Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2012, Az. VII ZR 222/12

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 1080

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VII ZR 222/12
Verkündet am:

22. November 2012

Seelinger-Schardt,

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 307 Abs. 1 Satz 1 Bg, Cb
Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines [X.], wonach der Vertragspartner bei Nichtanlieferung der vereinbarten [X.] Abfall das Entgelt für die gesamte vereinbarte Menge zu zahlen hat, wenn die Fehlmenge nicht durch entsprechende Mehrlieferungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums ausgeglichen wird ("bring-or-pay-Verpflichtung"), be-nachteiligt den Vertragspartner unangemessen und ist deshalb unwirksam.
[X.], Urteil vom 22. November 2012 -
VII ZR 222/12 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
-
Der VI[X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 22.
November
2012 durch [X.]
Dr.
Kniffka
und die Richter
Dr. [X.], [X.], Prof.
[X.] und Kosziol
für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 2.
Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Hamm vom 9.
Januar 2012 wird [X.], soweit der Zahlungsanspruch aus der "bring-or-pay-Klausel"
abgewiesen worden ist.
Soweit das Berufungsgericht über
einen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 [X.], § 281 Abs. 1 [X.] entschieden hat, wird das Urteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden der Klägerin aufer-legt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf der Grundlage einer Vertragsklausel ("bring-or-pay-Verpflichtung") auf Zahlung für nicht gelieferte Abfallmengen in Anspruch.
Die Klägerin betreibt seit 2009 in [X.] die Müllverbrennungsanlage R.
II mit zwei Verbrennungslinien für
Gewerbeabfälle. Sie gehört zur [X.] Unternehmens-1
2
-
3
-
gruppe, die bereits seit längerem
eine Müllverbrennungsanlage in [X.] unterhält. Nachdem [X.] die Genehmigung für die Anlage R.
II erhalten hatte, war zunächst die Gründung einer GmbH unter Beteiligung mehrerer
Abfallentsorgungsunter-nehmen beabsichtigt, die zur Absicherung der Investitionen in die neu zu errich-tende Anlage verpflichtet sein sollte, an die spätere Betreiberin der [X.] eine bestimmte Abfallmindestmenge pro Jahr zu liefern. Dieses Kooperationsmodell wurde nicht umgesetzt. Stattdessen bot die im Jahre 2005 gegründete Klägerin der [X.] eine langfristige Zusammenarbeit an und übersandte ihr am 2.
September 2005 den Entwurf für einen Vertrag über die Anlieferung und Ent-sorgung/Verwertung von festgelegten Abfallmengen in der Müllverbrennungs-anlage R.
I[X.] Der Entwurf sah eine Vertragslaufzeit von 17
Jahren vor und bein-haltete
eine sogenannte "bring-or-pay-Verpflichtung", wonach die Klägerin das Entgelt für die quartalsmäßig festgelegte Abfallmenge auch in dem Fall erhalten sollte, dass die Beklagte weniger als die vereinbarte [X.] anliefert und kein Ausgleich über entsprechende Mehrlieferungen im ersten Monat des folgenden Quartals erfolgt. Nachdem die Beklagte die vorgesehene Laufzeit beanstandet und angeregt hatte, die "bring-or-pay-Verpflichtung"
dahin zu mo-difizieren, keinen Ausgleich für Mindermengen zahlen zu müssen, soweit der Klägerin hieraus nachweisbar kein Schaden entstanden sei, übersandte die Klägerin der [X.] eine modifizierte Vertragsfassung mit einer Laufzeit von 10
Jahren und Verlängerungsoption; die im ursprünglichen Entwurf enthaltene "bring-or-pay-Klausel"
blieb unverändert. Nach weiteren Verhandlungen schlos-sen die Parteien schließlich unter dem 12.
April/3.
Mai
2006 einen [X.], mit dem sich die Beklagte verpflichtete, jährlich eine Mindestge-samtmenge von 20.000
Mg an Abfällen bestimmter Spezifikationen zu festge-legten Preisen/Mg
zur Entsorgung anzuliefern oder anliefern zu lassen, und zwar 5.000
Mg pro Quartal. Die Klägerin verpflichtete sich ihrerseits, die festge--
4
-
legten Abfallmengen von der [X.] zur Verbrennung anzunehmen. §
2 Zif-fer
3 des [X.] enthält folgende Regelung:
"Hat die [X.] [Beklagte] die vereinbarte [X.] nicht ange-liefert und ist auch kein Ausgleich durch entsprechende Mehr-mengen im ersten Monat des folgenden Quartals erfolgt, hat die [X.] das Entgelt für die volle vereinbarte Menge zu zahlen (bring-or-pay-Verpflichtung)."

Bereits kurz nach Beginn der [X.]en der [X.] am 1.
Januar 2009 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, u.a. hin-sichtlich der Liefermengen und der Qualität des von der [X.] angelieferten Abfalls. Als Ergebnis ihrer Verhandlungen über mögliche Änderungen des [X.] trafen die Parteien am 13.
November
2009 eine als "1. Än-derungsvertrag zum Vertrag vom 12.04./03.05.2006"
bezeichnete Vereinba-rung, in der das Entgelt für die Entsorgung der von der [X.] anzuliefern-den Abfälle der Preisgruppe 1 reduziert wurde. Weiter heißt es dort
u.a.:
"1.

c) Der Kunde hat das Recht, die [X.] aus dem
[X.] und I[X.] Quartal 2009 in Abweichung von der Vereinbarung in § 2 Nr. 2a Satz 2 des [X.] vom 12.04./03.05.2006 bis zum 30.06.2010 in Abstimmung mit der R.-GmbH [Klägerin] (wie in § 3 Nr. 5 und 6 des [X.]) auszugleichen. Hat der Kunde die [X.] aus dem [X.] und I[X.] Quartal nicht bis zum 30.06.2010 ausgeglichen, hat er das in Ziffer [X.]
-
5
-
einbarte Entgelt für die Mindermengen zu zahlen (bring-or-pay-Verpflichtung).

2.
Alle übrigen Vereinbarungen des Vertrages vom 12.04./
03.05.2006 bleiben unberührt."

Auf dieser Grundlage nahm die Klägerin am 15.
Juli 2010 eine Nachbe-rechnung vor und stellte der [X.] für Mindermengen 2009 einen Betrag von 709.922,02

58
t
zu je 98,50

in Rechnung. Weil die Beklagte hierauf keine Zahlungen geleistet hat, macht die Klägerin den genann-ten Betrag nebst Zinsen nunmehr mit der vorliegenden Klage geltend. Das [X.] hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der [X.] hat Erfolg gehabt und zur Abweisung der Klage geführt. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, mit der sie ihr ursprüngliches Klageanliegen weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet, soweit der Anspruch aus der "bring-or-pay-Klausel" verfolgt wird.
Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Berufungsgericht über einen Schadensersatzanspruch nach §
280 Abs.
1, §
281 Abs. 1 [X.] entschieden hat.

4
5
-
6
-

[X.]
Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung die Annahme zugrunde, dass es sich bei der in Rede stehenden "bring-or-pay-Klausel" um eine von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Die mehrfach ver-wendete
Klausel sei nicht individuell ausgehandelt, weil nach den feststellbaren Umständen nicht davon auszugehen sei, dass die Klägerin den Kerngehalt der Regelung ernsthaft zur Disposition gestellt habe, und zwar auch nicht im Zu-sammenhang mit den Verhandlungen über die Abänderung des [X.]. Die hierzu
im [X.] vom 13.
November
2009 enthal-tenen Regelungen ließen die Verpflichtung der [X.], Mindermengen mit den vertraglichen Preisen bezahlen zu müssen, unberührt und beträfen lediglich die hierfür maßgeblichen Rahmenbedingungen (Preis und Nachlieferungszeit-raum), die zugunsten der [X.] angepasst worden seien. Weil es sich demnach bei der "bring-or-pay-Klausel"
um eine Allgemeine
Geschäftsbedin-gung handele, unterliege diese der Inhaltskontrolle nach §
307
ff. [X.]. Aus §
307 Abs. 3 Satz 1 [X.] folge nichts anderes, weil die Klausel keine kontroll-freie, der unmittelbaren Beschreibung der beiderseitigen Leistungen und Ge-genleistungen dienende
Preisabrede beinhalte. Die nach der "bring-or-pay-Klausel"
vorgesehene Zahlung für Mindermengen sei keine im [X.] Vergütung für Vertragsleistungen der Klägerin, sondern darauf gerichtet, der Klägerin einen Ausgleich für die Vorhaltung von nicht genutzten Annahme-
und Entsorgungskapazitäten zu schaffen, der ihr ohne eine entsprechende [X.] nach [X.] gemäß §§
280, 281, 283 [X.] zustün-de. Die "bring-or-pay-Klausel" sei gemäß §
307 Abs.
1 Satz
1 [X.] unwirksam, weil sie die Beklagte unangemessen benachteilige. Insoweit könne [X.], ob die Klausel eine den Anforderungen des §
309 Nr.
5 [X.] nicht genü-6
-
7
-
gende und schon deshalb unwirksame Schadenspauschale enthalte. Sie [X.] die Beklagte unabhängig davon zu Ausgleichszahlungen, ob die die Zahlungspflicht auslösende Nichtlieferung kausal zu einem Schaden für die Klägerin geführt habe und lasse zudem das Prinzip der Vorteilsausgleichung außer Betracht, wonach die Klägerin sich eine anderweitige Nutzung der für die Beklagte
vorgehaltenen Entsorgungskapazitäten sowie sonstige infolge der Nichtlieferung
ersparte Aufwendungen gemäß §
254 Abs.
2 [X.] anrechnen lassen müsse. Im Ergebnis führe die Klausel dazu, dass die Beklagte erbrachte und nicht erbrachte Leistungen der Klägerin in gleicher Weise vergüten müsse. Eine solche Regelung laufe den Interessen der [X.] zuwider und sei auch unter Berücksichtigung des Interesses der Klägerin, die Auslastung der Anlage zur Absicherung ihrer Investitionen sicher zu stellen, unangemessen. Die sich durch die "bring-or-pay-Verpflichtung"
für die Beklagte
ergebenden Nachteile würden auch nicht durch andere Bestimmungen des Vertrages, namentlich die Berechtigung, Fehlmengen innerhalb des ersten Monats des nächsten Quartals auszugleichen,
hinreichend kompensiert. Das Zahlungsverlangen der Klägerin sei schließlich auch nicht gemäß §§
280, 281 Abs.
1, 283 [X.] gerechtfertigt, weil die Klägerin einen dahingehenden Schadensersatzanspruch nicht schlüs-sig dargelegt habe.

I[X.]
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im [X.] stand.

7
-
8
-
1.
Der Klägerin steht der für [X.] geltend gemachte
Zahlungsanspruch nicht gemäß §
2 Ziffer 3 des [X.] vom 12.
April/3.
Mai 2006 zu. Die dort vereinbarte "bring-or-pay-Klausel"
ist eine von der Klägerin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des §
305 Abs.
1 Satz
1 [X.]. Die Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 [X.] unwirksam, weil sie die Beklagte entgegen [X.] und Glauben unangemessen benachteiligt.
a)
Das Berufungsgericht geht auf beanstandungsfrei festgestellter
Tatsa-chengrundlage davon aus, dass es sich bei der "bring-or-pay-Klausel"
um eine für eine Vielzahl von gleichartigen Anlieferungsverträgen vorformulierte [X.] handelt, deren Einbeziehung in den Vertrag die Klägerin [X.] hat. Dagegen bringt die Revision nichts vor. Ohne Erfolg macht sie gel-tend, es liege gleichwohl keine Allgemeine Geschäftsbedingung vor, weil die Klausel ausgehandelt worden sei,
§
305 Abs.
1 Satz
3 [X.].
[X.])
Nach der Rechtsprechung des [X.] erfordert [X.] gemäß §
305 Abs.
1 Satz
3 [X.] mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthal-tenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der ge-setzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfrei-heit zur Wahrung
eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Mög-lichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen ([X.], Urteil vom 23.
Januar
2003 -
VII
ZR
210/01, [X.]Z 153, 321; Urteil vom 16.
Juli 1998 -
VII
ZR
9/97, [X.]
1998,
1094,
1095 = [X.]
1998,
308; Urteil vom 26.
September
1996 -
VII
ZR
318/95, [X.]
1997,
123,
124 = [X.] 1997,
33). Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung ein-8
9
10
-
9
-
zelner Klauseln bereit erklären. In aller Regel schlägt sich eine solche Bereit-schaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. [X.] unter besonderen Umständen kann eine Vertragsklausel auch dann als Ergebnis eines [X.]
gewertet werden, wenn es schließlich nach gründ-licher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt ([X.], Urteil vom 23.
Januar 2003 -
VII
ZR
210/01, [X.]Z 153, 321; Urteil vom 3.
November
1999

VIII
ZR
269/98, [X.]Z
143,
104,
112).
bb)
Nach
diesen Grundsätzen ist die Klausel in §
2 Ziffer 3 des [X.]es nicht zwischen den Parteien ausgehandelt worden.
Das Berufungsgericht
hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die Klägerin ihrem eigenen Vorbringen zufolge die Ein-beziehung der "bring-or-pay-Verpflichtung"
in den Vertrag als zwingend erfor-derlich für die Absicherung des Liquiditätsflusses und der Finanzierung der Müllverbrennungsanlage gehalten und deshalb als nicht verhandelbar darge-stellt hat. Die Beklagte ihrerseits hat die Klausel von Anfang an kritisiert und schon nach Erhalt des ersten [X.] erfolglos beanstandet, [X.] auch dann bezahlen zu müssen, wenn der Klägerin hierdurch nach-weisbar kein Schaden entsteht. Diese Umstände sprechen, wie das Berufungs-gericht richtig erkannt hat, dafür, dass auf Seiten der Klägerin keine Bereitschaft bestand, die "bring-or-pay-Klausel"
ernsthaft zur Disposition zu stellen.
Das Berufungsgericht hat weitergehend erwogen, dass eine zur Viel-fachverwendung vorgesehene und von einer Vertragspartei als nicht verhan-delbar gestellte Vertragsklausel gleichwohl individuell ausgehandelt sein könne, wenn die andere Partei sich den Inhalt der Klausel unter dem Eindruck der [X.] zu Eigen gemacht und als sachlich berechtigt akzeptiert 11
12
13
-
10
-
habe. Ebenso sei es, wenn die Vertragsparteien über viele Aspekte eines [X.] umfangreich und langwierig verhandelt hätten und die streitige Vertragsklausel stehen geblieben sei, weil beispielsweise an anderer Stelle des Vertrages eine Kompensation stattgefunden habe. Das Berufungsgericht hat dem Tatsachenvorbringen der insoweit darlegungs-
und beweispflichtigen Klä-gerin allerdings mit Recht keine hinreichenden tatsächlichen [X.] für die Annahme entnehmen können, dass die Beklagte ihre ursprünglichen Einwände und Vorbehalte gegen die Klausel fallengelassen und diese in einer Weise als sachlich berechtigt akzeptiert hat, die nach den vom Berufungsge-richt hierfür herangezogenen Grundsätzen auf eine individuell ausgehandelte Vertragsbedingung schließen lassen könnte. Nicht ausreichend ist insoweit, dass die Parteien nach dem Sachvortrag der Klägerin ausführlich
über den [X.] verhandelt haben und die Beklagte den abgestimmten Vertragsentwurf erst nach intensiver juristischer Prüfung gebilligt hat. Darin tritt entgegen der [X.] der Klägerin nicht zu Tage, dass die Beklagte ihre Bedenken gegen die von der Klägerin in den Vertrag eingeführte "bring-or-pay-Verpflichtung"
als Er-gebnis des [X.] aufgegeben und die Klausel schließlich als in der Sache
gerechtfertigt in ihren rechtsgeschäftlichen Willen aufgenommen hat. [X.] Tatsachenvortrag hat die Klägerin hierzu nicht gehalten. Dass das Berufungsgericht solches Vorbringen zur schlüssigen Darlegung des [X.] für erforderlich gehalten hat, ist revisionsrechtlich nicht zu bean-standen und rechtfertigt den von der Klägerin in diesem Zusammenhang erho-benen Vorwurf einer Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art.
103 Abs.
1 GG) nicht.
[X.]) Die demnach als Allgemeine Geschäftsbedingung in den [X.] einbezogene "bring-or-pay-Klausel"
kann nicht deshalb als indivi-duell ausgehandelte Vertragsbestimmung gelten, weil die Parteien nach [X.]
-
11
-
tragsbeginn Änderungen hinsichtlich der Höhe des für die Abnahme und Ent-sorgung des Abfalls zu zahlenden Entgelts und des der [X.] für [X.] für 2009 zugebilligten [X.] vereinbart haben. [X.] hierfür waren Differenzen der Parteien über Abfalllieferungen der
[X.] zu Beginn des Jahres
2009. Die zur Beilegung dieses Streits im
"1.
Änderungsvertrag"
niedergelegten Vereinbarungen setzen die Fortgeltung der im Anlieferungsvertrag enthaltenen "bring-or-pay-Klausel"
voraus, die [X.] gemäß Ziffer 2 des Änderungsvertrages von den [X.] unberührt bleiben sollte.
Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin die in § 2 Ziffer 3 des [X.] festgelegte Verpflichtung der [X.], Mindermengen mit den [X.] vergüten zu müssen, während der Verhandlungen über den Änderungsvertrag dennoch zur Disposition gestellt hat. Sie hat -
im Gegen-teil -
auf den Vorschlag der [X.], die nach der "bring-or-pay-Klausel"
vor-gesehene Vergütungspflicht mit ersetzender Nachlieferungsmöglichkeit für die Quartale [X.] und I[X.] 2009 zu streichen, deutlich gemacht, auf die Einhaltung fest-gelegter Liefermengen und die Bezahlung eventueller Mindermengen nicht ver-zichten zu wollen. Von dieser Position ist die Klägerin nicht dadurch abgerückt, dass sie einer Reduzierung
des Entgelts für die Abnahme einer Abfallgruppe zugestimmt hat. Diese Vertragsänderung regelt die Vergütung für bestimmte Abfalllieferungen. Sie betrifft die "bring-or-pay-Verpflichtung"
nur mittelbar, weil der von der [X.] für Fehlmengen zu zahlende
Geldbetrag der Vergütung für Abfalllieferungen entspricht. Gleiches gilt im Ergebnis für die in Ziffer 1.
c) des Änderungsvertrages vereinbarte Erweiterung des [X.], die im offenkundigen Zusammenhang mit den Abwicklungsschwierigkeiten zu Beginn des Jahres 2009 steht und die der "bring-or-pay-Klausel"
immanente Kompensationsmöglichkeit der Nachlieferung zur Beseitigung dieser [X.]
-
12
-
keiten zeitlich begrenzt modifiziert, ohne die "bring-or-pay-Verpflichtung"
inhalt-lich zu verändern. Bei dieser Sachlage ist kein Raum für die Annahme, die "bring-or-pay-Klausel"
könnte nachträglich ausgehandelt worden sein und so ihren [X.] verloren haben.
b)
Die "bring-or-pay-Klausel"
unterliegt der Inhaltskontrolle gemäß §§
307
ff. [X.]. Sie ist entgegen der Auffassung der Revision nicht gemäß §
307 Abs.
3 Satz
1 [X.] kontrollfrei. Nach dieser Vorschrift sind Bestimmun-gen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die keine von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen enthalten, von der [X.] ausgenommen. Das gilt insbesondere für vertragliche Vereinbarungen betreffend Leistung und Gegenleistung, die von den Vertragsparteien nach dem im Bürgerlichen Recht geltenden Grundsatz der Privatautonomie frei bestimmt werden können ([X.], Urteil vom 19.
November 1991 -
X [X.], [X.]Z 116, 119; Urteil vom 16. November 1999 -
KZR 12/97, [X.]Z 143, 128, 138
f.; Urteil vom 18. April 2002 -
III ZR 199/01, [X.], 2386). Allerdings führt nach der Rechtsprechung des [X.] die bloße Einstellung einer Klausel in ein Regelwerk, das Preise für Einzelleistungen bei der Vertragsabwicklung [X.], noch nicht dazu, dass die einzelne Klausel als unselbständiger Bestandteil einer "Gesamtpreisabsprache" jeder Kontrolle entzogen ist.
Der klare Wortlaut des Gesetzes (§ 307 Abs. 3 Satz 1 [X.]) verlangt auch dann eine Prüfung, ob die Klausel lediglich deklaratorische Wirkung hat oder ob sie Rechtsvorschriften ergänzt, indem sie etwa ein Entgelt festlegt, obwohl eine Leistung für den [X.]spartner nicht erbracht wird. Der Begriff der Leistung steht nicht zur Disposi-tion des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Daher ist
ohne Rücksicht auf die Preisstruktur insgesamt und die Beschaffenheit der sonstigen Einzelpreise zu überprüfen, ob der streitigen Klausel eine echte
(Gegen-)Leistung zugrunde liegt oder ob es sich um eine kontrollfähige
16
-
13
-
(Preisneben-)Abrede handelt, die zwar (mittelbare) Auswirkungen auf Preis und Leistung hat, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame vertragliche Regelung fehlt, [X.] Gesetzesrecht treten kann ([X.], Urteil vom 18.
Mai
1999
-
XI [X.], [X.]Z 141, 380; Urteil vom 10.
Juni
1999 -
VII
ZR
365/98, [X.]Z 142, 46; Urteil vom 16. November 1999 -
KZR 12/97, [X.]Z 143, 128, 138
f.; Urteil vom 6.
Juni 2000 -
VII
ZR
73/00, [X.], 1756 = [X.] 2000, 546).
Bei Anwendung dieser Grundsätze unterliegt die "bring-or-pay-Klausel"
der [X.]. Die vertragliche Hauptleistungsverpflich-tung der Klägerin besteht darin, den von der [X.] nach vertraglich festge-legten Mengen anzuliefernden Abfall zu den im Vertrag festgelegten Preisen abzunehmen und zu entsorgen. Die "bring-or-pay-Klausel"
betrifft weder diese Hauptleistungsverpflichtung noch den ihr im vertraglichen Synallagma
gegen-überstehenden Vergütungsanspruch. Sie erstreckt vielmehr diesen Anspruch auf von der [X.] nicht zur Entsorgung angebotene Fehlmengen, obwohl die Klägerin insoweit keine Entsorgungsleistungen erbringen muss. Das erkennt auch die Klägerin, die allerdings meint, ihre Verpflichtung zur Vorhaltung von ausreichenden Abnahme-
und Entsorgungskapazitäten stelle eine weitere ver-tragliche Hauptleistungspflicht dar, die nach Maßgabe der "bring-or-pay-Klausel"
vergütet werden müsse. Das trifft nicht zu. Die Klägerin muss ausrei-chende Anlagenkapazitäten vorhalten, um ihre auf Abnahme und Entsorgung der vereinbarten Mengen Abfall gerichtete vertragliche Hauptleistungspflicht erfüllen zu können. Der nach der "bring-or-pay-Klausel"
vorgesehene Zah-lungsanspruch dient ersichtlich nicht dazu, (nur) diese Vorhaltekosten auszu-gleichen, sondern ist darauf gerichtet, die Vollauslastung der Anlage finanziell
abzusichern. Er erweist sich deshalb als nicht im vertraglichen [X.]r Anspruch mit Entschädigungscharakter. Ohne eine solche Vereinbarung 17
-
14
-
wäre die Klägerin, wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt, auf einen Anspruch nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen in §§ 280, 281, 283 [X.] angewiesen.
c)
Der demnach gebotenen Inhaltskontrolle hält die "bring-or-pay-Klausel"
nicht stand. Der [X.] braucht die auch vom Berufungsgericht offen gelassene Frage, ob die Klausel eine Schadenspauschale enthält, nicht zu [X.]. Die Klausel ist unabhängig davon gemäß §
307 Abs.
1 Satz
1 [X.] unwirksam, weil
sie die Beklagte unangemessen benachteiligt.
Als unangemessen i.S.d. §
307 Abs. 1 Satz 1 [X.] wird nach der ständi-gen Rechtsprechung des [X.] eine Klausel angesehen, in der der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des [X.] durchzusetzen versucht, ohne die Interessen des Vertragspartners hinrei-chend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugeste-hen ([X.], Urteil vom 9.
Dezember
2010 -
VII
ZR
7/10, [X.], 677
Rn.
18 = NZBau 2011, 229 = [X.]
2011, 241; Urteil vom 20.
April
2000

VII
ZR
458/97, [X.], 1498 = NZBau 2000, 424 = [X.] 2000, 477; Urteil vom 5.
Juni 1997 -
VII ZR 324/95, [X.]Z 136, 27).
Eine solche, aus der maßgeblichen Sicht der [X.] unangemessene Durchsetzung der Interessen der Klägerin
liegt der hier zu beurteilenden "bring-or-pay-Klausel"
zugrunde. Sie verlagert das unternehmerische Risiko der Klä-gerin, die Finanzierung der neu errichteten Müllverbrennungsanlage und ihre Rentabilität durch eine ausreichende Auslastung abzusichern, hinsichtlich der mit der [X.] vereinbarten Liefermengen vollständig auf diese. Darüber hinaus eröffnet sie der Klägerin die Möglichkeit, die von der [X.] nicht ge-nutzten, gleichwohl aber voll bezahlten Kapazitäten anderweitig gewinnbrin-18
19
20
-
15
-
gend einzusetzen, ohne dass die Beklagte hiervon profitieren kann. Auf diese Weise dient die "bring-or-pay-Verpflichtung"
nicht nur der Absicherung von Risi-ken, sondern sie begründet zugleich
zusätzliche Erwerbschancen für die Kläge-rin, die sich allein zu Lasten der [X.] gerade dann ergeben, wenn die Klä-gerin ihre in § 3 des [X.] niedergelegte
Verpflichtung zur [X.] der festgelegten Abfallmengen nicht erfüllen muss.
Ein solches Regelungssystem ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang zu bringen. Danach ist die Beklagte gemäß §
280 Abs.
1, §
281 Abs.
1 [X.] zum Schadensersatz verpflichtet, wenn sie die in §
2
des [X.] quartalsbezogen festgelegten [X.] aus in ihre Verantwortung fallenden Gründen nicht zur Entsorgung bei der Klägerin anliefert und auch keine zeitgerechten Nachlieferungen vornimmt (§
2
Ziffer 2.
a) des [X.]). Bei der Berechnung des erstat-tungspflichtigen Schadens sind nach allgemeinen Grundsätzen des [X.] nur diejenigen vermögenswerten Nachteile zu berücksichtigen, die sich ursächlich aus der vertragswidrigen Nichtanlieferung von Abfall ergeben. [X.] hinaus muss sich die Klägerin die durch die Nichtanlieferung ersparten Aufwendungen und gegebenenfalls den hierdurch ermöglichten
anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Klägerin durch den finanziellen
Ausgleich für eine vertragswidrig hinter den vertraglich [X.] zurückbleibende [X.] nicht besser gestellt wird, als sie stünde, wenn die Beklagte vertragsgerecht geliefert hätte. Die "bring-or-pay-Klausel"
setzt diese Grundsätze, wie das Berufungsgericht richtig erkennt, zugunsten der Klägerin weitgehend außer [X.] und verschafft ihr eine Rechtsposition, deren vertragliche Durchsetzung nach der Rechtsordnung kei-nen Schutz verdient.
21
-
16
-
Die sich aus der "bring-or-pay-Verpflichtung"
für die Beklagte ergeben-den Nachteile werden durch die weiteren Regelungen des [X.] nicht angemessen kompensiert. Allerdings ist die Klägerin gemäß §
3 des [X.] ihrerseits verpflichtet, die im Anlieferungsvertrag festge-legten Abfallmengen von der [X.] anzunehmen und zu entsorgen. Das gilt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts gemäß §
2 Ziffer
3
und 4; §
3 Ziffer 2 des [X.] auch dann, wenn die Klägerin aus betriebsin-ternen Gründen nicht in der Lage ist, die von der [X.] vertragsgemäß an-gelieferten Abfälle selbst zu entsorgen. Hierdurch ist gewährleistet, dass die Beklagte für den auf 10
Jahre festgelegten Vertragszeitraum sicher davon [X.] kann, die von ihr
zu bewältigenden Abfallmengen in dem mit der Klägerin vereinbarten Umfang der Entsorgung zuführen zu können. Der darin
liegende Vorteil der Planungssicherheit besteht indes in gleicher Weise für die Klägerin, für die im Interesse der Auslastung ihres Betriebes sichergestellt ist, von der [X.] mit Abfall beliefert zu werden. Sie hat sich gemäß §
2 Ziffer 2. b) des [X.] darüber hinaus vorbehalten, über die Annahme der
5
% der [X.]n übersteigenden
Mehrlieferungen und die hierfür zu entrich-tenden Preise zu entscheiden. Demgegenüber trägt die Beklagte durch die "bring-or-pay-Klausel"
das durch das
Abnahmeversprechen der Klägerin nicht verminderte Risiko, die vereinbarten Abfallmengen nicht aufbringen zu können und die Entsorgung dennoch bezahlen zu müssen.
Ebenfalls keinen angemessenen Ausgleich stellt schließlich die der [X.] durch die
"bring-or-pay-Klausel"
eingeräumte Möglichkeit dar, die [X.] durch entsprechende Nachlieferungen innerhalb des ersten Monats des [X.] zu vermeiden. Abgesehen davon, dass §
2 Ziffer 2 b) die Annahme von Mehrmengen zur Disposition der Klägerin stellt und nicht klar ist, ob hiervon auch Ausgleichslieferungen erfasst werden, welche die 22
23
-
17
-
Beklagte über die [X.] hinaus vornehmen will, ist die Beklagte durch die [X.] nicht von dem Risiko entlastet, kontinuierlich den für die Erfüllung ihrer Anlieferungsverpflichtung erforderlichen Umsatz an [X.] generieren und gegebenenfalls Mehrmengen anbieten zu können. [X.] wirkt sich damit die Nachlieferungsmöglichkeit nur bei kurzzeitigen Um-satzschwankungen im Betrieb der [X.] aus, wohingegen ihr bei einer langfristig degressiven Umsatzentwicklung keine Möglichkeit bleibt, der vollen Bezahlung hierdurch bedingter Fehlmengen zu entgehen. Derartige betriebsbe-dingte Risiken ergeben sich
für die Klägerin aus der
Vertragsbeziehung zur [X.] nicht. Es ist nicht gerechtfertigt, sie auch insoweit der [X.] aufzu-bürden, als sich für die Klägerin aus [X.] der [X.] kein erstattungsfähiger Schaden ergibt.
2.
Das Berufungsurteil ist allerdings insoweit aufzuheben, als es einen Schadensersatzanspruch nach §
280 Abs.
1, §
281 Abs.
1 [X.] abgewiesen hat. Ein solcher Schadensersatzanspruch ist ein anderer Streitgegenstand als der Anspruch auf Zahlung des vertraglichen Entgelts aus der "bring-or-pay-Klausel". Denn sie setzt einen völlig anders gelagerten Sachverhalt voraus.
Die Klägerin hat weder einen solchen Schadensersatzanspruch geltend gemacht, noch einen entsprechenden Sachvortrag dazu gehalten. Sie hat also insoweit keine Klage erhoben, so dass das Berufungsgericht einen eventuellen Scha-densersatzanspruch nicht abweisen durfte.

24
-
18
-
II[X.]
Die
Kostenentscheidung folgt aus §
92 Abs.
2 Nr.
1 ZPO.

Kniffka
[X.]
[X.]

[X.]

Kosziol
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 31.03.2011 -
14 O 147/10 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 09.01.2012 -
I-2 [X.] -

25

Meta

VII ZR 222/12

22.11.2012

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 22.11.2012, Az. VII ZR 222/12 (REWIS RS 2012, 1080)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1080

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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