Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25.10.2011, Az. 2 BvR 2674/10

2. Senat 3. Kammer | REWIS RS 2011, 2061

Foto: © Bundesverfassungsgericht │ foto USW. Uwe Stohrer, Freiburg

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Gegenstand

Stattgebender Kammerbeschluss: Verletzung von Art 13 Abs 1 GG durch Wohnungsdurchsuchung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen eines waffenrechtlichen Delikts - unzureichende Darlegungen zum subjektiven Tatbestand - Aufhebung des Nichtannahmebeschlusses in vorliegendem Verfahren vom 07.04.2011 aufgrund erfolgreicher Gegenvorstellung


Tenor

Der Beschluss der [X.] des Zweiten Senats des [X.] vom 7. April 2011 wird aufgehoben.

Der Beschluss des [X.] vom 14. Oktober 2010 - 3 [X.] - und der Beschluss des Amtsgerichts [X.] vom 27. Oktober 2009 - 25 [X.] - 121 Js 48519/09 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes. Die Beschlüsse werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht [X.] zurückverwiesen.

...

Gründe

1

Die [X.]bes[X.]hwerde ri[X.]htet si[X.]h gegen eine strafprozessuale Dur[X.]hsu[X.]hungsanordnung für die Wohnräume des Bes[X.]hwerdeführers.

2

1. Der Bes[X.]hwerdeführer ist [X.]. Mit Bes[X.]heid vom 23. März 2009 widerrief die zuständige Waffenbehörde die waffenre[X.]htli[X.]he Erlaubnis des Bes[X.]hwerdeführers wegen fehlender Zuverlässigkeit. Dem Bes[X.]hwerdeführer wurde aufgegeben, die [X.]unverzügli[X.]h, spätestens am 31. August 2009, zurü[X.]kzugeben und die eingetragenen Waffen der Waffenbehörde zu übergeben oder na[X.]hweisli[X.]h unbrau[X.]hbar zu ma[X.]hen. Anderenfalls erfolge eine Einziehung und Verwertung der Waffen und der Munition. Der Bes[X.]hwerdeführer legte am 26. April 2009 Widerspru[X.]h ein und erhob sodann Anfe[X.]htungsklage. Darüber hinaus stellte er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO einen Antrag auf Anordnung der aufs[X.]hiebenden Wirkung des Re[X.]htsbehelfs. Für den [X.]raum bis zur Ents[X.]heidung über den Antrag im vorläufigen Re[X.]htss[X.]hutzverfahren sah die Behörde von der Vollziehung des [X.] ab.

3

2. In der [X.] vom 31. März 2009 bis zum 18. August 2009 erwarb der Bes[X.]hwerdeführer unter Verwendung der ihm belassenen [X.]zehn und veräußerte vier S[X.]husswaffen. Er zeigte den jeweiligen Erwerb beziehungsweise Verkauf der Behörde an. Die [X.]trug jeweils den gemeldeten Waffenerwerb beziehungsweise -verkauf in die [X.] ein. Am 29. September 2009 erstattete die Waffenbehörde Strafanzeige gegen den Bes[X.]hwerdeführer wegen Verstoßes gegen das [X.] und fügte die jeweiligen Erwerbs- und Verkaufsanzeigen des Bes[X.]hwerdeführers bei. Mit Verfügung vom 21. Oktober 2009 beantragte die Staatsanwalts[X.]haft die Dur[X.]hsu[X.]hung der Wohnung des Bes[X.]hwerdeführers.

4

3. Mit dem angegriffenen Bes[X.]hluss vom 27. Oktober 2009 ordnete das Amtsgeri[X.]ht die Dur[X.]hsu[X.]hung der Wohnung des Bes[X.]hwerdeführers wegen des Verda[X.]hts des Verstoßes gegen das [X.] (§ 52 Abs. 1 Nr. 2b und [X.], Abs. 3 Nr. 2a [X.]) an. Es sei zu erwarten, dass die Dur[X.]hsu[X.]hung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde, nämli[X.]h erlaubnispfli[X.]htigen Waffen, Munition beziehungsweise Sprengstoffen, die der Bes[X.]hwerdeführer mutmaßli[X.]h in Besitz habe. Des Weiteren diene die Dur[X.]hsu[X.]hung der Si[X.]herstellung von Kaufunterlagen über den mutmaßli[X.]hen Erwerb beziehungsweise Verkauf von Waffen in der [X.] na[X.]h dem Widerruf.

5

4. Die Dur[X.]hsu[X.]hung fand am 1. und 2. Dezember 2009 statt.

6

5. Gegen den Dur[X.]hsu[X.]hungsbes[X.]hluss legte der Bes[X.]hwerdeführer am 23. August 2010 Bes[X.]hwerde ein. Es hätte einer Dur[X.]hsu[X.]hung ni[X.]ht bedurft, da die Waffenbehörde re[X.]htswidrig die Eintragung in der Waffenbesitzkarte vorgenommen habe und der Besitz der Waffen in den Akten der Waffenbehörde eingetragen sei. Die Behörde habe dem Bes[X.]hwerdeführer re[X.]htswidrig den Waffenerwerb ermögli[X.]ht. Die Behörde habe au[X.]h nur die von ihr eingetragenen Waffen auffinden können.

7

6. Das Verwaltungsgeri[X.]ht lehnte am 27. August 2010 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Re[X.]htss[X.]hutzes ab und wies au[X.]h die Klage des Bes[X.]hwerdeführers ab.

8

7. Mit dem angegriffenen Bes[X.]hluss vom 14. Oktober 2010, dem Bes[X.]hwerdeführer zugegangen am 22. Oktober 2010, verwarf das Landgeri[X.]ht die Bes[X.]hwerde. Der angefo[X.]htene Bes[X.]hluss genüge den gesetzli[X.]hen Anforderungen. Aufgrund der Strafanzeige der Behörde hätten zurei[X.]hende tatsä[X.]hli[X.]he Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass der Bes[X.]hwerdeführer si[X.]h eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Nr. 2 b und [X.], Abs. 3 Nr. 2 a [X.] s[X.]huldig gema[X.]ht habe. Das Bes[X.]hwerdevorbringen re[X.]htfertige keine andere Ents[X.]heidung. Die Dur[X.]hsu[X.]hungsmaßnahmen hätten ni[X.]ht nur dem Auffinden und Si[X.]herstellen von Waffen als Beweismittel, sondern au[X.]h der Si[X.]herstellung der aufgefundenen Waffen zur Einziehung im Strafverfahren gemäß § 54 [X.] sowie der Si[X.]herstellung von Kaufunterlagen über den Erwerb beziehungsweise Verkauf von Waffen in der [X.] na[X.]h Widerruf der Waffenbesitzkarten gedient.

9

8. Am 17. April 2011 erhob die Staatsanwalts[X.]haft gegen den Bes[X.]hwerdeführer Anklage beim S[X.]höffengeri[X.]ht wegen mehrerer Verstöße gegen das [X.].

1. Der Bes[X.]hwerdeführer rügt mit der [X.]bes[X.]hwerde die Verletzung von Art. 13 Abs. 1 GG. Er wendet si[X.]h gegen die Annahme eines für die Dur[X.]hsu[X.]hung ausrei[X.]henden Verda[X.]htsgrads und ma[X.]ht in diesem Zusammenhang geltend, dass der Widerruf der waffenre[X.]htli[X.]hen Erlaubnis no[X.]h ni[X.]ht bestandskräftig gewesen sei und die Verwaltungsbehörde si[X.]h bereit erklärt habe, mit der Vollziehung bis zu einer Ents[X.]heidung im Eilverfahren zuzuwarten. Dies sei Staatsanwalts[X.]haft und Polizei bekannt gewesen. Der Bes[X.]hwerdeführer habe im Vertrauen auf den Ausgang des [X.] beim Verwaltungsgeri[X.]ht no[X.]h weiterhin Gebrau[X.]h von seiner Waffenbesitzkarte gema[X.]ht.

Ferner sei die Dur[X.]hsu[X.]hungsmaßnahme ni[X.]ht zur Beweiserhebung geeignet gewesen. Die Beweismittel seien der Behörde ni[X.]ht nur in der Sa[X.]he bekannt, sondern von dem Bes[X.]hwerdeführer bereits selbst zugängli[X.]h gema[X.]ht worden. Die Dur[X.]hsu[X.]hung habe ni[X.]hts Neues zu Tage fördern können, da der Bes[X.]hwerdeführer jeden Waffenerwerb der zuständigen Behörde vollständig und beweiskräftig gemeldet habe. Der Dur[X.]hsu[X.]hungsantrag hätte darlegen müssen, dass trotz der freiwilligen Herausgabe gerade der zusätzli[X.]he Grundre[X.]htseingriff in Form der Anordnung einer Dur[X.]hsu[X.]hung geboten und verhältnismäßig ist, um Beweise zu si[X.]hern. In dem vorliegenden Fall sei die Besonderheit zu berü[X.]ksi[X.]htigen, dass aufgrund der § 10 Abs. 1a, § 23, § 34 Abs. 2 [X.] der [X.]lü[X.]kenlos dokumentiert und urkundli[X.]h erfasst sei. Der Bes[X.]hwerdeführer habe die Meldevors[X.]hriften genau eingehalten. Ein Verda[X.]ht, er hätte weitere Waffenankäufe unbekannt und ohne Meldung an die Behörde getätigt, habe zu keinem [X.]punkt bestanden.

Darüber hinaus sei zu berü[X.]ksi[X.]htigen, dass die Behörde alle Erwerbsmeldungen und den na[X.]hfolgenden Waffenbesitz dur[X.]h die Eintragung in der jeweils vorgelegten [X.] legalisiert habe. Zu keinem [X.]punkt habe sie den Bes[X.]hwerdeführer darauf hingewiesen, dass der Erwerb aus ihrer Si[X.]ht ni[X.]ht statthaft sei.

Die Si[X.]herstellung zum Zwe[X.]ke der Einziehung sei keine tragfähige Erwägung, da es keinerlei Hinweise gegeben habe, dass der Bes[X.]hwerdeführer in der Vergangenheit versu[X.]ht habe, Waffen vor Behörden zu verbergen. Zudem habe der Bes[X.]hwerdeführer keine Mögli[X.]hkeit gehabt, die Waffen heimli[X.]h wegzus[X.]haffen oder zu veräußern, da der [X.] dur[X.]h die Meldepfli[X.]hten von Käufer und Verkäufer stets dokumentiert sei. Als milderes Mittel habe der Bes[X.]hwerdeführer zunä[X.]hst zur freiwilligen Herausgabe aufgefordert werden müssen.

2. Die Original-[X.]bes[X.]hwerde ging beim Bundesverfassungsgeri[X.]ht am 23. November 2010 ein. Ein vorangegangener Eingang der [X.]bes[X.]hwerde per Telefax - wie in der [X.]bes[X.]hwerde angegeben - wurde na[X.]h Prüfung des Faxbu[X.]hes ni[X.]ht festgestellt. Die [X.] des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgeri[X.]hts nahm die [X.]bes[X.]hwerde mit Bes[X.]hluss vom 7. April 2011 ni[X.]ht zur Ents[X.]heidung an, weil diese ni[X.]ht innerhalb der Bes[X.]hwerdefrist eingelegt worden sei. Der Bes[X.]hwerdeführer beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Glaubhaftma[X.]hung übersandte der Bes[X.]hwerdeführer eine Abli[X.]htung seines Faxausgangsbu[X.]hes vom [X.] 2010. Im Rahmen einer Prüfung des Faxjournals des Bundesverfassungsgeri[X.]hts wurde sodann festgestellt, dass von dem Bevollmä[X.]htigten des Bes[X.]hwerdeführers am 22. November 2010 um 17.36 Uhr ein 33-seitiges - ni[X.]ht mehr auffindbares - Telefax bei Geri[X.]ht eingegangen war.

Die Hessis[X.]he Staatskanzlei hat über die Wiedergabe des Sa[X.]hverhalts hinaus keine Stellungnahme abgegeben. Dem Bundesverfassungsgeri[X.]ht haben die Akten 121 Js 48519/09 der Staatsanwalts[X.]haft [X.] vorgelegen.

Die Kammer nimmt die [X.]bes[X.]hwerde zur Ents[X.]heidung an, weil dies zur Dur[X.]hsetzung der in § 90 Abs. 1 [X.] genannten Re[X.]hte angezeigt ist (§ 93b [X.]. § 93a Abs. 2 Bu[X.]hstabe b [X.]). Die Voraussetzungen des § 93[X.] Abs. 1 Satz 1 [X.] für eine stattgebende Ents[X.]heidung der Kammer sind gegeben. Die maßgebli[X.]hen verfassungsre[X.]htli[X.]hen Fragen zu [ref=736fee34-e3a0-442b-8050-34784[X.]36b2[X.]d]Art. 13 Absatz 1 [X.]] hat das Bundesverfassungsgeri[X.]ht bereits ents[X.]hieden. Die angegriffenen Ents[X.]heidungen verletzen den Bes[X.]hwerdeführer in seinem Grundre[X.]ht aus Art. 13 Abs. 1 GG.

1. Die [X.]bes[X.]hwerde ist zulässig. Der Wiedereinsetzungsantrag des Bes[X.]hwerdeführers ist als Gegenvorstellung gegen den Ni[X.]htannahmebes[X.]hluss vom 7. April 2011 auszulegen (vgl. [X.] 19, 88 <91>), die unter den vorliegenden besonderen Umständen au[X.]h begründet ist. Wenn nämli[X.]h die Re[X.]htskraft einer Ents[X.]heidung aufgrund eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen unvers[X.]huldeter Versäumung der Einlegungs- und Begründungsfrist dur[X.]hbro[X.]hen werden kann (vgl. § 93 Abs. 2 [X.]), so muss dies erst re[X.]ht mögli[X.]h sein, wenn das Geri[X.]ht seine bisherige Ents[X.]heidung in der unzutreffenden Annahme einer Fristversäumung getroffen hat, die tatsä[X.]hli[X.]h ni[X.]ht vorliegt, und der Bes[X.]hwerdeführer aus diesem Grunde eine Überprüfung begehrt.

2. Dementspre[X.]hend ist der Kammerbes[X.]hlusses vom 7. April 2011 aufzuheben.

Die [X.]bes[X.]hwerde ist au[X.]h begründet. Die Bes[X.]hlüsse des Amts- und des Landgeri[X.]hts verletzen den Bes[X.]hwerdeführer in seinem Re[X.]ht aus Art. 13 Abs. 1 GG.

1.a) Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzli[X.]hkeit der Wohnung. Sinn der Garantie ist die Abs[X.]hirmung der Privatsphäre in räumli[X.]her Hinsi[X.]ht. Damit wird dem Einzelnen zur freien Entfaltung der Persönli[X.]hkeit ein elementarer Lebensraum gewährleistet. In seinen Wohnräumen hat er das Re[X.]ht, in Ruhe gelassen zu werden (vgl. [X.] 27, 1 <6>; 51, 97 <107>). In diese grundre[X.]htli[X.]h ges[X.]hützte Lebenssphäre greift eine Dur[X.]hsu[X.]hung s[X.]hwerwiegend ein (vgl. [X.] 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>).

b) Das Gewi[X.]ht des Eingriffs verlangt als Dur[X.]hsu[X.]hungsvoraussetzung Verda[X.]htsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausrei[X.]hen. Ein Verstoß gegen diese Anforderung liegt vor, wenn si[X.]h sa[X.]hli[X.]h zurei[X.]hende plausible Gründe für eine Dur[X.]hsu[X.]hung ni[X.]ht mehr finden lassen (vgl. [X.] 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>). Es ist zu verlangen, dass ein dem Bes[X.]huldigten angelastetes Verhalten ges[X.]hildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Die wesentli[X.]hen Merkmale des gesetzli[X.]hen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzei[X.]hnen, müssen berü[X.]ksi[X.]htigt werden (vgl. [X.], Bes[X.]hlüsse der [X.] des Zweiten Senats vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05 -, NJW 2007, [X.], und vom 5. Mai 2008 - 2 BvR 1801/06 -, NJW 2008, [X.]>).

[X.]) Die Dur[X.]hsu[X.]hung bedarf vor allem einer Re[X.]htfertigung na[X.]h dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Bli[X.]k auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzli[X.]hen Zwe[X.]k erfolgverspre[X.]hend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der vorgeworfenen Tat erforderli[X.]h sein; das ist ni[X.]ht der Fall, wenn andere, weniger eins[X.]hneidende Mittel zur Verfügung stehen. S[X.]hließli[X.]h muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der S[X.]hwere der Tat und der Stärke des Tatverda[X.]hts stehen (vgl. [X.] 96, 44 <51>).

2. Weder die Begründung des Dur[X.]hsu[X.]hungsbes[X.]hlusses no[X.]h die Bes[X.]hwerdeents[X.]heidung lassen erkennen, dass die von [X.] wegen zu fordernden Voraussetzungen einer Wohnungsdur[X.]hsu[X.]hung gegeben waren.

Es ist ni[X.]ht ersi[X.]htli[X.]h, dass die Fa[X.]hgeri[X.]hte in na[X.]hvollziehbarer Weise vom Vorliegen des subjektiven Tatbestandes des Verstoßes gegen das [X.] ausgegangen sind. Zum objektiven Tatbestand gehört unter anderem das Erwerben, Besitzen oder Führen von S[X.]husswaffen ohne die erforderli[X.]he Erlaubnis. Der Vorsatz des [X.] muss si[X.]h mithin auf das Fehlen der erforderli[X.]hen Erlaubnis erstre[X.]ken. Im vorliegenden Fall hätte für Amtsgeri[X.]ht und Landgeri[X.]ht Anlass bestanden, si[X.]h mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Die Ordnungsbehörde hat trotz des Entzugs der waffenre[X.]htli[X.]hen Erlaubnis Erwerbs- und Veräußerungsanzeigen des Bes[X.]hwerdeführers entgegengenommen und eine Vielzahl von neu erworbenen Waffen auf dessen Waffenbesitzkarte eingetragen. Angesi[X.]hts des Umstandes, dass der Bes[X.]hwerdeführer verpfli[X.]htet war, diese Waffenbesitzkarten unverzügli[X.]h, spätestens bis zum 31. August 2009, zurü[X.]kzugeben, ers[X.]heint es ni[X.]ht na[X.]hvollziehbar, dass die Behörde den Bes[X.]hwerdeführer ni[X.]ht nur ni[X.]ht darauf hingewiesen hat, dass er nunmehr keine Waffen mehr erwerben darf, sondern diese au[X.]h no[X.]h eingetragen hat. Es ers[X.]heint daher ni[X.]ht fernliegend, dass der Bes[X.]hwerdeführer bis zum Abs[X.]hluss des verwaltungsgeri[X.]htli[X.]hen Verfahrens von einer weiterbestehenden Erlaubnis ausgegangen sein könnte. Dazu hätten si[X.]h die Fa[X.]hgeri[X.]hte jedenfalls verhalten müssen.

3. Ob das in den angegriffenen Bes[X.]hlüssen ges[X.]hilderte Verhalten des Bes[X.]hwerdeführers einen anderen als den dort angegebenen Tatbestand erfüllt, brau[X.]ht ni[X.]ht näher geprüft zu werden. Dur[X.]hsu[X.]hungsbes[X.]hlüsse na[X.]h Art. 13 Abs. 2 GG, § 105 StPO müssen den gesetzli[X.]hen Tatbestand, auf dessen Verwirkli[X.]hung si[X.]h der Verda[X.]ht ri[X.]htet, selbst benennen. Nur wenn der zur Kontrolle des Eingriffs berufene [X.] si[X.]h den in Frage kommenden Straftatbestand vergegenwärtigt, kann die Verhältnismäßigkeit vollständig geprüft werden, weil die Zumutbarkeit des Eingriffs au[X.]h von der S[X.]hwere der vorgeworfenen Tat abhängt, für die die Strafdrohung von wesentli[X.]her Bedeutung ist (vgl. [X.], Bes[X.]hluss der [X.] des Zweiten Senats vom 7. September 2006 - 2 BvR 1219/05 -, NJW 2007, [X.]-1444). Vorliegend haben die Fa[X.]hgeri[X.]hte den Verda[X.]ht eines vorsätzli[X.]hen Verstoßes gegen das [X.] für gegebenen era[X.]htet. Soweit - im Hinbli[X.]k auf Zweifel am subjektiven Tatbestand - au[X.]h eine fahrlässige Tatbegehung (§ 52 Abs. 4 [X.]) in Betra[X.]ht käme, würde es jedenfalls an der erforderli[X.]hen geri[X.]htli[X.]hen Verhältnismäßigkeitsprüfung fehlen. Denn bei einem vorsätzli[X.]hen Verstoß sieht § 52 Abs. 1 Nr. 2 Bu[X.]hstabe b [X.] eine Freiheitsstrafe von se[X.]hs Monaten bis zu fünf Jahren, bei der fahrlässigen Begehung jedo[X.]h ledigli[X.]h eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe als Strafdrohung vor.

Die Ents[X.]heidung über die Aufhebung und Zurü[X.]kverweisung beruht auf § 95 Abs. 2 [X.].

Die Ents[X.]heidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 [X.].

Meta

2 BvR 2674/10

25.10.2011

Bundesverfassungsgericht 2. Senat 3. Kammer

Stattgebender Kammerbeschluss

Sachgebiet: BvR

vorgehend LG Darmstadt, 14. Oktober 2010, Az: 3 Qs 629/10, Beschluss

Art 13 Abs 1 GG, § 93 Abs 2 BVerfGG, § 93c Abs 1 S 1 BVerfGG, § 102 StPO, § 105 StPO, § 80 Abs 5 VwGO, § 52 Abs 1 Nr 2 Buchst b WaffG 2002, § 52 Abs 1 Nr 2 Buchst c WaffG 2002, § 52 Abs 3 Nr 2 Buchst a WaffG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesverfassungsgericht, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25.10.2011, Az. 2 BvR 2674/10 (REWIS RS 2011, 2061)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2061

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Referenzen
Wird zitiert von

B 5 R 185/13 B

1 BvR 1623/11

1 BvR 1751/12

1 BvR 3069/11

L 15 RF 24/16

L 15 RF 36/15 B

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