Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.01.2001, Az. 1 StR 454/00

1. Strafsenat | REWIS RS 2001, 3718

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.] DES VOLKESURTEIL1 StR 454/00vom30. Januar 2001in der Strafsachegegenwegen Mordes- 2 -Der 1. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 30. Januar 2001,an der teilgenommen haben:[X.] am [X.]. [X.] [X.] am [X.]. Wahl,[X.],[X.],[X.],Oberstaatsanwalt beim [X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt als Verteidiger,Rechtsanwältin als Nebenklägervertreterin,Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,für Recht erkannt:- 3 -Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ge-gen das Urteil des [X.] vom 4. Mai 2000 wer-den verworfen.Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurchdem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen trägt [X.]. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittelsund die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigenAuslagen zu tragen.Von Rechts wegenGründe:[X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslangerFreiheitsstrafe verurteilt. Zugleich hat es einen dem Angeklagten gehörendenPKW eingezogen sowie dem Angeklagten die Fahrerlaubnis entzogen und fürderen Neuerteilung eine Sperrfrist bestimmt. Dieses Urteil greift die Staatsan-waltschaft mit ihrer auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionnur insoweit an, als das [X.] eine besondere Schuldschwere im [X.] § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB verneint hat. Der Angeklagte wendet sich mit [X.] Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts gel-tend macht, gegen das Urteil insgesamt. Beide Rechtsmittel haben keinen Er-folg.- 4 -II.Der Angeklagte hatte am 22. Mai 1999 im Anschluß an einen Ausflugzum [X.] seine Arbeitskollegin [X.]"auf näher nicht klärbareWeise, für [X.] aber jedenfalls völlig überraschend und schnell, sodaß an eine Gegenwehr für sie nicht einmal zu denken war" ([X.]), in ei-nen bewußtlosen Zustand versetzt. Anschließend hatte er sein Opfer mit einermitgebrachten Kunststoffleine vom Hals bis zu den Füßen gefesselt und zweiSpanngurte um den Körper geschlungen. So verschnürt hatte der [X.] betäubte Frau zum Seeufer verbracht, zwei mitgeführte Betonplatten an ihrbefestigt und unter Verwendung einer Taucherausrüstung sein nach wie vorbewußtloses Opfer in den See hinaus gezogen und an einer ihm geeignet er-scheinenden Stelle versinken lassen. [X.] ertrank alsbald.Das [X.] hat die Voraussetzungen des [X.] "heimtük-kisch" bejaht und ist so zu einer Verurteilung wegen Mordes nach § 211 Abs. 2StGB gelangt. Daß der Angeklagte auch aus Habgier gehandelt hatte, ver-mochte die Kammer nicht festzustellen. Vieles sprach zwar "dafür, daß er [X.] beging, um an die 20.000 DM zu kommen, die [X.]tags zuvorin bar von ihrem Konto ... abgehoben hatte ... . Gewißheit darüber vermochtedie Kammer indes nicht zu erlangen" ([X.] f.). Auch das Merkmal [X.] vermochte die Kammer nicht zu bejahen. Ein Indiz hierfür sah dieKammer in der überlegt geplanten Vorgehensweise des Angeklagten. [X.] vermochte ihr "aber nicht die Überzeugung zu vermitteln, der Angeklagtehabe tatsächlich aus Mordlust getötet" ([X.] 37).- 5 -III.Revision des [X.] Die [X.] hat mehrere Briefe, [X.] und die schriftli-che Bestellung eines Kraftfahrzeugs in der Hauptverhandlung verlesen, [X.] zusätzlichen Vernehmung der Verfasser der Briefe, der Personen, die [X.] erstellt hatten, und des Bestellers jedoch abgesehen. Hierin erblicktdie Revision einen Verstoß gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250StPO). Zugleich sieht sie hierin eine Verletzung der Pflicht zur umfassendenSachaufklärung (§ 244 Abs. 2 StPO).Die Rüge zu § 250 StPO ist unbegründet. Die Strafprozeßordnung siehtzur Beweiserhebung über den Inhalt von Urkunden und anderen als Beweis-mittel dienenden Schriftstücken grundsätzlich die Verlesung gemäß § 249Abs. 1 StPO vor. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit, der in§ 250 StPO zur Geltung kommt, liegt darin nicht. Es ist vielmehr eine Frage [X.] und der Beweiswürdigung, ob sich das Gericht mit der Ver-lesung begnügen darf. Die insoweit erhobene Rüge zu § 244 Abs. 2 StPO istunzulässig. Der Beschwerdeführer trägt bereits nicht vor, was die Zeugen zuseiner Entlastung - über den Inhalt der genannten Schriftstücke hinaus - [X.] hätten (vgl. [X.]R StPO § 250 Satz 1 Unmittelbarkeit 1).2. Die auf eine Verletzung von §§ 55 Abs. 2 und 136 Abs. 1 Satz 2, 163aAbs. 4 StPO gestützte Verfahrensbeschwerde ist unbegründet. Der [X.] die Vernehmung der Polizeibeamten [X.]und [X.]. Was diesezum Inhalt der (Zeugen-)Aussage des Angeklagten vom 14., 15., 18., 21., [X.] sowie 6. Juli 1999 ausgesagt haben, hätte das [X.] nicht ver-werten dürfen. Der Angeklagte sei damals weder als Zeuge nach § 55 [X.] 6 -noch, obwohl er als tatverdächtig angesehen worden sei, als [X.] worden.Grundsätzlich dürfen Äußerungen eines Beschuldigten, die dieser ohnevorangegangene Belehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO in einer Verneh-mung gemacht hat, in die Hauptverhandlung nicht eingeführt und verwertetwerden. Beschuldigter in diesem Sinne ist aber nur der Tatverdächtige, gegenden das Verfahren als Beschuldigter betrieben wird. Nicht jeder [X.] bereits die Beschuldigteneigenschaft mit entsprechender Beleh-rungspflicht, es kommt vielmehr auf die Stärke des Tatverdachts an. [X.] Beurteilung der Strafverfolgungsbehörde ist dann von der [X.] zur Beschuldigtenvernehmung überzugehen, wenn sich der Verdacht soverdichtet hat, daß die vernommene Person ernstlich als Täter der untersuch-ten Straftat in Betracht kommt ([X.]R StPO § 136 Belehrung 6). Das war [X.] der Fall:Der Angeklagte hatte am 27. Mai 1999 seine Arbeitskollegin [X.] bei der Polizei als vermißt gemeldet und ist in der darauf hin eingelei-teten Vermißtensache mehrmals als Zeuge vernommen worden, weil er nachseinen Angaben der letzte Bekannte war, der zu ihr Kontakt hatte. Ein Tatver-dacht gegen den Angeklagten ergab sich erst, nachdem das Opfer am [X.] identifiziert worden war. Gleichwohl konnte der Angeklagte auch am6. Juli 1999 zunächst noch als Zeuge vernommen werden. Erst als der Ange-klagte bei dieser Vernehmung - zuvor war er nach §§ 52, 55 StPO belehrt [X.] - einräumte, er habe solche Spanngurte, wie sie an der Leiche [X.] worden waren, hatte sich für den Vernehmungsbeamten der Tatverdachtso verdichtet, daß er den Angeklagten nach entsprechender Belehrung als Be-schuldigten weiter befragte. Im übrigen hat der Angeklagte nach der [X.] -digtenbelehrung erklärt, er habe nichts zu verbergen und, ebenso wie [X.] Haftrichter, weiter umfassend [X.] Die Verfahrensrüge zu §§ 245, 261 StPO ist - wie der Generalbun-desanwalt zutreffend ausgeführt hat - unbegründet. Prof. Dr. [X.] als Sachverständiger und zugleich als Zeuge vernommen. Über seineVereidigung, soweit er als Zeuge ausgesagt hatte, wurde entschieden.4. Die Sachrüge ist unbegründet. Die Verurteilung des Angeklagten we-gen Mordes hält rechtlicher Nachprüfung stand. Die Annahme des Landge-richts, der Angeklagte habe heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB ge-handelt, begegnet im Ergebnis weder in objektiver noch in subjektiver [X.] rechtlichen Bedenken.[X.] der [X.] Revision ist zulässig darauf beschränkt, das [X.] habe [X.] ein weiteres Mordmerkmal und deshalb die Feststellung der besonde-ren Schwere der Schuld verneint ([X.]St 41, 57). Insoweit wird die Verletzungsachlichen Rechts gerügt und insbesondere geltend gemacht, das [X.]habe das Mordmerkmal der "sonstigen niedrigen Beweggründe" zu Unrechtnicht bejaht, weil nicht ausreichend berücksichtigt worden sei, daß die Tat übereinen längeren Zeitraum ausgeklügelt worden sei und sich der Tatablauf- wenn die Fahrt an den [X.] einbezogen werde - über einen Zeitraumvon mehr als vier Stunden hingezogen habe. Zudem habe das [X.]nicht ausreichend bedacht, daß das Verhalten des Angeklagten nicht nur- 8 -heimtückisch, sondern auch hinterlistig und hinterhältig gewesen sei; der An-geklagte habe Freundschaft und einen gemeinsamen Ausflug vorgetäuscht, umseinen schon zuvor gefaßten Mordplan zu verwirklichen. Auch habe der Ange-klagte nach der Betäubung des Opfers noch umfangreiche Vorbereitungentreffen müssen, bevor er dessen Tod herbeiführte. Das Rechtsmittel hat [X.].Die Begründung, mit der das [X.] eine besondere [X.] i. S. d. § 57a StGB verneint hat, hält rechtlicher Nachprüfung stand. Es ob-liegt dem Tatrichter, unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände [X.] des Angeklagten im Sinne des § 57a StGB abzuwägen; das Revisions-gericht darf seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters set-zen, sondern hat nur zu prüfen, ob dieser alle maßgeblichen Umstände be-dacht hat (vgl. [X.]St 41, 57, 62 und [X.]R StGB § 57a Abs. 1 [X.] 22 jew. m.w.[X.]). Nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab weist dietatrichterliche Entscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.Der Tatrichter hat im Rahmen einer Gesamtschau die erschwerend undmildernd zu Buche schlagenden Umstände der Tat, die der Verhängung derlebenslangen Freiheitsstrafe zugrunde liegen, gegeneinander abgewogen. [X.] hat der Tatrichter die gegen den Angeklagten sprechenden Aspekte nichtübersehen. Dazu gehört die präzise Planung und Vorbereitung der Tat durchden Angeklagten.Daß die Kammer übersehen haben könnte, in welch besonderem [X.] Angeklagte heimtückisch gehandelt hat, schließt der Senat aus. Auf [X.] und Vorbereitung der Tat hat die Kammer im Rahmen der Begründungihrer Entscheidung zu § 57a StGB ausdrücklich hingewiesen. Die Gegeben-heiten der planmäßig ausgeführten Tat und den Umstand, daß der [X.] 9 -über einen längeren Zeitraum hinweg nicht davon Abstand genommen hat, [X.] Tötungsabsicht umzusetzen, hat der Tatrichter detailliert festgestellt. [X.] ist auszuschließen, daß der Tatrichter die genannten Umstände beider Entscheidung nach § 57a StGB etwa übersehen hat. Ein Schweigen [X.] über bestimmte Gesichtspunkte muß nicht stets besorgen lassen,daß diese Aspekte übersehen worden sind. Die Darlegung sämtlicher Erwä-gungen ist weder nötig noch möglich ([X.] NStZ-RR 1996, 321).Daß der Angeklagte aus Habgier gehandelt haben könnte, hat die [X.] rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.Eine ausdrückliche Erörterung darüber, ob niedrige Beweggründe imSinne des § 211 StGB vorliegen, war nach dem festgestellten Sachverhalt nichtgeboten. Soweit die [X.] dabei auf das Verhalten des Angeklagten vorder Tat abstellt, durch das er das Opfer in Sicherheit gewiegt hat, handelt essich nicht um Beweggründe der Tat, sondern allenfalls um Umstände, die [X.] heimtückischen Verhaltens begründen.[X.] [X.] [X.] [X.]

Meta

1 StR 454/00

30.01.2001

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 30.01.2001, Az. 1 StR 454/00 (REWIS RS 2001, 3718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2001, 3718

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.