Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.12.2013, Az. VIII R 42/12

8. Senat | REWIS RS 2013, 184

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Gegenstand

Kursverluste bei Hybridanleihen mit gestuften Zinsversprechen ohne Laufzeitbegrenzung und ohne Emissionsrendite


Leitsatz

Kursverluste aus der Veräußerung von Hybridanleihen mit gestuften Zinsversprechen ohne Laufzeitbegrenzung, die keine Emissionsrendite aufweisen, sind nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG steuerwirksam, da die Vorschrift auf Wertpapiere, bei denen keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist, keine Anwendung findet (Fortführung der Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 20. November 2006 VIII R 97/02, BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555).

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die steuerliche Behandlung einer sog. Hybridanleihe. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute und erklärten in der Anlage [X.] zu ihrer Einkommensteuererklärung 2008 u.a. Einnahmen aus festverzinslichen Wertpapieren in Höhe von ./. 32.871 € (X-Bank) sowie ./. 4.636 €.

2

Die von den Klägern deklarierten negativen Einnahmen stammen aus dem Ansatz einer [X.] nach der Veräußerung einer "8,62500 % [X.] ... Anleihe ...". Hierbei handelte es sich um im [X.] ausgegebene sog. [X.] ohne feste Laufzeit. Der Zinssatz betrug bis 29. Januar 2013 jährlich 8,625 %. Die Anlage konnte der Emittent zum 30. Januar 2013 kündigen. Wenn er nicht kündigte, sollte eine variable Verzinsung nach dem [X.] nebst einem Risikoaufschlag von 7,3 % gewährt werden, was im Zeitpunkt der [X.] einen ab Februar 2013 zu erwartenden Zins von etwa 9,8 % bedeutete. Beim Kauf bzw. Verkauf der Anleihe fielen Stückzinsen an. Der Anleger konnte die Anleihe jederzeit an der Börse verkaufen und dabei Kursgewinne oder Kursverluste erzielen.

3

Bei der Veranlagung berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) zwar [X.] gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr gültigen Fassung (EStG), aber keine negative [X.].

4

Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit Urteil vom 27. August 2012  4 K 2474/10 ab.

5

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. d EStG. Das [X.] interpretiere die Rechtsprechung des [X.] zu den sog. Finanzinnovationen nicht richtig. Es müsse einen Unterschied machen, ob eine Anleihe Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe aus eigenem Recht verspreche oder ob sich unterschiedliche Erträge nur als Reflexwirkung anderweitiger Änderungen ergäben, wie z.B. bei reinen EURIBOR-Floatern.

6

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das angefochtene [X.]-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 2008 unter Änderung des [X.] vom 7. April 2010 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 26. Mai 2010 soweit herabzusetzen, wie sie sich ergibt, wenn die Einkünfte des Klägers aus Kapitalvermögen aus der Veräußerung der [X.] ... Anleihen nach den Angaben in der Steuererklärung bemessen und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften mit 0 € angesetzt werden.

7

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8

Auf mündliche Verhandlung haben die Beteiligten übereinstimmend verzichtet.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die negativen Einnahmen des [X.] aus der Veräußerung der [X.] ... Anleihen sind keine negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und [X.].

1. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch die Einnahmen aus der Veräußerung oder Abtretung von sonstigen [X.], bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2 EStG) oder bei denen die Kapitalerträge in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. d Alternative 1 EStG), soweit sie der rechnerisch auf die [X.] entfallenden [X.] entsprechen. Haben die [X.] keine [X.] oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschiedsbetrag zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag. Dies gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 4 EStG entsprechend bei Endfälligkeit von [X.].

a) Ob Wertpapiere und [X.] dem in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und [X.] beschriebenen Typus von Finanzinnovationen zuzuordnen sind, ist anhand der Verhältnisse im [X.]eitpunkt der Emission der Anlage zu prüfen. Dies ergibt sich aus dem systematischen [X.]usammenhang der tatbestandlichen Regelung der steuerbaren Finanzinnovationen in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG mit der Regelung zur Höhe dieser Einkünfte gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 sowie Satz 2 EStG. Beide Merkmale, die Typenbeschreibung wie auch die Vorgaben für die Berechnung der steuerbaren Einkünfte, bilden zusammen den maßgeblichen Steuertatbestand. Die gesetzliche Ausrichtung der Besteuerung an der [X.] bezieht diesen Steuertatbestand auf den [X.]eitpunkt der Emission. Folglich ist auch die Typenbestimmung auf die Ausgestaltung der fraglichen Wertpapiere oder [X.] im [X.]eitpunkt der Emission zu beziehen (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu im Einzelnen mit diversen Nachweisen Senatsurteile vom 13. Dezember 2006 VIII R 62/04, [X.], 199, [X.], 568; vom 20. November 2006 VIII R 97/02, [X.], 79, [X.], 555; vom 11. Juli 2006 VIII R 67/04, [X.], 86, [X.], 553; vom 13. Dezember 2006 VIII R 6/05, [X.], 206, [X.], 571).

Als [X.] ist die vom Emittenten bei der Begebung einer Anlage, d.h. von vornherein zugesagte Rendite zu verstehen, die bis zur Einlösung des Papiers oder bis zur Endfälligkeit einer Kapitalforderung erzielt werden kann (vgl. Senatsurteil in [X.], 199, [X.], 568, m.w.N.). Maßgeblich ist dabei, dass von vornherein eine bezifferbare Rendite versprochen wird, die mit Sicherheit erzielt werden kann.

b) Nach den vorstehend genannten Grundsätzen haben die hier zu beurteilenden Anleihen keine [X.]. Sie weisen im [X.]eitpunkt der Emission bis zum 29. Januar 2013 zwar eine feste Verzinsung von 8,625 % jährlich auf. Indes war die Anleihe zum 30. Januar 2013 kündbar und im Falle der unterbliebenen Kündigung eine variable Verzinsung vorgesehen, die nach dem --jederzeit nach den Verhältnissen des Kapitalmarkts [X.] [X.] [X.] eines [X.] von 7,3 % bemessen war. Grundsätzlich wäre nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG daher eine Besteuerung nach der [X.] geboten (vgl. dazu Senatsurteil in [X.], 79, [X.], 555).

c) Jedoch steht der Gesetzeszweck dem Ansatz der [X.] entgegen. Demgemäß sind die Verluste des [X.] aus der Veräußerung der hier zu beurteilenden [X.] ... Anleihen nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG einkommensmindernd zu berücksichtigen.

Wie der Senat bereits mit Urteil in [X.], 79, [X.], 555 entschieden hat, wollte der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG durch das [X.] vom 21. Dezember 1993 ([X.] 1993, 2310) nicht jegliche Wertveränderung im Vermögensstamm erfassen, sondern lediglich solche Kapitalanlagen, bei denen an sich steuerpflichtige [X.]inserträge als steuerfreier Wertzuwachs konstruiert werden (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59). Diese Kapitalanlagen machten sich den Umstand zunutze, dass nach bis dahin gültigem Recht im Privatvermögen zwischen steuerpflichtigen Kapitalerträgen (z.B. [X.]insen) und steuerfreien Vermögensmehrungen zu unterscheiden war (vgl. BTDrucks 12/6078, S. 116). Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, "dass Vorteile, die unabhängig von ihrer Bezeichnung und ihrer zivilrechtlichen Gestaltung bei wirtschaftlicher Betrachtung für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung erzielt werden, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören" (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59).

Bei der hier zu beurteilenden [X.] ... Anleihe sind diese Besonderheiten nicht gegeben. Ähnlich wie bei "einfachen Floatern" (vgl. dazu Senatsurteil in [X.], 79, [X.], 555) gibt es weder verdeckte [X.]inserträge noch eine Vermengung von Ertrags- und Vermögensebene. Der [X.]insertrag liegt vielmehr offen und ist ohne jede Schwierigkeit zu ermitteln. Der Unterschied zu "einfachen Floatern" besteht lediglich darin, dass bei der [X.] ... Anleihe zunächst ein [X.]eitraum mit einer festen Verzinsung vorgesehen ist, an den sich dann eine variable Verzinsung anschließt, die sich aus dem --jederzeit ver[X.] [X.] [X.] eines festen [X.] von 7,3 % zusammensetzt. Die Höhe der Verzinsung ist damit entscheidend vom [X.] als Referenzzinssatz abhängig; steigt dieser, erhöht sich die Verzinsung, fällt er, ermäßigt sich die Verzinsung. Dass je nach [X.] mit Änderungen des Referenzzinssatzes Kursschwankungen verbunden sind, versteht sich von selbst, auch wenn diese durch den festen Risikoaufschlag von 7,3 % abgemildert werden. Indes werden Kursveränderungen bei einer [X.]wischenveräußerung nicht nach § 20 EStG erfasst, sondern finden allenfalls im Rahmen des § 23 EStG Berücksichtigung. Wenn in derartigen Fällen die laufenden [X.]insen stets nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig sind, erschließt sich nicht, weshalb bei [X.]wischenveräußerungen [X.] nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG --anders als bei festverzinslichen Papieren-- Berücksichtigung finden sollten. Denn auf der Grundlage, dass § 20 EStG systematisch von der objektiven Unmaßgeblichkeit jeglicher Wertveränderungen der Kapitalanlage, des Vermögensstamms, ausgeht, wäre im Streitfall die steuerliche Abschöpfung von Kursdifferenzen im Rahmen von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c und d, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG als Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG sachlich nicht gerechtfertigt (im Einzelnen dazu Senatsurteil in [X.], 79, [X.], 555).

Meta

VIII R 42/12

17.12.2013

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 27. August 2012, Az: 4 K 2474/10, Urteil

§ 20 Abs 1 Nr 7 EStG 2002, § 20 Abs 2 S 1 Nr 4 EStG 2002, EStG VZ 2008

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 17.12.2013, Az. VIII R 42/12 (REWIS RS 2013, 184)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 184

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