Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2007, Az. 3 StR 266/07

3. Strafsenat | REWIS RS 2007, 2458

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[X.] vom 14. August 2007 in der Strafsache gegen wegen Betruges u. a. - 2 - Der 3. Strafsenat des [X.] hat auf Antrag des Generalbundes-anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. August 2007 ge-mäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen: Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 14. November 2006 mit den Feststellungen aufge-hoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des [X.] zurückverwiesen. Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Untreue in 15 Fällen und wegen Betruges in zwei Fällen unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten sowie wegen Untreue, wegen Betruges in drei Fällen und wegen versuchten Betruges in sechs Fällen zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jah-ren verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Rüge eines Verstoßes gegen § 338 Nr. 3 StPO Erfolg. Das [X.] hat das Ablehnungsgesuch des Angeklagten, das wegen Besorgnis der Befangenheit gegen den [X.] der Strafkammer gerichtet war, zu Unrecht zurückgewiesen (§ 24 Abs. 2 StPO). 1 - 3 - 1. Der Beanstandung liegt folgender Verfahrensablauf zugrunde: Dem Angeklagten lag zur Last, in zahlreichen Fällen Gelder, die er als Rechtsanwalt von Mandanten zur treuhänderischen Verwaltung erhalten hatte, für eigene Zwecke verwendet zu haben. Nach Anklageerhebung kam es zu einem [X.] zwischen dem Vorsitzenden, der Berichterstatterin, dem damaligen [X.] sowie dem Dezernenten der Staatsanwaltschaft. Dabei erklärte der [X.], er strebe - um dem Angeklagten eine Verbüßung im offenen Vollzug zu ermöglichen - eine Freiheitsstrafe von nicht mehr als dreieinhalb Jahren an. Nachdem der Staatsanwalt dies abgelehnt hatte, erklärte der Vorsitzende, dass sich auch ohne eine Absprache ein Geständnis des Angeklagten natürlich strafmildernd auswirken müsste, und sagte sinngemäß, der Angeklagte müsse sich nun überlegen, ob er sich "in die Hände des Gerichts begebe" oder ob eine Verhandlung mit vollständiger Beweisaufnahme durchgeführt werden solle, mit möglicherweise deutlich härteren Rechtsfolgen. Nach Rücksprache teilte der Verteidiger mit, der Angeklagte begebe sich in die Hände des Gerichts, so dass Zeugen nicht benötigt würden. In der Hauptverhandlung, die dem Wunsch des Verteidigers entsprechend erst viele Monate später (Anfang Mai 2005) ange-setzt worden war, bestritt der Angeklagte entgegen den Erwartungen des [X.], so dass die Verhandlung nach einer Stunde unterbrochen wurde. Am zweiten Hauptverhandlungstag wurde ein Beschluss verkündet, dass der Angeklagte auf seine Schuldfähigkeit und im Hinblick auf eine in [X.] kommende Unterbringung nach § 63 StGB durch einen psychiatrischen Sachverständigen untersucht werden solle, und die Hauptverhandlung sodann ausgesetzt. Nachdem der Angeklagte einige Wochen später aufgrund eines Haftbefehls der Strafkammer in Untersuchungshaft genommen worden war, beauftragte er mit seiner Verteidigung Rechtsanwalt [X.]. Dieser stellte in einem [X.] eine geständige Einlassung des Angeklagten in [X.], worauf der Angeklagte vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft ver-2 - 4 - schont wurde. Der Vorsitzende rief in der Folgezeit bei dem Verteidiger an und fragte, ob Zeugen benötigt würden. Dabei sagte er sinngemäß, dass die ge-genüber dem früheren Verteidiger gegebene Zusage von dreieinhalb Jahren nicht mehr gelten würde, wies aber darauf hin, dass eine Strafe in dieser Höhe nicht völlig ausgeschlossen sei. Nachdem Rechtsanwalt [X.]erneut ein Ge-ständnis angekündigt hatte, beraumte der Vorsitzende die Hauptverhandlung auf den 10. Februar 2006 an. Vor diesem Termin teilte Rechtsanwalt [X.]dem Vorsitzenden telefonisch mit, er wolle die Verteidigung nicht mehr führen, und bat um Beiordnung seines Sozietätskollegen Rechtsanwalt [X.]. Bei diesem Telefonat, das nach der Erinnerung des Vorsitzenden zwei Tage, nach der des Verteidigers acht Tage vor der Hauptverhandlung stattgefunden hat, bestätigte Rechtsanwalt [X.]ausdrücklich, dass es bei der getroffenen [X.] - also einer geständigen Einlassung des Angeklagten - bleibe. Im [X.] von Rechtsanwalt [X.]machte der Angeklagte dann in der [X.] keine Angaben zu den Tatvorwürfen. Unmittelbar nach der Sitzung rief der Vorsitzende den bisherigen Verteidiger [X.]an und erklärte, unter den gegebenen Umständen komme im Falle einer Verurteilung auch die [X.] einer Freiheitsstrafe von sieben bis acht Jahren in Frage. Wenn sei-tens der Verteidigung Gesprächsbedarf bestünde, sei er hierfür offen. Vier Tage danach wurde der Angeklagte wieder in Untersuchungshaft genommen, nach-dem die Strafkammer den Haftverschonungsbeschluss aufgehoben hatte. Zu dem daraufhin gegen den Vorsitzenden gerichteten Ablehnungsan-trag erklärte dieser dienstlich, seine Äußerung sei aus einem Unmut heraus erfolgt. Zudem habe ihm zuvor der Staatsanwalt mitgeteilt, er habe ein weiteres Verfahren gegen den Angeklagten, in dem mit einer Anklage zu rechnen sei. 3 - 5 - Das [X.] hat den Ablehnungsantrag als unbegründet zurückge-wiesen und dazu ausgeführt, eine Besorgnis der Befangenheit bestehe nicht, da sich die Erregung in erster Linie gegen den vormaligen Verteidiger gerichtet habe, der ihn wenige Tage vor dem Termin noch die Einhaltung der Absprache zugesichert habe. 4 2. Entgegen der Auffassung des [X.]s konnte auch ein besonne-ner Angeklagter bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme haben, der Vorsitzende würde ihm gegenüber eine innere Haltung einnehmen, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend be-einflussen kann. 5 Anlass dazu war der Unterschied in den Strafgrenzen, die der [X.] dem Angeklagten über seinen jeweiligen Verteidiger für den Fall eines Ge-ständnisses einerseits (dreieinhalb Jahre) und eines Tatnachweises nach [X.] Hauptverhandlung andererseits (sieben bis acht Jahre) aufgezeigt hat. Zwar ist es dem Gericht erlaubt, dem Angeklagten im Rahmen eines offenen Verhandlungsstils seine vorläufige Einschätzung zur Straferwartung bei einem Geständnis und bei einer Überführung nach durchgeführter Beweisaufnahme mitzuteilen. Es ist darüber hinaus zulässig, dem Angeklagten für den Fall seines Geständnisses eine Strafobergrenze zuzusichern, an die das Gericht im Grund-satz gebunden ist und die es nur bei Eintritt bestimmter Umstände (vgl. BGHSt 50, 40, 50 unter Ausweitung von [X.], 195, 210) überschreiten kann. [X.] bestehen hierbei eindeutige Grenzen: Die Freiheit der Willensentschließung des Angeklagten muss gewahrt bleiben. Er darf weder durch Drohung mit einer höheren Strafe noch durch Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils - und hierzu gehört auch die [X.] milde Strafe - zu einem Geständnis gedrängt werden ([X.], 195, 204, 209; 50, 40, 50). Der 6 - 6 - Unterschied zwischen den vorliegend genannten Strafgrenzen ist mit der [X.] Wirkung eines Geständnisses nicht mehr erklärbar und deshalb als unzulässiges Druckmittel ("[X.]") zur Erwirkung eines verfahrens-verkürzenden Geständnisses zu werten (vgl. NStZ 2004, 577; BGHR StPO § 136 a I Zwang 7). Es kommt vorliegend nicht darauf an, ob der Vorsitzende bereits mit dem Hinweis, bei einem Geständnis wäre eine Strafe von dreieinhalb Jahren noch im Bereich des Möglichen, eine angesichts des [X.] nicht mehr hinnehmbare milde Sanktion angeboten und schon damit einen unzulässigen Druck auf den Angeklagten ausgeübt hat. Jedenfalls dadurch, dass er, nachdem der Angeklagte das in Aussicht gestellte Geständnis erneut nicht abgelegt hatte, bei im Übrigen unveränderter Sachlage ankündigte, dass eine Strafe von sieben bis acht Jahren zu erwarten sei, hat er eine strafzumes-sungsrechtlich unvertretbare [X.] gegenüber Rechtsanwalt [X.]aufgezeigt. Dass dieser zu dem Zeitpunkt die Verteidigung nicht mehr führte, ändert daran nichts. Wie sich aus der Bemerkung des Vorsitzenden, er sei bei entsprechendem Bedarf der Verteidigung für Gespräche offen, ergibt, wollte er damit erreichen, dass seine Drohung dem neuen Verteidiger [X.]

und dem Angeklagten zur Kenntnis gebracht wurden. 7 In der Anwendung der "[X.]" liegt ein Verstoß gegen § 136 a StPO. Das Verhalten des Vorsitzenden begründet damit zugleich die Besorgnis der Befangenheit. 8 3. Soweit das [X.] bei seiner Entscheidung auf eine Verärgerung des Vorsitzenden gegenüber Rechtsanwalt B. abhebt und den Anruf damit möglicherweise als nach Sachlage noch verständliche - und damit die [X.] 7 - nis der Befangenheit nicht auslösende - Unmutsäußerung des Vorsitzenden beurteilt, gibt dies dem Senat Anlass zu folgender Bemerkung: Ein Angeklagter ist in der Entscheidung über die Art seiner Verteidigung frei. Die Verweigerung eines angekündigten Geständnisses kann solche Unmutsäußerungen grund-sätzlich nicht rechtfertigen. Wenn sie wie hier - auch mit Blick auf die Handha-bung der Untersuchungshaft, die jeweils angeordnet worden ist, nachdem der Angeklagte [X.] nicht geständig war - den Eindruck erwecken könnten, dass sich ein Gericht nicht mehr in der Lage sieht, das Verfahren ohne ein Geständnis zu beenden, müssen sie Anlass zu ernster Sorge über den Zu-stand der Strafjustiz geben. 4. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, die wirtschaftlichen [X.] des Angeklagten darzustellen, ohne dazu auf 80 Seiten [X.] abzulichten. 10 - 8 - 5. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. StPO Gebrauch gemacht. 11 [X.] ist in den Ruhestand getreten und deshalb an der Unterschrift gehindert. [X.] von [X.]

Meta

3 StR 266/07

14.08.2007

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.08.2007, Az. 3 StR 266/07 (REWIS RS 2007, 2458)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2007, 2458

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