Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2003, Az. V ZR 319/02

V. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 3783

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]Verkündet am:21. März 2003K a n i k,[X.] Geschäftsstellein dem [X.]:ja[X.]Z:nein[X.]R: jaBGB § 1004 Abs. 1Unterhält der Eigentümer auf seinem Grundstück einen Baum, der allein infolge [X.] auf das Nachbargrundstück stürzen kann, so ist er Störer im Sinne des§ 1004 Abs. 1 BGB.[X.], [X.]. v. 21. März 2003 - [X.] - [X.] LG Mönchengladbach- 2 -Der V. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 21. März 2003 durch den Vizepräsidenten des [X.]Dr. [X.] und [X.], Dr. Klein, [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision gegen das [X.]eil des 9. Zivilsenats des [X.] vom 12. August 2002 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die Parteien sind [X.]. Das Grundstück der [X.] mit einem Wohnhaus bebaut und parkähnlich angelegt; auf dem waldähnli-chen Grundstück der Beklagten hat ihr Vater, der Voreigentümer, vor 1974 u.a.[X.]n in der Nähe der Grenze zu dem Grundstück der Kläger gepflanzt. DasGrundstück liegt in einem Bruchbereich nahe einem Bach, in dem alte [X.]numstürzen, wenn sie nicht vorher gefällt werden.Zwischen August 1985 und August 1999 stürzten zwei Bäume, daruntereine [X.], von dem Grundstück der Beklagten auf das Grundstück der Klä-ger. Einen weiteren Baum ließ die Beklagte fällen, nachdem die Kläger sie [X.] hingewiesen hatten, daß er umzustürzen drohte.- 3 -Am 3. Dezember 1999 stürzten während eines Sturmes wiederum zwei[X.]n von dem Grundstück der Beklagten auf das Grundstück der Kläger.Sie beschädigten einen [X.] und ein [X.]. Weitere Beschädi-gungen sind zwischen den Parteien streitig.Die Kläger haben behauptet, die [X.]n auf dem Grundstück der [X.] hätten aufgrund ihres Alters bereits vor dem Monat Dezember 1999gefällt werden müssen. Die Beklagte sei von den Klägern im Jahr 1997 ein-dringlich auf die Gefahr hingewiesen worden, daß insbesondere die [X.]numstürzen und nicht nur Gerätehäuser auf dem klägerischen Grundstück, son-dern auch Personen zu Schaden kommen könnten. Auch sei die Beklagte vonden Klägern mehrfach aufgefordert worden, die [X.]n rechtzeitig fällen zulassen. Darüber hinaus meinen die Kläger, die Beklagte hätte ihre Verkehrssi-cherungspflicht hinsichtlich der [X.]n verletzt. Die Beklagte hat geltend ge-macht, es sei nicht erkennbar gewesen, daß die [X.]n umstürzen könnten.Der auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 21.873,84 [X.] Zinsen gerichteten Klage hat das [X.] in Höhe von 197,16 [X.] Zinsen und im übrigen dem Grunde nach stattgegeben. Die Berufung [X.] ist nur hinsichtlich der Zinsforderung teilweise erfolgreich gewesen.Mit ihrer - von dem Berufungsgericht zugelassenen - Revision erstrebt die [X.] weiterhin die vollständige Abweisung der Klage. Die Kläger beantragendie Zurückweisung des [X.] 4 -Entscheidungsgründe:[X.] Berufungsgericht verneint einen Schadenersatzanspruch der [X.] § 823 Abs. 1 BGB, weil der Beklagten eine schuldhafte Verletzung [X.] durch fehlende Überprüfung ihres [X.] rechtzeitiges Fällen offensichtlich standunsicherer Bäume nicht vorzu-werfen sei. Den Klägern steht nach Auffassung des [X.] nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zu. Ihnen sei vor dem 3. Dezember 1999 die Durch-setzung eines auf das Entfernen der [X.]n gerichteten Anspruchs nach§ 1004 Abs. 1 BGB nicht möglich gewesen, weil sich die von den Bäumen aus-gehende Gefahr erst bei [X.] am 3. Dezember 1999 offenbart habe. [X.] sei Störerin im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB, weil von den [X.] objektiv pflichtwidriger Zustand ausgegangen sei, auf den sie habe Einflußnehmen können. Denn das Umstürzen der [X.]n sei nicht ausschließlicheine Folge des Einwirkens von Naturkräften, sondern gehe auch auf eine feh-lende Standsicherheit zurück.Das hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung lediglich im [X.] 5 -II.Den Klägern steht gegen die Beklagte kein verschuldensunabhängigernachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch, wohl aber ein verschuldensabhängi-ger deliktsrechtlicher Schadenersatzanspruch zu.1. Zu Unrecht bejaht das Berufungsgericht einen nachbarrechtlichenAusgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog. Folgt man nämlichdem Vortrag der Kläger, entfällt dieser Anspruch, weil sie den [X.] nach § 1004 Abs. 1 BGB hätten geltend machen [X.]) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.], insbeson-dere des Senats, ist ein solcher auf einen angemessenen Ausgleich in [X.] Anspruch gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen seinerprivatwirtschaftlichen Benutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstückausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmendenBeeinträchtigung übersteigen, sofern der davon betroffene Eigentümer aus be-sonderen Gründen gehindert war, diese Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1BGB rechtzeitig zu unterbinden (s. nur Senat, [X.], 66, 67 f. m.w.[X.] kommt hier, was das Berufungsgericht auch zutreffend erkennt, [X.] unter dem Gesichtspunkt einer rechtswidrigen Beeinträchtigung [X.], die infolge faktischen Duldungszwangs nicht rechtzeitig verhindertwerden konnte. Ein solcher Zwang kann sich u.a. daraus ergeben, daß der Be-troffene die abzuwehrende Gefahr nicht rechtzeitig erkannt hat und auch nichterkennen konnte (Senat, [X.], 158, 163). So liegt es hier jedoch nicht.b) Der Auffassung des Berufungsgerichts, den Klägern sei es vor dem3. Dezember 1999 nicht möglich gewesen, gegen die Beklagte einen auf die- 6 -Entfernung der [X.]n gerichteten Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB durch-zusetzen, steht das Vorbringen der Kläger in den Tatsacheninstanzen entge-gen. Sie haben nämlich sowohl in der Klageschrift als auch in der Berufungs-erwiderung vorgetragen, daß die [X.]n auf dem Grundstück der [X.] viele Jahre vor Dezember 1999 wegen ihres Alters umsturzgefährdetgewesen seien. Sie hätten gefällt werden müssen, weil alte [X.]n, wie sieauf dem Grundstück der Beklagten gestanden hätten, spätestens nach 30 Jah-ren geschlagen werden müßten. Hierauf hätten sie die Beklagte schon im [X.] hingewiesen und sie auch mehrere Male vor dem Monat Dezember 1999zum Fällen der [X.]n aufgefordert. Danach haben sich die Gefahren für [X.] nicht erst bei [X.] am 3. Dezember 1999 offenbart, sondern esbestand bereits lange Zeit vor dem Schadensereignis genügend Anlaß, gegendie von den [X.]n auf dem Grundstück der Beklagten auf ihr Grundstückausgehenden Gefahren vorzugehen. Zwar hat der Senat in dem [X.], daß das bloße Anpflanzen und Aufziehen widerstandsfähigerBäume regelmäßig noch keine für die Zurechnung einer Beeinträchtigung not-wendige konkrete Gefahrenlage für das Nachbargrundstück begründet (Senat,[X.], 283, 285). Aber so liegen die Dinge hier schon nach dem Klage-vorbringen nicht. Die umgestürzten [X.]n waren vielmehr aufgrund ihresAlters nicht mehr standsicher und deswegen gegenüber normalen Einwirkun-gen der Naturkräfte nicht mehr hinreichend widerstandsfähig. Somit hätten [X.] gegen die Beklagte erfolgreich nach § 1004 Abs. 1 BGB vorgehen [X.]. Daß sie daran aus irgendwelchen Gründen gehindert waren, haben [X.] vorgetragen; solche Gründe sind auch nicht ersichtlich. Damit scheidetein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch schon nach dem [X.] 7 -2. Die Kläger haben jedoch gegen die Beklagte einen Schadenersatzan-spruch wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB).Zu seiner gegenteiligen Auffassung gelangt das Berufungsgericht verfahrens-fehlerhaft, wie die Kläger in ihrer Revisionserwiderung mit Recht rügen. Es [X.] Entscheidung nur einen Teil der Aussage des Zeugen [X.]zugrundegelegt, nämlich den, daß der Zeuge im August/September 1999 keine von den[X.]n ausgehenden akuten Gefahren erkannt habe. Es hat nicht die weitereBekundung des Zeugen gewürdigt, daß die [X.]n in einem Alter waren, inwelchem sie normalerweise gefällt werden müßten, und daß er der Beklagtengeraten habe, die [X.]n deshalb in der nächsten Schlagzeit zwischen [X.] Oktober und dem 31. März zu fällen. Danach sind der Beklagten die von [X.] ausgehenden Gefahren, die sie aufgrund des Alters der Bäume undder Erfahrung mit der bereits umgestürzten [X.] ohnehin kannte, jedenfallsaber kennen mußte, nochmals eindrücklich vor Augen geführt worden. [X.] war sie unter dem Gesichtspunkt der [X.], die [X.]n zum frühestmöglichen Zeitpunkt fällen zu lassen.a) Derjenige, der die Verfügungsgewalt über ein Grundstück ausübt, [X.] Rahmen des Möglichen dafür zu sorgen, daß von den dort stehenden Bäu-men keine Gefahr für andere ausgeht, der Baumbestand vielmehr so angelegtist, daß er im Rahmen des nach forstwissenschaftlichen Erkenntnissen Mögli-chen gegen Windbruch und Windwurf, insbesondere aber auch gegen [X.] aufgrund fehlender Standfestigkeit gesichert ist ([X.], [X.]. v.27. Oktober 1988, [X.], [X.]R § 823 Abs. 1 BGB Verkehrssicherungs-pflicht 16). Diese Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte verletzt. Ihr warzum einen bekannt, daß alte [X.]n in der Gegend umstürzen und bereits inder Vergangenheit eine [X.] auf ihrem Grundstück ohne besondere [X.] 8 -kungen umgestürzt war; zum anderen hat der Zeuge [X.] sie auf die [X.] des altersbedingten Fällens der [X.]n hingewiesen. Damit war [X.] die Beklagte vorhersehbar, daß weitere alte [X.]n jederzeit - auch aufdas Nachbargrundstück - umstürzen konnten. Davor hat sie die Augen ver-schlossen, indem sie die Bäume nicht zu Beginn der Schlagzeit hat fällen las-sen, und damit die Beschädigung des Nachbargrundstücks in Kauf genommen.b) Somit ist die Beklagte den Klägern zum Schadenersatz verpflichtet.Allerdings reicht es zur Erfüllung dieser Verpflichtung nicht aus, daß sie die aufdas Nachbargrundstück gefallenen [X.]n hat entfernen und den beschädig-ten [X.] hat ausbessern lassen. Vielmehr umfaßt die [X.] durch das Umstürzen der Bäume verursachten Schäden, also auchdie, welche an den Gartenhäusern entstanden sind. Ein Ausschluß der Ersatz-pflicht unter den von der Beklagten hervorgehobenen Gesichtspunkten, [X.] hätten die beiden Gartenhäuser baurechtswidrig und bewußt in einerGefahrenzone errichtet, kommt nicht in Betracht. Zum einen wäre das Fehlender Baugenehmigungen - ihre Erforderlichkeit unterstellt - nicht kausal für deneingetretenen Schaden geworden; zum anderen übersieht die Beklagte, daßder Eigentümer sein Grundstück nach Belieben nutzen kann und sich keineEinschränkungen auferlegen muß, um dem [X.] die Verlet-zung seiner Verkehrssicherungspflicht ohne Schadensfolgen zu ermöglichen.3. Ohne Erfolg macht die Revision auch geltend, daß ein Grundurteilnicht hätte ergehen dürfen, weil der Streit über den [X.] nicht [X.] sei. Für den Erlaß eines solchen [X.]eils genügt es nämlich, daßdie Klageforderung mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht([X.]Z 126, 217, 219; [X.], [X.]. v. 2. Oktober 2000, [X.], [X.] -224, 225). Das ist hier der Fall, weil die Beschädigung des [X.]esunstreitig ist. Selbst wenn, wofür es bisher allerdings keine Anhaltspunkte gibt,den Klägern ein an der Entstehung des Schadens mitwirkendes [X.] wäre (§ 254 BGB), dürfte dessen Prüfung dem Betragsverfahrenvorbehalten bleiben, da es nach dem gesamten Streitstoff nicht zu einer völli-gen Beseitigung des Schadens führen kann (vgl. [X.]Z 110, 196, 202).4. Schließlich wendet sich die Revision auch ohne Erfolg dagegen, daßdas Berufungsgericht den Klägern einen Betrag von 197,16 [X.] für die An-schaffung eines neuen Kugelgrills zugesprochen hat, ohne einen Abzug "[X.] alt" vorzunehmen. Die Beklagte hat nämlich die [X.] des [X.] erheblich bestritten, so daß ein solcher Abzug nicht in Betracht kommt.Ihre Klageerwiderung enthält hierzu zwar ein allgemeines Bestreiten; abernachdem die Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] denbeschädigten Grill präsentiert haben, hätte die Beklagte konkrete Umstände,die gegen die [X.] sprechen, vortragen müssen. Das hat sie [X.].Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.[X.] Tropf Klein [X.]Schmidt-Räntsch

Meta

V ZR 319/02

21.03.2003

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.03.2003, Az. V ZR 319/02 (REWIS RS 2003, 3783)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3783

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