Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.06.2012, Az. VIII R 40/10

8. Senat | REWIS RS 2012, 5273

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Gegenstand

(Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 S. 2; Finanzinnovation, Emissionsrendite; Rückgriff auf die Marktrendite)


Leitsatz

1. NV: Die Verhältnisse im Zeitpunkt der Emission einer Anlage sind dafür maßgebend, ob Wertpapiere und Kapitalforderungen dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG beschriebenen Typus von Finanzinnovationen zuzuordnen sind .  

2. NV: Zum Begriff der Emissionsrendite .  

3. NV: Schuldverschreibungen, die im Zeitpunkt der Emission zwar eine geringfügige Mindestverzinsung ausweisen, deren Gesamtverzinsung aber im Wesentlichen von der im Zeitpunkt der jeweiligen Emission nicht kalkulierbaren Kursentwicklung diverser Aktien abhängt, haben keine Emissionsrendite .

Tatbestand

1

I. Die [X.]eteiligten streiten um die Frage, ob Verluste aus der Veräußerung von Schuldverschreibungen gemäß § 20 [X.]bs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2006 geltenden Fassung (EStG) bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen sind. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin ihres im November 2007 verstorbenen Ehemannes, mit dem sie im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurde.

2

Die Klägerin und ihr Ehemann zeichneten 2004 und 2005 zwei sog. [X.] (= Euro Medium Term Notes) Schuldverschreibungen. [X.] wurden die Papiere von der [X.] Générale [X.]cceptance N.V. mit Sitz auf den [X.], garantiert wurden die Schuldverschreibungen von der [X.] Générale S.[X.]. ([X.]). In den Verkaufsprospekten für die Schuldverschreibungen wurden diese als solche "mit einem variablen Zinssatz gebunden an einen Korb bestehend aus 25 [X.]ktien [X.] bzw. ausländischer [X.]ktiengesellschaften" bezeichnet. Die Verkaufsprospekte enthalten folgende [X.]edingungen:

3

[X.]ei der Schuldverschreibung [X.] Schuldverschreibung 2004/2011 mit der [X.] (= International Securities Identification Number) DE000SG091G9 (im Folgenden: Schuldverschreibung [X.]) war als [X.] der 8. November 2004 festgelegt. Das Datum der Endfälligkeit war der 15. November 2011, die Rückzahlung der Schuldverschreibung hatte zu 100 % zu erfolgen. Die Schuldverschreibungen waren verzinst, der erste Zinszahltag war der 15. November 2005, worauf jährlich bis zum 15. November 2011 ein weiterer Zinszahltag folgte. Der Zinssatz für eine [X.]ewertungsperiode (Zeitraum zwischen zwei [X.]ewertungstagen) entsprach einem Prozentsatz, der sich an der Wertentwicklung der im Korb enthaltenen 25 [X.]ktien orientiert und nach den [X.]estimmungen eines sog. "Pricing Supplement" zu berechnen war. Der Zinssatz entspricht der niedrigsten in Prozent ausgedrückten [X.]bweichung des Wertes einer der jeweiligen Korbaktien an einem [X.]ewertungstag vom Vorjahreswert. Sofern die niedrigste prozentuale [X.]bweichung in einem Jahr weniger als 2 % betragen sollte, entsprach der Zinskupon in diesem Jahr einem Mindestzins in Höhe von 2 %. Der anfängliche [X.]usgabekurs je Schuldverschreibung betrug 100 € [X.] eines [X.]usgabeaufschlages von maximal 3 % und der üblichen [X.]ankprovision.

4

[X.]ei der zweiten Schuldverschreibung handelte es sich um die [X.] Schuldverschreibung 2005/2011 ([X.] DE000SG2[X.]X37; im Folgenden: Schuldverschreibung [X.]). [X.]uch diese Schuldverschreibung war mit einem variablen Zinssatz, gebunden an einen Korb bestehend aus 25 [X.]ktien [X.] bzw. ausländischer [X.]ktiengesellschaften, ausgestattet. [X.] war lt. Verkaufsprospekt der 3. Juni 2005; Datum der Endfälligkeit war der 9. Juni 2011, wobei auch hier eine Rückzahlung zu 100 % zugesagt war. Erster Zinszahltag war der 8. Juni 2006; auf diesen folgten jährlich weitere [X.] bis zum 9. Juni 2011. Die Schuldverschreibung war in ähnlicher Weise verzinst wie die Schuldverschreibung [X.], wobei der Mindestzins hier 1,5 % betrug. Die genaue [X.]erechnung des Zinssatzes erfolgte --wie bei der Schuldverschreibung [X.]-- auf mathematisch genaue Weise im "Pricing Supplement".

5

Die Klägerin und ihr Ehemann zeichneten die Schuldverschreibung [X.] am 29. Oktober 2004 (Wertstellung zum 8. November 2004) mit einem Nominalbetrag von 97.100 € zu [X.] von 103 %. Daraus ergaben sich [X.]nschaffungskosten von 100.013 €. Die Schuldverschreibung [X.] zeichneten sie am 27. Mai 2005 (Wertstellung 3. Juni 2005) mit einem Nominalbetrag von 145.700 € wiederum zu [X.] von 103 %. Die daraus resultierenden [X.]nschaffungskosten betrugen 150.071 €.

6

[X.]eide Schuldverschreibungen veräußerten die Klägerin und ihr Ehemann schon vor Endfälligkeit am 24. Juli 2006 mit Wertstellung zum 26. Juli 2006. Die Schuldverschreibung [X.] veräußerten sie zu [X.] von 93,52 % (Veräußerungserlös 90.807,92 €); die Schuldverschreibung [X.] veräußerten sie zu [X.] von 91,09 % (Veräußerungserlös 132.718,13 €). In der für die Kläger gefertigten Erträgnisaufstellung der X-[X.]ank vom 20. Februar 2007 sind insoweit "[X.]usl. [X.] (K[X.]P 32)" und als Einnahmen i.S. von § 20 EStG ./. 9.205,08 € und ./. 17.352,87 € ausgewiesen ([X.]e ohne [X.]erücksichtigung von Courtagen und Transaktionsentgelten).

7

In ihrer Einkommensteuererklärung 2006 setzten die Klägerin und ihr Ehemann die vorgenannten Verluste von zusammen ./. 26.557,95 € --wie in der Erträgnisaufstellung vorgesehen-- als ausländische Kapitalerträge in Zeile 32 der [X.]nlage K[X.]P an. [X.] mit im vorliegenden Verfahren unstreitigen positiven ausländischen Kapitalerträgen von 8.468,26 € ergaben sich insoweit Verluste von ./. 18.089,69 € für die Klägerin bzw. ./. 9.044,84 € für den Ehemann.

8

[X.]uf Nachfrage des [X.]eklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --F[X.]--) erläuterte die Klägerin, es handele sich bei den Schuldverschreibungen um sog. Zinsbonuszertifikate mit gesicherter Kapitalrückzahlung zum Laufzeitende ohne Zusicherung eines Kapitalertrags. Die Papiere fielen unter § 20 [X.]bs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 20 [X.]bs. 2 Nr. 4 EStG. Dazu überreichte sie eine [X.]estätigung der [X.] Générale, nach der die Schuldverschreibungen als Finanzinnovationen einzuordnen seien.

9

[X.]m 8. Februar 2008 erließ das F[X.] einen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem es die von der Klägerin und ihrem Ehemann geltend gemachten Verluste von ./. 26.557,95 € nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigte. Vielmehr ging das F[X.] für die Klägerin und ihren Ehemann von ausländischen Kapitalerträgen in Höhe von jeweils 4.234 € aus. Nach [X.]uffassung des F[X.] sei bei den Schuldverschreibungen die Ertragsebene von der Vermögensebene problemlos abgrenzbar, demgemäß fielen [X.]e nicht unter die Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, bei den Schuldverschreibungen seien das Entgelt für die [X.] und ein Vermögenszuwachs rechnerisch nicht eindeutig abgrenzbar und bestimmbar.

Mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 234 veröffentlichten Urteil vom 22. Juni 2010 gab das Finanzgericht ([X.]) der Klage statt. Nach Meinung des [X.] müsse der von der Klägerin und ihrem Ehemann realisierte [X.] nach der [X.] bzw. nach der Differenzmethode gemäß § 20 [X.]bs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2  1. Halbsatz EStG als "Kapitalertrag" erfasst werden.

Mit der Revision rügt das F[X.] die Verletzung materiellen Rechts (§ 20 [X.]bs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG).

[X.]ufgrund der variablen Verzinsung anhand der Wertentwicklung eines bestimmten [X.]ktienbaskets seien die Voraussetzungen des § 20 [X.]bs. 2 Satz 1 Nr. 4 [X.]uchst. [X.] erfüllt. [X.]ei den hier zu beurteilenden Schuldverschreibungen handele es sich um sog. unechte Finanzinnovationen, die wegen variabler Verzinsung zwar keine [X.] hätten, bei denen aber eine Trennung der Ertrags- von der Vermögensebene möglich sei.

Das F[X.] beantragt,
das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Zutreffend hat das [X.] die Verluste der Klägerin und ihres Ehemannes aus der Veräußerung der 2004 und 2005 gezeichneten Schuldverschreibungen der [X.] bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) erfasst.

1. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c 2. Alternative, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung von sonstigen [X.], bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt, soweit sie der rechnerisch auf die [X.] entfallenden [X.] entsprechen. Haben die [X.] keine [X.] oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag. Dies gilt gemäß Satz 4 entsprechend für die Einlösung bei Endfälligkeit von [X.]. Diese durch das Steueränderungsgesetz 2001 ([X.] 2001) eingeführte Fassung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ist gemäß § 52 Abs. 37b EStG für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Sie kommt daher auch im Streitfall zur Anwendung.

2. Die von der Klägerin und ihrem Ehemann im Streitjahr veräußerten Schuldverschreibungen der [X.] erfüllen als Schuldverschreibungen, die bei Endfälligkeit mit einer Kapitalrückzahlungsgarantie von 100 % des Nennwerts und Zinsansprüchen in ungewisser Höhe ausgestattet sind, die Voraussetzung von sonstigen [X.] i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG. Der Tatbestand von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG verlangt hierfür lediglich, dass die Rückzahlung des [X.] oder ein Entgelt für die Überlassung des [X.] zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Der Erwerber der vorstehend genannten Schuldverschreibungen erwirbt eine auf Geldleistung gerichtete Forderung gegen die Emittentin, nämlich zum jeweils vereinbarten Rückzahlungstermin (9. Juni 2011 bzw. 15. November 2011) einen Betrag in Höhe von 100 % des Nennwerts ausbezahlt zu bekommen. Die Rückzahlung des [X.] ist damit zugesagt. Dass die Schuldverschreibungen auch zu verzinsen waren, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

3. [X.] nicht zu beanstanden ist auch die Auffassung des [X.], die in Rede stehenden Schuldverschreibungen hätten keine [X.] und der von der Klägerin und ihrem Ehemann erlittene [X.] sei im Rahmen der [X.] gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2  1. Halbsatz EStG zu erfassen.

Ob Wertpapiere und [X.] dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG beschriebenen Typus von Finanzinnovationen zuzuordnen sind, hat ausgehend von den Verhältnissen im [X.]punkt der Emission der Anlage zu erfolgen. Dies ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der tatbestandlichen Beschreibung der steuerbaren Finanzinnovationen in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG mit der Regelung der fraglichen Einkünfte ihrer Höhe nach gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1  2. Halbsatz sowie Satz 2 EStG nach Maßgabe der [X.] oder des Unterschieds zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung der Anlage. Beide Merkmale, die Typenbeschreibung wie auch die Vorgaben für die Berechnung der steuerbaren Einkünfte bilden zusammen den maßgeblichen Steuertatbestand. Die gesetzliche Ausrichtung der Besteuerung an der [X.] bezieht diesen Steuertatbestand auf den [X.]punkt der Emission. Folglich ist auch die Typenbestimmung auf die Ausgestaltung der fraglichen Wertpapiere bzw. [X.] im [X.]punkt der Emission zu beziehen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu im Einzelnen mit diversen Nachweisen Senatsurteile vom 13. Dezember 2006 VIII R 62/04, [X.], 199, [X.], 568; vom 20. November 2006 VIII R 97/02, [X.], 79, [X.], 555; vom 11. Juli 2006 VIII R 67/04, [X.], 86, [X.], 553; vom 13. Dezember 2006 VIII R 6/05, [X.], 206, [X.], 571).

a) Als [X.] ist die vom Emittenten bei der Begebung einer Anlage, d.h. von vornherein zugesagte Rendite zu verstehen, die bis zur Einlösung des Papiers bzw. Endfälligkeit einer Kapitalforderung erzielt werden kann (vgl. Senatsurteil in [X.], 199, [X.], 568, m.w.N.). Maßgeblich ist dabei, dass von vornherein eine bezifferbare Rendite versprochen wird, die mit Sicherheit erzielt werden kann.

Die hier streitigen Schuldverschreibungen haben keine [X.]. Sie weisen im [X.]punkt der Emission zwar eine Mindestverzinsung von 2 % (Schuldverschreibung A) bzw. von 1,5 % (Schuldverschreibung B) aus. Tatsächlich war jedoch eine höhere, im Ergebnis aber nicht genau bezifferte Verzinsung vorgesehen, die sich an der Wertentwicklung bestimmter Aktien orientierte und nach den Bestimmungen eines sog. "Pricing Supplement" zu berechnen war. Demgemäß bezeichnete die SGA [X.] als Emittentin die Schuldverschreibungen auch als solche "mit einem variablen Zinssatz gebunden an einen Korb bestehend aus 25 Aktien [X.] bzw. ausländischer Aktiengesellschaften". Die Gesamtverzinsung der Schuldverschreibungen hing damit überwiegend von der im [X.]punkt der jeweiligen Emission nicht kalkulierbaren Kursentwicklung diverser Aktien ab. Eine [X.] im vorstehenden Sinne ist daher nicht gegeben.

b) Zwar könnte eine (Mindest-)[X.] in Anbetracht der zugesagten --indes nur geringfügigen-- Mindestverzinsung rechnerisch ermittelt werden. Der gesetzgeberischen Intention zur Unterscheidung zwischen Kapitalanlagen mit oder ohne [X.] würde das jedoch nicht gerecht. Dem entspricht auch die bisherige Senatsrechtsprechung. Bereits mit Urteil vom 10. Juli 2001 VIII R 22/99 ([X.]NV 2001, 1555) hat der Senat bei variabel verzinslichen Wertpapieren mit vorgeschalteter Festzinsphase eine von vornherein berechenbare [X.] mit der Begründung verneint, für die [X.] nach dem Ablauf der Festzinsphase sei die Rendite im [X.]punkt der Emission nicht berechenbar. Und für sog. [X.], die eine Erhöhung des ursprünglich vereinbarten Zinssatzes für den Fall vorsahen, dass der Emittent von zwei Rating-Agenturen herabgestuft werden sollte, hat der Senat eine von vornherein bezifferbare ([X.] verneint, weil es von der künftigen Beurteilung des Emittenten durch die genannten Rating-Agenturen als ungewissen Ereignisses abhing, in welcher Höhe Kapitalerträge erzielt würden (Senatsurteil in [X.], 206, [X.], 571). So liegt die Sache auch im Streitfall. Die nur geringfügige Mindestverzinsung der Schuldverschreibungen von 2 % bzw. 1,5 % wird überlagert von einer höheren geplanten Verzinsung, die variabel ausgestaltet ist und deren endgültige Höhe in vollem Umfang abhängig war von der im [X.]punkt der Emission nicht absehbaren Wertentwicklung verschiedener Aktien. Eine [X.] ist demgemäß zu verneinen.

4. Der Rückgriff auf die [X.] gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG stellt im Streitfall auch keine ungerechtfertigte Abweichung von der im EStG angelegten Systematik der Besteuerung von Kapitalerträgen dar; insbesondere verstößt die steuerliche Erfassung von Einnahmen aus der Veräußerung bzw. Abtretung von sonstigen [X.], bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG) und die keine [X.] haben, mit der [X.] nicht gegen das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes abzuleitende Gebot der gesetzlichen Folgerichtigkeit (vgl. dazu im Einzelnen mit Nachweisen Senatsurteile vom 13. Dezember 2006 VIII R 79/03, [X.], 187, [X.], 562; in [X.], 206, [X.], 571; in [X.], 79, [X.], 555).

a) Wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, stellt die Maßgeblichkeit der [X.] gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des [X.] 2001 nur dann eine sachlich gerechtfertigte Anpassung des Binnensystems des § 20 EStG an geänderte wirtschaftliche Lebenssachverhalte dar, die der grundsätzlichen im Gesamtsystem des EStG hinsichtlich der Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 7 EStG) angelegten Differenzierung zwischen sog. Quellenausnutzung und Quellenverwertung sowie deren unterschiedlicher --wenngleich z.T. angenäherter (vgl. §§ 17, 23 EStG)-- Erfassung Rechnung trägt, wenn die systematische Differenzierung zwischen Kapitalnutzung und Kapitalverwertung bzw. Ertrags- und Vermögenssphäre auf systematische bzw. strukturelle Grenzen stößt. Hiervon ist auszugehen, soweit wirtschaftliche Lebenssachverhalte der Besteuerung unterworfen werden sollen, bei denen das jeweilige Papier nach der Art seiner Gestaltung und den dieser zugrunde liegenden wirtschaftlichen Rahmendaten gerade eine Verbindung von Kapitalnutzung durch entgeltliche Überlassung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals beinhaltet. Die an sich systematisch gebotene Abschöpfung nur des [X.] kann in derartigen Fällen nicht gewährleistet werden, weil dieses nicht im traditionellen Sinne von der Wertentwicklung abgrenzbar ist (vgl. dazu Senatsurteile in [X.], 206, [X.], 571; in [X.], 79, [X.], 555; in [X.], 187, [X.], 562). In solchen Fällen stellt die Erfassung des Unterschieds zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Einlösung, Veräußerung bzw. Abtretung als Kapitalertrag für Wertpapiere und [X.] ohne [X.] eine sachlich gerechtfertigte Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG bzw. Anpassung der Einkünfte aus Kapitalvermögen an die Entwicklung neuer Anlageformen in Gestalt von Finanzinnovationen dar (Senatsurteil in [X.], 206, [X.], 571, m.w.N.).

b) Bei den Schuldverschreibungen der Klägerin und ihres Ehemannes handelte es sich um derartige Finanzinnovationen, auch wenn die Schuldverschreibungen grundsätzlich so beschaffen sind, dass --jedenfalls nachträglich-- eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich wäre. Das ändert aber nichts daran, dass die Schuldverschreibungen nach der Art ihrer Ausgestaltung auf eine Einbindung von Kursgewinnen in das Entgelt für die [X.] ausgerichtet waren. Zum einen wurden bei der unterjährigen Veräußerung der Schuldverschreibungen keine Stückzinsen ausgewiesen, sodass bei [X.] Veräußerung eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene nicht möglich ist. Zum anderen sind sowohl Verzinsung wie Kursentwicklung der Schuldverschreibungen untrennbar verknüpft mit der Wertentwicklung der zugrunde liegenden Aktien. Steigt der Kurswert der Aktien, erhöht sich die Verzinsung der Schuldverschreibungen, was automatisch den Kurswert der Schuldverschreibung beeinflusst und zwar unabhängig vom jeweiligen Zinsniveau. Umgekehrt verhält es sich genauso. Fallen die Kurse der maßgeblichen Aktien, verringert sich die Verzinsung der Schuldverschreibung. Das wiederum beeinflusst den Kurswert der Schuldverschreibung. Hinzu kommt, dass die Höhe der Verzinsung sich nach der Kursentwicklung der Aktien zu einem vorab bereits festgelegten [X.]punkt richtet und nur auf diesen [X.]punkt Zinsen gezahlt werden. Nur für denjenigen, der zum [X.]punkt des Stichtags die von ihm erworbene Schuldverschreibung veräußert, wäre es im Nachhinein möglich, eine exakte Trennung zwischen den Zinserträgen und den Erträgen der Vermögensebene vorzunehmen. Für Steuerpflichtige, die nicht zum Stichtag sondern unterjährig verkaufen, gäbe es eine solche Möglichkeit der Trennung nicht. Die Frage, ob eine Trennung zwischen Vermögens- und [X.] eindeutig abgrenzbar bzw. bestimmbar ist, kann indes nicht davon abhängen, ob ein Steuerpflichtiger die Schuldverschreibungen zum vorab festgelegten [X.] oder unterjährig veräußert.

Zu berücksichtigen ist ferner, dass der von der Emittentin der Schuldverschreibungen zu entrichtende Zins bei [X.] Veräußerung für den bis dahin bereits abgelaufenen Zinszahlungszeitraum noch ungewiss ist. Demgemäß kann aus dem Veräußerungserlös nichts herausgerechnet werden, was als Vergütung für die auf die [X.] bis zur Veräußerung entfallende Verzinsung gezahlt wurde. Während bei sog. "Floatern", "Reverse Floatern" oder "[X.]" im [X.]punkt der Veräußerung ohne Schwierigkeiten festzustellen ist, welcher Zinssatz bis zur Veräußerung Anwendung findet, weil die Anpassung an die jeweils vereinbarten Leitzinssätze (z.B. [X.] oder [X.]) stets mit Wirkung für die Zukunft erfolgt bzw. bei einer Verschlechterung des Ratings der Zinssatz ebenfalls erst für die Zukunft angepasst wird, ist bei den hier zu beurteilenden Schuldverschreibungen im [X.]punkt der Veräußerung gänzlich unklar, welcher Zinssatz zum Tragen kommt. Zutreffend geht das [X.] daher davon aus, dass im [X.]punkt der Veräußerung der Schuldverschreibung in Anlehnung an die bisherige Kursentwicklung der zugrunde liegenden Aktien allenfalls gewisse Erwartungen hinsichtlich der Verzinsung gestellt werden können. Ob diese eintreffen oder enttäuscht werden, steht indes gänzlich dahin. Rechtsfehlerfrei nimmt das [X.] daher an, dass das Entgelt für die nach der Erwartung des Käufers bzw. Verkäufers der Schuldverschreibung wahrscheinlich eintretende Verzinsung und das Entgelt für die --in ihrem Wert veränderte-- Kapitalanlage nicht eindeutig trennbar waren.

Demgemäß ist nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als [X.] der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung der Schuldverschreibungen zu versteuern. Dass im Streitfall als Kapitalertrag ein negativer Saldo zu berücksichtigen ist, führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.

Meta

VIII R 40/10

26.06.2012

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 22. Juni 2010, Az: 9 K 2179/08 E, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2002, § 20 Abs 2 S 1 Nr 4 S 2 EStG 2002, § 20 Abs 2 S 1 Nr 4 S 1 Buchst c EStG 2002, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 26.06.2012, Az. VIII R 40/10 (REWIS RS 2012, 5273)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5273


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. VIII R 40/10

Bundesfinanzhof, VIII R 40/10, 06.11.2012.

Bundesfinanzhof, VIII R 40/10, 26.06.2012.


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