Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2005, Az. XII ZR 73/05

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 2219

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[X.]BESCHLUSS [X.] vom 10. August 2005 in der Familiensache

Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja

BGB §§ 1585 c, 1586 Abs. 1; ZPO § 769 Abs. 1 Wenn die Parteien eines Unterhaltsvergleichs mit der Vereinbarung eines Ab-findungsbetrages eine abschließende Regelung treffen wollten, ist der [X.] der unterhaltsrelevanten Umstände nicht Geschäftsgrundlage dieser [X.]. Bei dieser Vereinbarung bleibt es folglich auch dann, wenn der [X.] in Raten gezahlt werden sollte und die Unterhaltsberechtigte vor der Fällig-keit der letzten Rate neu heiratet. [X.], Beschluss vom 10. August 2005 - [X.] - [X.]

AG Weilburg
- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 10. August 2005 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: Der Antrag des [X.], die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des 1. [X.] des [X.] vom 7. April 2005 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 • einstweilen einzustellen, wird zurückgewiesen. Streitwert: 13.500 •

Gründe: [X.] Die Parteien sind geschiedene Ehegatten. Sie streiten um die [X.] der Zwangsvollstreckung aus zwei Vergleichen vom 7. Januar und 11. November 2003. Am 7. Januar 2003 schlossen die Parteien im Ehescheidungsverfahren einen umfassenden Scheidungsfolgenvergleich und vereinbarten zum nachehe-lichen Unterhalt folgendes: "– 6. Zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet sich der Antragsteller an die Antragsgegnerin [X.] zu leisten in Höhe von - 3 - 13.500,-- Euro für 2003, 13.500,-- Euro für 2004 und 3.000,-- Euro für 2005. Die Beträge sind fällig in 2003 mit monatlich 800,-- Euro am 01.02., 01.03. und 01.04., in Höhe des Restbetrages für 2003 am 01.05.2003, mit insgesamt 13.500,-- Euro für 2004 am 01.01.2004 und in Höhe der restlichen 3.000,-- Euro für 2005 am 01.01.2005. Durch Zahlung dieser Beträge ist der Gesamtanspruch der [X.] auf nachehelichen Unterhalt abgegolten. Die Parteien erklä-ren bereits jetzt den Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, auch für den Fall der Not und Gesetzesänderung und nehmen den Verzicht gegenseitig an. –" Nachdem der Kläger mit der Behauptung, die Beklagte lebe mit einem neuen Partner zusammen, in einem weiteren gerichtlichen Verfahren die Fest-stellung beantragt hatte, dass er nicht mehr zu Unterhaltsleistungen aus dem geschlossenen Vergleich verpflichtet sei, schlossen die Parteien am 11. No-vember 2003 einen Abänderungsvergleich. Danach entfällt die ursprünglich vorgesehene Zahlungsverpflichtung des [X.] in Höhe von 3.000 • für das Jahr 2005. Die Fälligkeitsregelung für den nur noch geschuldeten [X.] für das [X.] in Höhe von 13.500 • wurde dahin abgeändert, dass der Kläger jeweils 6.750 • zum 1. Januar und zum 1. Juli 2004 schuldete. Kurz darauf heiratete die Beklagte ihren Lebensgefährten. Auf Antrag des [X.] hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus den Vergleichen vom 7. Januar und 11. November 2003 gegen Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 13.500 • einstweilen eingestellt und mit Urteil vom 29. Juni 2004 die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 11. November 2003 für unzulässig erklärt, weil der Anspruch der Beklagten auf - 4 - nachehelichen Unterhalt infolge ihrer Wiederverheiratung erloschen sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das [X.], dessen Entscheidung in [X.], 1253 ff. mit [X.]. [X.] veröffentlicht ist, die Klage ab-gewiesen und die Revision wegen der Abweichung von einem Urteil des [X.] ([X.], 234 ff.) zugelassen. Das Berufungsur-teil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte hat am 29. April 2005 beim Amtsgericht einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt, aufgrund dessen eine Drittschuldnerin am 23. Mai 2005 3.500 • an sie geleistet hat. Auf Antrag des [X.] hat das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus dem Pfändungs- und [X.] mit Beschluss vom 31. Mai 2005 für die Dauer von sechs Wochen ab Zugang des Beschlusses einstweilen eingestellt und dem Kläger aufgegeben, eine Sicherheitsleistung in Höhe von 13.900 • nachzuweisen. Der Kläger hat diese Sicherheit zur Abwendung der Zwangsvollstreckung beim Amtsgericht hinterlegt. Der Kläger hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt. Er [X.] nunmehr bei noch offener (verlängerter) Frist zur Revisionsbegründung, die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 • einstweilen einzustellen.

I[X.] 1. Der Antrag des [X.] auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil ist schon deswegen unbegründet, weil aus diesem - klagabweisenden - Urteil in der Hauptsache nicht gegen ihn vollstreckt werden - 5 - kann. Soweit eine Vollstreckung aus der Kostenentscheidung des [X.] möglich ist, scheidet eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO aus, weil nach ständiger Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs eine Einstellung nicht in Betracht kommt, wenn es der Schuldner - wie hier - versäumt hat, in der Berufungsinstanz einen Antrag nach § 712 ZPO zu stellen (Senatsbeschluss vom 24. November 1999 - [X.] ZR 69/99 - NJW-RR 2000, 746 m.w.N.). 2. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung käme aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Antrag des [X.] als Antrag auf einst-weilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus den Vergleichen vom 7. Januar und 11. November 2003 auszulegen wäre (§ 769 ZPO). Zwar fehlt einem solchen Antrag nicht schon deswegen das Rechts-schutzbedürfnis, weil das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung aus diesen Vergleichen mit Beschluss vom 2. Februar 2004 gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt hatte. Denn diese Entscheidung galt nur bis zur Verkün-dung des erstinstanzlichen Urteils (vgl. [X.]/[X.] ZPO 25. Aufl. § 769 [X.]. 9 m.w.N.) und ist jedenfalls durch das klagabweisende Berufungsurteil entfallen. Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 Abs. 1 ZPO kommt aber deswegen nicht in Betracht, weil das Rechtsmittel des [X.] keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. a) Wenn die Parteien eines Unterhaltsvergleichs mit der Vereinbarung eines [X.] eine restlose und endgültige Regelung wollten, liegt darin regelmäßig auch ein Ausschluss weiterer Ansprüche für nicht vorherseh-bare Veränderungen ([X.] 2, 379, 385 f.). Die abschließende Wirkung auf der Grundlage einer bloßen Prognose ist dann wesentlicher Inhalt der vertraglichen - 6 - Vereinbarung und nicht bloß dessen Geschäftsgrundlage. Gleiches gilt dann auch umgekehrt für die Nachforderung noch ausstehender [X.] und für die Rückzahlung schon geleisteter Beträge. Eine andere rechtliche Beurteilung ist allenfalls für solche Fälle denkbar, in denen der [X.]italbetrag keine Abfindung, sondern eine bloße Vorauszah-lung, also eine bloße [X.]italisierung, sein soll. Dann wird durch die [X.] lediglich der gesetzliche Unterhaltsanspruch konkretisiert (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 28. November 1984 - [X.] - FamRZ 1985, 263), während im Falle einer endgültigen, abschließenden Regelung an die Stelle des durch den Unterhaltsverzicht abbedungenen gesetzlichen Unter-halts eine eigenständige vertragliche Unterhaltsvereinbarung tritt ([X.] aaO, 386). Es liegt im Wesen einer Abfindung, dass sie Elemente eines Vergleichs enthält. Wer statt laufender Unterhaltsbeträge einen festen [X.] wählt, nimmt das Risiko in Kauf, dass die für die Berechnung maßgebenden Faktoren auf Schätzungen und unsicheren Prognosen beruhen. Deswegen [X.] das Gesetz dem Unterhaltsberechtigten regelmäßig Unterhalt in Form einer monatlich im Voraus zu entrichtenden Geldrente (§ 1585 Abs. 1 BGB) und räumt ihm nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise einen [X.] auf Abfindung in [X.]ital ein (§ 1585 Abs. 2 BGB). Entscheidet sich der Unterhaltsberechtigte gleichwohl für eine Abfindung, dann deshalb, weil ihm dies, aus welchen Gründen auch immer, bei Abwägung solcher Risiken vorteil-hafter erscheint. Darin liegt auch sein Verzicht darauf, dass ihm günsti-ge zukünftige Entwicklungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Der Unterhaltspflichtige will und darf sich, wenn er auf-grund einer wirksamen Vereinbarung eine [X.]italabfindung leisten muss, ande-rerseits darauf verlassen, dass mit der Erfüllung der Unterhaltsanspruch ein für - 7 - allemal erledigt ist. Auch für ihn bestehende Unsicherheiten der künftigen Ent-wicklung sind regelmäßig in die Berechnung der [X.] (vgl. [X.] Urteil vom 8. Januar 1981 - [X.] - NJW 1981, 818, 820 = [X.] 79, 187, 192 f.). Entsprechend geht auch die weit überwiegende Auffassung in der Litera-tur davon aus, dass bei einer Abfindungsvereinbarung eine Anpassung an ver-änderte Umstände, z.B. an eine Wiederverheiratung der Unterhaltsberechtigten, ausscheidet ([X.]/[X.] Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 [X.]. 614; [X.]/[X.] Unterhaltsrecht 8. Aufl. [X.]. 1378 f.; [X.]/[X.]/[X.] Eherecht 4. Aufl. § 1585 [X.]. 12; [X.] Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. [X.]. 2264; MünchKomm/ [X.] 4. Aufl. § 1586 [X.]. 7; [X.]/[X.] 5. Aufl. [X.]. 6 [X.]. 470; vgl. auch [X.] [X.], 1040). Soweit das [X.] Ham-burg in dem vom Berufungsgericht zitierten Urteil ([X.], 234) zu dem abweichenden Ergebnis gelangt ist, dass ein beim Tode des [X.] noch nicht erfüllter Anspruch auf Abfindung für künftigen Unterhalt erlo-schen und daher auch nicht vererbbar ist, beruht dies auf einer Auslegung des dortigen Einzelfalles, der neben dem nachehelichen Ehegattenunterhalt auch Ansprüche auf Trennungsunterhalt umfasste, auf die gemäß §§ 1360 a Abs. 3, 1614 Abs. 1 BGB ohnehin nicht endgültig verzichtet werden konnte. Dieser Ge-sichtspunkt ist jedenfalls nicht auf Vergleiche übertragbar, die - wie hier - einen wirksamen Verzicht auf den gesetzlich geschuldeten Unterhaltsanspruch [X.]. b) Nach der Auffassung des Berufungsgerichts wollten die Parteien den Anspruch der Beklagten auf nachehelichen Ehegattenunterhalt durch einen [X.] endgültig abfinden. Diese Auslegung der Vergleiche liegt schon deswegen nahe, weil die vom Kläger zu leistenden Beträge als "[X.] 8 - träge" bezeichnet wurden. Außerdem haben die Parteien in dem Vergleich vom 7. Januar 2003 ausdrücklich wechselseitig auf nachehelichen Ehegattenunter-halt verzichtet und erklärt, dass mit den vereinbarten Zahlungen der [X.] der Beklagten auf nachehelichen Unterhalt abgegolten sein sollte. Das wurde durch den späteren Wegfall des [X.] für 2005 und die neue Fälligkeitsregelung für die [X.] für 2004 auch nicht [X.]. Gegen den Charakter einer endgültigen Abfindung des nachehelichen [X.] kann der Kläger auch nicht einwenden, dass die Parteien eine Ratenzahlung der [X.] vereinbart haben. Die Bewilligung von Ratenzahlung erfolgt regelmäßig im Interesse des Unterhaltsschuldners, weil sie ihm die [X.] einräumt, sich auf die erst künftig fällig werdenden Teilbe-träge einzustellen. Zu Recht hat das Berufungsgericht hier in der Möglichkeit des steuerlichen Realsplittings einen weiteren Grund gesehen, wonach die ra-tenweise Aufteilung des [X.] allein im Interesse des [X.] liegt. Denn sie ermöglicht es ihm, den gesamten [X.] - verteilt auf mehrere Jahre - als Sonderausgabe steuerlich abzusetzen, weil die jährlichen [X.] in Höhe von 13.500 • knapp unterhalb des Höchstbetrages liegen, der im Wege des steuerlichen Realsplittings nach § 10 EStG mit jährlich bis zu 13.805 • berücksichtigt werden kann. Nach den zutreffenden [X.] erfolgte die Hinausschiebung der Fälligkeit von Teilen des [X.] deswegen allein im Interesse des [X.]. Um-stände, die gegen eine endgültige und abschließende Unterhaltsvereinbarung sprechen, lassen sich deswegen daraus nicht gewinnen. 3. Ebenfalls zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Kläger zur Anfechtung der Vergleiche berechtigt wäre, wenn die Beklagte ihn bei Vertragsschluss über ihre Absicht, alsbald wieder zu heiraten, getäuscht - 9 - hätte. Dann käme unter Umständen auch ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB in Betracht (vgl. [X.]/[X.] aaO; [X.] aaO). Solches hat das Berufungsgericht auf der Grundlage des Sachvortrags der Parteien [X.] nicht feststellen können. Zwar hat die Beklagte bereits am 20. Dezember 2003 und somit nur wenig mehr als einen Monat nach Abschluss des Abände-rungsvergleichs vom 11. November 2003 geheiratet. Außerdem war sie in [X.] [X.]punkt schon im achten Monat schwanger, was allerdings dem im Ver-handlungstermin ebenfalls anwesenden Kläger nicht entgangen sein kann. [X.] ist aber, dass die Zahlungsverpflichtung des [X.] schon auf dem ursprünglichen Vergleich vom 7. Januar 2003 beruht, der in dem späteren [X.] vom 11. November 2003 lediglich hinsichtlich der Abfindungsrate für 2005 und der Fälligkeit für die Abfindungsrate für 2004 abgeändert wurde. [X.] der Kläger seine Willenserklärung zum Abschluss des Abfindungsvergleiches anfechten oder wollte er Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verlangen, müsste er deswegen eine Heiratsabsicht der Beklagten schon im Januar 2003 nachweisen. Dafür ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand aber nichts ersichtlich. Denn es ist durchaus nachvollziehbar, - 10 - dass die Beklagte sich erst infolge und gerade wegen des Scheidungsfolgen-vergleichs vom 7. Januar 2003 zur Schwangerschaft und zur erneuten Heirat entschlossen hat. Hahne
[X.] [X.]

Wagenitz

[X.]

Meta

XII ZR 73/05

10.08.2005

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.08.2005, Az. XII ZR 73/05 (REWIS RS 2005, 2219)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2219

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