Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.08.2019, Az. B 13 R 193/17 B

13. Senat | REWIS RS 2019, 11889

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Gegenstand

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Witwerrentenanspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 303 SGB 6 - Auslegung des überwiegenden Bestreitens des Familienunterhalts im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod - Berechnung des Familieneinkommens - Berücksichtigung von Kindergeld und Kindesunterhalt bei nicht gemeinsamen Kindern)


Tenor

Der Antrag des [X.], ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 11. Mai 2017 Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des [X.] gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines [X.] die Gewährung einer Witwerrente nach der vorletzten Ehegattin streitig. Mit Urteil vom 11.5.2017 hat das [X.] das stattgebende Urteil des [X.] aufgehoben und einen Anspruch des [X.] auf Witwerrente verneint.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim B[X.] eingelegt und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) für das [X.] zu bewilligen sowie Rechtsanwalt V. beizuordnen.

3

I. Der Antrag auf PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil die Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a [X.] [X.]G iVm § 114 [X.], § 121 Abs 1 ZPO). Es ist nicht zu erkennen, dass ein nach § 73 Abs 4 [X.]G zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des [X.] erfolgreich zu begründen.

4

Im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 160, 160a [X.]G) geht es nicht darum, ob die Entscheidung des L[X.] richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 [X.]G die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat ([X.]), das Urteil des L[X.] von einer Entscheidung des B[X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes ([X.]) oder des [X.] ([X.]) abweicht und auf dieser Abweichung beruht ([X.]) oder wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann ([X.]).

5

Solche Zulassungsgründe sind nach Prüfung des Streitstoffs und den Hinweisen des [X.] im Schreiben vom 1.8.2017 nicht ersichtlich.

6

1. Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G), denn sie wirft keine Rechtsfrage auf, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. [X.] ist nur gegeben, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt; als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, zur Auslegung aber bereits eine höchstrichterliche Entscheidung ergangen ist, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der Rechtsfrage gibt (vgl Senatsbeschluss vom 3.1.2011 - B 13 R 195/10 B - Juris Rd[X.] 9).

7

Zu den Leistungsvoraussetzungen der hier in Rede stehenden Witwerrente nach § 46 Abs 3 [X.]B VI iVm der Sonderregelung des § 303 [X.]B VI existiert bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des B[X.]. So sind für die Auslegung des überwiegenden Bestreitens des [X.] im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tode iS des § 303 S 1 [X.]B VI die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 43 Angestelltenversicherungsgesetz ([X.]) bzw § 1266 Abs 1 Reichsversicherungsordnung ([X.]) entwickelten Grundsätze heranzuziehen (vgl B[X.] Urteil vom 16.3.2006 - B 4 RA 15/05 R - [X.] 4-2600 § 46 [X.] Rd[X.]0). § 43 Abs 1 [X.] bzw § 1266 [X.] sind zwar mit Wirkung zum [X.] außer [X.] getreten. Für die Fälle, in denen der Tod der Versicherten vor dem [X.] eintrat (die Versicherte ist hier 1972 verstorben), galt aber die bisherige Rechtslage weiter (vgl Art 5 [X.] 4 Hinterbliebenen- und Erziehungszeiten-Gesetz <[X.]> iVm Art 2 § 18 Gesetz zur Neuregelung des Rechts der Rentenversicherung der Arbeiter vom 23.2.1957, [X.] bzw Art 4 [X.] 4 [X.] iVm Art 2 § 19a ArVNG; zur Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung und des Stichtags vgl [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] 2200 § 1264 [X.] 8).

8

Soweit der Kläger die Frage aufwirft, ob das der Tochter der verstorbenen Versicherten gezahlte Kindergeld sowie der Kindesunterhalt zum Familieneinkommen gerechnet werden könne, auch wenn es sich um kein gemeinsames Kind von ihm und der Versicherten gehandelt habe, führt dies nicht zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache. Eine [X.] der Frage liegt nicht vor. Denn das B[X.] hat bereits entschieden (B[X.] Urteil vom 12.9.1990 - 5 RJ 67/89 - Juris Rd[X.]3), dass zur Familie iS von § 1266 [X.] aF auch die Kinder gerechnet werden, die in den gemeinsamen Haushalt aufgenommen worden sind, wenn sie auch in anderen sozialrechtlichen Vorschriften Kindern der Eheleute gleichgestellt werden. Dies ist nach § 46 Abs 2 S 2 [X.]B VI ersichtlich für Stiefkinder der Fall. Das Kindergeld und die Unterhaltsleistungen des leiblichen Vaters sind als Beiträge Dritter zum Familienunterhalt zu berücksichtigen (B[X.] Urteil vom 12.9.1990 - 5 RJ 67/89 - Juris Rd[X.]3).

9

Die Frage, ob es sich bei Freifahrten um einen bei der Ermittlung der Witwerrente zu berücksichtigenden vermögenswerten Vorteil handeln könne, hat das Berufungsgericht grundsätzlich bejaht. Soweit es zusätzlich darauf abgestellt hat, dass es nicht allein auf die Berechtigung, sondern auf die tatsächliche Nutzung ankomme, hat es sich zutreffend auf Anhaltspunkte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gestützt. Denn das B[X.] hat (im Urteil vom 28.9.1978 - 4/5 RJ 16/77 - [X.] 2200 § 1266 [X.] 8, Juris Rd[X.]5 zu einem erst kurz vor dem Tod der Versicherten bewilligten Rentenanspruch) verallgemeinerbar ausgeführt, dass es darauf ankommt, ob und in welcher Höhe tatsächlich ein Unterhaltsbeitrag beigesteuert wurde; die Befugnis über einen Zahlungsanspruch Verfügungen treffen zu können, ist - da an das wirklich Geschehene angeknüpft und nur daraus eine Rechtsfolge hergeleitet wird - dem tatsächlichen Unterhaltsbeitrag nicht gleichzusetzen.

Soweit sich das L[X.] im Ergebnis nicht von der Inanspruchnahme und dem Wert der Freifahrten in der vom Kläger geltend gemachten Höhe überzeugen konnte, handelt es sich nicht um eine grundsätzliche Frage, sondern eine Würdigung im Einzelfall auf deren vermeintliche Fehlerhaftigkeit die Beschwerde nicht gestützt werden kann. Dasselbe gilt für die Frage, ob das Einkommen des [X.] bzw der Versicherten durch gewährte Prämien höher sein könnte als im SV-Ausweis bescheinigt.

Wenn der Kläger von einer Bindungswirkung hinsichtlich der in der Begründung des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 29.1.2001 zugrunde gelegten Einkommensteile - insbesondere zum Geldwertnutzen für Freifahrten in Höhe von [X.] - ausgeht, ergibt sich auch hieraus keine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Es ist höchstrichterlich geklärt, dass die Bindungswirkung eines Bescheids nur den [X.] erfasst, aber die Begründung mit einzelnen Berechnungsfaktoren an der Bindungswirkung nicht teilhat (stRspr, vgl B[X.] Urteil vom 22.9.1981 - 1 RA 109/76 - [X.] 1500 § 77 [X.] 56, Juris Rd[X.]5 mwN; B[X.] Urteil vom [X.] - 5 RJ 33/88 - [X.] 1500 § 77 [X.] 70, Juris Rd[X.]6). Ebenso wenig hat das "Unstreitigstellen" von Teilaspekten durch die Beklagte zur Folge, dass das Gericht hieran gebunden ist (vgl B[X.] Urteil vom 16.5.2012 - B 4 [X.]/11 R - Juris Rd[X.]6).

Andere über den Einzelfall hinausreichende Rechtsfragen sind nach Aktenlage nicht ersichtlich. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass eine grundsätzliche Bedeutung im Falle auslaufenden Rechts nur gegeben ist, wenn noch eine erhebliche Zahl von Problemfällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden ist oder eine zu klärende Rechtsfrage nachwirkt und allgemein bedeutsam ist (vgl B[X.] Beschluss vom [X.] - B 10 [X.] B - Juris Rd[X.] 5; B[X.] Beschluss vom 27.3.2012 - B 5 R 468/11 B - Juris Rd[X.] 7). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]G) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das [X.] tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das L[X.] einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des B[X.], des [X.] oder des [X.] aufgestellt hat (B[X.] [X.] 3-1500 § 160a [X.]4 S 72 mwN). Ein solcher Fall liegt nicht vor; vielmehr hat sich das L[X.] an der höchstrichterlichen Rechtsprechung orientiert.

3. Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach [X.] 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 [X.] [X.]G und auf eine Verletzung des § 103 [X.]G nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das L[X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein derartiger Beweisantrag, den das Berufungsgericht unter Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 103 [X.]G) übergangen haben könnte, ist hier nicht ersichtlich. Der vor dem L[X.] anwaltlich vertretene Kläger hat in der mündlichen Verhandlung keinen Beweisantrag gestellt bzw aufrechterhalten.

Auch sonstige Verfahrensfehler des Berufungsgerichts sind nicht erkennbar.

II. Die Verwerfung der nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 [X.] 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.]G durch Beschluss ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.]G.

Meta

B 13 R 193/17 B

15.08.2019

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Magdeburg, 17. Dezember 2015, Az: S 10 R 994/11, Urteil

§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 46 Abs 2 S 2 SGB 6, § 46 Abs 3 SGB 6, § 303 S 1 SGB 6, § 43 AVG, § 1266 Abs 1 RVO, HEZG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.08.2019, Az. B 13 R 193/17 B (REWIS RS 2019, 11889)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 11889

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