlich vorgelegen haben oder die Beteiligen insoweit von falschen rechtlichen Vorstellungen ausgegangen sind, ist für die Zulässigkeit der Anrufung der Schiedsstelle ohne Belang, sondern von dieser erst bei der Prüfung der für ihre Entscheidung maßgeblichen normativen Vorgaben zu beachten.

Unschädlich ist auch, dass es vorliegend an einer Prüfungs- und Leistungsvereinbarung für die gesondert berechenbaren Investitionskosten fehlt, wobei die Formulierung in § 75 Abs 5 Satz 3 [X.] (in der Normfassung des Gesetzes vom 27.12.2003, aaO) - "entsprechende Vereinbarungen nach dem Zehnten [X.]apitel" - nicht eindeutig erkennen lässt, welche der möglichen Vereinbarungen nach § 75 Abs 3 [X.] überhaupt in Bezug genommen werden sollen. In der Sache ist die Notwendigkeit derartiger Vereinbarungen, bezogen auf die isolierte Investitionskostenvergütung, schon deshalb zweifelhaft, weil für sie angesichts des Inhalts der Vereinbarungen im Pflegesatzverfahren nach dem [X.] XI wohl kaum Regelungsbedarf verbleiben würde (die Notwendigkeit eines Abschlusses derartiger Vereinbarungen im Rahmen des § 75 Abs 5 [X.] deshalb generell ablehnend: [X.] in Hauck/[X.], [X.], [X.] § 75 Rd[X.] 49, Stand September 2009; für die Notwendigkeit solcher Vereinbarungen [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.], 10. Aufl 2015, § 75 [X.] Rd[X.] 43; differenzierend [X.]/[X.] in jurisP[X.] [X.], 2. Aufl 2014, § 75 [X.] Rd[X.]71 - begrenzte Leistungs- und Prüfungsvereinbarung). Jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Beteiligten übereinstimmend der Ansicht sind, dass es derartiger Vereinbarungen nicht mehr bedarf und der Abschluss deshalb von keiner Seite gefordert wird, sind derartige Vereinbarungen verzichtbar. Voraussetzung für einen Schiedsspruch in der Sache ist auch entgegen der Ansicht des [X.] nicht, dass der bisherige Vertrag gekündigt oder auf sonstige Weise beendet worden ist (dazu später).

Die Entscheidung der Schiedsstelle ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Träger der Sozialhilfe ist zur Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten nach § 82 Abs 4 [X.] XI - also bei Pflegeeinrichtungen, die wie hier nicht nach Landesrecht gefördert werden - nur verpflichtet, wenn hierüber entsprechende Vereinbarungen nach den §§ 75 ff [X.] getroffen worden sind 75 Abs 3 Satz 1 und 3 [X.]). Für einen Anspruch auf Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten gegenüber dem Sozialhilfeträger bedurfte es einer besonderen gesetzlichen Regelung, weil sich nur die Vergütung der stationären Pflegeleistungen nach dem [X.] XI richtet (§ 75 Abs 5 Satz 1 [X.]), dort aber die Investitionskosten, anders als im [X.] außerhalb der Pflegeleistungen (vgl § 75 Abs 3 Satz 1 [X.] 2 iVm § 76 Abs 2 Satz 1 [X.]), nicht Bestandteil der Vergütungsvereinbarung sind. Dies beruht auf dem Finanzierungsmodell betriebsnotwendiger Investitionskosten im Bereich der [X.] Pflegeversicherung (§ 9 [X.] XI, sog d[X.]les Modell, vgl dazu nur: Schütze in [X.], [X.] XI, 4. Aufl 2015, § 82 Rd[X.] 3; [X.]/[X.] in jurisP[X.] [X.], 2. Aufl 2014, § 75 [X.] Rd[X.]63). Abhängig von der landesrechtlichen Ausgestaltung der Förderung werden derartige [X.]osten deshalb entweder - bei vollständiger Förderung der Einrichtung - im Rahmen dieser Förderung getragen, oder können - bei teilweiser öffentlicher Förderung -, soweit ungedeckt, den Pflegebedürftigen mit Zustimmung der Landesbehörde selbst in Rechnung gestellt 82 Abs 3 Satz 1 und 2 [X.] XI) oder bei fehlender Förderung ohne deren Zustimmung gesondert berechnet werden (§ 82 Abs 4 [X.] XI).

Der Schiedsspruch hält sich im Rahmen des der Schiedsstelle zustehenden Entscheidungsspielraums. Dabei ist aufgrund der die Revisionsinstanz bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 163 SGG) des [X.] davon auszugehen, dass die [X.]lägerin die Vereinbarung vom [X.] weder mit ihrer Aufforderung zu Vertragsverhandlungen kündigen wollte noch sonstige [X.]ündigungserklärungen vorliegen und dass der [X.] die Aufforderung zu Vertragsverhandlungen auch nicht als [X.]ündigung verstanden hat (vgl § 133 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Einwände der [X.]lägerin gegen die vom [X.] getroffene Wertung, wonach das [X.] ihr Verhalten anders, nämlich als [X.]ündigung hätte verstehen müssen, richten sich lediglich gegen die Feststellung von (inneren) Tatsachen, ohne dass dem [X.] ein Verstoß gegen Denkgesetze, allgemeine Auslegungsgrundsätze oder Erfahrungssätze vorgeworfen werden könnte (vgl allgemein: [X.]E 75, 92, 96 = [X.] 3-4100 § 141b [X.]0 S 47; [X.] [X.]-2500 § 132a [X.] 6; [X.], 103, 106 f; 162, 464, 468; 163, 87, 88; 164, 279, 283; [X.], 351, 358; 56, 326, 333; BVerwGE 47, 330, 361). Das [X.] hat vielmehr die von der [X.]lägerin abgegebenen Erklärungen und ihr sonstiges Verhalten festgestellt und daraus zusätzlich den tatsächlichen Schluss im Rahmen einer Beweiswürdigung gezogen, die [X.]lägerin habe keine [X.]ündigung erklären wollen und der [X.] das Verhalten der [X.]lägerin auch nicht als [X.]ündigung verstanden. Dass ein anderer Schluss in Betracht gekommen wäre, wovon jedenfalls die Schiedsstelle ausgegangen ist, macht die Tatsachenfeststellung des [X.] nicht verfahrensfehlerhaft. Deshalb kann dahinstehen, ob, wie das [X.] meint, eine - wie hier - unbefristet und ohne [X.]ündigungsfrist abgeschlossene Vereinbarung als Dauerschuldverhältnis tatsächlich nicht ordentlich kündbar ist (vgl dazu nur BVerwG, Beschluss vom 29.12.2000 - 5 B 171/99). Die Möglichkeit einer ordentlichen [X.]ündigung würde [X.] jedenfalls weder durch das Recht zur außerordentlichen [X.]ündigung nach § 78 [X.] noch durch die daneben bestehende Möglichkeit (vgl § 78 Satz 4 [X.]) der Vertragsanpassung nach § 59 [X.] X ausgeschlossen (so auch: [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2014, § 77 [X.] Rd[X.] 20 mwN, § 78 [X.] Rd[X.] 2; [X.] in Hauck/[X.], [X.], [X.] § 78 Rd[X.]0, Stand März 2012).

Die Vereinbarung einer höheren Vergütung ist, im Gegensatz zur Auffassung des [X.], auch bei fortdauernder Wirksamkeit des Vertrags vom [X.] nicht ausschließlich an § 77 Abs 3 [X.] (in der Normfassung des [X.], aaO) zu messen (dazu später); dabei war das [X.], anders als die [X.]lägerin meint, zur Prüfung und Auslegung des § 77 Abs 3 [X.] berechtigt, auch wenn die Schiedsstelle von einem anderen normativen Maßstab für ihre Entscheidung ausgegangen ist; denn die Frage des von der Schiedsstelle anzulegenden rechtlichen Maßstabs unterliegt der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung.

Nach § 77 Abs 3 [X.] müssten unvorhersehbare wesentliche Änderungen der Annahmen, die der Vereinbarung aus dem [X.] zugrunde gelegen haben, eingetreten sein. Wesentlich sind dabei Änderungen, bei denen davon auszugehen ist, dass die Vertragsparteien in [X.]enntnis dieser Umstände die Vergütung nicht oder nicht so vereinbart hätten ([X.]/[X.] in jurisP[X.] [X.], 2. Aufl 2014, § 77 [X.] Rd[X.]35 mwN; [X.] in [X.]/[X.], [X.], 5. Aufl 2014, § 77 [X.] Rd[X.] 25). [X.] ist eine Änderung, wenn sie bei Abschluss der Vereinbarung für die Vertragsparteien nicht erkennbar war und bei sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung auch nicht hätte erkannt werden können, sich also letztlich in der Änderung ein Risiko verwirklicht hat, das die jeweilige Vertragspartei nach der Risikoverteilung des § 77 [X.] nicht zu tragen hat ([X.], aaO, Rd[X.] 26). Daran fehlt es hier. Die Investitionen der [X.]lägerin waren, soweit es die Unterdeckung betrifft, nicht unvorhersehbar und angesichts der Summe der neuen Investitionen im Vergleich zu den gesamten sonstigen Investitionskosten insoweit nicht wesentlich. Selbst wenn man dies bzgl der Neuinvestitionen anders sehen wollte, würde es an der Zustimmung des [X.]n nach § 76 Abs 2 Satz 4 [X.] fehlen, die auch im Rahmen des § 77 Abs 3 [X.] erforderlich ist. Nach § 76 Abs 2 Satz 4 [X.] (in der Normfassung des [X.] der zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes nach der Föderalismusreform vom [X.] - [X.] 2319), der in Fällen des § 75 Abs 5 Satz 3 [X.] bei der Vergütung von zugelassenen landesrechtlich nicht geförderten Pflegeeinrichtungen iS des § 72 [X.] XI entsprechend gilt (vgl [X.], 233 ff Rd[X.]9 = [X.]-3500 § 76 [X.]), braucht der Sozialhilfeträger einer verlangten Erhöhung der Vergütung aufgrund von Investitionsmaßnahmen nur zuzustimmen, wenn er der Maßnahme zuvor zugestimmt hat. [X.]e wesentliche Veränderungen iS des § 77 Abs 3 [X.] können dabei auch mit Investitionen begründet werden, die nicht in die ursprünglich kalkulierte Investitionskostenvergütung eingerechnet werden konnten (so auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 19. Aufl 2015, § 75 [X.] Rd[X.] 55 mit Beispielen). Denn der Sozialhilfeträger kann bei Neuverhandlungen auf Grundlage des § 77 Abs 3 [X.] nicht anders gestellt werden als im Rahmen jeder anderen Vergütungsverhandlung: er muss - ggf im Rahmen der Neuverhandlungen - beabsichtigten Investitionen zustimmen oder bereits getätigte genehmigen, um nicht, auch für weitere Zeiträume, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden (vgl zu diesem Gesichtspunkt allgemein [X.], 233 ff = [X.]-3500 § 76 [X.]). Die geltend gemachte Unterdeckung seit 2004 ist im Anwendungsbereich des § 77 Abs 3 [X.] jedoch schon deshalb ohne Belang, weil es insoweit an einer Änderung der Verhältnisse seit 2004 fehlt.

Diese Erwägung liegt auch dem Schiedsspruch zugrunde, in dem darauf abgestellt wurde, dass die [X.]lägerin erst fünf Jahre nach Abschluss der Investitionskostenvereinbarung eine Erhöhung geltend gemacht habe, die behauptete Unterdeckung nicht plausibel dargelegt sei und es zudem an Anhaltspunkten dafür fehle, 2004 unter besonderem Druck zum Abschluss einer nicht kostendeckenden Vereinbarung gezwungen gewesen zu sein, sodass von einer fortbestehenden Leistungsgerechtigkeit der Vergütung auszugehen sei. Deshalb war die Schiedsstelle im Rahmen des ihr zustehenden [X.] auch berechtigt, an dem im [X.] vereinbarten Betrag festzuhalten. Selbst wenn sie zu Unrecht von einer [X.]ündigung ausgegangen und eine [X.]ündigung nicht Voraussetzung für Neuverhandlungen ist - es obliegt insoweit der Autonomie der Vertragsparteien, über die Aufnahme und Durchführung von Verhandlungen auch bei [X.] Vertragsbindung zu entscheiden -, ist im Ergebnis bei tatsächlich nicht erfolgter [X.]ündigung erst recht nicht zu beanstanden, wenn die Schiedsstelle eine bestehende Unterdeckung nicht zum Anlass nimmt, die Vergütung neu festzusetzen. Dies gilt in besonderer Weise, wenn und weil sich der [X.] gerade auf den Inhalt der bestehenden Vereinbarung beruft.

Eine neue Prüfung wäre nur nach einer [X.]ündigung der Vereinbarung vom März 2004 erforderlich geworden. Denn ist eine Unterdeckung auf eine von Anfang an fehlerhafte oder bewusst gestaltete [X.]alkulation zurückzuführen, handelt es sich um Gesichtspunkte, die nach der gesamten Struktur der §§ 75 ff [X.] im Verantwortungsbereich des Leistungserbringers liegen und die es rechtfertigen, ihm das Risiko der Unterdeckung jedenfalls so lange aufzuerlegen, bis die Investitionskostenvereinbarung durch [X.]ündigung oder auf sonstige Weise beendet wird. [X.]onsequenz des Prinzips der prospektiven Verhandlung von Vergütungen ist es zwar nicht, dass Einrichtungen auf Dauer ihre Leistungen ggf unterhalb ihrer Gestehungskosten erbringen müssen, wenn die Selbstkosten in der Vergangenheit tatsächlich höher lagen als ihrer [X.]alkulation zugrunde gelegt wurde (BVerwGE 108, 47, 53 f). Doch ist die tatsächliche Höhe der in der Vergangenheit entstandenen [X.]osten dann lediglich einer von mehreren Anhaltspunkten für die prospektive Entgeltgestaltung (BVerwGE aaO). Ein Grundsatz, dass Investitionskosten refinanzierbar sein müssen, ist, anders als die [X.]lägerin meint, dem System der §§ 75 ff [X.] fremd und auch nicht durch die Verweisung des § 75 Abs 5 Satz 3 [X.] auf § 82 Abs 4 [X.] XI begründbar oder durch Art 12 GG geboten. Jede andere Beurteilung würde bereits dem Gebot der prospektiven Vergütungsverhandlung, das gerade das Prinzip der Selbstkostendeckung mit seinem nachträglichen Ausgleich von Überschüssen und Fehlbeträgen abgelöst hat (vgl § 77 Abs 1 Satz 1 2. Halbsatz [X.]), ad absurdum führen.

Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1, § 162 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2, 52 Abs 1, 47 Abs 1 Satz 1 und [X.].

Meta

B 8 SO 1/14 R

07.10.2015

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, 5. Dezember 2013, Az: L 23 SO 38/10 KL, Urteil

§ 75 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 12, § 75 Abs 5 S 1 SGB 12, § 75 Abs 5 S 3 SGB 12, § 76 Abs 2 S 1 SGB 12, § 76 Abs 2 S 4 SGB 12, § 77 Abs 1 S 1 SGB 12, § 77 Abs 1 S 2 Halbs 1 SGB 12, § 77 Abs 1 S 3 SGB 12, § 77 Abs 3 S 1 SGB 12, § 80 Abs 2 S 1 SGB 12, § 80 Abs 3 S 2 SGB 12, § 82 Abs 4 SGB 11, § 37 S 1 Halbs 1 SGB 1, § 16 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 10, § 16 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB 10, § 16 Abs 2 S 2 SGB 10, § 17 Abs 1 S 1 SGB 10

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.10.2015, Az. B 8 SO 1/14 R (REWIS RS 2015, 4333)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4333

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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