Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.08.2021, Az. VIII ZR 329/19

8. Zivilsenat | REWIS RS 2021, 3555

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Gegenstand

Wohnraummietvertrag: Berechtigtes Interesse des Hauptmieters an der Kündigung eines Untermietvertrages nach mehr als 20 Jahren wegen Widerrufs der Untervermietungserlaubnis


Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Kläger durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe

I.

1

1. Die Kläger begehren vom [X.] die Räumung einer im Eigentum ihrer Streithelferin stehenden Dreizimmerwohnung in B.   .

2

Die Kläger sind seit März 1987 Hauptmieter der Wohnung. [X.] beschlossen sie, aus beruflichen Gründen aus B.    wegzuziehen. Da sie die Absicht hegten, zu einem späteren Zeitpunkt in die Wohnung zurückzukehren, baten sie die damalige Eigentümerin, die Wohnung ab 1. Juli 1995 an den [X.] untervermieten zu dürfen. Die Erlaubnis hierfür wurde ihnen mit Schreiben der von der damaligen Eigentümerin beauftragten Hausverwaltung vom 27. März 1995 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt. Seither ist der Beklagte ([X.] der Wohnung.

3

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2017 widerrief die Streithelferin die Erlaubnis zur Untervermietung und forderte die Kläger auf, das Mietverhältnis mit dem [X.] unverzüglich zu beenden, diesem spätestens bis zum 31. Dezember 2017 zu kündigen und ihr die Kündigung nachzuweisen. Eine weitere Nutzungsüberlassung an den [X.] betrachte sie als Vertragsverletzung, die eine Abmahnung und gegebenenfalls die Kündigung des [X.] nach sich ziehen werde.

4

Daraufhin kündigten die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 29. Januar 2018 das [X.] gegenüber dem [X.] ordentlich zum 31. Oktober 2018 unter Hinweis darauf, dass ihnen die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund des Widerrufs der [X.] unzumutbar geworden sei. Ferner teilten sie mit, die Klägerin wolle die Wohnung in Zukunft teilweise wieder selbst nutzen, da sie künftig "öfters in B.    wohnen" werde. Mit Schreiben vom 30. August 2018 widersprach der Beklagte der Kündigung.

5

Das Amtsgericht hat der vorliegenden Klage, mit der die Kläger den [X.] auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch nehmen, stattgegeben. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen.

6

2. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

7

Den Klägern stehe ein Räumungsanspruch unabhängig davon nicht zu, ob die erteilte [X.] wirksam widerrufen worden sei. Denn mangels eines konkreten Rückkehrwillens der Kläger fehle es an einem berechtigten Interesse an der unmittelbaren Erlangung der Wohnräume als Hauptmieter. Auch ein berechtigtes Interesse der Kläger am Erhalt der Möglichkeit einer künftigen Nutzung der Wohnung sei nicht erkennbar. Das Hauptmietverhältnis der Kläger mit der Streithelferin sei auch bei Abweisung der gegen den Untermieter gerichteten Räumungsklage nicht gefährdet, da es an einer zur Kündigung des [X.] nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB notwendigen schuldhaften Pflichtverletzung der Kläger fehle. Denn mit der Kündigung des [X.]ses und der vorliegenden Klage hätten die Kläger alles Erforderliche unternommen, um die Beendigung des [X.]ses und den Auszug des [X.] herbeizuführen. Darüber hinaus sei das aus der Pflicht zur Beendigung des [X.]ses resultierende Kündigungsinteresse der Kläger mit den in § 573 Abs. 2 Nr. 2, 3 BGB normierten Kündigungstatbeständen nicht vergleichbar.

8

Diese Beurteilung greifen die Kläger, unterstützt von ihrer Streithelferin, mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision an, mit der sie die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstreben.

II.

9

1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).

Das Berufungsgericht hat die Revision unter anderem mit der Begründung zugelassen, der Senat habe die Grundsatzfrage zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen der Widerruf einer [X.] zur Folge haben könne, dass der Mieter ein bereits bestehendes, rechtmäßig begründetes [X.] zu beenden habe.

Diese vom Berufungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage bedarf indes vorliegend bereits deshalb keiner grundsätzlichen Klärung, weil sie im Streitfall nicht entscheidungserheblich ist. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung des zwischen den Klägern und dem [X.] bestehenden [X.]ses kann die Wirksamkeit des Widerrufs der [X.] dahinstehen; auch die Frage, welche Pflichten sich gegebenenfalls aus einem wirksamen Widerruf für den Hauptmieter gegenüber seinem Vermieter in Bezug auf das von ihm als Vermieter begründete [X.] ergeben, ist für die Lösung des Streitfalls ohne Belang.

Gleiches gilt für die Klärung der weiteren, vom Berufungsgericht formulierten Frage, unter welchen Voraussetzungen sich aus der (eventuell bestehenden) Pflicht des Mieters, das [X.] in Folge des Widerrufs zu beenden, ein berechtigtes Interesse zur Kündigung des [X.]ses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben könne und welche Schritte zur Beendigung des [X.]ses von dem Hauptmieter unternommen werden müssten, um eine zur Kündigung des [X.] gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB führende schuldhafte Pflichtverletzung auszuschließen. Denn ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB an der Beendigung des [X.]ses verlangt - unabhängig von etwaigen weiteren Voraussetzungen - in [X.] wie dem Streitfall jedenfalls die konkrete Absicht des [X.], in die angemietete Wohnung alsbald zurückkehren zu wollen. Nach den von der Revision insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts fehlt es hieran im vorliegenden Fall.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

Das Berufungsgericht hat die Räumungsklage zu Recht abgewiesen, da sich die Kläger für die gegenüber dem [X.] ausgesprochene Kündigung selbst bei einem - hier unterstellt wirksamen - Widerruf nicht auf ein hierfür erforderliches berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB stützen können.

Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass es den Klägern aufgrund der am 27. März 1995 erteilten (widerruflichen) Erlaubnis gestattet war, die Wohnung dem [X.] im Wege der Untervermietung zu überlassen. Ob es einem untervermietenden Mieter, wie die Revision annimmt, nach Erhalt des Widerrufs der [X.] unzumutbar wird, das Mietverhältnis mit dem Untermieter fortzusetzen, da er sich andernfalls dem berechtigten Vorwurf einer zur Kündigung des [X.] ausreichenden schuldhaften Pflichtverletzung aus dem Hauptmietverhältnis aussetzen würde, bedarf hier keiner Entscheidung (offen gelassen auch im Senatsurteil vom 4. Dezember 2013 - [X.], NJW-RR 2014, 265 Rn. 11 f.). Selbst wenn das anzunehmen wäre, berechtigte dieser allein das Schuldverhältnis mit der Streithelferin betreffende Umstand die Kläger unter den Gegebenheiten des Streitfalls nicht, das [X.] mit dem [X.] nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB zu kündigen.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der als Generalklausel gestaltete Kündigungstatbestand des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB von gleichem Gewicht wie die ein berechtigtes Interesse ausformulierenden Kündigungstatbestände des § 573 Abs. 2 BGB. Dies hat zur Folge, dass ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB nur angenommen werden kann, wenn das geltend gemachte Interesse ebenso schwer wiegt wie die in § 573 Abs. 2 BGB beispielhaft aufgeführten Kündigungsgründe (Senatsurteile vom 29. März 2017 - [X.], [X.], 269 Rn. 24; vom 10. Mai 2017 - [X.], NJW-RR 2017, 976 Rn. 36; vom 16. Dezember 2020 - [X.], NJW-RR 2021, 204 Rn. 16; jeweils mwN). Dies gilt auch für das Mietverhältnis zwischen den Klägern und dem [X.], da das Bürgerliche Gesetzbuch Sonderregelungen für die ordentliche Kündigung eines [X.]ses nicht enthält.

b) Ein solches Interesse der Kläger ist hier weder festgestellt noch ersichtlich. Da andere berechtigte Interessen der Kläger im Streitfall nicht in Rede stehen, hätte die Kündigung der Kläger mit Erfolg allenfalls auf deren Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gestützt werden können, etwa weil sie die Wohnung als Hauptmieter alsbald wieder (ganz oder teilweise) selbst nutzen wollen. Das Berufungsgericht hat hierzu indes - insoweit unbeanstandet von der Revision und der Stellungnahme der Streithelferin - festgestellt, dass es den Klägern derzeit an einem konkreten Willen fehlt, in die Wohnung zurückzukehren. Mangels eines konkreten Rückkehrwillens der Kläger begründet allein die Gefahr, einer auf § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützten Kündigung des [X.] durch die Streithelferin ausgesetzt zu sein, ein berechtigtes Interesse der seit 1995 nicht mehr in B.    ansässigen Kläger an der Kündigung des [X.]ses (§ 573 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht. Denn dem allgemeinen Interesse der Kläger an einem (vorsorglichen) Erhalt der seit Jahrzehnten von ihnen nicht genutzten Wohnung für einen möglicherweise in Zukunft entstehenden [X.] kommt ein für eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliches Gewicht nicht zu. Es kann daher dahinstehen, ob ein - unterstellt wirksamer - Widerruf der [X.] überhaupt eine Pflicht des [X.] zur Kündigung des aufgrund dieser Erlaubnis eingegangenen [X.]ses begründen kann.

III.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

[X.]     

        

Dr. Schneider     

        

Dr. Bünger

        

Kosziol     

        

Dr. Matussek     

        

Hinweis:

Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 5. Oktober 2021 erledigt worden.

Meta

VIII ZR 329/19

03.08.2021

Bundesgerichtshof 8. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Berlin, 30. Oktober 2019, Az: 64 S 36/19, Urteil

§ 553 BGB, § 573 Abs 1 S 1 BGB, § 573 Abs 2 Nr 1 BGB, § 573a Abs 2 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.08.2021, Az. VIII ZR 329/19 (REWIS RS 2021, 3555)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 3555

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VIII ZR 5/13

VIII ZR 45/16

VIII ZR 292/15

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