Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.08.2009, Az. 2 StR 226/09

2. Strafsenat | REWIS RS 2009, 2152

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 226/09 vom 12. August 2009 in der Strafsache gegen wegen schwerer Körperverletzung - 2 - Der 2. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 12. August 2009, an der teilgenommen haben: Vorsitzende Richterin am [X.] [X.] und [X.] am [X.] [X.], Prof. Dr. [X.], [X.]in am [X.] Roggenbuck, [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.], Staatsanwalt beim [X.] als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt als Verteidiger, Rechtsanwalt als Vertreter des [X.], Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 28. Januar 2009 mit den Feststellungen auf-gehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurge-richt zuständige [X.] des [X.] zurückverwiesen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen wissentlich schwerer Kör-perverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt und seine Un-terbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Revision des [X.] erstrebt mit der Sachrüge eine Verurteilung wegen versuchten Mordes. Das Rechtsmittel hat Erfolg. 1 [X.] 1. Nach den Feststellungen des [X.] kam der Nebenkläger am 25. Januar 2008 gegen 0.30 Uhr in die Wohnung des gesondert Verfolgten [X.], nachdem ihn seine Freundin [X.]und deren Bekannte [X.]telefonisch dazu aufgefordert hatten. Dort schlugen die beiden Frauen unvermittelt auf den Nebenkläger ein, der sich nicht dagegen wehrte. Der [X.] versuchte zunächst, die beiden vom Nebenkläger wegzuziehen, was 2 - 4 - ihm aber nur für einen kurzen Moment gelang. Dann schleppte er gemeinsam mit [X.] und [X.] den Nebenkläger ins Bad, wo jener sich [X.]. Dort schlugen sie zu dritt auf ihn ein und traten den zu Boden gegange-nen mehrfach gegen den Kopf. [X.]und der Angeklagte schleppten den Nebenkläger dann wieder in das Wohnzimmer, setzten ihn auf einen Stuhl und schlugen ihn abwechselnd heftig mit der Faust an den Kopf, so dass er [X.] vom Stuhl fiel. [X.] wurde er wieder auf diesen gesetzt. Dazwischen, wenn er am Boden lag, traten beide gegen seinen Kopf und Körper. Der [X.] kroch schließlich in die Küche, wohin ihm [X.] , [X.] und der Angeklagte folgten und weiter auf ihn einschlugen; [X.] schlug ihm zudem eine leere Bierflasche auf den Kopf. Sie brachten den nahezu [X.] Nebenkläger wieder ins Wohnzimmer und setzten ihn erneut auf den Stuhl. Alle vier traten und schlugen ihn nun vom Stuhl herunter zu Boden und traten dann weiter gegen den Kopf, den Körper und die [X.]. Durch die vom Angeklagten selbst oder in seinem Beisein mit seiner Billigung abgegebe-nen Schläge und Tritte, bei denen der Kopf des [X.] nicht auf dem Boden auflag, erlitt dieser subdurale Hirnblutungen und Hirnquetschungen, die ohne ärztliche Behandlung tödlich gewesen wären. Während der Angeklagte sodann in der Küche mit seiner Freundin tele-fonierte, trat [X.]mit Wucht mit der Innenseite seines Fußes gegen den Kopf des am Boden liegenden [X.]. [X.] und [X.]taten es ihm nach. Ob der Angeklagte dies bemerkte, konnte nicht festgestellt werden. Alle vier standen dann um den bewusstlosen Nebenkläger herum, der, wie der [X.] erkannte, —komisch atmetefi. Er sagte daraufhin, er müsse jetzt schnell fort und ging. Nachdem er gegangen war, sprang [X.]mit beiden Füßen auf den Kopf des [X.], auch dies machten ihm [X.] und [X.]nach. [X.] trug den Nebenkläger dann aus seiner Wohnung und legte ihn neben einen Abfallcontainer. Um 2.36 Uhr rief er die Notrufzentrale an. Der [X.] - 5 - benkläger wurde ins Krankenhaus gebracht und notfallmäßig operiert. Die [X.] haben bewirkt, dass erhebliche Teile des Gehirns irreparabel verloren gegangen sind. Dadurch ist er linksseitig dauerhaft gelähmt, auch die rechte Körperhälfte kann er nur sehr eingeschränkt und unter erheblichen Schmerzen bewegen. Er kann nur noch einzelne Worte von sich geben und ist vollständig auf Pflege angewiesen; die Überlebenschancen sind auf längere Sicht gesehen ungünstig. 2. Das [X.] hat einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten verneint. Zwar habe er sich über längere [X.] mit Schlägen und Tritten gegen das Opfer an der Quälerei beteiligt, bei den besonders schwerwiegenden, un-mittelbar die Gefahr des [X.] besonders nahe liegend erscheinen [X.] Verletzungshandlungen sei er jedoch nicht anwesend gewesen. [X.] hatte die [X.] keinen Zweifel, dass der Angeklagte angesichts der Dauer der Tat und der fortwährenden heftigen Schläge und Tritte gegen den Kopf des [X.], auch als dieser schon nahezu bewusstlos war, das Siechtum des [X.] als sichere Folge der Verletzungshandlungen vo-rausgesehen hat. 4 I[X.] Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält rechtlicher Nachprü-fung nicht stand. 5 Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie ist [X.] dann rechtsfehlerhaft, wenn sie lückenhaft ist, namentlich wesentliche Fest-stellungen nicht erörtert, widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur [X.] erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt sind. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine nach den Feststellungen nahe liegende [X.] - 6 - folgerung nicht gezogen ist, ohne dass konkrete Gründe angeführt sind, die dieses Ergebnis stützen können. Es ist weder im Hinblick auf den [X.] noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine konkreten Anhaltspunkte erbracht sind (st. Rspr., [X.], 371; [X.], 35, 36 m.w.N.). 1. Die Beweiswürdigung zum Tötungsvorsatz ist lückenhaft. Nach den Feststellungen waren es gerade die Faustschläge und Tritte gegen den nicht am Boden aufliegenden Kopf, an denen der Angeklagte beteiligt war, durch die dem Nebenkläger die lebensgefährlichen Verletzungen beigebracht wurden, nicht die späteren Tritte und Sprünge der anderen drei auf den Kopf des am Boden liegenden Opfers. Die Kammer hätte deshalb ausdrücklich prüfen müs-sen, ob bei diesen unter Beteiligung des Angeklagten angebrachten lebensge-fährlichen Schlägen und Tritten dieser einen wenigstens bedingten Tötungsvor-satz hatte. 7 Äußerst gefährliche Gewalthandlungen legen trotz der hohen [X.] hinsichtlich der Tötung eines Menschen die Annahme von zumindest bedingtem Tötungsvorsatz nahe (st. Rspr., BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz bedingter 3, 33, 38 jeweils m.w.N.). Der Täter handelt bereits dann mit beding-tem Vorsatz, wenn er den Erfolgseintritt als nur möglich und nicht ganz fern lie-gend erkennt, gleichwohl sein gefährliches Handeln fortsetzt und einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt oder ihm der mögliche Eintritt des Todes zumin-dest gleichgültig ist. Das gefährliche Handeln des Angeklagten, nämlich das ständige Einschlagen und Eintreten auf den Kopf des wehrlosen, später nahezu bewusstlosen Opfers, ist hier ein gewichtiges Beweisanzeichen für einen be-dingten Tötungsvorsatz. Das eilige Sichentfernen nachdem er erkannt hatte, dass das Opfer —komisch atmetefi, legt es nahe, dass ihm die Folgen seiner Tat - der mögliche Tod des [X.] die ganze [X.] über gleichgültig waren. Ein 8 - 7 - weiteres Indiz für den Tötungsvorsatz könnte sein, dass der Angeklagte und [X.] früher am Abend auf dem Mobiltelefon geschriebene Texte ausge-tauscht hatten, in denen sie einander fragten, ob man den Nebenkläger —platt-machenfi oder —abmurksenfi solle. Auch wenn dies zu diesem [X.]punkt —nicht wörtlich gemeintfi war, was das [X.] nicht näher belegt, könnte diesem Umstand ein Beweiswert für die subjektive Tatseite bei der späteren Tat [X.]. 2. Die Beweiswürdigung ist auch widersprüchlich. Die [X.] hat eine wissentliche schwere Körperverletzung bejaht. Sie geht davon aus, dass der Angeklagte das Siechtum des [X.] als sichere Folge seiner Tat vorhergesehen hat. Unter diesen Umständen hätte sie erörtern müssen, warum der Angeklagte nicht auch die sich aufdrängende Lebensgefährlichkeit der für ihn erkennbar zu Siechtum führenden Verletzungshandlungen realisiert hat. Dass ein Mensch durch schwere Schläge und Tritte gegen den Kopf tödlich ver-letzt wird, liegt zumindest genauso nahe wie der wissentlich herbeigeführte [X.] dauerhaften Siechtums infolge der Hirnverletzungen. Tragfähige [X.] dafür, dass der Angeklagte dennoch darauf vertrauen konnte, der 9 - 8 - Nebenkläger werde nicht zu Tode kommen, hat das [X.] nicht [X.]. Rissing-van Saan RiBGH [X.] ist [X.] urlaubsbedingt an der Unterschrift

gehindert Rissing-van Saan Roggenbuck [X.]

Meta

2 StR 226/09

12.08.2009

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.08.2009, Az. 2 StR 226/09 (REWIS RS 2009, 2152)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 2152

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