Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2011, Az. AK 17/11

3. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2369

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
___________
AK 17/11
vom
14. Oktober 2011
in dem Ermittlungsverfahren
gegen

wegen
Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung

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Der 3.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] sowie des Beschuldigten und seiner Verteidiger am 14.
Oktober 2011 gemäß §§
121, 122 StPO beschlossen:
Die
Untersuchungshaft hat [X.].
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den [X.] findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach den [X.] Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:
I.
Der Beschuldigte, der [X.] Staatsangehöriger ist, wurde am 22.
Februar 2011 vorläufig festgenommen und befindet sich seit diesem Tag mit einer Unterbrechung zwischen dem 22.
Juli 2011 und dem 30.
August 2011 zur Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe in Untersuchungshaft aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des [X.] vom 18.
Februar 2011 (2
BGs 64/11).
Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe sich seit dem 1. September 2009 als Mitglied an der "[X.]" und damit an einer Vereinigung im Ausland beteiligt, deren Zwecke und 1
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deren Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§
211 StGB) oder Totschlag (§
212 StGB) zu begehen, strafbar als Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland außerhalb der Mitgliedstaaten der [X.] (§ 129b Abs. 1 Satz 1 und 2, §
129a Abs. 1 Nr. 1 StGB).
Die Ermächtigung des [X.] zur Verfolgung al-ler bereits begangenen und zukünftigen Taten im Zusammenhang mit der "Is-lamischen Bewegung [X.]" liegt seit dem 23. Oktober 2009 vor.
II.
Die Voraussetzungen der Untersuchungshaft und ihrer Fortdauer über sechs Monate hinaus sind gegeben.
1. Der Beschuldigte ist der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereini-gung im Ausland, der "[X.]n Bewegung [X.]", dringend verdäch-tig.
a) Bei der [X.] gegründeten Gruppierung "[X.] Bewe-gung [X.]" handelt es sich nach den [X.] des [X.] vom 26. März 2009, vom 18.
Februar 2011 und vom 30.
Juni 2011 sowie den Gutachten des Dr. [X.], [X.], Stand: Oktober 2009 und Juli 2011, um eine im [X.] bestehende Vereinigung, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet sind, Mord oder Totschlag zu begehen:
Das in [X.] gelegene [X.] bildete ursprünglich einen ein-heitlichen Kulturraum. In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde es 3
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zwischen den [X.]n, [X.] und kirgisischen Sowjetrepubliken aufgeteilt.
Ab dem Jahr 1991 verstand sich die Vorgängerorganisation der "Islami-schen Bewegung [X.]", deren Mitglieder überwiegend [X.] Is-lamisten sind, der aber auch [X.]is und [X.] angehören, als Befrei-ungsbewegung für das [X.], wobei sie zunächst das säkulare Regime des Präsidenten [X.] in [X.] beseitigen und einen [X.] Staat errichten wollte. Etwa [X.] verlegte sie ihr Operations-
und Rückzugs-gebiet nach [X.]. Am 16. Februar 1999 verübten Mitglieder einen An-schlag unter anderem auf den [X.]n Präsidenten, bei dem 13 Menschen starben und über
100 verletzt wurden. Nach der Tötung einer Vielzahl ihrer [X.] durch [X.] zog sie sich Ende des Jahres 2001 nach [X.] zurück.
Nach der Abspaltung der "[X.]" konzentrierten sich die Aktivitäten der
"[X.]n Bewegung [X.]" auf einen Kampf gegen die [X.].
Spätestens seit dem [X.] richtete sich die "[X.] Bewegung [X.]" in stärkerem Maße international aus. Von ihr autorisierte [X.] definieren als Ziel des [X.] die Vertreibung der mit den USA verbün-deten Streitkräfte aus [X.] und die Ausweitung des Wirkungsbereichs des Islam. Sie belegen die partnerschaftliche Kooperation der "[X.]n Bewegung [X.]" mit anderen terroristischen Vereinigungen im [X.] und ihre Bereitschaft, sich bei Einzelaktionen der Führung größerer Terrororganisationen unterzuordnen. Die "[X.] Bewegung [X.]" bekannte sich 2009 zu einem Selbstmordattentat, bei dem unter anderem sieben Zivilisten getötet wurden.
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Die "[X.] Bewegung [X.]" ist als Personenverband hierar-chisch strukturiert. Sie bindet ihre Mitglieder durch einen Gefolgschaftseid an die Gruppierung bzw. ihren Führer. Der Führungsspitze -
seit dem [X.] um [X.] -
ist eine zehn-
bis fünfzehnköpfige [X.] nachgeordnet, die Organisationseinheiten in den Bereichen Sicherheit, Ausbildung, Finanzen, Medien / Propaganda sowie militärische Operationen umfasst.
b) Der Beschuldigte, der als [X.] Staatsangehöriger auch für in [X.] begangene mitgliedschaftliche Betätigungshandlungen nach §
129b Abs.
1, §
129a Abs. 1 Nr. 1 StGB [X.] Strafgewalt unterliegt (vgl. [X.], Beschluss vom 31.
Juli 2009 -
StB
34/09, [X.]R StPO § 129b Anwendbar-keit
1; Beschluss vom 15.
Dezember 2009 -
StB
52/09, [X.]St 54, 264, 267), ist dringend verdächtig, seit dem 1. September 2009 Mitglied der "[X.]n Bewegung [X.]" zu sein:
Ausweislich der gemäß dem Artikel 10-Gesetz erstellten [X.], die zugleich die Einlassung des Beschuldigten widerlegen, er habe sich lediglich längere Zeit in der [X.] aufgehalten und dort einen Verkehrsunfall gehabt, reiste der Beschuldigte im [X.] 2009 von [X.] nach [X.] und anschließend weiter über den [X.] nach [X.]. Spätestens am 1.
September 2009 erreichte er ein Ausbildungslager der "[X.] [X.]", absolvierte dort eine Ausbildung und wurde bei dem Um-gang mit Kampfmitteln verletzt. Wegen der Einzelheiten des [X.] nimmt der Senat im Übrigen Bezug auf den Inhalt des Haftbefehls des Ermittlungsrich-ters des [X.] vom 18. Februar 2011.
Nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis gliederte sich der Beschuldig-te durch seine intensive Mitwirkung anlässlich seiner Ausbildung willentlich und mit dem Einverständnis der für sie verantwortlich Handelnden in die "[X.] 11
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Bewegung [X.]" ein. Zwar fehlt es bisher an unmittelbaren Beweisen dafür, dass der Beschuldigte einen Gefolgschaftseid leistete. Außerdem ist die Beteiligung an Kampfhandlungen nicht zweifelsfrei belegt, da sich der Beschul-digte Anfang des Jahres 2010 verletzte, ausweislich der Vermerke des [X.] vom 11.
November 2010 (dort [X.]) und vom 31.
Januar 2011 (dort [X.]) in den Wintermonaten aber witterungsbedingt die Ausbil-dung im Vordergrund steht und Kampfhandlungen erschwert sind. Die gemäß dem Artikel 10-Gesetz erstellten Gesprächsprotokolle ergeben aber, dass der Beschuldigte mit ausdrücklicher Zustimmung der dort [X.] in das nicht jedem Interessierten zugängliche Ausbildungslager fand und anschließend in enger persönlicher Verbindung mit dem laut Behörden-zeugnis des [X.] vom 7.
Januar 2010 [X.] Mitglied der "[X.]n Bewegung [X.]",

[X.]

, stand, der den Kontakt zur Familie des Beschuldigten in [X.] vermittelte. [X.] Umstände belegen den Erwerb der Mitgliedschaft mit der zur Annahme ei-nes dringenden Tatverdachts hinreichenden Sicherheit. In einer Hauptverhand-lung wird Gelegenheit bestehen, zu dieser Frage -
gegebenenfalls unter sach-verständiger Beratung -
weitere Feststellungen zu treffen und abschließend zu klären, ob die Mitgliedschaft des Beschuldigten in der Organisation mit
der zu einer Verurteilung erforderlichen Sicherheit zu belegen ist.
Die nach Erlass des Haftbefehls durchgeführten Ermittlungen haben den gegen den Beschuldigten bestehenden dringenden Tatverdacht noch verdich-tet. Insbesondere ergibt die Auswertung von Asservaten jihadistischen Inhalts, die bei einer beim Beschuldigten am 22. Februar 2011 durchgeführten Durch-suchung sichergestellt wurden, Aufschluss über seine Motivation und seine fortdauernde Verbundenheit mit den Zielen der "[X.] Us-bekistan".
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2. Es besteht aus den im Haftbefehl dargestellten Gründen nach wie vor der Haftgrund der Fluchtgefahr (§
112 Abs.
2 Nr.
2 StPO), so dass es auf den weiteren Haftgrund des §
112 Abs.
3 StPO nicht ankommt. Dass der Beschul-digte -
nach den Ergebnissen der Telekommunikationsüberwachung von seiner Familie nachdrücklich dazu angehalten -
kurz vor seiner Verhaftung in eine Eheschließung nach [X.] Grundsätzen einwilligte, ändert daran nichts, weil er sich dadurch nicht an einem Verlassen [X.]s gehindert sähe. Der Zweck der Untersuchungshaft kann durch weniger einschneidende [X.] als deren Vollzug nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO). Die bis-herige Dauer der Untersuchungshaft steht auch noch nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden er-heblichen Strafe (§
120 Abs. 1 Satz 1 StPO).
3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil noch nicht [X.].
Seit der Inhaftierung des Beschuldigten wurden weitere Ermittlungen durchgeführt, die sich -
auch wegen des [X.] -
als besonders schwierig erweisen. Beim Beschuldigten und weiteren Mitbeschuldigten wurden Wohn-
und Geschäftsräume durchsucht. Dabei wurde eine Vielzahl von [X.] sichergestellt. Deren Auswertung beansprucht einen erheblichen Zeitaufwand, weil ein großer Teil der Asservate nur mit Hilfe von Dolmetschern und Islamwissenschaftlern erschlossen werden kann.
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Dies hat bisher ein Urteil nicht zugelassen. Indes geht der Senat davon aus, dass -
wie vom [X.] angekündigt -
gegen den [X.] nunmehr alsbald Anklage erhoben werden wird.
[X.]

Pfister Menges

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Meta

AK 17/11

14.10.2011

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.10.2011, Az. AK 17/11 (REWIS RS 2011, 2369)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2369

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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