Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2013, Az. XI ZR 505/11

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 5356

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
XI [X.]
Verkündet am:

4.
Juni 2013

Herrwerth,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] §§ 776, 766
a)
Eine Bürgschaft erlischt nach § 776 [X.] durch Aufgabe einer weiteren für [X.] Hauptforderung bestehenden Sicherheit. Anders als ein Leistungsverweige-rungsrecht entfällt diese Rechtsfolge des §
776 [X.] nicht dadurch, dass der Gläubiger die zunächst aufgegebene Sicherheit später zurückerwirbt oder neu be-gründet.
b)
Ein Verzicht des Bürgen, mit dem das Erlöschen der Bürgschaft rückgängig [X.] werden soll, unterliegt als Neubegründung dieses Schuldverhältnisses der Form des §
766 [X.].

[X.], Urteil vom 4. Juni 2013 -
XI [X.] -
OLG Bamberg

[X.]

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 4.
Juni 2013
durch [X.] [X.] und [X.]
Ellenberger, [X.],
Dr.
Matthias
und
Pamp
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1.
Zivilsenats des [X.] vom 17.
November 2011 wird auf [X.] Kosten zurückgewiesen.
Das vorgenannte Urteil wird wegen offenbarer Unrichtigkeit dahin-gehend berichtigt, dass im Tenor der Einleitungssatz der Ziff.
1 wie folgt lautet:
"Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29.06.2011, [X.].: 31 O 424/10, unter Zurück-weisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:"
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung aus einem [X.]. Dem hält der Beklagte entgegen, er sei nach §
776 [X.] frei geworden, soweit die Klägerin eine dieselbe Hauptschuld sichernde [X.]

vorübergehend

abgetreten habe.
1
-
3
-
Die Klägerin gewährte der L.

KG (nachfolgend: Haupt-schuldnerin) am 11.
Juli 2008 ein Darlehen über 2
Mio.

r-nahm neben drei weiteren Personen am selben Tag eine selbstschuldnerische Bürgschaft über 2
Mio.

e-sem Darlehen. Bereits am 7.
Juli 2008 hatte die Hauptschuldnerin der Klägerin zur Sicherung der Ansprüche aus diesem Darlehensvertrag eine erstrangige werthaltige Buchgrundschuld in Höhe von 2
Mio.

[X.]

bestellt. Hiervon trat die Klägerin am 9.
März 2009 einen erstrangigen Teilbetrag in Höhe von 1,1
Mio.

n-leistungen und Zinsen in Höhe von 18% p.a. seit dem 11.
Juli 2008 an die

Bank eG A.

(nachfolgend:

Bank) zur Sicherung von zwei der S.

GmbH & Co. KG, der Holdinggesellschaft der Klägerin, gewährten Darlehen ab. Am 30.
September 2010 kündigte die Klägerin das der Haupt-schuldnerin gewährte Darlehen wegen drohender Vermögensverschlechterung und forderte den Beklagten zur
Zahlung der Bürgschaftssumme auf. Die Haupt-schuldnerin, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, [X.] sich mit mehreren Zinszahlungen und einer Tilgungsrate in Rückstand. Der Verkehrswert der belasteten Immobilie betrug 2
Mio.

u-fungsverfahrens wurde am 1.
August 2011 die Grundschuld an die Klägerin zu-rückabgetreten.
Das [X.] hat der Klage auf Zahlung von 2
Mio.

Zug um Zug gegen Abtretung der Grundschuld sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert,
den Beklagten zur Zahlung von 306.000

Urteilssumme entsprechenden, erstrangigen Teils der Grundschuld verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klägerin, die nach Erlass des Beru-fungsurteils am
1.
Dezember 2011 aus einer Verwertung der Grundschuld 2
3
-
4
-
1.269.000

Revision nunmehr Zahlung von 731.000

gegen Abtretung eines der Klagesumme entsprechenden "erstrangigen" Teils der Grundschuld. In Höhe von 1.269.000

i-onsverfahren für erledigt erklärt. Der Beklagte hat sich dieser [X.] nicht angeschlossen.

Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin
hat sowohl zum [X.] als auch zu dem für erledigt erklärten Teil keinen Erfolg.

I.
Die Klagepartei kann in der Revisionsinstanz den Rechtsstreit in der Hauptsache einseitig für erledigt erklären, wenn das erledigende Ereignis

hier die Zahlung von 1.269.000

Dezember 2011

außer Streit steht (st.
Rspr., vgl. [X.], Urteile vom 14.
Juli 2008

II
ZR
132/07, [X.], 1806, 1807 und vom 25.
Januar 1996

VII
ZR
26/95, NJW 1996, 1280, 1281 jeweils mwN). Die Feststellung einer

hier teilweisen

Erledigung der Hauptsache ei-nes Rechtsstreits setzt neben dem Eintritt eines erledigenden Ereignisses [X.], dass die Klage in diesem Zeitpunkt insoweit zulässig und begründet war (vgl. [X.], Urteil vom 18.
April 2002

I
ZR
72/99, juris Rn.
41 mwN). [X.] ist sie abzuweisen bzw., soweit

wie im vorliegenden Verfahren

die Klage bereits in der Vorinstanz abgewiesen worden ist, die Revision zurückzuweisen 4
5
-
5
-
([X.], Urteil vom 19.
Februar 2009 -
I
ZR
160/06, NJW-RR 2009, 990 Rn.
7 mwN).

II.
Die Klage war hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils im Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses unbegründet. Sie hat auch in dem von der Klägerin mit dem [X.] weiterverfolgten Teil keinen Erfolg.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in [X.], 691 veröffentlichten Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin habe gegen den Beklagten gemäß §
765
Abs.
1 [X.] eine Bürgschaftsforderung von 306.000

r-bürgten 1.694.000

776 Satz
1 [X.] von sei-ner Einstandspflicht frei geworden. Die streitige Rechtsnatur dieser Vorschrift könne dahinstehen, da jedenfalls deren Zweck in der Sicherung des Rückgriffs des vom Gläubiger in Anspruch genommenen Bürgen nach §
774
Abs.
1 Satz
1, §§
412, 401 [X.] bestehe. Diesen verwirkliche §
776 [X.], indem der Bürge im Umfang einer Aufgabe der weiteren Sicherheit von der [X.] frei werde, soweit er aus dem aufgegebenen Recht gemäß
§
774 [X.] hätte Ersatz erlangen können. Nach seinem Wortlaut knüpfe §
776 [X.] an die Aufgabe der Sicherheit einen unmittelbar eintretenden [X.] des Gläubigers und nicht etwa lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht des Bür-gen. Die Formulierung ""
entspreche derjenigen in §
777
Abs.
1 [X.], wo fraglos Erlöschenstatbestände normiert seien. Eine für die Hauptforderung begebene Sicherungsgrundschuld gehöre zu den von §
776 [X.] erfassten [X.]. Deren Aufgabe sei durch rechtsgeschäftliche Übertragung 6
7
8
-
6
-
bewirkt, wenn die Verwertungsmöglichkeit der werthaltigen Sicherheit dadurch rechtlich oder tatsächlich
beseitigt sei.
Danach habe die Klägerin am 9.
März 2009 ihr Sicherungsrecht im Um-fang der Teilabtretung aufgegeben im Sinne von §
776 [X.]. Denn insoweit habe sie rechtsgeschäftlich über die Grundschuld verfügt und Rechte aus dem Sicherungsrecht verloren. Es sei nicht maßgeblich, ob die Sicherungsgrund-schuld als solche noch existiere und für die Klägerin wieder erlangbar sei. [X.] sei ohne Bedeutung, dass die Klägerin während des Berufungsverfah-rens deren Rückabtretung erreicht habe. Weder lebe die Bürgschaftsforderung dadurch wieder auf, noch sei der Bürge nach [X.] und Glauben gehindert, sich auf §
776 [X.] zu berufen. Zwar spreche für die gegenteilige, rein [X.] Betrachtungsweise, dass der Bürge im Zeitpunkt seiner Zahlung nicht (mehr) schlechter gestellt sei als vor Aufgabe der Sicherheit. Schon aus Grün-den der Rechtssicherheit sei es aber geboten, dass ein einmal eingetretenes Freiwerden nicht wieder durch Handlungen des Gläubigers beseitigt werden könne. Andernfalls müsse man dem Gläubiger auch zugestehen, durch Be-schaffung einer anderen gleichwertigen Sicherheit ein Freiwerden des Bürgen zu verhindern. Dies werde von niemandem vertreten, zumal nach §
776 Satz
2 [X.] auch später hinzugekommene Sicherungsmittel dem Bürgen zugute kä-men und bei ihrer Aufgabe einen eigenen Erlöschenstatbestand begründeten. Ohne Erfolg mache die Klägerin geltend, der Beklagte sei mit der Teilabtretung einverstanden gewesen. Hierbei handele es sich um erstmals in der Berufungs-instanz gehaltenes und durch den Beklagten [X.] Vorbringen, das nicht gemäß §
531
Abs.
2 ZPO zuzulassen sei.
Da der Verkehrswert der Immobilie unstreitig 2
Mio.

die Grundschuld in dieser Höhe werthaltig gewesen. Durch deren Teilabtretung sei unter Berücksichtigung von Grundschuldzinsen eine Sicherheit im Wert von 9
10
-
7
-
insgesamt 1.694.000

306.000

2. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung stand.
Der Beklagte ist in Höhe von 1.694.000

776 Satz
1 [X.] von seiner Einstandspflicht frei geworden, da die Klägerin durch die Teilabtretung der Grundschuld vom 9.
März 2009 eine mit der Hauptforderung verbundene Sicherheit aufgegeben hat, aus der der Beklagte als Bürge nach §
774 [X.] insoweit hätte Ersatz erlangen können.
a) Die von der Klägerin am 9.
März 2009 in Höhe von 1.100.000

e-tretene Sicherungsgrundschuld ist ein selbstständiges Sicherungsrecht im [X.] von §
776 [X.] ([X.], Urteil vom 6.
April 2000

IX
ZR
2/98, [X.], 1141, 1144 mwN). Dieses hat die Klägerin gemäß §
776 Satz
1 [X.] aufgege-ben; dafür muss entgegen der Ansicht der Revision kein Verzicht zugunsten desjenigen vorliegen, der diese Sicherheit bestellt hat.
aa) Der Wortlaut von §
776 Satz
1 [X.] enthält keine derartige Be-schränkung. "Aufgeben" ist vielmehr jede gewollte Handlung ([X.], Urteil vom 17.
September 1959

VII
ZR
115/58, [X.], 51), durch die der Gläubiger auf eine Verwertungsmöglichkeit der Sicherheit verzichtet oder ansonsten [X.] deren wirtschaftlichen Wert beseitigt ([X.], Urteil vom 15.
Juli 1999

IX
ZR
243/98, [X.], 1761, 1763, insoweit nicht in [X.]Z
142, 213 abge-druckt). Danach erfasst §
776 [X.] auch den Fall, dass der Gläubiger das Si-cherungsrecht einem Dritten überlässt ([X.], Urteil vom
3.
November 2005

IX
ZR
181/04, [X.]Z
165, 28, 35).
bb) Dass die rechtsgeschäftliche Übertragung eines [X.] auf einen Dritten als Aufgabe dieser Sicherheit im Sinne von
§
776 Satz
1 [X.] 11
12
13
14
15
-
8
-
anzusehen ist, entspricht zudem Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Bürge, der mit seinem gesamten Vermögen für die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Bürgschaft einzustehen hat, soll vor einer Vereitelung seiner Rückgriffsrechte aus §
774 [X.] geschützt werden, die eintreten würde, wenn der Gläubiger zu Lasten des Bürgen weitere für dieselbe Hauptschuld bestellte Sicherungsrechte einseitig aufgeben könnte ([X.], Urteil vom 2.
März 2000

IX
ZR
328/98, [X.]Z
144, 52, 57). Dieses Schutzes durch §
776 Satz
1 [X.] bedarf der Bürge unabhängig davon, ob ein seinen künftigen Regress gemäß
§
774
Abs.
1 Satz
1, §§
412, 401 [X.] sicherndes Recht dem ursprünglichen Sicherungsge-ber oder einem Dritten übertragen wird, da sein Rückgriffsanspruch in beiden Fällen in gleicher Weise beeinträchtigt ist.
b) Das Berufungsgericht
geht weiter zutreffend davon aus, dass nach §
776 [X.] eine Bürgschaft durch Aufgabe einer weiteren für dieselbe Haupt-forderung bestehenden Sicherheit erlischt. §
776 [X.] begründet in einem sol-chen Fall

entgegen der Auffassung der Revision

nicht nur ein Leistungsver-weigerungsrecht des Bürgen. Ebenso entfällt das Merkmal einer Aufgabe der Sicherheit in §
776 [X.] nicht nachträglich dadurch, dass der Gläubiger die [X.] aufgegebene Sicherheit später zurückerwirbt oder neu begründet.
aa) Die Rechtsprechung geht davon aus, dass der Bürge mit Aufgabe der weiteren Sicherheit durch den Gläubiger insoweit von seiner Verpflichtung befreit wird (vgl. [X.], Urteile vom 2.
März 2000

IX
ZR
328/98, [X.]Z
144, 52, 57 und vom 3.
November 2005

IX
ZR
181/04, [X.]Z
165, 28, 35). Diese [X.] entspricht dem Willen des Gesetzgebers (vgl. [X.], Die gesammten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das [X.], 1899, Band
II, S.
379) und findet auch in der Literatur ganz überwiegend Zustimmung ([X.] in [X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
776 Rn.
5; [X.]/
Brödermann, [X.], 8. Aufl., §
776 Rn.
10; [X.], Recht der Kreditsicherheiten, 16
17
-
9
-
8.
Aufl., Rn.
1008 f.; [X.], [X.], 93; [X.] in [X.]/[X.], Bank-
und Kapitalmarktrecht, 4.
Aufl., Rn.
12.291; E.
Herrmann in [X.], [X.], 13.
Aufl., §
776 Rn.
5; [X.], Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., §
776 [X.] Rn.
17; ders.,
[X.] a.

1.12; Prütting in jurisPK-[X.], 6. Aufl., §
776 Rn.
8; Rohe in BeckOK [X.], Stand 1.
Mai 2013, §
776 Rn.
7; [X.]/[X.], [X.], 72.
Aufl., §
776 Rn.
4; [X.] in [X.], [X.], 14. Aufl., §
776 Rn.
4;
[X.] in [X.], [X.], 7.
Aufl., §
776 Rn.
5; so auch schon [X.], [X.], 4.
Aufl., §
776 S.
1466; [X.], [X.], 281, 282 und Soergel/[X.], [X.], 12.
Aufl., §
776 Rn.
24; wohl auch [X.], [X.], 1191, 1193
f.).

bb) Bereits der Wortlaut des §
776 [X.] beschränkt den Bürgen nicht auf eine bis zur Wiedererlangung der aufgegebenen Sicherheit bestehende [X.], sondern spricht vom Freiwerden des Bürgen, d.h.
von einer Beendigung seiner Haftung. Dem entspricht

wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt

die Formulierung in §
777
Abs.
1 Satz
1 [X.], der sowohl der [X.] (Urteile vom 6.
Mai 1997

IX
ZR
136/96, NJW 1997, 2233, 2234 und vom 13.
Juni 2002

IX
ZR
398/00, [X.], 1645, 1646 f.) als auch die Literatur ([X.], Recht der Kreditsicherheiten, 8.
Aufl., Rn.
1037; [X.] in [X.]/[X.], Bank-
und Kapitalmarktrecht, 4.
Aufl., Rn.
12.303; Münch-Komm[X.]/[X.], 5. Aufl., §
777 Rn.
14; [X.] in [X.], [X.], 13.
Aufl., §
777 Rn.
3; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2013, §
777 Rn.
3; [X.], Kommentar zum Kreditrecht, 2.
Aufl., §
777 [X.] Rn.
5; Prütting in jurisPK-[X.], 6. Aufl., §
777 Rn.
8; Rohe in BeckOK [X.], Stand 1.
Mai 2013, §
777 Rn.
7; [X.] in [X.], [X.], 14. Aufl., §
777 Rn.
7; [X.] in [X.], [X.], 7. Aufl., §
777 Rn.
6) ein Erlöschen der Verpflichtung des Bür-gen entnehmen.

18
-
10
-
[X.]) Zudem widerspräche es dem Gebot der Rechtssicherheit, die [X.] des Bürgen nach Aufgabe einer weiteren Sicherheit durch den Gläubiger in der Schwebe zu halten. Der Bürge soll zur Wahrung seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit alsbald wissen, ob und in welchem Umfang er von der [X.] aus der Bürgschaft aufgrund der ihn privilegierenden Vorschrift des §
776 [X.] frei geworden ist (vgl. zu diesem Auslegungskriterium [X.], Urteil vom 8.
Dezember 2010

VIII
ZR
27/10, NJW 2011, 1867 Rn.
16, 18). Dem wäre nicht Genüge getan, ließe man diese Frage bis zu einem endgültigen Unter-gang der Sicherheit unbeantwortet bzw. gestattete man

die Auffassung der Revision konsequent fortgedacht

dem Gläubiger die spätere Stellung einer gleichwertigen Sicherheit. Aus diesem Grund sieht das Gesetz nach Sicherhei-tenaufgabe durch den Gläubiger keine Möglichkeit zur Rückgängigmachung der eingetretenen Enthaftung des Bürgen vor. Dem entspricht, dass

worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist

nach Übernahme der Bürgschaft hinzu-tretende Sicherungsmittel gemäß §
776 Satz
2 [X.] ebenfalls dem Bürgen zu-gute kommen und bei ihrer Aufgabe einen eigenen Erlöschenstatbestand nach §
776 Satz
1 [X.] begründen. Die Rückübertragung einer einmal aufgegebe-nen
Sicherheit kompensiert damit nicht deren zunächst eingetretenen Verlust, sondern begünstigt den Bürgen zusätzlich.
dd) Der Bürge wäre auf Grundlage der Rechtsauffassung der Revision darüber hinaus bis zur Fälligkeit der Bürgschaft an einer frühzeitigen Sicherung seiner Regressansprüche gehindert. Da den Gläubiger bei Geltendmachung der Hauptforderung im Grundsatz keine Schutzpflichten gegenüber dem Bürgen treffen, ist es Sache des Bürgen, etwa bei Zögern des Gläubigers trotz Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des [X.], den Gläubiger sofort zu befrie-digen und nach seinen Vorstellungen bei dem Schuldner Rückgriff zu nehmen bzw. auf für den Regress haftende Sicherheiten zuzugreifen (vgl. Münch-Komm[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
765 Rn.
94; [X.]/[X.], [X.], 72.
Aufl., 19
20
-
11
-
§
765 Rn.
34; siehe auch [X.], Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das [X.], 1899, Bd.
II, S.
379). Dazu ist im Zweifel weder die Fälligkeit der Bürgschaft (§
271
Abs.
2 [X.]) noch eine vorherige In-anspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger erforderlich ([X.], Urteil vom 14.
Januar 1998

XII
ZR
103/96, [X.], 443, 446; MünchKomm[X.]/
[X.], 5.
Aufl., §
774 Rn.
4). Die von der Revision vertretene Auffassung würde dem Bürgen diese Reaktionsmöglichkeit nehmen, da ihm danach nicht nur der Zugriff auf die vom Gläubiger

zunächst

freigegebene Sicherheit ver-schlossen bliebe, sondern er zudem mit dem Risiko belastet würde, bei einem endgültigem Verlust der Sicherheit auf eine nicht bestehende Bürgschaftsver-pflichtung gezahlt zu haben. Eine solche Schlechterstellung des Bürgen recht-fertigt die seinem Schutz dienende Regelung in §
776 [X.] nicht.
ee) Für das Entstehen eines Leistungsverweigerungsrechts spricht ent-gegen der Auffassung der Revision nicht, dass §
776 [X.] die Werthaltigkeit der aufgegebenen Sicherheit erfordert. Zwar setzt §
776 [X.] voraus, dass der Bürge
aus dem aufgegebenen Recht tatsächlich hätte Ersatz erlangen können (vgl. auch [X.]/Brödermann, [X.], 8.
Aufl., §
776 Rn.
10; MünchKomm[X.]/
[X.], 5. Aufl., §
776 Rn.
11; [X.] in [X.], [X.], 13. Aufl., §
776 Rn.
5; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2013, §
776 Rn.
16). Damit wird aber lediglich die Enthaftung des Bürgen auf den Wert eines ihm tatsächlich entgangenen Rückgriffs gegen weitere Sicherungsgeber begrenzt. Dies recht-fertigt es nicht, die Beurteilung der Werthaltigkeit einer aufgegebenen Sicherheit auf den Zeitpunkt der (fiktiven) Erfüllung der [X.] und bis dahin dem Bürgen lediglich eine Einrede zuzubilligen. Dem Bürgen wird nämlich, wie oben dargestellt, bereits ab der Aufgabe einer Sicherheit die Möglichkeit genommen, durch sofortige Zahlung diese Sicherheit zu erwerben. Zudem verlangt das Gebot der Rechtssicherheit auch hier, dem Bürgen so-gleich Gewissheit über das Fortbestehen seiner Haftung zu verschaffen. Es ist 21
-
12
-
daher auf den Zeitpunkt der Aufgabe der
Sicherheit durch den Gläubiger abzu-stellen. War die Sicherheit bei ihrer Aufgabe werthaltig, sind später eintretende Wertänderungen für die einmal eingetretene Enthaftung grundsätzlich ohne Be-deutung.
c) Dem Beklagten ist es entgegen der Ansicht der Revision weiter nicht nach §
242 [X.] verwehrt, sich auf die von §
776 [X.] angeordnete Befreiung von der Bürgenhaftung zu berufen ([X.], [X.], 281, 282). Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn beachtliche Interessen eines anderen verletzt werden, ohne dass ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Rechtsinhabers [X.] ([X.], Urteil vom 24.
Februar 1994

IX
ZR
120/93, NJW 1994, 1351, 1352 mwN). Danach kommt eine Abweichung vom Gesetzeswortlaut nur in [X.] gelagerten Ausnahmefällen in Betracht (vgl. [X.], Urteil vom 25.
Februar 1966

V
ZR
126/64, [X.]Z
45, 179, 182 zu gesetzlichen Formvor-schriften; siehe auch [X.], Urteil vom 22.
Februar 1984

VIII
ZR
316/82, [X.]Z
90, 198, 205). Solche liegen hier nicht vor. Ein Gläubiger, der eine werthaltige Sicherheit unter Missachtung der Interessen des Bürgen aufgibt, ist nicht schutzwürdig (so auch [X.], [X.] a.

1.12). Erhält er die ursprünglich aufgegebene Sicherheit zurück, kann er diese verwerten. Es besteht kein An-lass, zu seinen Gunsten darüber hinaus in
Abweichung von §
776 [X.] die er-loschene Haftung des Bürgen über §
242 [X.] wirtschaftlich wiederaufleben zu lassen und damit den Bürgen nicht nur mit der Unsicherheit zu belasten, ob es dem Gläubiger gelingt, bis zur Realisierung der Bürgenhaftung die zunächst aufgegebene Sicherheit wiederzuerlangen, sondern auch mit dem Risiko einer Nichtverwertbarkeit der zunächst aufgegebenen Sicherheit.
d) Der Einwand der Revision, der Beklagte habe sich mündlich mit einer Teilabtretung der Grundschuld einverstanden
erklärt, hat aus Rechtsgründen keinen Erfolg. Deswegen kommt es nicht darauf an, ob

wie die Revision 22
23
-
13
-
meint

das Berufungsgericht mit Zurückweisung dieses Vortrags der Klägerin §
531
Abs.
2 ZPO verletzt hat.
aa) Die von der Revision in einem solchen Einverständnis des Bürgen gesehene Änderung des [X.] würde gegen die gesetzliche Form des §
766 [X.] verstoßen. Wie die Revisionserwiderung zutreffend aus-führt, unterwirft §
766 [X.] nach seinem Schutzzweck alle den Bürgen belas-tenden Abreden der Schriftform ([X.], Urteil vom 30.
Januar 1997

IX
ZR
133/96, [X.], 536, 538; zur Einrede der [X.] Urteil vom 25.
September 1968

VIII
ZR
164/66, [X.], 1200; so auch Münch-Komm[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
766 Rn.
13; [X.] in Schimansky/Bunte/
[X.], [X.], 4.
Aufl., §
91 Rn.
49; Soergel/[X.], [X.], 12. Aufl., §
776 Rn.
16; Rohe in BeckOK [X.], Stand 1.
Mai 2013, §
766 Rn.
5). [X.] sind auch die Haftung des Bürgen erweiternde Nebenabreden, die nach Übernahme der Bürgschaft getroffen werden ([X.], Urteile vom 25.
September 1968

VIII
ZR
164/66, [X.], 1200 und vom 30.
Januar 1997

IX
ZR
133/96, [X.], 625, 626 f.). Eine

hier von der Revision be-hauptete

Vereinbarung zur [X.], die zu einem Verlust
der Rechte aus §
776 [X.] führt, ist für den Bürgen ungünstig. Da sich die Klägerin lediglich auf eine mündliche Absprache beruft, die mangels Eingreifen der Vor-schrift des §
350 HGB nicht ausreicht, wäre eine darin liegende Änderung des [X.] nach §
125 Satz
1, §
766 [X.] unwirksam.
bb) Die Frage, ob die Haftung des Bürgen entgegen §
776 [X.] beste-hen bleibt, wenn er formlos in die Aufgabe der Sicherheit einwilligt (vgl. dazu etwa [X.], Urteil vom 20.
Oktober 2001

IX
ZR
185/00, [X.], 2378, 2379; MünchKomm[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
776 Rn.
4; [X.]/Brödermann, [X.], 8.
Aufl., §
776 Rn.
14), bedarf keiner Klärung, da nach dem

von der Revision 24
25
-
14
-
wiederholten

Vortrag der Klägerin der Beklagte sein Einverständnis erst nach Abtretung der Grundschuld erklärt haben soll.

[X.]) Das

hier auf §
776 Satz
1 [X.] beruhende

Erlöschen einer Ver-pflichtung kann grundsätzlich nicht durch einen nachträglichen Verzicht des ur-sprünglich Verpflichteten rückgängig gemacht werden. Vielmehr bedarf es nach einem solchen [X.] einer

im vorliegenden Fall nach §
766 [X.]

formbedürftigen Neubegründung des Schuldverhältnisses (vgl. [X.]/
[X.], [X.], 72.
Aufl., vor §
362 Rn.
1;
[X.]/[X.], [X.], Neubear-beitung 2013, §
766 Rn.
11).
e) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den Wert der aufgegebenen Sicherheit mit 1.694.000

Immobilie von 2
Mio.

zu Grunde gelegt. Die Revision hält dem ohne Erfolg entgegen, dass statt dessen der vom Insolvenzverwalter bei Verkauf der belas-teten Immobilie erzielte Erlös von 1.269.000

rechtsfehlerfreien und auch von der Revision zugrunde gelegten Feststellungen des Berufungsgerichts ist nämlich zwischen den Parteien unstreitig, dass der Verkehrswert der Immobilie 2
Mio.

betrug. Ob sich dieser Wert in der [X.] voll realisieren ließ, beeinflusst

wie oben darge-stellt

die im Zeitpunkt der Aufgabe der Sicherheit eingetretene Haftungsbefrei-ung des Beklagten nicht, da diese Sicherheit in voller Höhe durch den Wert der Immobilie gedeckt, also

wie §
776 [X.] es verlangt

werthaltig war.
3. Soweit die Revision die vom Berufungsgericht ausgesprochene Zug-um-Zug-Verurteilung angreift, weil das Zurückbehaltungsrecht inzwischen durch Löschung der Grundschuld untergegangen sei, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der nach §
559 ZPO in der Revisionsinstanz nicht zu berücksichti-26
27
28
-
15
-
gen ist. Zudem ist die Umstellung eines Zug-um-Zug-Antrags auf unbedingte Zahlung als Klageerweiterung anzusehen (Senatsurteil vom 27.
Februar 2007

XI
ZR
55/06, juris Rn.
30), die in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzuläs-sig ist ([X.], Urteile vom 23.
Juni 2005

I
ZR
227/02, [X.], 854, 856 und vom 2.
Juli 1971

V
ZR
50/69, [X.], 1251, 1252). Die Revision, die die Reduzierung des Klageantrags mit dem Wegfall der Zug-um-Zug-Verurteilung wirtschaftlich verrechnen will, übersieht, dass sie bereits in erster Instanz die Verurteilung des Beklagten Zug um Zug gegen Übertragung der Grundschuld beantragt und im Berufungsverfahren das entsprechende erstin-stanzliche Urteil verteidigt hat. Damit ist ein uneingeschränktes Zahlungsbegeh-ren bislang nicht Streitgegenstand des Verfahrens gewesen (vgl. dazu [X.], Urteil vom 19.
Dezember 1991

IX
ZR
96/91, [X.]Z
117, 1, 3).
4. Nach all dem hat die Klägerin mit Abtretung des erstrangigen Teilbe-trags der Sicherungsgrundschuld am 9.
März 2009 gemäß §
776 [X.] in dieser Höhe ihren Anspruch aus der Bürgschaft verloren, sodass die dem Beklagten am 7.
Dezember 2010 zugestellte Klage insoweit von Anfang an [X.]
-
16
-
war. Die Abweisung der Klage hat somit sowohl
hinsichtlich des noch aufrecht-erhaltenen Leistungs-
als auch des neu gestellten [X.] mit der Folge, dass die Revision insgesamt zurückzuweisen ist (vgl. [X.], Urteil vom 18.
April 2002

I
ZR
72/99, juris Rn.
71).

[X.]

Ellenberger

[X.]

Matthias

Pamp

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 29.06.2011 -
31 O 424/10 -

OLG Bamberg, Entscheidung vom 17.11.2011 -
1 [X.] -

Meta

XI ZR 505/11

04.06.2013

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.06.2013, Az. XI ZR 505/11 (REWIS RS 2013, 5356)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5356

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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