Bundessozialgericht, Urteil vom 28.10.2014, Az. B 14 AS 61/13 R

14. Senat | REWIS RS 2014, 1830

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - Freibeträge beim Zusammentreffen von Erwerbseinkommen und steuerfreiem Einkommen aus ehrenamtlicher Tätigkeit


Leitsatz

Bei dem Zusammentreffen von Einkünften aus Erwerbstätigkeit und aus steuerprivilegierter (ehrenamtlicher) Tätigkeit sind Absetzbeträge für jede Tätigkeit gesondert anzusetzen und können nebeneinander Anwendung finden.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen wird das Urteil des [X.] vom 30. Juli 2013 geändert und der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 29. November 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Dezember 2011 verurteilt, ihnen für November 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] in Höhe von insgesamt 915,93 Euro zu zahlen.

Die Revisionen der Klägerinnen im Übrigen und die Revision des Beklagten werden zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] ([X.]) unter Berücksichtigung von Arbeitsentgelt und steuerprivilegierten Einkünften aus ehrenamtlicher Tätigkeit.

2

Die 1977 geborene Klägerin zu 1 bezog mit ihren in ihrem Haushalt lebenden Töchtern, den 1996 und 2006 geborenen Klägerinnen zu 2 und 3, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]. Im November 2011 erhielt die Klägerin zu 1 von der [X.] im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung Arbeitsentgelt in Höhe von 214,06 Euro sowie weitere 12,50 Euro, die als Entschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit nach § 3 [X.] (EStG) ausgewiesen sind. Nach Erhalt der Einkommensnachweise bewilligte das beklagte Jobcenter den Klägerinnen für den November 2011 Arbeitslosengeld II ([X.]) und Sozialgeld in Höhe von insgesamt 905,89 Euro unter Berücksichtigung der nach Kopfteilen aufgeteilten tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft in Höhe von 511,14 Euro sowie von Unterhalt für die Klägerin zu 3 in Höhe von 133 Euro und Kindergeld für beide Töchter von jeweils 184 Euro. Dabei bereinigte der Beklagte das Einkommen der Klägerin zu 1 um den allgemeinen Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] von 100 Euro und den [X.] für Erwerbstätige nach § 11b Abs 3 Satz 2 Nr 1 [X.], nicht aber unter Berücksichtigung des Freibetrags von damals 175 Euro bei privilegiertem Einkommen nach § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] aF, weil dieser nur bei Entschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten mit Einkünften über 100 Euro greife (Bescheid vom 29.11.2011; Widerspruchsbescheid vom 29.12.2011).

3

Das Sozialgericht ([X.]) hat den Klägerinnen unter Zubilligung eines weiteren Freibetrags in Höhe von 12,50 Euro für die ehrenamtliche Aufwandsentschädigung einen Gesamtanspruch von 915,89 Euro zuerkannt. Soweit die Klägerinnen die Bereinigung aller Einnahmen der Klägerin zu 1 um den erhöhten Grundfreibetrag von 175 Euro begehrt und deshalb zusätzliche Leistungen in Höhe von 60 Euro beansprucht haben, hat das [X.] die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]): Wenn Bezüge oder Einnahmen aus ehrenamtlicher Tätigkeit und Einkommen aus steuerlich nicht privilegierter Erwerbstätigkeit erzielt werden und die Bezüge oder Einnahmen aus ehrenamtlicher Tätigkeit unter dem erhöhten Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] liegen, so sei ein Freibetrag bis zur Höhe der Summe aus dem [X.] nach Satz 1 in Höhe von 100 Euro und den Bezügen oder Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit abzusetzen.

4

Mit ihren vom [X.] zugelassenen und jeweils mit gegenseitiger Zustimmung eingelegten Sprungrevisionen rügen die Klägerinnen und der Beklagte eine Verletzung von § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] und § 11b Abs 3 Satz 2 Nr 1 [X.]. Die Klägerinnen sind der Auffassung, nach dem Wortlaut erstrecke sich der erhöhte Grundfreibetrag des § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] auf das gesamte Einkommen, sobald auch nur eine Einnahme privilegiert im Sinne der Vorschrift sei. Zudem setze die weitere Einkommensbereinigung um den [X.] nach § 11b Abs 3 Satz 2 Nr 1 [X.] auch dann bei 100 Euro ein, wenn der Grundfreibetrag wegen der [X.] des § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] über 100 Euro liege. Der Beklagte macht geltend, die besondere [X.] von § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] greife beim Zusammentreffen von Einkommen aus nicht privilegierter und aus privilegierter Tätigkeit nur bei steuerfreien Entschädigungen von mehr als 100 Euro, denn Beträge bis zu 100 Euro seien bereits vom Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] berücksichtigt.

5

Die Klägerinnen beantragen,
das Urteil des [X.] vom 30. Juli 2013 zu ändern, den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 29. November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Dezember 2011 zu verurteilen, ihnen für November 2011 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 50 Euro zu zahlen, und die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 30. Juli 2013 zu ändern, die Klagen insgesamt abzuweisen und die Revisionen der Klägerinnen zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässigen Sprungrevisionen der [X.] sind in einem Umfang von 0,04 [X.] begründet, weil diesen insgesamt für November 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem [X.] in Höhe von 915,93 [X.] zustehen. Im Übrigen sind sie unbegründet. Die zulässige Sprungrevision des [X.]n ist insgesamt unbegründet. Unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs der Klägerin zu 1 gemäß § 21 Abs 3 [X.] [X.] in Höhe von 131,04 [X.] statt 131 [X.] beträgt der Gesamtbedarf der [X.] 1007,18 [X.]. Auf diesen Gesamtbedarf ist - wie vom [X.] zutreffend entschieden - bereinigtes Einkommen der Klägerin zu 1 in Höhe von 91,25 [X.] anzurechnen.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das Urteil des [X.] vom [X.] und der Bescheid des [X.]n vom 29.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.12.2011, durch den den [X.] Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 905,89 [X.] bewilligt wurden. Die [X.] begehren mit ihrer zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4 Sozialgerichtsgesetz <[X.]G>) über den vom [X.] zusätzlich zuerkannten Betrag von 10 [X.] ([X.] 915,89 [X.]) weitere Leistungen in Höhe von 50 [X.], während der [X.] die Abweisung der Klagen insgesamt anstrebt.

9

2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind §§ 19 ff iVm § 7 [X.] in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung seit dem 1.4.2011 (Bekanntmachung der Neufassung des [X.] vom 13.5.2011, [X.], die den zuletzt durch das Gesetz zur Ermittlung von [X.] und zur Änderung des [X.] und [X.] vom 24.3.2011, [X.] 453 <[X.]/[X.]/[X.]B XII-ÄndG> am 1.4.2011 erreichten Stand berücksichtigt). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

Die Klägerin zu 1 erfüllte die Voraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 [X.] für eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte, weil sie nach den für den [X.] bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) im Jahr 1977 geboren ist, erwerbsfähig war und einen gewöhnlichen Aufenthalt in [X.] hatte, mangels ausreichenden Einkommens und Vermögens war sie auch hilfebedürftig nach § 9 Abs 1 [X.]. Ein [X.] nach § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 oder 5 [X.] lag nicht vor. Die in ihrem Haushalt lebenden, unverheirateten und im November 2011 minderjährigen [X.] zu 2 und 3 bildeten als ihre Töchter mit ihr eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 4 [X.], weil sie ihren Bedarf nicht durch eigenes Einkommen und Vermögen vollständig decken konnten.

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts werden in Höhe der Bedarfe nach § 19 Abs 1 und 2 [X.] erbracht, soweit diese nicht ua durch zu berücksichtigendes Einkommen gedeckt sind (§ 19 Abs 3 Satz 1 [X.]). Auszugehen ist von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1007,18 [X.]. Dieser ergibt sich aus dem Regelbedarf der Klägerin zu 1 in Höhe von 364 [X.] (§ 20 Abs 2 Satz 1 [X.]) zuzüglich eines Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs 3 [X.] [X.] in Höhe von 36 % des Regelbedarfs, der sich beläuft auf 131,04 [X.]. Soweit von dem [X.]n und ihm folgend dem [X.] ein Mehrbedarf von (nur) 131 [X.] berücksichtigt wurde, ist eine Rechtsgrundlage für diese anscheinend vorgenommene Abrundung nicht ersichtlich. Zum Regelbedarf hinzu kommen die [X.] umzulegenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe von 170,38 [X.] (1/3 von 511,14 [X.]), sodass sich ein individueller Bedarf der Klägerin zu 1 in Höhe von 665,42 [X.] (364 plus 131,04 plus 170,38 [X.]) ergibt. Der individuelle Bedarf der Klägerin zu 2 beträgt 273,38 [X.] (287 [X.] Regelbedarf plus 170,38 [X.] abzüglich 184 [X.] Kindergeld) und der der Klägerin zu 3 68,38 [X.] (215 [X.] Regelbedarf plus 170,38 [X.] abzüglich 184 [X.] Kindergeld und 133 [X.] Unterhalt).

3. Auf diesen Gesamtbedarf der [X.] ist bereinigtes Einkommen der Klägerin zu 1 in Höhe von 91,25 [X.] anzurechnen.

Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b [X.] abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a [X.] genannten Einnahmen (§ 11 Abs 1 Satz 1 [X.]). Erzielen erwerbsfähige Leistungsberechtigte Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, ist anstelle der Beträge nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.] bis 5 [X.] - [X.], geförderte Altersvorsorgebeiträge und mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben - nach § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] ein Grundfreibetrag von insgesamt 100 [X.] monatlich abzusetzen. Liegen die Ausgaben für diese Beträge über 100 [X.] monatlich, sind sie im tatsächlichen Umfang abzusetzen, wenn das monatliche Einkommen mehr als 400 [X.] beträgt und die Ausgaben nachgewiesen werden (§ 11b Abs 2 Satz 2 [X.]). Abweichend davon sieht § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] aF einen auf 175 [X.] (gemäß § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] idF des [X.] vom [X.] - [X.] 556 - seit 1.1.2013: 200 [X.]) erhöhten monatlichen Freibetrag und eine auf diesen Betrag abgesenkte Einkommensgrenze für den Nachweis tatsächlich höherer Ausgaben für solche leistungsberechtigten Personen vor, die aus mindestens einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 [X.], 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind.

Das [X.] hat zu Recht das Erwerbseinkommen der Klägerin zu 1 in Höhe von 214,06 [X.] um den allgemeinen Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] von 100 [X.] und deren Entschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit um einen weiteren Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] aF von 12,50 [X.] bereinigt. Absetzbeträge nach § 11b Abs 2 [X.] sind bei dem Zusammentreffen von Einkünften aus nicht privilegierter Erwerbstätigkeit iS von § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] und aus [X.] (ehrenamtlicher) Tätigkeit iS von § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] für jede Tätigkeit gesondert anzusetzen und können auch nebeneinander eingreifen. Anders als der [X.] meint, ist der erhöhte Freibetrag nicht erst zu berücksichtigen, wenn die Entschädigung für die steuerprivilegierte Tätigkeit über 100 [X.] beträgt (dazu a). Entgegen der Ansicht der [X.] bewirkt der Bezug eines privilegierten Einkommens nach § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] aber nicht, dass dessen erhöhter Freibetrag vom gesamten Einkommen abzusetzen ist (dazu b). Das [X.] hat auch zutreffend den [X.] für Erwerbstätige nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.], Abs 3 [X.] ermittelt (dazu c).

a) Das Verhältnis der allgemeinen Freibetragsregelung bei Erwerbstätigkeit in § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] zur erhöhten Freibetragsregelung in § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] bei bestimmten steuerfreien Einkünften ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig. Die Formulierung, dass der höhere Freibetrag (und auch die niedrigere Einkommensgrenze bei nachgewiesenen Ausgaben) "an die Stelle" der in § 11b Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] genannten Beträge tritt, macht nicht deutlich, ob § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] erst bei Gesamteinkünften aus privilegierten Tätigkeiten von mehr als 100 [X.] eingreift oder eine gegenüber § 11b Abs 2 Satz 1 und 2 [X.] eigenständige Regelung darstellt, die unabhängig davon für die genannten Bezüge oder Einnahmen eingreift.

Dass § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] eine eigenständige Regelung enthält, folgt aber aus der Entstehungsgeschichte sowie dem Sinn und Zweck dieser Privilegierung. § 11b Abs 2 Satz 3 und 4 [X.] sind erst im Vermittlungsverfahren zum [X.]/[X.]/[X.]B XII-ÄndG eingefügt worden (vgl Beschlussempfehlung des [X.] - BT-Drucks 17/4719 [X.]). Damit ist auf einen Vorschlag des Bundesrates im Gesetzgebungsverfahren reagiert worden, einen neuen § 11b Abs 1a [X.] zu schaffen. Dieser Vorschlag zielte im Wesentlichen auf eine entsprechende Anwendung der für Erwerbstätige geltenden Regelungen auch für ehrenamtliche Tätige und sah keine günstigeren Freibeträge vor (vgl [X.]stellungnahme vom 26.11.2010, BT-Drucks 17/3958, Anlage 3 S 12 f). Ausgangspunkt war für den Bundesrat die Annahme, nach dem neuen § 11a Abs 3 [X.] würden steuerfreie Aufwandsentschädigungen, die im nicht öffentlichen Bereich gewährt werden, schlechter behandelt als Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Der Vorschlag wurde von der Bundesregierung abgelehnt mit der - zutreffenden - Begründung, bei den vom Bundesrat genannten, nach § 3 [X.] und 26a EStG steuerfreien Aufwandsentschädigungen handele es sich ohnehin um Erwerbseinkommen, sodass schon nach geltender Rechtslage die Erwerbstätigenfreibeträge gewährt würden (vgl BT-Drucks 17/3982 S 6).

Wenn vor diesem Hintergrund im Vermittlungsverfahren auf Vorschlag des [X.] schließlich doch eine Ergänzung von § 11b Abs 2 [X.] vorgenommen wird, mit einem höheren Freibetrag und einer niedrigeren Nachweisgrenze für besondere, steuerfreie Einkünfte, belegt dies die Absicht, die genannten Einkünfte stärker zu privilegieren als sonstige Erwerbseinkünfte. Damit wird dem Anliegen des [X.] in besonderer Weise Rechnung getragen, die gesellschaftspolitisch wünschenswerte Wahrnehmung von ehrenamtlichen Aufgaben durch Leistungsempfänger auch wegen der damit verbundenen möglichen Verbesserung ihrer Chancen auf dem Arbeitsmarkt anzuerkennen (vgl dazu [X.]stellungnahme vom 26.11.2010, BT-Drucks 17/3958, Anlage 3 S 12). Die Absicht einer eigenständigen und zusätzlichen Privilegierung zeigt sich im Übrigen darin, dass nicht nur, wie vom Bundesrat vorgeschlagen, steuerfreie Einkünfte nach § 3 [X.] und 26a EStG privilegiert werden, sondern auch steuerfreie Einkünfte nach § 3 [X.] und 26b [X.] Zudem ist im Recht der Sozialhilfe - ebenfalls auf Vorschlag des [X.] - eine dem § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] entsprechende Ergänzung in § 82 Abs 3 Satz 4 [X.]B XII vorgenommen worden, obwohl § 82 Abs 3 Satz 1 [X.]B XII keine mit § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] vergleichbare Freibetragsreglung enthält.

Dieser Zweck einer eigenständigen und zusätzlichen Privilegierung würde teilweise verfehlt, wenn - wie der [X.] meint - diese Privilegierungswirkung erst anzunehmen wäre ab einem Verdienst aus ehrenamtlichen Tätigkeiten in Höhe von mehr als 100 [X.]. Denn der besondere Anreiz, ehrenamtliche Aufgaben wahrzunehmen, beschränkte sich dann auf die besser bezahlten ehrenamtlichen Tätigkeiten. Soweit neben den ehrenamtlichen Tätigkeiten keine weiteren Erwerbstätigkeiten verrichtet werden, mag dies ohne Bedeutung sein, weil Einkünfte bis 100 [X.] vom Grundfreibetrag des § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] umfasst wären. Demgegenüber liefe die besondere Privilegierung von ehrenamtlichen Tätigkeiten mit einem Verdienst bis zu 100 [X.] monatlich weitgehend leer, wenn - wie im vorliegenden Fall - neben den Einkünften aus diesen Tätigkeiten weitere Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erzielt werden, die den Grundfreibetrag des § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] ausschöpfen. Einen nachvollziehbaren Grund für diese beschränkende Differenzierung vermag der [X.] nicht zu erkennen.

Soweit der [X.] ausführt, es sei ein Ergebnis des [X.] gewesen, die in § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] genannten steuerfreien Einkünfte nur in Höhe von mehr als 100 [X.] bis zu 175 [X.] anrechnungsfrei zu stellen, kann das anhand der Gesetzesmaterialien nicht nachvollzogen werden. Den Ausführungen des Bundesrates in seiner Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren zur Behandlung von Einkünften aus ehrenamtlichen Tätigkeiten ist hierzu nichts zu entnehmen. Er hat sich zwar gegen eine vollständige Freistellung der steuerprivilegierten Einkünfte ausgesprochen. Dem ist jedoch durch die Begrenzung der Höhe des privilegierten Verdienstes auf 175 [X.] Rechnung getragen worden. Darüber hinaus hatte sich der Bundesrat zwar auch gegen eine Besserstellung von Einkünften aus ehrenamtlichen Tätigkeiten gegenüber Einkommen aus Erwerbstätigkeit ausgesprochen. Gleichwohl ist eine solche Besserstellung im Gesetzgebungsverfahren auf Vorschlag des [X.] ausdrücklich vorgenommen worden.

Im Hinblick auf die Äußerung des Bundesrates, bei "zusätzlicher Aufnahme eines Nebenjobs werden die Einkünfte addiert, so dass der Grundfreibetrag nicht doppelt anfällt" ([X.]stellungnahme vom 26.11.2010, BT-Drucks 17/3958, Anlage 3 S 13), spricht allerdings viel dafür, den erhöhten Grundfreibetrag des § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] jedenfalls als Freibetragsobergrenze zu begreifen. Danach könnte beim Zusammentreffen von Einkünften aus "normalen" Erwerbstätigkeiten in Höhe von über 100 [X.] und steuerfreien Einkünften iS von § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] in Höhe von über 175 [X.] nur der Freibetrag von 175 [X.] geltend gemacht werden. Gestützt wird dies durch die Formulierung im Wortlaut, dass der Betrag von 175 [X.] "an die Stelle" des Betrages von 100 [X.] tritt.

b) Die Privilegierungswirkung des § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] bezieht sich entgegen der Auffassung der [X.] allein auf die Einkünfte, die steuerfrei im Sinne der Vorschrift sind. Aus dem Wortlaut der Vorschrift mit der Formulierung "mindestens aus einer Tätigkeit" folgt keine unmittelbare oder mittelbare Privilegierung von nicht steuerbegünstigten Einkünften. Denn unter Berücksichtigung des Regelungszwecks ist damit nicht gemeint, dass § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] bei mindestens einer privilegierten Tätigkeit stets und ohne Einschränkung an die Stelle von § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] tritt. Vielmehr stellt die Wendung in dem aufgezeigten [X.] nur sicher, dass der Absetzbetrag beim Zusammentreffen von mehreren Entschädigungen aus ehrenamtlicher Tätigkeit analog zum Steuerrecht auf einen monatlichen Gesamtbetrag von 175 [X.] begrenzt ist.

Bereits zu § 11 Abs 2 Satz 2 [X.] (in der bis zum [X.] geltenden Fassung des [X.] für erwerbsfähige Hilfebedürftige vom 14.8.2005, [X.] 2407) als der Vorläuferbestimmung des allgemeinen Grundfreibetrags nach § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] hat das [X.] (B[X.]) entschieden, dass der nicht verbrauchte Teil der nur vom Erwerbseinkommen abzugsfähigen [X.] nicht auf eine andere Einkommensart übertragen werden könne, weil keine allgemeine Erhöhung von Absetzbeträgen erfolgen sollte, sondern lediglich bezogen auf Erwerbseinkommen (B[X.], Urteil vom 5.6.2014 - B 4 [X.]/13 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.]6 RdNr 23). Dem entsprechend sollte mit der Regelung des § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] ebenfalls keine allgemeine Erhöhung der Absetzbeträge unabhängig von dem Charakter der Einkünfte vorgenommen werden, sondern beschränkt auf die bezeichneten steuerfreien Bezüge oder Einnahmen. Ihrem Zweck nach zielt die Privilegierung auf eine Gleichstellung von Leistungsbeziehern nach dem [X.] mit steuerpflichtigen ehrenamtlich Tätigen, die nach näherer Maßgabe von § 3 EStG bei Bezügen oder Einnahmen nach der [X.], 26, 26a oder 26b von der Einkommensteuer freigestellt sind. Diese Intention ist zuletzt bei der Anhebung des Freibetrags auf 200 [X.] durch das [X.] vom [X.] ([X.] 556) nochmals deutlich geworden (vgl BR-Drucks 663/12 [X.]5 zu Art 8). Mit dieser Zielsetzung wäre es unvereinbar, würden nicht durch die Entschädigung für ehrenamtliche Tätigkeit ausgeschöpfte Anteile des erhöhten Grundfreibetrags auf Einnahmen aus nicht privilegierter Erwerbstätigkeit zu übertragen sein.

Zutreffend hat das [X.] hiernach entschieden, dass das Arbeitsentgelt der Klägerin zu 1 von 214,06 [X.] um den allgemeinen Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 1 [X.] in Höhe von 100 [X.] zu bereinigen ist und die Entschädigung für die ehrenamtliche Tätigkeit von 12,50 [X.] wegen des erhöhten Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] vollständig anrechnungsfrei bleibt. Insgesamt ergibt sich nach der Bereinigung des Einkommens gemäß § 11b Abs 2 [X.] somit ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 114,06 [X.].

c) Hiervon ausgehend hat das [X.] schließlich auch den [X.] für Erwerbstätige nach § 11b Abs 1 Satz 1 [X.], Abs 3 Satz 2 [X.] [X.] zutreffend ermittelt. Danach ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 [X.] übersteigt und nicht mehr als 1000 [X.] beträgt, ein weiterer Betrag von 20 % abzusetzen. Dieser [X.] beträgt vorliegend 22,81 [X.] (20 % des nach der Bereinigung gemäß § 11b Abs 2 [X.] anrechenbaren Einkommens in Höhe von 114,06 [X.]).

Entgegen der von den [X.] vorgenommenen Berechnungsweise ist bei der Ermittlung des [X.]es nach § 11b Abs 3 [X.] nicht das Gesamteinkommen einzubeziehen, das 100 [X.] übersteigt (hier wären das 126,56 [X.]), sondern lediglich das nach der Bereinigung nach § 11b Abs 2 [X.] (noch) zu berücksichtigende Einkommen (hier also 114,06 [X.]). Dies ergibt sich aus Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck der Regelung. Ausgangspunkt der Berechnung im Einzelnen ist stets der ermittelte konkrete [X.] nach der Bereinigung nach § 11b Abs 2 [X.]. Denn in § 11b Abs 3 Satz 1 [X.] ist von "dem monatlichen Einkommen" die Rede und in Satz 2 [X.] von dem Teil dieses Einkommens, "das 100 [X.] übersteigt", was sich nach der Regelungssystematik auf das sich nach Anwendung des Absatzes 2 verbleibende Einkommen bezieht. In diesem Sinne hat das B[X.] zu dem [X.] gemäß § 30 [X.] aF bereits entschieden, dass dieser erst oberhalb des [X.] einsetze (B[X.], Urteil vom 27.9.2011 - B 4 [X.]/10 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]9). Nichts anderes kann für den erhöhten Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 3 [X.] gelten. Soweit in § 11b Abs 3 Satz 2 [X.] und 2 [X.] bestimmte Einkommensbeträge genannt sind, werden damit (lediglich) verschiedene Einkommensstufen abstrakt bezeichnet und hieran jeweils unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft, nämlich weitere Absetzbeträge in Höhe von 20 % bzw 10 % des maßgebenden Einkommens. Diese Sichtweise entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelung. Denn andernfalls könnte Einkommen doppelt privilegiert sein, nämlich einmal durch die Berücksichtigung von Freibeträgen nach § 11b Abs 2 [X.] und darüber hinaus, soweit diese Beträge 100 [X.] überschreiten, zum [X.] durch die Berücksichtigung bei der Ermittlung des [X.]es nach § 11b Abs 3 [X.].

4. Das anrechenbare bereinigte Einkommen der Klägerin zu 1 in Höhe von 91,25 [X.] ist gemäß § 9 Abs 2 Satz 2, 3 [X.] auf alle [X.] im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf zu verteilen, sodass von den insgesamt zustehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 915,93 [X.] der Klägerin zu 1 ein Betrag von 605,13 [X.], der Klägerin zu 2 ein Betrag von 248,61 [X.] und der Klägerin zu 3 ein Betrag von 62,19 [X.] zusteht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 [X.]G und berücksichtigt, dass die [X.] im Revisionsverfahren nur zu einem sehr geringen Anteil obsiegt haben und im Übrigen die Revisionen aller Beteiligten zurückgewiesen wurden.

Meta

B 14 AS 61/13 R

28.10.2014

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Bayreuth, 30. Juli 2013, Az: S 5 AS 112/12, Urteil

§ 11 Abs 1 S 1 SGB 2, § 11b Abs 1 S 1 Nr 6 SGB 2, § 11b Abs 2 S 1 SGB 2, § 11b Abs 2 S 3 SGB 2, § 11b Abs 3 S 1 SGB 2, § 11b Abs 3 S 2 Nr 1 SGB 2, § 3 Nr 26 EStG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 28.10.2014, Az. B 14 AS 61/13 R (REWIS RS 2014, 1830)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1830

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

B 14 AS 36/17 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Aufwandsentschädigung aus kommunalem Mandat - Berliner Bezirksverordneter - zweckbestimmte …


B 7/14 AS 59/21 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Unvererblichkeit des Leistungsanspruchs - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - Zusammentreffen von Renteneinkünften …


B 4 AS 54/15 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung - Taschengeld aus Bundesfreiwilligendienst - keine zweckbestimmte Leistung - kein …


B 14 AS 25/13 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - Zufluss der Arbeitsentgeltzahlung für mehrere Monate in …


B 14 AS 29/20 R (Bundessozialgericht)

Grundsicherung für Arbeitsuchende - Einkommensberücksichtigung und -berechnung - Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit als Übungsleiter - …


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.