Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.06.2013, Az. XI ZR 505/11

11. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5361

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Gegenstand

Bürgschaftsvertrag: Erlöschen der Bürgschaft trotz Rückerwerb einer zunächst aufgegebenen weiteren Sicherheit; Formerfordernis bei Neubegründung der Bürgschaft


Leitsatz

1. Eine Bürgschaft erlischt nach § 776 BGB durch Aufgabe einer weiteren für dieselbe Hauptforderung bestehenden Sicherheit. Anders als ein Leistungsverweigerungsrecht entfällt diese Rechtsfolge des § 776 BGB nicht dadurch, dass der Gläubiger die zunächst aufgegebene Sicherheit später zurückerwirbt oder neu begründet.

2. Ein Verzicht des Bürgen, mit dem das Erlöschen der Bürgschaft rückgängig gemacht werden soll, unterliegt als Neubegründung dieses Schuldverhältnisses der Form des § 766 BGB.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 17. November 2011 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das vorgenannte Urteil wird wegen offenbarer Unrichtigkeit dahingehend berichtigt, dass im Tenor der Einleitungssatz der Ziff. 1 wie folgt lautet:

"Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29.06.2011, [X.].: 31 O 424/10, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:"

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung aus einem Bürgschaftsvertrag. Dem hält der Beklagte entgegen, er sei nach § 776 BGB frei geworden, soweit die Klägerin eine dieselbe Hauptschuld sichernde Grundschuld - vorübergehend - abgetreten habe.

2

Die Klägerin gewährte der [X.] (nachfolgend: Hauptschuldnerin) am 11. Juli 2008 ein Darlehen über 2 Mio. €. Der Beklagte übernahm neben drei weiteren Personen am selben Tag eine selbstschuldnerische Bürgschaft über 2 Mio. € für alle Verpflichtungen der Hauptschuldnerin aus diesem Darlehen. Bereits am 7. Juli 2008 hatte die Hauptschuldnerin der Klägerin zur Sicherung der Ansprüche aus diesem Darlehensvertrag eine erstrangige werthaltige Buchgrundschuld in Höhe von 2 Mio. € an ihrem Teileigentum am Handballleistungszentrum          bestellt. Hiervon trat die Klägerin am 9. März 2009 einen erstrangigen Teilbetrag in Höhe von 1,1 Mio. € mit Nebenleistungen und Zinsen in Höhe von 18% p.a. seit dem 11. Juli 2008 an die    [X.]    (nachfolgend:    Bank) zur Sicherung von zwei der [X.], der Holdinggesellschaft der Klägerin, gewährten Darlehen ab. Am 30. September 2010 kündigte die Klägerin das der Hauptschuldnerin gewährte Darlehen wegen drohender Vermögensverschlechterung und forderte den Beklagten zur Zahlung der Bürgschaftssumme auf. Die Hauptschuldnerin, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, befand sich mit mehreren Zinszahlungen und einer Tilgungsrate in Rückstand. Der Verkehrswert der belasteten Immobilie betrug 2 Mio. €. Während des Berufungsverfahrens wurde am 1. August 2011 die Grundschuld an die Klägerin zurückabgetreten.

3

Das [X.] hat der Klage auf Zahlung von 2 Mio. € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung der Grundschuld sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert, den Beklagten zur Zahlung von 306.000 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung eines der Urteilssumme entsprechenden, erstrangigen Teils der Grundschuld verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klägerin, die nach Erlass des Berufungsurteils am 1. Dezember 2011 aus einer Verwertung der Grundschuld 1.269.000 € erhalten hat, begehrt mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision nunmehr Zahlung von 731.000 € nebst Zinsen, hilfsweise Zug um Zug gegen Abtretung eines der Klagesumme entsprechenden "erstrangigen" Teils der Grundschuld. In Höhe von 1.269.000 € hat sie den Rechtsstreit im Revisionsverfahren für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision der Klägerin hat sowohl zum [X.] als auch zu dem für erledigt erklärten Teil keinen Erfolg.

I.

5

Die [X.] kann in der Revisionsinstanz den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklären, wenn das erledigende Ereignis - hier die Zahlung von 1.269.000 € am 1. Dezember 2011 - außer Streit steht (st. Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 14. Juli 2008 - [X.], [X.], 1806, 1807 und vom 25. Januar 1996 - [X.], NJW 1996, 1280, 1281 jeweils mwN). Die Feststellung einer - hier teilweisen - Erledigung der Hauptsache eines Rechtsstreits setzt neben dem Eintritt eines erledigenden Ereignisses voraus, dass die Klage in diesem Zeitpunkt insoweit zulässig und begründet war (vgl. [X.], Urteil vom 18. April 2002 - [X.], juris Rn. 41 mwN). Andernfalls ist sie abzuweisen bzw., soweit - wie im vorliegenden Verfahren - die Klage bereits in der Vorinstanz abgewiesen worden ist, die Revision zurückzuweisen ([X.], Urteil vom 19. Februar 2009 - [X.], NJW-RR 2009, 990 Rn. 7 mwN).

II.

6

Die Klage war hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unbegründet. Sie hat auch in dem von der Klägerin mit dem [X.] weiterverfolgten Teil keinen Erfolg.

7

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in [X.], 691 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

8

Die Klägerin habe gegen den Beklagten gemäß § 765 Abs. 1 [X.] eine [X.] von 306.000 €, in Höhe der darüber hinausgehend verbürgten 1.694.000 € sei der Beklagte entsprechend § 776 Satz 1 [X.] von seiner Einstandspflicht frei geworden. Die streitige Rechtsnatur dieser Vorschrift könne dahinstehen, da jedenfalls deren Zweck in der Sicherung des Rückgriffs des vom Gläubiger in Anspruch genommenen Bürgen nach § 774 Abs. 1 Satz 1, §§ 412, 401 [X.] bestehe. Diesen verwirkliche § 776 [X.], indem der Bürge im Umfang einer Aufgabe der weiteren Sicherheit von der [X.] frei werde, soweit er aus dem aufgegebenen Recht gemäß § 774 [X.] hätte Ersatz erlangen können. Nach seinem Wortlaut knüpfe § 776 [X.] an die Aufgabe der Sicherheit einen unmittelbar eintretenden [X.] des Gläubigers und nicht etwa lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht des Bürgen. Die Formulierung "wird…frei" entspreche derjenigen in § 777 Abs. 1 [X.], wo fraglos Erlöschenstatbestände normiert seien. Eine für die Hauptforderung begebene Sicherungsgrundschuld gehöre zu den von § 776 [X.] erfassten [X.]. Deren Aufgabe sei durch rechtsgeschäftliche Übertragung bewirkt, wenn die Verwertungsmöglichkeit der werthaltigen Sicherheit dadurch rechtlich oder tatsächlich beseitigt sei.

9

Danach habe die Klägerin am 9. März 2009 ihr Sicherungsrecht im Umfang der Teilabtretung aufgegeben im Sinne von § 776 [X.]. Denn insoweit habe sie rechtsgeschäftlich über die Grundschuld verfügt und Rechte aus dem Sicherungsrecht verloren. Es sei nicht maßgeblich, ob die Sicherungsgrundschuld als solche noch existiere und für die Klägerin wieder erlangbar sei. Deswegen sei ohne Bedeutung, dass die Klägerin während des Berufungsverfahrens deren Rückabtretung erreicht habe. Weder lebe die [X.] dadurch wieder auf, noch sei der Bürge nach [X.] und Glauben gehindert, sich auf § 776 [X.] zu berufen. Zwar spreche für die gegenteilige, rein wirtschaftliche Betrachtungsweise, dass der Bürge im Zeitpunkt seiner Zahlung nicht (mehr) schlechter gestellt sei als vor Aufgabe der Sicherheit. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit sei es aber geboten, dass ein einmal eingetretenes Freiwerden nicht wieder durch Handlungen des Gläubigers beseitigt werden könne. Andernfalls müsse man dem Gläubiger auch zugestehen, durch Beschaffung einer anderen gleichwertigen Sicherheit ein Freiwerden des Bürgen zu verhindern. Dies werde von niemandem vertreten, zumal nach § 776 Satz 2 [X.] auch später hinzugekommene Sicherungsmittel dem Bürgen zugute kämen und bei ihrer Aufgabe einen eigenen Erlöschenstatbestand begründeten. Ohne Erfolg mache die Klägerin geltend, der Beklagte sei mit der Teilabtretung einverstanden gewesen. Hierbei handele es sich um erstmals in der Berufungsinstanz gehaltenes und durch den Beklagten [X.] Vorbringen, das nicht gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sei.

Da der Verkehrswert der Immobilie unstreitig 2 Mio. € betragen habe, sei die Grundschuld in dieser Höhe werthaltig gewesen. Durch deren Teilabtretung sei unter Berücksichtigung von Grundschuldzinsen eine Sicherheit im Wert von insgesamt 1.694.000 € aufgegeben worden, sodass ein Haftungsbetrag von 306.000 € verbleibe.

2. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung stand.

Der Beklagte ist in Höhe von 1.694.000 € gemäß § 776 Satz 1 [X.] von seiner Einstandspflicht frei geworden, da die Klägerin durch die Teilabtretung der Grundschuld vom 9. März 2009 eine mit der Hauptforderung verbundene Sicherheit aufgegeben hat, aus der der Beklagte als Bürge nach § 774 [X.] insoweit hätte Ersatz erlangen können.

a) Die von der Klägerin am 9. März 2009 in Höhe von 1.100.000 € abgetretene Sicherungsgrundschuld ist ein selbstständiges Sicherungsrecht im Sinne von § 776 [X.] ([X.], Urteil vom 6. April 2000 - [X.], [X.], 1141, 1144 mwN). Dieses hat die Klägerin gemäß § 776 Satz 1 [X.] aufgegeben; dafür muss entgegen der Ansicht der Revision kein Verzicht zugunsten desjenigen vorliegen, der diese Sicherheit bestellt hat.

aa) Der Wortlaut von § 776 Satz 1 [X.] enthält keine derartige Beschränkung. "Aufgeben" ist vielmehr jede gewollte Handlung ([X.], Urteil vom 17. September 1959 - [X.], [X.], 51), durch die der Gläubiger auf eine Verwertungsmöglichkeit der Sicherheit verzichtet oder ansonsten bewusst deren wirtschaftlichen Wert beseitigt ([X.], Urteil vom 15. Juli 1999 - [X.], [X.], 1761, 1763, insoweit nicht in [X.]Z 142, 213 abgedruckt). Danach erfasst § 776 [X.] auch den Fall, dass der Gläubiger das Sicherungsrecht einem [X.] überlässt ([X.], Urteil vom 3. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 28, 35).

bb) Dass die rechtsgeschäftliche Übertragung eines [X.] auf einen [X.] als Aufgabe dieser Sicherheit im Sinne von § 776 Satz 1 [X.] anzusehen ist, entspricht zudem Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Bürge, der mit seinem gesamten Vermögen für die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Bürgschaft einzustehen hat, soll vor einer Vereitelung seiner Rückgriffsrechte aus § 774 [X.] geschützt werden, die eintreten würde, wenn der Gläubiger zu Lasten des Bürgen weitere für dieselbe Hauptschuld bestellte Sicherungsrechte einseitig aufgeben könnte ([X.], Urteil vom 2. März 2000 - [X.], [X.]Z 144, 52, 57). Dieses Schutzes durch § 776 Satz 1 [X.] bedarf der Bürge unabhängig davon, ob ein seinen künftigen Regress gemäß § 774 Abs. 1 Satz 1, §§ 412, 401 [X.] sicherndes Recht dem ursprünglichen Sicherungsgeber oder einem [X.] übertragen wird, da sein Rückgriffsanspruch in beiden Fällen in gleicher Weise beeinträchtigt ist.

b) Das Berufungsgericht geht weiter zutreffend davon aus, dass nach § 776 [X.] eine Bürgschaft durch Aufgabe einer weiteren für dieselbe Hauptforderung bestehenden Sicherheit erlischt. § 776 [X.] begründet in einem solchen Fall - entgegen der Auffassung der Revision - nicht nur ein Leistungsverweigerungsrecht des Bürgen. Ebenso entfällt das Merkmal einer Aufgabe der Sicherheit in § 776 [X.] nicht nachträglich dadurch, dass der Gläubiger die zunächst aufgegebene Sicherheit später zurückerwirbt oder neu begründet.

aa) Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Bürge mit Aufgabe der weiteren Sicherheit durch den Gläubiger insoweit von seiner Verpflichtung befreit wird (vgl. [X.], Urteile vom 2. März 2000 - [X.], [X.]Z 144, 52, 57 und vom 3. November 2005 - [X.], [X.]Z 165, 28, 35). Diese Auffassung entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. [X.], Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das [X.], 1899, [X.], [X.]) und findet auch in der Literatur ganz überwiegend Zustimmung ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 776 Rn. 5; [X.]/Brödermann, [X.], 8. Aufl., § 776 Rn. 10; [X.], Recht der Kreditsicherheiten, 8. Aufl., Rn. 1008 f.; [X.], [X.], 93; [X.] in [X.]/[X.], Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 12.291; [X.] in Erman, [X.], 13. Aufl., § 776 Rn. 5; [X.], Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 776 [X.] Rn. 17; [X.]., [X.] a. - 1.12; Prütting in jurisPK-[X.], 6. Aufl., § 776 Rn. 8; [X.] in BeckOK [X.], Stand 1. Mai 2013, § 776 Rn. 7; [X.]/[X.], [X.], 72. Aufl., § 776 Rn. 4; [X.] in [X.], [X.], 14. Aufl., § 776 Rn. 4; [X.] in [X.], [X.], 7. Aufl., § 776 Rn. 5; so auch schon [X.], [X.], 4. Aufl., § 776 S. 1466; [X.], [X.], 281, 282 und [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 776 Rn. 24; wohl auch [X.], [X.], 1191, 1193 f.).

bb) Bereits der Wortlaut des § 776 [X.] beschränkt den Bürgen nicht auf eine bis zur Wiedererlangung der aufgegebenen Sicherheit bestehende Einrede, sondern spricht vom Freiwerden des Bürgen, d.h. von einer Beendigung seiner Haftung. Dem entspricht - wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt - die Formulierung in § 777 Abs. 1 Satz 1 [X.], der sowohl der [X.] (Urteile vom 6. Mai 1997 - [X.], NJW 1997, 2233, 2234 und vom 13. Juni 2002 - [X.], [X.], 1645, 1646 f.) als auch die Literatur ([X.], Recht der Kreditsicherheiten, 8. Aufl., Rn. 1037; [X.] in [X.]/[X.], Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 12.303; MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 777 Rn. 14; [X.] in Erman, [X.], 13. Aufl., § 777 Rn. 3; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2013, § 777 Rn. 3; [X.], Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 777 [X.] Rn. 5; Prütting in jurisPK-[X.], 6. Aufl., § 777 Rn. 8; [X.] in BeckOK [X.], Stand 1. Mai 2013, § 777 Rn. 7; [X.] in [X.], [X.], 14. Aufl., § 777 Rn. 7; [X.] in [X.], [X.], 7. Aufl., § 777 Rn. 6) ein Erlöschen der Verpflichtung des Bürgen entnehmen.

cc) Zudem wi[X.]präche es dem Gebot der Rechtssicherheit, die Haftung des Bürgen nach Aufgabe einer weiteren Sicherheit durch den Gläubiger in der Schwebe zu halten. Der Bürge soll zur Wahrung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit alsbald wissen, ob und in welchem Umfang er von der Haftung aus der Bürgschaft aufgrund der ihn privilegierenden Vorschrift des § 776 [X.] frei geworden ist (vgl. zu diesem Auslegungskriterium [X.], Urteil vom 8. Dezember 2010 - [X.], NJW 2011, 1867 Rn. 16, 18). Dem wäre nicht Genüge getan, ließe man diese Frage bis zu einem endgültigen Untergang der Sicherheit unbeantwortet bzw. gestattete man - die Auffassung der Revision konsequent fortgedacht - dem Gläubiger die spätere Stellung einer gleichwertigen Sicherheit. Aus diesem Grund sieht das Gesetz nach [X.] durch den Gläubiger keine Möglichkeit zur Rückgängigmachung der eingetretenen Enthaftung des Bürgen vor. Dem entspricht, dass - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - nach Übernahme der Bürgschaft hinzutretende Sicherungsmittel gemäß § 776 Satz 2 [X.] ebenfalls dem Bürgen zugute kommen und bei ihrer Aufgabe einen eigenen Erlöschenstatbestand nach § 776 Satz 1 [X.] begründen. Die Rückübertragung einer einmal aufgegebenen Sicherheit kompensiert damit nicht deren zunächst eingetretenen Verlust, sondern begünstigt den Bürgen zusätzlich.

dd) Der Bürge wäre auf Grundlage der Rechtsauffassung der Revision darüber hinaus bis zur Fälligkeit der Bürgschaft an einer frühzeitigen Sicherung seiner Regressansprüche gehindert. Da den Gläubiger bei Geltendmachung der Hauptforderung im Grundsatz keine Schutzpflichten gegenüber dem Bürgen treffen, ist es Sache des Bürgen, etwa bei Zögern des Gläubigers trotz Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des [X.], den Gläubiger sofort zu befriedigen und nach seinen Vorstellungen bei dem Schuldner Rückgriff zu nehmen bzw. auf für den Regress haftende Sicherheiten zuzugreifen (vgl. MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 765 Rn. 94; [X.]/[X.], [X.], 72. Aufl., § 765 Rn. 34; siehe auch [X.], Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das [X.], 1899, [X.], [X.]). Dazu ist im Zweifel weder die Fälligkeit der Bürgschaft (§ 271 Abs. 2 [X.]) noch eine vorherige Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger erforderlich ([X.], Urteil vom 14. Januar 1998 - [X.], [X.], 443, 446; MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 774 Rn. 4). Die von der Revision vertretene Auffassung würde dem Bürgen diese Reaktionsmöglichkeit nehmen, da ihm danach nicht nur der Zugriff auf die vom Gläubiger - zunächst - freigegebene Sicherheit verschlossen bliebe, sondern er zudem mit dem Risiko belastet würde, bei einem endgültigem Verlust der Sicherheit auf eine nicht bestehende Bürgschaftsverpflichtung gezahlt zu haben. Eine solche Schlechterstellung des Bürgen rechtfertigt die seinem Schutz dienende Regelung in § 776 [X.] nicht.

ee) Für das Entstehen eines Leistungsverweigerungsrechts spricht entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass § 776 [X.] die Werthaltigkeit der aufgegebenen Sicherheit erfordert. Zwar setzt § 776 [X.] voraus, dass der Bürge aus dem aufgegebenen Recht tatsächlich hätte Ersatz erlangen können (vgl. auch [X.]/Brödermann, [X.], 8. Aufl., § 776 Rn. 10; MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 776 Rn. 11; [X.] in Erman, [X.], 13. Aufl., § 776 Rn. 5; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2013, § 776 Rn. 16). Damit wird aber lediglich die Enthaftung des Bürgen auf den Wert eines ihm tatsächlich entgangenen Rückgriffs gegen weitere Sicherungsgeber begrenzt. Dies rechtfertigt es nicht, die Beurteilung der Werthaltigkeit einer aufgegebenen Sicherheit auf den Zeitpunkt der (fiktiven) Erfüllung der [X.] hinauszuschieben und bis dahin dem Bürgen lediglich eine Einrede zuzubilligen. Dem Bürgen wird nämlich, wie oben dargestellt, bereits ab der Aufgabe einer Sicherheit die Möglichkeit genommen, durch sofortige Zahlung diese Sicherheit zu erwerben. Zudem verlangt das Gebot der Rechtssicherheit auch hier, dem Bürgen sogleich Gewissheit über das Fortbestehen seiner Haftung zu verschaffen. Es ist daher auf den Zeitpunkt der Aufgabe der Sicherheit durch den Gläubiger abzustellen. War die Sicherheit bei ihrer Aufgabe werthaltig, sind später eintretende Wertänderungen für die einmal eingetretene Enthaftung grundsätzlich ohne Bedeutung.

c) Dem Beklagten ist es entgegen der Ansicht der Revision weiter nicht nach § 242 [X.] verwehrt, sich auf die von § 776 [X.] angeordnete Befreiung von der Bürgenhaftung zu berufen ([X.], [X.], 281, 282). Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn beachtliche Interessen eines anderen verletzt werden, ohne dass ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Rechtsinhabers besteht ([X.], Urteil vom 24. Februar 1994 - [X.], NJW 1994, 1351, 1352 mwN). Danach kommt eine Abweichung vom Gesetzeswortlaut nur in beson[X.] gelagerten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 25. Februar 1966 - [X.], [X.]Z 45, 179, 182 zu gesetzlichen Formvorschriften; siehe auch [X.], Urteil vom 22. Februar 1984 - VIII ZR 316/82, [X.]Z 90, 198, 205). Solche liegen hier nicht vor. Ein Gläubiger, der eine werthaltige Sicherheit unter Missachtung der Interessen des Bürgen aufgibt, ist nicht schutzwürdig (so auch [X.], [X.] a. - 1.12). Erhält er die ursprünglich aufgegebene Sicherheit zurück, kann er diese verwerten. Es besteht kein Anlass, zu seinen Gunsten darüber hinaus in Abweichung von § 776 [X.] die erloschene Haftung des Bürgen über § 242 [X.] wirtschaftlich wiederaufleben zu lassen und damit den Bürgen nicht nur mit der Unsicherheit zu belasten, ob es dem Gläubiger gelingt, bis zur Realisierung der Bürgenhaftung die zunächst aufgegebene Sicherheit wiederzuerlangen, sondern auch mit dem Risiko einer Nichtverwertbarkeit der zunächst aufgegebenen Sicherheit.

d) Der Einwand der Revision, der Beklagte habe sich mündlich mit einer Teilabtretung der Grundschuld einverstanden erklärt, hat aus Rechtsgründen keinen Erfolg. Deswegen kommt es nicht darauf an, ob - wie die Revision meint - das Berufungsgericht mit Zurückweisung dieses Vortrags der Klägerin § 531 Abs. 2 ZPO verletzt hat.

aa) Die von der Revision in einem solchen Einverständnis des Bürgen gesehene Änderung des [X.] würde gegen die gesetzliche Form des § 766 [X.] verstoßen. Wie die Revisionserwiderung zutreffend ausführt, unterwirft § 766 [X.] nach seinem Schutzzweck alle den Bürgen belastenden Abreden der Schriftform ([X.], Urteil vom 30. Januar 1997 - [X.], [X.], 536, 538; zur Einrede der [X.] Urteil vom 25. September 1968 - [X.], [X.], 1200; so auch MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 766 Rn. 13; [X.] in Schimansky/Bunte/ [X.], [X.], 4. Aufl., § 91 Rn. 49; [X.]/[X.], [X.], 12. Aufl., § 776 Rn. 16; [X.] in BeckOK [X.], Stand 1. Mai 2013, § 766 Rn. 5). [X.] sind auch die Haftung des Bürgen erweiternde Nebenabreden, die nach Übernahme der Bürgschaft getroffen werden ([X.], Urteile vom 25. September 1968 - [X.], [X.], 1200 und vom 30. Januar 1997 - [X.], [X.], 625, 626 f.). Eine - hier von der Revision behauptete - Vereinbarung zur [X.], die zu einem Verlust der Rechte aus § 776 [X.] führt, ist für den Bürgen ungünstig. Da sich die Klägerin lediglich auf eine mündliche Absprache beruft, die mangels Eingreifen der Vorschrift des § 350 HGB nicht ausreicht, wäre eine darin liegende Änderung des [X.] nach § 125 Satz 1, § 766 [X.] unwirksam.

bb) Die Frage, ob die Haftung des Bürgen entgegen § 776 [X.] bestehen bleibt, wenn er formlos in die Aufgabe der Sicherheit einwilligt (vgl. dazu etwa [X.], Urteil vom 20. Oktober 2001 - [X.], [X.], 2378, 2379; MünchKomm[X.]/[X.], 5. Aufl., § 776 Rn. 4; [X.]/Brödermann, [X.], 8. Aufl., § 776 Rn. 14), bedarf keiner Klärung, da nach dem - von der Revision wiederholten - Vortrag der Klägerin der Beklagte sein Einverständnis erst nach Abtretung der Grundschuld erklärt haben soll.

cc) Das - hier auf § 776 Satz 1 [X.] beruhende - Erlöschen einer Verpflichtung kann grundsätzlich nicht durch einen nachträglichen Verzicht des ursprünglich Verpflichteten rückgängig gemacht werden. Vielmehr bedarf es nach einem solchen [X.] einer - im vorliegenden Fall nach § 766 [X.] - formbedürftigen Neubegründung des Schuldverhältnisses (vgl. [X.]/[X.], [X.], 72. Aufl., vor § 362 Rn. 1; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2013, § 766 Rn. 11).

e) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den Wert der aufgegebenen Sicherheit mit 1.694.000 € beziffert und dabei den Verkehrswert der belasteten Immobilie von 2 Mio. € zu Grunde gelegt. Die Revision hält dem ohne Erfolg entgegen, dass statt dessen der vom Insolvenzverwalter bei Verkauf der belasteten Immobilie erzielte Erlös von 1.269.000 € maßgebend sei. Nach den [X.] und auch von der Revision zugrunde gelegten Feststellungen des Berufungsgerichts ist nämlich zwischen den Parteien unstreitig, dass der Verkehrswert der Immobilie 2 Mio. € betrug. Ob sich dieser Wert in der Insolvenz der Hauptschuldnerin voll realisieren ließ, beeinflusst - wie oben dargestellt - die im Zeitpunkt der Aufgabe der Sicherheit eingetretene Haftungsbefreiung des Beklagten nicht, da diese Sicherheit in voller Höhe durch den Wert der Immobilie gedeckt, also - wie § 776 [X.] es verlangt - werthaltig war.

3. Soweit die Revision die vom Berufungsgericht ausgesprochene Zug-um-Zug-Verurteilung angreift, weil das Zurückbehaltungsrecht inzwischen durch Löschung der Grundschuld untergegangen sei, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der nach § 559 ZPO in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichtigen ist. Zudem ist die Umstellung eines Zug-um-Zug-Antrags auf unbedingte Zahlung als Klageerweiterung anzusehen (Senatsurteil vom 27. Februar 2007 - [X.], juris Rn. 30), die in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig ist ([X.], Urteile vom 23. Juni 2005 - I ZR 227/02, [X.], 854, 856 und vom 2. Juli 1971 - [X.], [X.], 1251, 1252). Die Revision, die die Reduzierung des Klageantrags mit dem Wegfall der Zug-um-Zug-Verurteilung wirtschaftlich verrechnen will, übersieht, dass sie bereits in erster Instanz die Verurteilung des Beklagten Zug um Zug gegen Übertragung der Grundschuld beantragt und im Berufungsverfahren das entsprechende erstinstanzliche Urteil verteidigt hat. Damit ist ein uneingeschränktes Zahlungsbegehren bislang nicht Streitgegenstand des Verfahrens gewesen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 19. Dezember 1991 - [X.], [X.]Z 117, 1, 3).

4. Nach all dem hat die Klägerin mit Abtretung des erstrangigen Teilbetrags der Sicherungsgrundschuld am 9. März 2009 gemäß § 776 [X.] in dieser Höhe ihren Anspruch aus der Bürgschaft verloren, sodass die dem Beklagten am 7. Dezember 2010 zugestellte Klage insoweit von Anfang an unbegründet war. Die Abweisung der Klage hat somit sowohl hinsichtlich des noch aufrechterhaltenen Leistungs- als auch des neu gestellten [X.] mit der Folge, dass die Revision insgesamt zurückzuweisen ist (vgl. [X.], Urteil vom 18. April 2002 - [X.], juris Rn. 71).

Wiechers                     Ellenberger                     Maihold

                Matthias                          Pamp

Meta

XI ZR 505/11

04.06.2013

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Bamberg, 17. November 2011, Az: 1 U 88/11, Urteil

§ 766 BGB, § 776 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 04.06.2013, Az. XI ZR 505/11 (REWIS RS 2013, 5361)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5361

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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