Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2007, Az. XI ZB 14/07

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2007, 1604

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[X.] [X.] vom 9. Oktober 2007 in dem Rechtsstreit - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] als Vorsitzenden und [X.] [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] am 9. Oktober 2007 beschlossen: Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 23. Zivilsenats des [X.] vom 28. Dezember 2006 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Der Gegenstandswert beträgt 50.000 •.
Gründe: [X.] Das [X.] hat mit Urteil vom 30. September 2005, laut [X.] zugestellt am 18. Oktober 2005, die Klage des [X.] gegen die beklagte Bank auf Schadensersatz im Zusammenhang mit ei-nem Geldtransfer abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger am 15. Novem-ber 2005 Berufung eingelegt. Mit einem erst am 20. Dezember 2005 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat er diese begründet und zugleich beantragt, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbe-gründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. 1 - 3 - 2 Zur Begründung des [X.] hat der Kläger [X.], die zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte seines Pro-zessbevollmächtigten habe die Berufungsbegründungsfrist nicht notiert, obwohl dieser sie am 19. Oktober 2005 unter Hinweis auf die Bedeutung der Fristen angewiesen habe, eine Vorfrist und eine Endfrist für die Beru-fung und die Berufungsbegründung im [X.] einzutragen. Sein Prozessbevollmächtigter habe sich jeden Morgen eine Kopie bzw. einen Ausdruck des Tageskalenders vorlegen lassen und die Eintragungen überprüft. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den Antrag des [X.] auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und seine Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es im [X.] ausgeführt: Der Prozessbevollmächtigte des [X.] habe weder den Anforderungen an die anwaltliche Fristenbehandlung und -kontrolle genügt noch seinen Bürobetrieb so organisiert, dass [X.] ausgeschlossen seien. Er habe das Empfangsbekenntnis über die Zu-stellung des landgerichtlichen Urteils bereits zurückgegeben, bevor er selbst oder auf seine Veranlassung seine Angestellte die [X.] im [X.] notiert habe. Vielmehr sei dies erst einen Tag später erfolgt. Zudem habe er nicht ausreichend dargetan, wie er die Überwachung seiner Angestellten bezüglich der selbständigen Fristenno-tierung sichergestellt und welche organisatorischen Maßnahmen er zur Vermeidung und Aufdeckung von Fehlern beim Vergessen der Eintra-gung einer Rechtsmittelfrist getroffen habe. 3 - 4 - I[X.] 4 Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des [X.] ist eine Entscheidung des [X.] zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des [X.] vor noch verletzt die Entschei-dung des Berufungsgerichts den Anspruch des [X.] auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V. mit dem Rechts-staatsprinzip; vgl. [X.] 77, 275, 284; [X.] [X.], 281). 1. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das [X.] die Anforderungen an die anwaltliche Fristenbehandlung und -kontrolle nicht überspannt. 5 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] verlangt die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in [X.] zuver-lässige Vorkehrungen, um die rechtzeitige Fertigung fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet wer-den. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen. Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit weder vorgeschrieben noch allgemein üblich ([X.], Urteil vom 5. Mai 1993 - [X.]I ZR 44/92, NJW-RR 1993, 1213, 1214 m.w.Nachw.). So kann der Anwalt etwa anordnen, dass zuerst die Fristen 6 - 5 - im [X.] notiert werden, bevor er das Empfangsbekenntnis un-terschreibt (vgl. [X.], Beschluss vom 12. Juni 1985 - [X.], [X.], 962, 963). Unterlässt er eine solche Anordnung, so ist er allerdings verpflichtet, auf andere Weise dafür zu sorgen, dass die Wie-dervorlage der Handakten und die Eintragung im [X.] erfolgt (vgl. [X.], Beschluss vom 25. März 1992 - [X.]I ZR 268/91, [X.], 1058). Dabei enthebt auch eine konkrete [X.] den Rechts-anwalt nicht von jedweder Organisations- und Kontrollpflicht. Zwar braucht ein Rechtsanwalt grundsätzlich nicht die Erledigung jeder [X.] [X.] zu überwachen (vgl. [X.], Beschluss vom 10. Oktober 1991 - [X.], [X.], 574). Im Allgemeinen kann er darauf vertrauen, dass eine sonst zuverlässige Büroangestellte auch mündliche Weisungen richtig befolgt (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1987 - [X.], NJW 1988, 1853). In der Anwaltskanzlei müssen [X.] ausreichende organisatorische Vorkehrungen dagegen getroffen sein, dass die mündliche [X.] an eine Fachangestellte über die Eintragung einer Berufungs- oder Berufungsbegründungsfrist in [X.] und die Fristeintragung unterbleibt (vgl. [X.], [X.] vom 17. September 2002 - [X.], NJW 2002, 3782, 3783 und vom 5. November 2002 - [X.], [X.], 435, 436). Wenn ein so wichtiger Vorgang wie die Notierung einer Berufungsfrist nur mündlich vermittelt wird, dann bedeutet das Fehlen jeder Sicherung einen entscheidenden Organisationsmangel (vgl. [X.], Beschlüsse vom 10. Oktober 1991 - [X.] aaO und vom 4. November 2003 - [X.], NJW 2004, 688, 689).
b) Diesen Anforderungen ist der Prozessbevollmächtigte des [X.] nicht gerecht geworden. 7 - 6 - 8 aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein dem Kläger zurechenbares Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist allerdings nicht darin, dass er die konkrete [X.] zur Eintragung der Frist erst einen Tag nach Unterzeichnung des [X.] erteilt hat. Denn die bei einer solchen Verfahrensweise bestehende Gefahr eines Verges-sens der Anweisung hat sich hier nicht verwirklicht.
[X.]) Das Berufungsgericht hat aber zu Recht ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des [X.] an der Fristversäumung darin ge-sehen, dass er keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen zur Aufdeckung von Fehlern beim Vergessen der Eintragung einer [X.] getroffen hat. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde genügt es nicht, dass sich ein Rechtsanwalt täglich einen Auszug aus dem [X.] vorlegen lässt und fast täglich einen Fristenabgleich zwischen dem elektronischen und dem [X.] vornimmt. Durch diese Maßnahmen kann die unterbliebene Eintragung einer Frist nicht bemerkt werden. Vielmehr muss der Rechtsanwalt durch geeignete Stichproben überprüfen, ob sein Personal die Fristennotierung und die Fristenüberwachung ordnungsgemäß durchführt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 8. Juli 1981 - [X.], [X.], 857, 858 und vom 16. September 1981 - [X.], [X.], 67, 68). Der [X.] von Stichproben bedarf es lediglich bei solchen Angestellten nicht, denen während ihrer langjährigen Tätigkeit weder ein Fristversäumnis noch eine Ungenauigkeit im Zusammenhang mit Terminen oder Fristen unterlaufen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 22. Juni 1988 - [X.], [X.], 1141). 9 - 7 - 10 Demgegenüber durfte der Prozessbevollmächtigte des [X.] bei seiner den [X.] führenden Angestellten von solchen Stich-proben aus mehreren Gründen nicht absehen. Diese war erst seit gut zwei Wochen bei ihm tätig, so dass er aus eigener Anschauung noch nicht von deren Zuverlässigkeit ausgehen durfte. Vor allem aber war nach seinem eigenen Vorbringen Anlass für die konkrete Einzelanwei-sung vom 19. Oktober 2005 die Ungenauigkeit einer Fristeintragung in einer anderen Sache. Aufgrund dessen bestand für ihn die Pflicht zur stichprobenartigen Überprüfung, ob seiner mündlichen Weisung nunmehr Folge geleistet wurde. Darüber hinaus hätte er hier auch ausnahmsweise prüfen müssen, ob seine Anweisung zur Eintragung einer Vor- und [X.] gerade in dieser Sache umgesetzt worden ist. Dass sein Prozessbe-vollmächtigter eine solche stichprobenartige wie auch konkrete [X.] vorgenommen hat, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen. Die tägliche Vorlage des [X.]s genügt insoweit nicht. Dies zeigt sich bereits daran, dass dem Prozessbevollmächtigten des [X.] - worin darüber hinaus ein weiteres eigenes Verschulden bei der Fristen-behandlung zu sehen ist - die unterbliebene Eintragung der Berufungs-begründungsfrist in der vorliegenden Sache nicht aufgefallen ist, obwohl sich aufgrund der ausdrücklichen [X.] vom 19. Oktober 2005 sein besonderes Augenmerk hierauf richten musste.
cc) Abgesehen davon ist ein dem Kläger zurechenbares weiteres eigenes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten an der Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist auch darin begründet, dass dieser bei der Fertigung der Berufungsschrift vom 15. November 2005 den [X.] der Berufungsbegründungsfrist offensichtlich nicht nachgeprüft und 11 - 8 - eine nachträgliche Eintragung der fehlerhaft nicht notierten Frist unter-lassen hat. 12 Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] kann sich der Rechtsanwalt nur von der routinemäßigen Fristberechnung und Fristenkontrolle durch Übertragung dieser Tätigkeit auf zuverlässige und sorgfältig überwachte Bürokräfte entlasten. Hiervon ist die Prüfung des Fristablaufs im Zusammenhang mit der Bearbeitung der Sache zu [X.]. Diesen hat der Rechtsanwalt eigenverantwortlich nachzuprü-fen, wenn ihm die Sache zur Vorbereitung der fristgebundenen Prozess-handlung vorgelegt wird (vgl. [X.], Beschlüsse vom 13. November 1975 - [X.], NJW 1976, 627, 628 und vom 13. April 2005 - [X.], NJW-RR 2005, 1085). Die Überwachungspflicht des Rechtsan-walts, dem die Handakten zwecks Fertigung der Berufungsschrift [X.] werden, beschränkt sich nicht auf die Prüfung, ob die Berufungsfrist zutreffend notiert ist, sondern erstreckt sich auch auf die ordnungsge-mäße Notierung der Berufungsbegründungsfrist, die nach § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils zu laufen - 9 - beginnt und deren Ablauf daher im Zeitpunkt der Fertigung der Beru-fungsschrift bereits feststeht (vgl. [X.], Beschlüsse vom 21. April 2004 - [X.]I ZB 243/03, [X.], 1183, 1184 und vom 1. Dezember 2004 - [X.]I ZB 164/03, NJW-RR 2005, 498, 499). 13 2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. [X.] Ellenberger

[X.] Grüneberg Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 30.09.2005 - 2/25 O 561/04 - [X.], Entscheidung vom 28.12.2006 - 23 U 309/05 -

Meta

XI ZB 14/07

09.10.2007

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2007, Az. XI ZB 14/07 (REWIS RS 2007, 1604)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 1604

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