Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2003, Az. XII ZR 155/01

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2003, 287

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/01Verkündet am:10. Dezember 2003Küpferle,[X.] Geschäftsstellein der [X.]:ja[X.]Z:[X.]: [X.] §§ 291, 794; BGB §§ 242 [X.], 1569 ff.a)Zur Vollstreckbarkeit eines Unterhaltsvergleichs, der eine Anpassung der [X.] nach einer [X.] vorsieht, die auf einen vom [X.] erstellten Preisindex für die Lebenshaltungskosten [X.])Zur Verwirkung nachehelicher Unterhaltsansprüche, die erst nach ihrer [X.] einem gerichtlichen Vergleich fällig geworden sind.[X.], Urteil vom 10. Dezember 2003 - [X.]/01 - [X.] 2 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. [X.] und [X.] Recht erkannt:Die Revision gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des [X.] vom 11. Mai 2001 wird auf Ko-sten des [X.] zurückgewiesen.Von Rechts [X.]:Die Parteien, geschiedene Eheleute, streiten im Rahmen einer Vollstrek-kungsgegenklage um die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung von [X.] aus einem Vergleich.Die Parteien schlossen 1990 einen gerichtlichen Vergleich, in dem sichder Kläger verpflichtete, an die Beklagte einen monatlichen nachehelichen [X.] von 3.200 DM zu zahlen. Grundlage hierfür waren ein monatliches Net-toeinkommen des [X.] von ca. 13.000 DM und ein solches der Beklagtenvon ca. 2.200 DM sowie weitere Unterhaltsverpflichtungen des [X.]. NachZiff. 4 des Vergleichs sollte der monatliche Unterhalt an den Lebenshaltungsko-stenindex für einen Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt mit mittlerem Ein-kommen im Jahresdurchschnitt ohne Aufforderung bis spätestens 30. März ei-- 3 -nes jeden Jahres angepaßt werden. Grundlage war das [X.], [X.] Kläger zahlte der Beklagten, nachdem er im September 1991 zu [X.] Anpassung auf 3.273,60 DM aufgefordert worden war, monatlich [X.] 3.256,96 DM. Weitere Anpassungen nahm er in der Folgezeit nicht vor. Am2. September 1999 erwirkte die Beklagte gegen den Kläger einen Pfändungs-und Überweisungsbeschluß über 31.073,28 DM wegen der rückständigen, nichtvorgenommenen [X.] für die [X.] vom 1. Januar 1994 bis30. Juni 1999. Der Kläger zahlte daraufhin der Beklagten für die [X.] von Juli1998 bis Juni 1999 einen Rückstand von 6.026,88 DM. Die vor Juli 1998 auf-gelaufenen Rückstände hielt er für verwirkt, weshalb er Vollstreckungsgegen-klage mit dem Ziel erhob, daß die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich in-soweit für unzulässig erklärt werde.Das Familiengericht gab der Klage im wesentlichen statt. Gegen diesesUrteil legte die Beklagte Berufung ein, soweit die Zwangsvollstreckung für die[X.] ab 1. Januar 1995 für unzulässig erklärt worden war. Das [X.] änderte daraufhin das amtsgerichtliche Urteil ab und erklärte die Zwangs-vollstreckung aus dem Vergleich lediglich insoweit für unzulässig, als die [X.] für die [X.] bis 30. Juni 1999 mehr als [X.] DM an Rückstand voll-streckt. Dabei gingen das [X.] und die Parteien davon aus, daßsich die wegen der fehlenden Anpassungen aufgelaufenen Unterhaltsbeträgefür die [X.] vom 1. Januar 1995 bis 30. Januar 1999 rechnerisch auf [X.] beliefen, so daß sich nach Zahlung von 6.026,88 DM noch eineDifferenz von [X.] DM errechnete. Die weitergehende Klage wies es ab.Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger [X.] des amtsgerichtlichen Urteils.- 4 -Entscheidungsgründe:Die Revision hat keinen Erfolg.1. Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, daß der [X.] nicht das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Der Kläger kann nämlich sein Ziel, [X.] der Rückstände aus der [X.] zu verhindern,nicht in einfacherer Weise mit der Erinnerung nach §§ 732 oder 766 ZPO errei-chen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Vergleich hinsichtlich der Mehrbe-träge aus der [X.] dem Bestimmtheitserfordernis nicht ge-nügte, das an einen Vollstreckungstitel zu stellen ist. Zwar werden in der Lite-ratur [X.]n zum Teil allgemein nicht für vollstreckbar gehalten(vgl. [X.]/[X.] ZPO 25. Aufl. [X.]. 16 vor § 704 ZPO). Der [X.] hat [X.] bisher offengelassen (Urteil vom 7. Dezember 1988 - [X.] [X.] 1989, 267, 268). Er schließt sich jedoch nunmehr der Ansicht an, wo-nach [X.]n, die wie die vorliegende auf den vom [X.] ermittelten Preisindex für die Lebenshaltungskosten abstel-len, hinreichend bestimmt sind und aus ihnen somit vollstreckt werden kann(vgl. [X.]/[X.] ZPO 24. Aufl. § 794 [X.]. 26 b; Musielak/[X.] Aufl. § 704 [X.]. 7; [X.] ZPO 13. Aufl. vor § 704 [X.]. 153;Zimmermann ZPO 6. Aufl. § 704 [X.]. 2; MünchKomm/[X.] ZPO [X.] 704 [X.]. 9 m.w.[X.]). Entscheidend ist, daß die in Bezug genommenen Daten,nämlich die Indizes des [X.], leicht und zuverlässig fest-stellbar sind. Sie werden veröffentlicht im [X.], im [X.], in den Monats- und Jahresberichten des [X.]Fachserie 17, Reihe 7 sowie unter anderem auch in der [X.]. Die Daten sind damit offenkundig im Sinne von § 291 ZPO (vgl.[X.] Urteil vom 24. April 1992 - [X.] - NJW 1992, 2088). Daß der vonden Parteien in Bezug genommene Preisindex ab dem [X.] nicht mehr- 5 -erstellt wird (vgl. hierzu [X.]/[X.]/[X.] Daten und Tabellen zum [X.]. [X.] ff.), ist unerheblich, da es vorliegend nur um die Voll-streckbarkeit bis zum Jahre 1999 geht.2. Zum Verwirkungseinwand des [X.] hat das [X.]ausgeführt: Die Beklagte könne die ab Januar 1995 bis zum 30. Juni 1999 [X.], die sie zutreffend errechnet habe, vollstrek-ken. Der Unterhaltsanspruch sei insoweit nicht verwirkt. Zwar könnten [X.] schon vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist von vier Jahren(§§ 218 Abs. 2, 197 [X.]) verwirkt werden. Bei titulierten Ansprüchen [X.] höhere Anforderungen an den Eintritt der Verwirkung zu stellen als [X.], für die kein Titel existiere. Hierfür sei entscheidend, daßder Schuldner eines titulierten Anspruchs in erheblich geringerem Maßeschutzwürdig sei als der eines nicht titulierten Anspruchs. Deshalb halte es - [X.] zum Amtsgericht - auch eine analoge Anwendung des § 1585 [X.]. 3 BGB nicht für angebracht. Die kurze [X.]spanne von einem Jahr passenur für das erstmalige Einklagen eines Unterhaltsanspruchs, nicht jedoch füreinen bestehenden Titel, auf den sich der Schuldner einstellen könne. [X.] das [X.]moment vor Ablauf von vier Jahren grundsätzlich nicht erfüllt. Be-sondere Umstände, die eine kürzere Verwirkungszeit rechtfertigen könnten,seien vorliegend nicht ersichtlich. Vielmehr sei der Kläger durch den Lauf [X.] hinreichend geschützt. Darüber hinaus sei auch das [X.] nicht erfüllt. Dem Vergleich liege ein Nettoeinkommen des [X.] von monatlich 13.000 DM zugrunde, das dieser jedenfalls bis 1997 nachseinem eigenen Vortrag erzielt habe. Bei dieser Sachlage könne nicht ohnenähere Darlegungen seitens des [X.] davon ausgegangen werden, daß ersich in seiner Lebensführung darauf eingerichtet habe, die Unterhaltserhöhun-gen, die die Beklagte nunmehr vollstreckt, nicht mehr zahlen zu müssen, [X.] sich auch nur um eine Unterhaltsspitze gehandelt [X.] -Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung im [X.] stand.Die Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung we-gen widersprüchlichen Verhaltens. Sie setzt voraus, daß der Berechtigte [X.] längere [X.] nicht geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog.[X.]moment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhal-ten des Berechtigten darauf einrichten durfte und sich darauf eingerichtet hat,dieser werde sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen (sog. [X.]; [X.]Z 146, 217, 220 m.[X.]). Insofern gilt für Unterhaltsrückstän-de nichts anderes als für andere in der Vergangenheit fällig gewordene [X.] (vgl. [X.]surteil vom 23. Oktober 2002 - [X.] - FamRZ 2002,1698).Wie der [X.] bereits wiederholt zu nicht titulierten Unterhaltsrückstän-den entschieden hat (vgl. [X.]surteil vom 23. Oktober 2002 aaO, 1699),spricht viel dafür, bei derartigen Ansprüchen an das [X.]moment der [X.] strengen Anforderungen zu stellen. Von einem Unterhaltsgläubiger mußeher als von einem Gläubiger anderer Forderungen erwartet werden, daß ersich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Anderenfalls könnenUnterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Abge-sehen davon sind im Unterhaltsrechtstreit die für die Bemessung des Unterhaltsmaßgeblichen Einkommensverhältnisse der Parteien nach längerer [X.] oft nurschwer aufklärbar. Diese Gründe, die eine möglichst zeitnahe Geltendmachungvon Unterhalt nahelegen, sind so gewichtig, daß das [X.]moment der [X.] auch dann erfüllt sein kann, wenn die Rückstände [X.]abschnitte betref-fen, die etwas mehr als ein Jahr zurückliegen. Denn nach den gesetzlichen [X.] der §§ 1585 b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB verdient der Ge-- 7 -sichtspunkt des Schuldnerschutzes bei [X.] für eine mehr alsein Jahr zurückliegende [X.] besondere Beachtung.Diese Erwägungen treffen im wesentlichen auch auf titulierte [X.] zu, die, wie im vorliegenden Fall, erst nach ihrer Titulierung fälliggeworden sind. Zwar spielt es, sobald Unterhaltsansprüche tituliert sind, keineRolle, daß die Einkommensverhältnisse der Parteien nach Ablauf längerer [X.]oft nur schwer aufklärbar sind. Dabei handelt es sich aber nicht um ein beson-ders gewichtiges Argument, das für eine Verkürzung des [X.]moments [X.] bei nicht titulierten Unterhaltsforderungen spricht. Entscheidend istvielmehr der Schuldnerschutz. Von einem Unterhaltsgläubiger, dessen [X.] bereits vor ihrer Fälligkeit tituliert sind, kann mindestens ebenso wie voneinem Berechtigten, der über keinen Titel verfügt, erwartet werden, daß er sei-ne Ansprüche zeitnah durchsetzt (vgl. [X.]sbeschluß vom 16. Juni 1999- [X.] 3/99 - FamRZ 1999, 1422). In beiden Fällen können ansonsten Unter-haltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast anwachsen. Der [X.] verdient es somit auch im Falle der Titulierung künftig fällig werden-der Unterhaltsforderungen, besonders beachtet zu werden, weshalb auch indiesen Fällen das [X.]moment bereits nach dem Verstreichenlassen einer Fristvon etwas mehr als einem Jahr als erfüllt anzusehen sein kann. Dieser Bewer-tung entspricht auch die gesetzliche Regelung der Verjährung von [X.]n, die wie die Verwirkung unter anderem dem Schuldnerschutz dient.Danach verbleibt es nämlich gemäß § 218 Abs. 2 i.V. mit § 197 BGB a.F. (jetzt§ 197 Abs. 2 BGB i.V. mit § 195 BGB) auch im Falle der Titulierung von zukünf-tig fälligen Unterhaltsansprüchen bei der kurzen Verjährungsfrist des § 197[X.], um das Anwachsen von Rückständen zu verhindern, die [X.] wirtschaftlich gefährden würden, was der Fall wäre, wenn auch diesekünftigen Ansprüche der gewöhnlichen 30-jährigen Verjährung titulierter [X.] 8 -Auch soweit danach von der Erfüllung des [X.]moments ausgegangenwerden könnte, führt dies nicht zu einer Aufhebung des oberlandesgerichtlichenUrteils. Denn das Umstandsmoment der Verwirkung ist nicht erfüllt. Die Ausfüh-rungen des Berufungsgerichts, es sei nicht ersichtlich, daß der Kläger ange-sichts der Höhe seines monatlichen Nettoeinkommens von 13.000 DM seineLebensführung tatsächlich darauf ausgerichtet habe, von der Beklagten nichtmehr in Anspruch genommen zu werden, sind revisionsrechtlich nicht zu bean-standen. Auch die Revision führt hiergegen nichts ins Feld.HahneSprick[X.][X.]Ahlt

Meta

XII ZR 155/01

10.12.2003

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.12.2003, Az. XII ZR 155/01 (REWIS RS 2003, 287)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 287

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