Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. XII ZR 72/06

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 1927

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL [X.] Verkündet am: 17. September 2008 Breskic, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja [X.]: ja [X.]R: ja BGB §§ 1603 Abs. 2, 1610 Abs. 1 Der aus einer neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen resultierende Splittingvorteil ist sowohl bei der Bemessung des [X.] minderjähriger Kinder gemäß § 1610 Abs. 1 BGB als auch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des [X.] im Sinne von § 1603 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen, soweit er auf seinem alleinigen Einkommen beruht. [X.], Urteil vom 17. September 2008 - [X.] - [X.] AG [X.] ([X.]) - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat im schriftlichen Verfahren ge-mäß § 128 Abs. 2 ZPO aufgrund der bis zum 2. September 2008 eingereichten Schriftsätze am 17. September 2008 durch die Vorsitzende Richterin [X.], [X.] und Prof. Dr. [X.], die Richterin [X.] und [X.] [X.] für Recht erkannt: Auf die Revision der Kläger zu 2 bis 4 wird das Urteil des 12. [X.] - 4. [X.] - des [X.] vom 21. März 2006 im Kostenpunkt und insoweit auf-gehoben, als es auf die Widerklage den Unterhalt der Kläger zu 2 bis 4 für die [X.] vom 4. Mai 2005 bis Dezember 2005 und ab März 2006 herabgesetzt hat, außerdem soweit es die Abände-rungsklage der Kläger zu 2 bis 4 auf einen monatlichen Unterhalt von jeweils 110 • für die Kläger zu 2 und 3 sowie 83 • für den Kläger zu 4 für Februar und März 2005 und von jeweils 105 • für die Kläger zu 2 und 3 und 93 • für den Kläger zu 4 für die [X.] von April bis Dezember 2005 sowie ab März 2006 abgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache an das Oberlandesge-richt zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], zurückverwiesen. Von Rechts wegen
- 3 - Tatbestand: 1 Die Klägerin zu 1 (und frühere Revisionsklägerin) und der Beklagte sind geschiedene Eheleute. Die Ehescheidung ist seit Dezember 2001 rechtskräftig. Aus der Ehe sind die Söhne [X.] , geboren am 3. September 1990, [X.] , geboren am 4. Januar 1994, und M. , geboren am 9. April 1999, hervorgegangen, die Kläger zu 2 bis 4. Der Ehegatten- und Kindesunterhalt ist - zuletzt - tituliert durch das Urteil des Amtsgerichts [X.] vom 4. November 2003 in Höhe von monatlich 110 • (Klägerin zu 1), 58 • (Kläger zu 2), 49 • (Kläger zu 3) und 41 • (Kläger zu 4). 2 Der Beklagte ist seit 2004 wieder verheiratet. Er ist zu seiner neuen Ehe-frau und deren beiden Kindern gezogen. Der Beklagte erzielt Einkünfte aus [X.] Tätigkeit als Vorarbeiter in einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb. 3 Die Kläger haben mit ihrer Abänderungsklage die Erhöhung des titulier-ten Unterhalts verlangt und damit begründet, dass beim Beklagten Schuldver-pflichtungen, die im [X.] berücksichtigt wurden, nicht mehr zu bedie-nen seien. Der Beklagte hat Widerklage erhoben und den Wegfall seiner Unter-haltspflicht geltend gemacht. Er hat sich darauf berufen, dass sein Einkommen gesunken sei und er höhere Fahrtkosten habe. Der mit seiner Wiederverheira-tung verbundene Steuervorteil sei für den Unterhalt der Kläger nicht zu berück-sichtigen. 4 Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage das [X.] dahin abgeändert, dass der Beklagte ab Mai 2005 keinen [X.] mehr zu zahlen habe. Auf die Berufung der Kläger hat das Berufungsge-richt die Abweisung der Klage bestätigt, der Widerklage aber nur mit Einschrän-kungen stattgegeben. Es ist davon ausgegangen, dass für den Unterhalt der 5 - 4 - Kläger oberhalb des dem Beklagten zuzubilligenden Selbstbehalts 100 • zur Verfügung stünden und hat den Unterhalt ab dem 4. Mai 2005 auf 40 • für die Klägerin zu 1 und je 20 • für die Kläger zu 2 bis 4 festgelegt, mit Ausnahme der Monate Januar und Februar 2006, für die wegen Arbeitslosigkeit des Beklagten kein Unterhalt zu zahlen sei. 6 Dagegen richtet sich die vom [X.] zugelassene Revision der Kläger. Auf die vom Senat nur eingeschränkt bewilligte Prozesskostenhilfe hat die Klägerin zu 1 ihre Revision zurückgenommen, während die Kläger zu 2 bis 4 ihre Abänderungsklage und die Abweisung der Widerklage im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung durch den Senat weiter verfolgen. Sie begeh-ren dem entsprechend über die vom Berufungsgericht ausgeurteilten Beträge von jeweils 20 • pro Kind hinaus weiteren Unterhalt für Februar und März 2005: monatlich jeweils 90 • für die Kläger zu 2 und 3 sowie 63 • für den Kläger zu 4 und von April bis Dezember 2005 sowie ab März 2006: monatlich jeweils 85 • für die Kläger zu 2 und 3 und 73 • für den Kläger zu 4. Entscheidungsgründe: Die Revision der Kläger zu 2 bis 4 ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 7 - 5 - [X.] 8 Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.], 1223 veröffentlicht ist, hat für die Ermittlung des Unterhalts das im Jahr 2005 bezogene Einkom-men des Beklagten zugrunde gelegt. Einkommenseinbußen des Beklagten we-gen eines Arbeitsplatzwechsels (Wegfall von Überstundenvergütungen) und wegen der damit sowie mit dem Umzug zu seiner heutigen Ehefrau verbunde-nen höheren Fahrtkosten, die im [X.] nicht akzeptiert worden waren und zu einer teils fiktiven Einkommensanrechnung geführt hatten, hat das Ober-landesgericht "zumindest aufgrund der erneuten Eheschließung" als berechtigt anerkannt. Von dem [X.] in Höhe von 27.937 • sei - auch im Verhältnis zu den Kindern - ein fiktiver Lohnsteuerabzug nach der [X.] vorzunehmen. Der dem Beklagten aufgrund seiner Wiederverheiratung zuste-hende Splittingvorteil müsse unberücksichtigt bleiben. Der anders lautenden Rechtsprechung des [X.] könne nur insoweit gefolgt werden, wie auch der neue Ehegatte als gleichrangig Unterhaltsberechtigter neben den Kindern aus der früheren Ehe zu berücksichtigen sei. Sei der neue Ehegatte dagegen unterhaltsrechtlich nachrangig, so würde eine steuerliche Entlastung in die Unterhaltsberechnung einfließen, ohne dass gleichzeitig die damit ver-bundene Belastung berücksichtigt würde. Insofern ergäbe sich ein Widerspruch zu der ständigen Rechtsprechung des [X.], dass eine fiktive Steuerlast dann in Ansatz zu bringen sei, wenn sich tatsächliche Aufwendungen steuermindernd auswirkten, die unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen seien. Die steuerliche Entlastung durch das Ehegattensplitting sei am höchsten, wenn nur einer der Ehegatten über steuerbare Einkünfte verfüge und dafür aber auch aus seinem Einkommen den Lebensunterhalt für den anderen Ehegatten [X.] müsse. Eine andere Beurteilung als die Nichtberücksichtigung der 9 - 6 - steuerlichen Entlastung wäre mit dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Schutz der neuen Ehe nicht zu vereinbaren. Aus denselben Gründen hat das [X.] auch eine an den Beklagten geleistete Steuererstattung un-berücksichtigt gelassen. 10 Für die Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer Nebentätigkeit sei kein Raum. Der Abzug der - erhöhten - Fahrtkosten sei aufgrund der großen Entfernung zum Arbeitsplatz sowie wegen des mit der Ausübung des [X.] verbundenen Aufwands gerechtfertigt. Auch [X.] (ge-genüber der Volksbank und der Mutter des Beklagten) seien abzuziehen. Die Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens würde die wirtschaftliche Exis-tenz des Beklagten gefährden und sei daher von ihm nicht zu verlangen. Dem Beklagten verbleibe ein anrechenbares Einkommen von 995 •. Er sei (abgesehen von einer zwischenzeitlichen Arbeitslosigkeit Januar und [X.] 2006) in Höhe von 100 • leistungsfähig, die das Berufungsgericht - ohne nähere Begründung ("in einem angemessenen Verhältnis") - mit 40 • auf die Klägerin zu 1 und je 20 • auf die Kläger zu 2 bis 4 aufgeteilt hat. 11 Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. 12 I[X.] 1. Mit der Revision wenden sich die Kläger zu 2 bis 4 nach [X.] durch den Senat allein gegen die [X.] bei der Bemessung des unterhaltsrechtlichen [X.] des Beklagten. Da sie ihre Anträge entsprechend beschränkt 13 - 7 - haben, ist die Nachprüfung des Senats auf diese Frage begrenzt (§ 557 Abs. 1 ZPO). 14 2. Die Auffassung des Berufungsgerichts zur (Nicht-)Berücksichtigung des Splittingvorteils bei der Bemessung des Kindesunterhalts (ebenso [X.] [X.], 1127; [X.], [X.], 313, 322; [X.]/[X.] Aufl. § 1581 Rdn. 9) widerspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats. a) Der Senat hat anders als bei konkurrierenden Ansprüchen auf Ehegat-tenunterhalt (vgl. allerdings nunmehr zum Ehegattenunterhalt Senatsurteil vom 30. Juli 2008 - [X.] ZR 177/06 - zur [X.] bestimmt) den aus der [X.] herrührenden Splittingvorteil gemäß §§ 26, 26 b, 32 a Abs. 5 EStG bei der Bemessung des Kindesunterhalts mit herangezogen (Senatsurteile [X.] 175, 182 = [X.], 968, 973; [X.] 163, 84, 91, 101 = FamRZ 2005, 1817, 1822 und vom 14. März 2007 - [X.] ZR 158/04 - FamRZ 2007, 882, 885). Daran ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der in der Litera-tur vereinzelt geäußerten Kritik ([X.] [X.], 313, 322; FamRZ 2007, 987, 988; [X.]/[X.] Aufl. § 1581 Rdn. 9) festzuhal-ten. 15 Sowohl bei der Bedarfsermittlung nach § 1610 BGB als auch im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen gemäß § 1603 Abs. 1, 2 BGB ist der sich aus der neuen Eheschließung ergebende Splittingvorteil als [X.] einzubeziehen. An Stelle einer fiktiven Steuerberechnung nach der [X.] ist vom tatsächlich erzielten Nettoeinkommen des [X.] auszugehen. 16 b) Der Unterhaltsbedarf richtet sich beim Verwandtenunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener 17 - 8 - Unterhalt). Das minderjährige Kind leitet seine Lebensstellung von seinen Eltern ab (vgl. Senatsurteil [X.] 175, 182 = [X.], 968, 973). Die für die Hö-he des Unterhalts maßgebende Lebensstellung der Eltern wird in der Praxis vorzugsweise nach dem verfügbaren Einkommen bestimmt, woran sich auch die [X.] Tabelle orientiert. Anders als beim Ehegattenunterhalt ist der Lebensstandard der Kinder nicht auf die zum [X.]punkt der Ehescheidung vor-handenen Einkommensquellen begrenzt. Vielmehr sind auch erst nach der Scheidung beim Unterhaltspflichtigen entstandene Vorteile zu berücksichtigen und fließen damit in den Lebensbedarf des Kindes ein. Der vom Berufungsgericht angeführte Nachrang des neuen Ehegatten ist im Rahmen der Bedarfsermittlung grundsätzlich unbeachtlich. Der Nachrang wirkt sich erst bei unzureichender Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen aus. Im Rahmen der Ermittlung des angemessenen Lebensbedarfs der Kinder können auch nachrangige Unterhaltsberechtigte berücksichtigt werden. Denn bei der Ermittlung des angemessenen Unterhalts im Sinne von § 1610 Abs. 1 BGB beeinflussen weitere Unterhaltspflichten die Lebensstellung des Elternteils und folglich auch diejenige der von ihm zu versorgenden Kinder. 18 Das findet in der Praxis etwa seinen Ausdruck darin, dass die Einstufung des Kindesunterhalts aufgrund des Einkommens des Unterhaltspflichtigen nach der [X.] Tabelle je nach Anzahl der Unterhaltsberechtigten durch [X.] oder Herabstufung zu korrigieren ist, ohne dass es dabei auf den Rang der weiteren Unterhaltsberechtigten ankommt (vgl. [X.] 1 zur [X.] Ta-belle, Stand: 1. Januar 2008). Die Einstufung nach der [X.] Tabelle ([X.] 1) geht, wie auch die Leitlinien der [X.]e (jeweils Nr. 11), im Regelfall von drei Unterhaltsberechtigten aus (anders nur die Leitli-nien des Berufungsgerichts, [X.], 365, 367, Nr. 11. 2: zwei Kinder). 19 - 9 - Überdies ist insbesondere bei mehreren Unterhaltsberechtigten eine An-gemessenheitsbetrachtung anzustellen, welche etwa - wiederum ohne [X.] auf den Rang - mit Hilfe der Bedarfskontrollbeträge nach [X.] 6 zur [X.] Tabelle vorgenommen werden kann (Senatsurteil [X.] 175, 182 = [X.], 968, 973; [X.] FamRZ 1993, 125, 133; [X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 7. Aufl. § 2 Rdn. 231 ff.). Der Nachrang des [X.] nach Wieder-verheiratung des Unterhaltspflichtigen ist demzufolge bei der Ermittlung des angemessenen Lebensbedarfs des Kindes unbeachtlich und steht damit wie-derum auch einer Bemessung des Kindesunterhalts nach dem tatsächlich er-zielten Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen nicht im Wege. 20 Es genügt vielmehr im Rahmen der Bedarfsermittlung gemäß § 1610 BGB, dass sich das Nettoeinkommen als alleiniges Einkommen des [X.] darstellt, was bei der [X.], von der das Berufungsge-richt hier offensichtlich ausgegangen ist, regelmäßig der Fall ist (zur Aufteilung der Steuerlast bei beiderseitigem Einkommen der Ehegatten s. Senatsurteil vom 31. Mai 2006 - [X.] ZR 111/03 - [X.], 1178, 1180 mit [X.] [X.]). 21 c) Auch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit (§ 1603 Abs. 1, 2 BGB) ist vom tatsächlichen Einkommen des Unterhaltspflichtigen auszugehen. Reicht die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen für den Unterhalt sämtli-cher (auch nachrangiger) Berechtigter nicht aus, so führt die Angemessenheits-betrachtung beim Unterhaltsbedarf gemäß § 1610 BGB regelmäßig dazu, dass der Kindesunterhalt nur in Höhe des Existenzminimums zu veranschlagen ist. Das Existenzminimum minderjähriger Kinder ist inzwischen aufgrund des [X.]srechtsänderungsgesetzes vom 27. Dezember 2007 ([X.]) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 in § 1612 a BGB als Mindestunterhalt [X.] - 10 - legt (zur vorausgegangenen Rechtslage s. Senatsurteil vom 22. Januar 2003 - [X.] ZR 2/00 - FamRZ 2003, 363) und entspricht den [X.] nach Einkommensgruppe 1 der [X.] Tabelle. 23 Handelt es sich um einen [X.] und steht das Existenzminimum des Kindes in Frage, so bestimmt das Gesetz in § 1603 Abs. 2 BGB, dass unter-haltspflichtige Eltern "alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden" haben (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht). Der [X.] aller verfügbaren Mittel schließt auch den Splittingvorteil aufgrund der [X.] ein, soweit dieser auf dem alleinigen Einkommen des Unterhaltspflichti-gen beruht. d) Ein dem entgegenstehendes Verbot der Anrechnung beim Kindesun-terhalt folgt weder aus gesetzlichen Bestimmungen noch aus verfassungsrecht-lichen Gesichtspunkten. Es ergibt sich auch nicht aus der Natur der Sache. 24 aa) Eine gesetzliche Bestimmung, die für die Belange des Unterhalts-rechts eine Anrechnung des mit der Wiederverheiratung des unterhaltspflichti-gen Elternteils verbundenen Splittingvorteils beim Unterhalt der Kinder abwei-chend von § 1603 Abs. 2 BGB verbietet, existiert nicht. Beim Einkommen des Unterhaltspflichtigen handelt es sich vielmehr in vollem Umfang um verfügbare Mittel im Sinne der gesetzlichen Regelung, deren Heranziehung allerdings nach ständiger Rechtsprechung zur Wahrung des Existenzminimums des [X.] durch den ihm zu belassenden Selbstbehalt begrenzt wird (Se-natsurteil [X.] 175, 182 = [X.], 968, 973 m.w.N.; nach [X.] 5 der [X.] Tabelle, Stand 1. Januar 2008, derzeit - seit 1. Juli 2007 - 900 •; bis Juni 2005 - Stand 1. Juli 2003 - 840 •; von Juli 2005 bis Juni 2007 - Stand 1. Juli 2005 - 890 •). 25 - 11 - Für die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts kann nicht auf die Rechtsprechung des Senats zum Erziehungsgeld verwiesen werden (so aber [X.] [X.], 313, 322). Soweit der Senat das Erziehungsgeld im Rahmen des Kindesunterhalts für nicht einsetzbar erklärt hat (Senatsurteil vom 21. Juni 2006 - [X.] ZR 147/04 - [X.], 1182, 1183 ff. mit [X.] Luthin), war das Erziehungsgeld kein Einkommen des Unterhaltspflichtigen, sondern das seines Ehegatten. Handelt es sich dagegen um Einkommen des Unterhaltspflichtigen, so bestimmt das Gesetz im Hinblick auf die gesteigerte Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB sogar ausdrücklich die Berücksichti-gung der Sozialleistung als Einkommen, auch wenn diese anderen Zwecken dienen soll als der Bestreitung des Unterhalts weiterer Kinder (§ 9 S. 2 BErzGG - Erziehungsgeld - und entsprechend § 11 S. 4 [X.] - Elterngeld -). Ähnlich ist die gesetzliche Regelung bei einem an die Pflegeperson weitergeleiteten [X.] ausgestaltet (§ 13 Abs. 6 S. 2 Nr. 1 SGB XI), die von dem grundsätzli-chen Anrechnungsverbot in den Fällen des § 1603 Abs. 2 BGB ebenfalls eine Ausnahme macht. Diese Beispiele zeigen, dass das Gesetz selbst bei aus-drücklichen [X.] der gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern höheres Gewicht beimisst als dem Förderungszweck des Gesetzes und es im [X.] bei der Einsetzbarkeit des gesamten [X.] für den Unterhalt Minderjähriger belässt. 26 [X.]) Auch der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe (Art. 6 Abs. 1 GG) gebietet es nicht, den Splittingvorteil als zweckgebundenen Einkommensbe-standteil bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt außer Betracht zu lassen. Die Rechtsprechung des [X.] zur verfassungsrechtlich gebotenen Außerachtlassung des Splittingvorteils aus der neuen Ehe beim Unterhaltsbedarf des geschiedenen Ehegatten ([X.] FamRZ 2003, 1821) steht dem nicht entgegen. Sie betrifft die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB und die damit [X.] - 12 - dene (verfassungsrechtliche) Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit einer ge-schiedenen mit einer neuen Ehe. Das [X.] hat sich dabei auf die Auslegung des § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB bezogen und es zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Gleichrangigkeit beider Ehen für geboten erklärt, der bestehenden Ehe allein eingeräumte steuerliche Vorteile nicht dadurch zu entziehen, dass sie der geschiedenen Ehe zugeordnet werden und auch den Unterhalt des geschiedenen Ehegatten erhöhen ([X.] FamRZ 2003, 1821, 1823). Abgesehen davon, dass die Rechtsprechung des Bundesverfassungsge-richts vor dem Hintergrund der früher praktizierten Bedarfsbemessung ergan-gen ist (zur neuen Rechtsprechung des Senats s. Senatsurteil vom 30. Juli 2008 - [X.] ZR 177/06 - zur [X.] bestimmt), ließen sich daraus für den Kindesunterhalt von vornherein keine vergleichbaren Folgerungen ziehen. 28 Der Lebensbedarf eines Kindes ist - wie oben unter I[X.] 2. b ausgeführt - anders als der Unterhaltsbedarf eines geschiedenen Ehegatten nicht durch die ehelichen Lebensverhältnisse begrenzt. Das Kind nimmt im Unterschied zum geschiedenen Ehegatten an [X.] nach Scheidung der Ehe regelmäßig teil. Im [X.] führt überdies - wie der vorliegende Fall zeigt - auch die Einbeziehung des Splittingvorteils aus der neuen Ehe [X.] nicht dazu, dass der Unterhalt des Kindes über dem Existenzminimum liegt. Selbst wenn wegen des Vorrangs nach § 1609 Nr. 1 BGB eine Leistungsfähig-keit für den Kindesunterhalt noch gegeben ist, wird der angemessene Bedarf des Kindes regelmäßig nicht höher als nach Einkommensgruppe 1 der Düssel-dorfer Tabelle zu veranschlagen sein, der (seit dem 1. Januar 2008) dem [X.] entspricht. 29 - 13 - Eine konsequente Reservierung des Splittingvorteils für den neuen [X.] müsste sich dagegen auch zu Lasten der Kinder auswirken, die aus der neuen Ehe hervorgegangen sind, denn diesen gegenüber wäre der Zweck der Steuerbegünstigung kein anderer als gegenüber den Kindern aus der geschie-denen Ehe. Daran wird indessen deutlich, dass eine isolierte Betrachtung des Splittingvorteils von einem Interessengegensatz von Ehe einerseits und Familie andererseits ausgeht und schon von daher sachwidrig ist. Eine [X.] aus der geschiedenen Ehe und einer neu geschlossenen Ehe wäre nicht zu rechtfertigen, wie die Revision zu Recht hervorhebt. 30 Wie das verfügbare Einkommen im [X.] zu verteilen ist, ergibt sich somit allein aus der gesetzlichen Rangfolge gemäß §§ 1609, 1582 BGB. Wenn der Gesetzgeber im Gegensatz zur bis zum 31. Dezember 2007 bestehenden Rechtslage den Kindesunterhalt seit dem 1. Januar 2008 als vorrangig ausges-taltet und damit den Ehegatten auf andere Möglichkeiten der Existenzsicherung verwiesen hat, beruht dies auf dem erhöhten Grad der Bedürftigkeit minderjäh-riger Kinder (vgl. [X.] FamRZ 2007, 1205) und erscheint deswegen auch verfassungsrechtlich unbedenklich. Einzuräumen ist, dass sich der [X.] bei eigenem Einkommen des Ehegatten, auf das er wegen seiner Nachrangigkeit angewiesen ist, in der Regel verringert, was sich dann auch zu Lasten des für den Kindesunterhalt verfügbaren Einkommens auswirkt. Würde man den Splittingvorteil dagegen isoliert betrachten, könnten dem Ehegatten trotz seines unterhaltsrechtlichen Nachrangs mehr Mittel zur Verfügung stehen als den vorrangigen Kindern, wie der vorliegende Fall verdeutlicht. 31 cc) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Steuervorteil schließlich nicht aus in der Sache liegenden Gründen von der Einkommensan-rechnung auszunehmen. Insbesondere ist der Splittingvorteil nicht mit der [X.] - 14 - handlung von Steuervorteilen vergleichbar, die auf unterhaltsrechtlich nicht an-erkennungsfähigen Aufwendungen beruhen. 33 Denn dem Splittingvorteil stehen nicht zwangsläufig Aufwendungen ge-genüber, erst recht nicht in Höhe der Hälfte des Einkommens, wie es der steu-erlichen Aufteilung des Einkommens auf beide Ehegatten entspricht. Für den Splittingvorteil ist es auch nicht erheblich, ob und in welcher Höhe ein Unter-haltsanspruch des weniger oder nicht verdienenden Ehegatten besteht (z.B. wenn der Ehegatte steuerfreie - und nicht § 32 b EStG unterfallende - Einkünfte erzielt, oder bei zeitlicher Inkongruenz von Unterhaltspflicht und Splittingvorteil wie etwa bei Eheschließung am Jahresende). Vielmehr handelt es sich um eine bewusst pauschalierende steuerrechtliche Regelung, die dem Steuerpflichtigen den Vorteil auch belässt, wenn er keine Unterhaltsleistungen erbracht hat. Dem entsprechend steht der Splittingvorteil nach der Rechtsprechung des Senats vermögensrechtlich auch nicht dem unterhaltsbedürftigen Ehegatten zu, son-dern ist zwischen den Ehegatten nach dem Maßstab einer fiktiven Einzelveran-lagung aufzuteilen (Senatsurteil vom 31. Mai 2006 - [X.] ZR 111/03 - [X.], 1178 mit [X.] [X.]). Die gegenteilige Ansicht des Berufungsgerichts erscheint darüber hinaus auch von seinem eigenen Standpunkt aus nicht folgerichtig. Denn es hat mit dem Arbeitsplatzwechsel und dem Umzug des Beklagten einkommensmindern-de Dispositionen zu Lasten des Kindesunterhalts gerade im Hinblick auf die neue Eheschließung anerkannt. Die minderjährigen Kläger zu 2 bis 4 müssten sich demzufolge mit der Eheschließung verbundene Nachteile entgegenhalten lassen, ohne dass diese durch damit verbundene Vorteile auszugleichen wären. 34 - 15 - II[X.] 35 Demnach kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben und ist gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben. Die Sache ist nicht zur Entschei-dung reif, weil weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich sind. Das [X.] hat zum Übergang der Unterhaltsansprüche auf öffentliche Leis-tungsträger keine Feststellungen getroffen. Diese waren aus seiner Sicht nicht notwendig, weil es gegenüber dem [X.] lediglich zu einer Herabset-zung des Kindesunterhalts gelangt ist. Die Einbeziehung des Splittingvorteils führt indessen zu über dem [X.] liegenden Unterhaltsbeträgen, [X.] die Abänderungsklage der Kläger zu 2 bis 4 teilweise begründet und der [X.] zu berücksichtigen ist. Hahne [X.] [X.] Vézina [X.] Vorinstanzen: AG [X.] ([X.]), Entscheidung vom 22.11.2005 - 21 F 2269/04 - [X.], Entscheidung vom 21.03.2006 - 12 UF 154/05 -

Meta

XII ZR 72/06

17.09.2008

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.09.2008, Az. XII ZR 72/06 (REWIS RS 2008, 1927)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 1927

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