Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2013, Az. IV ZR 224/12

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4263

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES [X.]OLKES

URTEIL
I[X.] ZR 224/12

[X.]erkündet am:

10. Juli 2013

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

[X.]Z: ja

[X.]R: ja

[X.] §§ 2281 Abs. 1, 2282 Abs. 3; ZPO § 416

1. Die Begebung einer notariellen Anfechtungserklärung nach § 2281 [X.] unterliegt nicht dem Beurkundungserfordernis des § 2282 Abs. 3 [X.].

2. [X.] des § 416 ZPO erstreckt sich auf die Begebung einer schriftlichen Willenserklärung auch, wenn ihre Übermittlung noch von einer gesonderten Weisung des Erklärenden abhängen soll (Fortführung der Senatsurteile vom 8. März 2006 -
I[X.] ZR 145/05, NJW-RR 2006,
847 Rn. 13 und vom 18. Dezember 2002 -
[X.], NJW-RR 2003, 384 unter [X.]).

[X.], Urteil vom 10. Juli 2013 -
I[X.] ZR 224/12 -
OLG Frankfurt am Main

LG Frankfurt am Main

-
2
-

Der I[X.].
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Richter
Wendt, Felsch, [X.], [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
auf die mündliche [X.]erhandlung vom 10. Juli 2013

für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
7.
Zivil-senats des [X.] vom 15.
Juni 2012 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

[X.]on Rechts wegen

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Erbenstellung nach dem am 17.
Okto-ber 2010 im Alter von 91 Jahren verstorbenen R.

S.

(Erblasser).

Dieser war in erster Ehe mit der am 9.
Februar 2009 verstorbenen [X.]

S.

verheiratet gewesen. Am 3.
Dezember 2002 schloss er mit ihr einen notariell beurkundeten Erbvertrag, in dem sie die von ihnen errichtete Stiftung des bürgerlichen Rechts, die Beklagte, als Al-leinerbin des Erblassers einsetzten, ein [X.]ermächtnis für [X.]

S.

aussetzten, jeweils einen Pflichtteilsverzicht erklärten und ein ein-seitiges Rücktrittsrecht ausschlossen. Durch ergänzende notariell beur-kundete letztwillige [X.]erfügung vom 3.
Dezember 2005 bestimmten die Eheleute unter anderem den [X.] des Erblassers als Testamentsvoll-1
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3
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strecker, der seit 2009 alleinvertretungsberechtigtes [X.]orstandsmitglied der Stiftung ist.

Am 30.
Juli 2009 heiratete der Erblasser die Klägerin und [X.] sie mit handschriftlicher letztwilliger [X.]erfügung vom 7.
August 2009 zu seiner Alleinerbin. Mit notarieller Urkunde vom 28.
August 2009 erklärte er unter vorsorglichem Widerruf aller letztwilligen [X.]erfügungen mit Ausnahme der vom 7.
August 2009 die Anfechtung des Erbvertrages und bat den Notar um Übermittlung einer Ausfertigung an das zuständige Nachlassgericht, wobei folgender Zusatz eingefügt ist:

"Dies soll allerdings erst erfolgen, wenn ihm der Erschiene-ne oder ein hierzu Bevollmächtigter diesbezüglich geson-dert
schriftlich Mitteilung macht."

In zwei weiteren notariellen Urkunden vom gleichen Tag erteilte der Erblasser dem
Streithelfer zu 2, einem Rechtsanwalt, Generalvoll-macht und setzte ihn als Testamentsvollstrecker anstelle seines [X.]es ein. Mit Schreiben vom 23.
Dezember 2009 bat Rechtsanwalt Z.

für den nach Diktat verreisten Generalbevollmächtigten den beurkunden-den Notar, Streithelfer zu
1, namens und in [X.]ollmacht des Erblassers, die Anfechtungserklärung beim Nachlassgericht einzureichen. Am 28.
Dezember 2009 ging dort eine Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 28.
August 2009 mit einem Anschreiben des Streithelfers zu 1 vom 23.
Dezember 2009 ein.
Das Nachlassgericht veranlasste die Zustellung an die Beklagte, die am 11.
Januar 2010 erfolgte.

Mit Beschluss vom 11.
November 2010 ordnete das [X.] zur Sicherung und [X.]erwaltung des Nachlasses des Erblassers an. Die dagegen eingelegten Rechtsmittel hatten keinen Er-3
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4
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folg (Senatsbeschluss vom 13. September 2012

[X.], [X.] 2013, 39).

Das [X.] hat der Klage auf Feststellung, dass die Klägerin aufgrund letztwilliger [X.]erfügung und Anfechtung des Erbvertrages Al-leinerbin des Erblassers geworden ist, stattgegeben; das Oberlandesge-richt hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte weiterhin Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

[X.] Das Berufungsgericht
hat ausgeführt
([X.] 2012, 542 m.
Anm. Keim 548), die Klägerin sei aufgrund letztwilliger [X.]erfügung des [X.] vom 7.
August 2009 dessen Alleinerbin geworden. Die Anfechtung
des Erbvertrages
sei formwirksam am 28.
August 2009 erklärt worden.
Der in die Urkunde aufgenommene [X.]orbehalt, die Anfechtungserklärung erst nach entsprechender Anweisung beim Nachlassgericht einzu-reichen, stelle eine Treuhandauflage dar, die sich an den beurkundenden Notar richte und nicht Bestandteil der Anfechtungserklärung sei. Der [X.] Form habe nur die Anfechtungserklärung als solche, nicht aber deren Begebung bedurft. Sei eine empfangsbedürftige Willenserklärung zugegangen, streite eine [X.]ermutung dafür, dass sie mit Willen des Erklä-renden in den
[X.]erkehr gelangt sei. Die formelle Beweiskraft der Urkunde werde nicht dadurch entkräftet, dass der [X.] zu ihrem [X.]oll-zug mit in die Urkunde aufgenommen worden sei. Es hätte damit der Be-6
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klagten oblegen, den fehlenden Begebungswillen des Erblassers zu [X.], ein Beweisantritt sei aber nicht erfolgt.

[X.] Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Das Berufungsgericht hat revisionsrechtlich beanstandungsfrei festgestellt, dass der Erblasser die Anfechtung des Erbvertrages erklärt hat.

a) Für die Feststellung des in der Anfechtungserklärung enthalte-nen Erblasserwillens gelten die allgemeinen Auslegungsregeln der §§
133, 2084 [X.]. Hiernach ist der wirkliche Wille des Erblassers zu er-forschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften (Senatsbeschluss vom 17.
Juli 2012

[X.], [X.] 2013, 36 Rn.
14; Senatsurteile vom 24.
Juni 2009

I[X.] ZR 202/07, [X.] 2009, 459 Rn.
25; vom 8.
Dezember 1982

I[X.] ZR 94/81, [X.]Z 86, 41, 45). Dabei müssen nicht nur der gesamte Text der [X.]erfügung, sondern auch alle dem Rich-ter zugänglichen Umstände außerhalb der Urkunde ausgewertet werden, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens möglicherweise dienlich sind (Senatsurteil vom 24. Juni 2009 aaO). Abzustellen ist aber stets auf den Willen
des Erblassers im Zeitpunkt der Erklärung. Danach eingetretene Umstände können nur Bedeutung erlangen, soweit sie Rückschlüsse hie-rauf zulassen (BayObLG
NJW 1996, 133).

b) Es obliegt in erster Linie dem Tatrichter,
die Anfechtungserklä-rung auszulegen. Seine Auslegung kann mit der Revision
nur erfolgreich angegriffen werden, wenn gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze,
Erfahrungssätze oder [X.]erfahrensvorschriften verletzt, wesentlicher Aus-9
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legungsstoff außer Acht gelassen
oder in Betracht kommende andere Auslegungsmöglichkeiten nicht in Erwägung gezogen werden (Senatsur-teil vom 24.
Februar 1993

I[X.] ZR 239/91, [X.]Z 121, 357, 363 m.w.N.). Dies führt dazu, dass sich im Ergebnis sogar widersprechende tatrichter-liche Auslegungen als vom Revisionsgericht nicht zu beanstanden [X.] können. Deshalb ergeben sich im Streitfall
revisible Rechtsfehler nicht bereits daraus, dass der Senat die vom Beschwerdegericht hin-sichtlich der Anordnung der Nachlasspflegschaft vertretene abweichende Auslegung im Rechtsbeschwerdeverfahren unbeanstandet gelassen hat (vgl. Senatsbeschlüsse
vom 13.
September 2012

[X.], [X.] 2013, 39 Rn.
4; vom 17.
Juni 2012

[X.], [X.] 2013, 36 Rn.
12).

c)
Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Anfechtung des [X.] in der notariellen Urkunde vom 28.
August 2009 sei unbedingt erklärt worden und der in der Urkunde aufgenommene
[X.]orbehalt
sei le-diglich als aufgeschobene Begebung zu verstehen, ist schon nach dem Wortlaut der Urkunde rechtlich jedenfalls vertretbar. Der Erblasser hat
in Ziff.
II Abs.
1
erklärt, dass er den Erbvertrag vom 3.
Dezember 2002 nebst den nachfolgenden letztwilligen [X.]erfügungen nach §
2281 Abs.
1 [X.] anfechte. Ziff.
II Abs.
2 Satz
1 enthält die Anweisung an den Notar, die Anfechtungserklärung dem zuständigen Nachlassgericht zu übermit-teln. Damit sind alle erforderlichen Erklärungen des Erblassers in der [X.] Urkunde aufgenommen.
Für die notarielle Beurkundung etwa [X.] oder nur bedingten Anfechtung im Zeit-punkt der Erklärung besteht kein Anhalt. Der mit einem zeitlichen [X.] der Begebung, die für jede empfangsbedürftige Willenserklärung im [X.] an die Erklärung erforderlich ist, verbundene [X.]orbehalt
lässt keine maßgeblichen Rückschlüsse auf eine noch nicht
endgültig gemeinte Anfechtung zu. Dem Erblasser kam es bei Niederschrift seiner 13
-
7
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Erklärung vielmehr ersichtlich darauf an, dass die früher beurkundeten Erklärungen zukünftig keine Wirksamkeit mehr entfalten sollten. Dies wird auch durch Ziff.
[X.] verdeutlicht. Dort heißt es in Abs.
1:

"[X.]orsorglich widerrufe ich alle letztwilligen [X.]erfügungen mit Ausnahme des vorgenannten und bestätigten Testaments vom 07.08.2009 sowie heute beurkundeter Erklärungen."

Zu Recht weist das Berufungsgericht

in anderem
Zusammen-hang

darauf hin, dass der
Erblasser in der von ihm am 2.
Oktober 2010 errichteten Urkunde nochmals bestätigt hat, die Anfechtung des [X.] durch die am 28.
August 2009 errichtete
und dem Nachlassgericht am 28.
Dezember 2009 übermittelte notarielle Urkunde erklärt zu haben.

2.
Rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Auffassung des
Berufungsgerichts, die Anweisung an den Notar, die Anfechtungserklä-rung dem Nachlassgericht zu übermitteln, habe nicht gesonderter
notari-eller
Beurkundung bedurft.
Nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Ge-setzessystematik und einhelliger Auffassung der Rechtsprechung und Li-teratur erstreckt sich das Erfordernis notarieller Beurkundung allein auf
die Erklärung der Anfechtung.

a) Dem Wortlaut des §
2282
Abs.
3 [X.]
ist zu entnehmen, dass nur die Anfechtungserklärung der
notariellen Beurkundung bedarf.

Die Anfechtung des Erbvertrages nach §
2281 [X.] ist eine emp-fangsbedürftige Willenserklärung, für die §
130
[X.] gilt (Senatsurteil vom 16.
April 1953

[X.], [X.]Z 9, 233
f.;
[X.], 270, 272). Sie erfordert neben der Erklärung der Anfechtung deren Abgabe und Zu-gang. Geht die abgegebene Erklärung nicht zu, so wird sie nicht wirk-14
15
16
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8
-

sam. Die Abgabe der Willenserklärung ist der entscheidende Moment, auch wenn für das Wirksamwerden der Zugang notwendig ist und die Wirksamkeit erst im Zeitpunkt des Zugangs eintritt ([X.],
Das Rechts-geschäft 2.
Band 3.
Aufl. S.
225
f.). Abgegeben ist die Erklärung, wenn der Erklärende seinen rechtsgeschäftlichen Willen erkennbar so geäu-ßert hat, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein Zweifel möglich ist ([X.]/[X.], [X.] 72.
Aufl. §
130 Rn.
4). Bei einer [X.] schriftlichen Willenserklärung muss zu ihrer Wirksamkeit die Begebung hinzukommen, d.h. sie muss mit dem Willen des Erklärenden in den [X.]erkehr gebracht worden sein (Senatsurteil vom 18.
Dezember 2002

[X.], NJW-RR 2003, 384 unter II; [X.],
Urteil vom 30.
Mai 1975

[X.], [X.]Z 65, 13, 14). Dem Beurkundungszwang unter-liegt nach dem ausdrücklichen Wortlaut des §
2282 Abs.
3 [X.] nur die gemäß §
2282 Abs.
1 Satz
1 [X.] höchstpersönliche Erklärung der [X.], d.h. die Abgabe der Willenserklärung,
nicht hingegen deren Begebung.

b) [X.] der Begebung empfangsbedürftiger Willenser-klärungen entspricht dem historischen Willen des Gesetzgebers.

In den Protokollen der [X.] zur zweiten Lesung des [X.] findet sich zum jetzigen §
128 [X.] der Hinweis, dass bei [X.] einseitigen Willenserklärungen der Zugang nicht der Beurkun-dung bedarf:

"Rede man von Beurkundung, so sei [X.], daß
nur beurkundet werden könne, was vor Gericht oder Notar erfolgt sei. [X.]erlange das Gesetz, daß
eine Er-klärung gerichtlich oder notariell beurkundet werden müsse, so erhelle aus der [X.]orschrift
mit genügender Deutlichkeit, daß nicht auch das Zugehen der Erklärung an den anderen 18
19
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9
-

Theil den Gegenstand der Beurkundung bilde -, ein Ergeb-nis, das
mit den Anforderungen des [X.]erkehrs in Einklang stehe."
(Prot. [X.] 438)

Nach dem [X.]erständnis des historischen Gesetzgebers erfasst die [X.]
auch die Begebung. Darauf
weisen ferner die weiteren Erör-terungen der [X.]
hin, wonach es zur notariellen Beurkundung eines [X.]ertrages genügt, wenn zunächst der Antrag und sodann die An-nahme des Antrags von einem Notar beurkundet werden. Ausdrücklich abgelehnt wurde hingegen eine Alternativfassung, nach der für die Beur-kundung ein Ersuchen des Antragenden um [X.]orlage durch ein Gericht oder einen Notar und eine [X.]orlage des Antrags
durch ein Gericht oder einen Notar notwendig gewesen wären; formbedürftig wären
danach
das Ersuchen, die [X.]orlegung sowie die Annahme des Antrags gewesen (Prot. [X.] 434 f., 439
ff.). Das Ersuchen des Antragenden, dem anderen Teil den Antrag vorzulegen, hätte
strukturell der Begebung entsprochen, weil dies die mit Wissen und Wollen bewirkte Entäußerung der Willenserklärung dargestellt hätte. Der
Ablehnung der Formbedürftigkeit des Ersuchens (Prot. [X.] 440 ff.) ist zu entnehmen, dass der historische Gesetzgeber diesbezüglich [X.] insgesamt wollte.

Die Beratungen der [X.] belegen weiter, dass nach der Wertung des historischen Gesetzgebers die für ihn maßgeblichen Zwe-cke des Beurkundungserfordernisses einer [X.] der Begebung nicht entgegenstehen. Die [X.] erkannte, dass die [X.] der Begebung Beweisschwierigkeiten bezüglich der willentlichen Entäu-ßerung von
[X.]ertragserklärungen
schaffen kann, meinte aber, dies sei im Hinblick auf die Bedürfnisse des [X.]erkehrs hinzunehmen (vgl. Prot. [X.] 440
f.). Zwar wurde die Beurkundung empfangsbedürftiger einseitiger Willenserklärungen von der [X.] im Kontext des jetzigen §
128 20
21
-
10
-

[X.] erörtert. Für diese gelten aber die Überlegungen zur [X.] der Begebung in gleicher Weise wie für [X.]ertragserklärungen. [X.] für einen unterschiedlichen Maßstab des historischen Gesetzge-bers sind nicht ersichtlich.

c) Auch die Formvorschrift des § 766 Satz 1 [X.] spricht dafür, dass die Begebung nicht der für die Abgabe der Willenserklärung maß-geblichen Form unterliegt. Danach ist zur Gültigkeit des [X.] die schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. Er-teilung bedeutet, dass zum Wirksamwerden der unter
Wahrung der Schriftform abgegebenen Erklärung die Unterzeichnung der Bürgschafts-urkunde allein nicht genügt, hinzukommen muss, dass sich der Bürge hinsichtlich der in der Bürgschaftsurkunde verkörperten Willenserklärung gegenüber dem Gläubiger entäußert (MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl. §
766 Rn.
24). Dies stellt
die Begebung der Bürgschaftsurkunde dar. Die Erteilung selbst geschieht in der Regel durch Übergabe der Bürgschaftsurkunde (MünchKomm-[X.]/[X.] aaO; [X.], 121, 122) und damit gerade nicht schriftlich.

d) Angesichts dessen besteht kein Grund, die [X.] der Be-gebung in Frage zu stellen, was
auch in Rechtsprechung und Schrifttum übereinstimmend so gesehen wird.

aa) [X.] und [X.] haben sich im [X.] mit dem Widerruf wechselseitig abhängiger [X.]erfügungen in ei-nem gemeinschaftlichen Testament wiederholt damit
befasst, ob emp-fangsbedürftige Willenserklärungen dem [X.] noch nach dem Tod des Erklärenden wirksam zugehen können ([X.], Urteil vom 19.
Oktober 1967

[X.] ZB 18/67, [X.]Z 48, 374; Senatsurteil
vom 22
23
24
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11
-

16.
April 1953

[X.], [X.]Z 9, 233; [X.], 270). Die Beurtei-lung erfolgte jeweils am Maßstab des §
130 Abs.
2 [X.], nach dem es für die Wirksamkeit der Willenserklärung ohne Einfluss ist, wenn der Erklä-rende nach deren Abgabe verstirbt. Entscheidend
ist, dass der [X.] vor seinem Tod alles getan hat, was von seiner Seite erforderlich war, damit
die Erklärung dem anderen Teil zugeht
(so schon [X.], 270, 274). Diese Ausführungen
betrafen
nur die Abgabe ("formgerecht er-klärt"), nicht jedoch die anschließende Begebung.

bb) Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich nichts anderes aus dem Erfordernis, dass dem Empfänger einer Anfechtungserklärung deren Urschrift oder Ausfertigung zugehen muss, der Zugang einer [X.] Abschrift hingegen nicht ausreicht ([X.], Beschluss vom 19.
Oktober 1967

[X.] ZB 18/67, [X.]Z 48, 374, 377
und
Urteil vom 28.
September 1959

[X.] ZR 112/58, [X.]Z 31, 5, 7; OLG Celle
NJW 1964, 53, 54; [X.] 1963, 260, 264). Dass über die [X.] hinaus noch zusätzlich die Begebung notariell beurkundet wer-den müsste, lässt sich den Entscheidungen nicht entnehmen.

e) In Übereinstimmung damit bedarf auch nach
einhelliger Ansicht
der Literatur nur die Erklärung der Anfechtung
der
notariellen Beurkun-dung nach §
2282
Abs.
3
[X.], nicht aber deren
Zugang
([X.]/
[X.], [X.] Neubearb. 1998 §
2282
Rn.
6; MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl. §
2282 Rn.
4; Soergel/Wolf, [X.] 13. Aufl. §
2282 Rn.
4; [X.]/[X.], [X.]
4. Aufl. § 2282 Rn. 2). Dies muss ebenso
für den
Be-gebungsakt der Anfechtungserklärung
gelten ([X.]/[X.], [X.] 72.
Aufl. §
2282 Rn.
1 unter Hinweis auf die Entscheidung des [X.]); Begebung und Zugang von Willenserklärungen sind tat-sächliche willensgetragene [X.]orgänge, auf die
sich die mit der Beurkun-25
26
-
12
-

dung verbundenen Zwecke

zuverlässige und sachkundige Beratung, eindeutige Feststellung des erklärten Willens, Warnfunktion vor übereil-ten Entscheidungen

nicht erstrecken
([X.], [X.] 1997, 785, 786
f.; [X.] aaO §
2296 Rn.
7). Ein zeitlicher Aufschub der Begebung [X.] daran nichts.

3. Im Ergebnis zu Recht sieht es das Berufungsgericht aufgrund der [X.]orlage der notariellen Urkunde vom 28.
August 2009
als bewiesen an, dass diese vom Erblasser persönlich abgegeben und
begeben
wor-den ist.

a) Nach der gesetzlichen [X.] des §
416 ZPO begründet eine von dem
Aussteller
unterschriebene Privaturkunde
vollen Beweis dafür, dass die in ihr
enthaltenen Erklärungen von dem
Aussteller abge-geben worden sind. Der Senat hat die [X.] des §
416 ZPO auf die Begebung einer schriftlichen Willenserklärung erstreckt ([X.] vom 8.
März 2006

I[X.] ZR 145/05, NJW-RR 2006, 847 Rn.
13 und vom 18.
Dezember 2002

[X.], NJW-RR 2003, 384
unter II).

Das gilt auch hier. Die Urkunde enthält zwar den Zusatz, dass die Begebung auf gesonderte Anweisung erfolgen soll.
Dies führt aber nicht dazu, dass sie damit dem Anwendungsbereich des §
416 ZPO
entzogen wäre
und die Begebung der in dieser Privaturkunde enthaltenen Erklä-rung zum Gegenstand einer gesetzlichen oder einer auf einen Erfah-rungssatz gegründeten tatsächlichen [X.]ermutung würde (so aber Keim [X.] 2012, 548). Die Übermittlungsanweisung betrifft nur
das jeder einem abwesenden Erklärungsempfänger gegenüber abzugebenden empfangs-bedürftigen Willenserklärung immanente Auseinanderfallen von Erklä-rung und Wirksamwerden. Die in § 416 ZPO angeordnete, das Gericht 27
28
29
-
13
-

bindende [X.] hängt aber nicht von Umständen der Erklärung, ihrer Begebung oder des Zugangs
ab, sondern allein von der in den [X.]er-kehr gelangten echten Urkunde. Diese Wirkung tritt mit Erfüllung des Tatbestands der Norm des § 416 ZPO ein. Für eine richterliche Überzeu-gungsbildung ist im Umfang der gesetzlichen [X.] kein Raum. Durch [X.]orlage der die Anfechtungserklärung
enthaltenden notariellen Urkunde vom 28. August 2009 ist damit bewiesen, dass die Erklärung vom Erblasser gemäß § 2282 Abs. 1 [X.] persönlich abgegeben und von ihm begeben wurde.

b) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis auch richtig
entschieden;
die Beklagte
hat den Beweis nicht geführt, dass die Begebung ohne Wil-len des Erblassers erfolgt
ist.

Gegen die [X.] des §
416 ZPO kann der Beweis ange-treten werden, dass die Urkunde nicht willentlich begeben worden ist. [X.] dafür ist der Gegenteilsbeweis (Senatsurteil vom 8.
März 2006

I[X.] ZR 145/05, NJW-RR 2006, 847; [X.] in [X.]/Schütze, ZPO 3.
Aufl. §
416 Rn.
33; [X.] in Prütting/Gehrlein, ZPO 4.
Aufl. §
416 Rn.
20; [X.]/[X.], ZPO 29. Aufl. § 416 Rn. 9; HK-ZPO/Eichele, 5.
Aufl. §
416 Rn. 6). Im Anwendungsbereich gesetzlicher [X.]n

wie § 416 ZPO

ist nach § 286 Abs. 2 ZPO die freie Beweiswürdigung ausgeschlossen ([X.]/[X.], ZPO 29. Aufl. § 286 Rn. 3), sodass Um-stände innerhalb und außerhalb der Urkunde diese
auch nicht erschüt-tern können. Der Beklagten oblag es mithin
zu beweisen, dass die nota-rielle Urkunde ohne Willen des Erblassers eigenmächtig durch einen [X.]er-treter in den [X.]erkehr gelangt ist. Diesen Beweis hat sie nicht erbracht. Sie ist mangels Beweisantritts vom Berufungsgericht zu Recht als be-weisfällig angesehen worden.
30
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14
-

4. Unbegründet ist schließlich die weitere Rüge der Revision, das Berufungsgericht hätte Beweis darüber erheben müssen, ob die Klägerin die Bedingung in dem ergänzenden notariellen Testament vom 23.
November 2009
erfüllt hat, bis zum Tod des Erblassers im [X.] Haushalt zu wohnen und ihn im Falle dauernder [X.] zu pflegen.
Entgegen der Ansicht der Revision stellt es keine vor-weggenommene Beweiswürdigung dar, dass das Berufungsgericht die von der Beklagten benannte Privatsekretärin des Erblassers
nicht als Zeugin dazu vernommen, sondern nur deren
schriftliche
Aufzeichnungen ausgewertet hat. Die Beklagte hat
ein Erinnerungsprotokoll der Zeugin
über den [X.]erlauf der letzten Tage vor dem Tod des Erblassers in das [X.]erfahren eingeführt
und sich deren
Ausführungen bei ihrem Sachvor-trag zur angeblich nicht erfüllten [X.] ausdrücklich zu Eigen gemacht. Diesen Parteivortrag hat das Berufungsgericht seiner tatrich-terlichen Würdigung zugrunde gelegt. Dabei hat es die [X.] so ausgelegt, dass die Klägerin Pflege
im engeren Sinne nicht selbst [X.], sondern lediglich in gewissem
zeitlichem Umfang
"persönlich nach dem Erblasser mit Blick auf sein Wohlergehen"
schauen musste.
Im Zusammenhang damit wertet es den Inhalt der Aufzeichnungen der Zeu-

32
-
15
-

gin dahin, dass unzureichende Pflegeleistungen der Klägerin nicht do-kumentiert seien. Das ist eine revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Würdigung des
Sachvortrags der Beklagten. Eine [X.]ernehmung der Zeu-gin war danach nicht mehr
geboten.

Wendt Felsch Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller

[X.]orinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.09.2011 -
2-5 O 30/11 -

O[X.], Entscheidung vom 15.06.2012 -
7 [X.] -

Meta

IV ZR 224/12

10.07.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2013, Az. IV ZR 224/12 (REWIS RS 2013, 4263)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4263

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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3 Wx 61/20 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


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IV ZR 224/12

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