Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.07.2013, Az. VI ZB 18/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 4619

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BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VI [X.]
vom

1. Juli 2013

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 (Ff)
Wenn ein Rechtsanwalt erkennt, dass er eine Frist zur Rechtsmittelbegründung nicht einhalten kann (hier: wegen Erkrankung), muss er durch einen rechtzeitig gestellten Antrag auf Fristverlängerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht notwendig wird.

[X.], Beschluss vom 1. Juli 2013 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-
2
-

Der VI. Zivilsenat des
[X.] hat am 1.
Juli 2013 durch
den Vorsitzenden [X.], [X.], [X.], die Richterin [X.] und [X.]

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts [X.]
vom 20.
Januar
2012
wird auf Kosten des
[X.]
als unzulässig
verworfen.
[X.]:

Gründe:
I.
Der Kläger
verlangt von den [X.] Widerruf und Unterlassung [X.] Äußerungen, wonach er die Beklagte zu 2 sexuell belästigt habe. [X.] das klageabweisende Urteil des Amtsgerichts, das dem Prozessbevoll-mächtigten des [X.]
am 19. September 2011
zugestellt worden ist, hat der Kläger fristgerecht Berufung eingelegt. Auf seinen in der Berufungsschrift ge-stellten und auf
Arbeitsüberlastung seines Prozessbevollmächtigten gestützten
Antrag hat der Vorsitzende der Berufungskammer die Frist zur [X.] um einen Monat verlängert. Mit einem am 21. Dezember 2011 um 17:19 Uhr vorab per Telefax eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevoll-mächtigten von diesem Tag hat der Kläger beantragt, ihm Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Zur Begründung hat der Kläger 1
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vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter sei in der [X.] vom 14. bis zum 20.
Dezember 2011 plötzlich und unvorhersehbar an einer Grippe erkrankt
ge-wesen. Mit einem am 22. Dezember 2011 vorab per Telefax eingegangenen Schriftsatz von diesem Tag hat der Kläger die Berufung begründet.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht den [X.] zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verwor-fen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, da der 19.
November 2011 ein Samstag gewesen sei, sei die Frist zur Berufungsbegründung am 21.
Dezember 2011 abgelaufen. Auf Grund der vorgetragenen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten des [X.] sei es nicht ausgeschlossen gewesen, eine Berufungsbegründung noch an diesem Tag zu fertigen und einzureichen. Es sei auch nicht vorgetragen, dass und warum nicht zumindest die Beantra-gung einer weiteren Fristverlängerung gemäß §
520 Abs.
2 Satz 2 ZPO möglich gewesen sei.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz 4, §
238 Abs.
2 Satz 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbe-schwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen, nicht erfüllt sind.
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung (§
574 Abs.
2 Nr.
2 Fall
2 ZPO) keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss weicht nicht von der Rechtsprechung des [X.] ab. Auch verletzt 2
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er nicht die Rechte des [X.] auf rechtliches
Gehör (Art.
103 Abs.
1 GG) und
auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art.
2 Abs.
1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer [X.] die Wiedereinsetzung in den [X.] Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Recht-sprechung nicht verlangt werden und den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5.
November 2002 -
VI
ZB 40/02, [X.], 437; vom 12.
April 2011 -
VI
ZB 6/10, [X.], 506 Rn.
5; vom 17.
Januar 2012 -
VI
ZB 11/11, [X.], 1009 Rn.
6; vom 8. Januar 2013 -
VI
ZB 78/11, juris Rn.
6).
Solche Anforderun-gen an die Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten des [X.] hat das Berufungsgericht nicht gestellt.
2. Der Kläger hat die Berufung nicht in der gesetzlichen Frist begründet (§
522 Abs.
1 ZPO). Da das Ende der Frist zunächst auf Samstag,
den 19.
No-vember 2011 fiel, wäre die Frist
ohne Verlängerung mit Ablauf des nächsten Werktages, also am Montag, den 21. November 2011 abgelaufen (§
520 Abs.
2 Satz 1, §
222 Abs.
2 ZPO).
Da der verlängerte Teil der Frist erst mit dem Ablauf dieses nächsten Werktages begann, ist die um einen Monat verlängerte Frist einen Monat nach diesem Tag,
also am 21. Dezember 2011 abgelaufen
(vgl. [X.], Beschluss vom 14. Dezember 2005 -
IX
ZB 198/04, [X.], 1705 Rn.
8 mwN). Die Berufungsbegründung ist erst am folgenden Tag eingegangen.

3. Mit Recht hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag des [X.] zurückgewiesen. Dieser hat nicht dargelegt, dass er ohne ein ihm nach §
85 Abs.
2 ZPO zuzurechnendes Verschulden seines Prozessbevollmächtigten gehindert war, die
Frist einzuhalten (§
233 ZPO). Vielmehr muss davon [X.] werden, dass der Prozessbevollmächtigte nach dem Ende seiner 5
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krankheitsbedingten Verhinderung am 21. Dezember 2011
keine ausreichen-den Maßnahmen ergriffen
hat, um die erst an diesem Tag ablaufende Frist zu wahren.
a) Solche Maßnahmen waren nicht deshalb von vornherein
entbehrlich, weil der Prozessbevollmächtigte an den sieben vorangegangenen Tagen krankheitsbedingt daran gehindert war, die Sache zu bearbeiten. Denn nach §
233 ZPO kann eine Wiedereinsetzung nur auf eine Fristversäumung gestützt werden. Die bloße Verkürzung der Frist ist für eine Wiedereinsetzung hingegen nicht ausreichend. Fällt das als Wiedereinsetzungsgrund angesehene Hindernis bereits vor Fristablauf weg, so muss deshalb alles Zumutbare getan werden, um die Frist trotz des vorangegangenen Hindernisses
zu wahren. Andernfalls fehlt es an einem Wiedereinsetzungsgrund
(vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 1975 -
VI
ZR 198/74, NJW 1976, 626, 627 zu §
233 Abs.
2 ZPO a.F.; [X.], [X.] vom 4. Februar 1987 -
IVb
ZB 162/86, [X.], 925 f. und vom 11. Oktober 1989 -
IVa
ZB 7/89, NJW 1990, 188; [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
233 Rn.
9; [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
234 Rn.
7; [X.]/[X.][X.], Zivilprozessrecht, 17.
Aufl., §
69 Rn.
34).

b) Ob es nach diesen Grundsätzen einem Rechtsanwalt auch zuzumuten sein kann, eine Rechtsmittelbegründung fristgemäß zu fertigen und einzu-reichen, wenn ihm dafür ohne sein Verschulden nur eine kürzere als die gesetz-liche Frist zur Verfügung steht
(verneinend
[X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
234 Rn.
3), kann offen bleiben, wenn die Frist jedenfalls durch einen [X.] gewahrt werden kann.
Die Verlängerung einer Rechtsmittelbegründungsfrist und die Wiederein-setzung in eine solche Frist sind nicht zwei gleichrangige Optionen, zwischen denen ein Rechtsanwalt im Verhinderungsfall wählen könnte. Wenn ein 7
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Rechtsanwalt erkennt, dass er eine Frist zur Rechtsmittelbegründung nicht ein-halten kann, muss er vielmehr
durch einen rechtzeitig gestellten
Antrag auf Fristverlängerung dafür Sorge tragen, dass ein Wiedereinsetzungsgesuch gar nicht erst notwendig wird
([X.], Urteil vom 19. Dezember 1962 -
VIII
ZR 258/62, [X.]Z 38, 376, 379; Beschluss vom 31. März 2010 -
XII
ZB 166/09, [X.], 879 Rn.
15; [X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
233 Rn.
23 "Fristver-längerung").
Dies setzt voraus, dass
ein Vertrauen
auf die Bewilligung der Fristverlän-gerung begründet ist ([X.]/[X.], aaO). Nach §
520 Abs.
2 Sätze 2 und 3 ZPO kann die Berufungsbegründungsfrist mit Einwilligung des Gegners auch über einen Monat hinaus verlängert werden. Es handelt sich dabei zwar grund-sätzlich um eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden. Beantragt der [X.] mit Einverständnis des Gegners, die wegen eines erheblichen Grundes bereits um einen Monat verlängerte Frist zur Berufungsbegründung um weitere sieben Tage zu verlängern, darf der Berufungskläger jedoch nach der neueren Rechtsprechung des [X.] darauf vertrauen, dass dem Antrag stattgegeben wird ([X.], Beschluss vom 9.
Juli 2009 -
VII
ZB 111/08, [X.], 3100 Rn.
7
ff.).
Der [X.] hat damit über den von der Rechtsbeschwerde angeführten und zum alten Berufungsrecht ergan-genen Beschluss vom 21. Februar 2000 -
II
ZB 16/99,
NJW-RR 2000, 947
f.
hinaus ein Vertrauen in eine zweite Verlängerung der [X.] auch ohne das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände anerkannt.

c) Nach diesen Grundsätzen hätte auch der Kläger darauf vertrauen [X.], dass einem mit Einwilligung der [X.] gestellten Antrag
stattgegeben wird, die Berufungsbegründungfrist um den [X.]raum der vorangegangenen krankheitsbedingten Verhinderung seines Prozessbevollmächtigten von sieben 10
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7
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Tagen weiter zu verlängern.
Es kann deshalb offen bleiben, ob es dem Pro-zessbevollmächtigten zuzumuten war, die Berufungsbegründung am 21. [X.] zu fertigen und einzureichen. Denn wenn der [X.] sich dazu nicht in der Lage sah, hätte er sich an diesem Tag jedenfalls rechtzeitig um die Einwilligung der [X.] in eine weitere Fristverlängerung bemühen müssen, um durch einen Verlängerungsantrag die Fristversäumung abzuwenden.
Zu solchen Bemühungen hat der Kläger in seinen Schriftsätzen vom 21.
und 22. Dezember 2011 nichts vorgetragen. Erstmals in seiner von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Gegenvorstellung vom 6.
Februar 2012
hat er vorgetragen, sein Prozessbevollmächtigter habe am 21.
Dezember 2011 "kurz vor 17:19 Uhr"
vergeblich versucht, den Prozessbevollmächtigten der [X.] fernmündlich zu erreichen, um die notwendige Einwilligung in die erneute Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist einzuholen; der Sachbe-arbeiter habe sich nach Auskunft seiner Sekretärin in einer Besprechung be-funden und habe an diesem Tag nicht zurückgerufen.
aa) Auf diesen Vortrag kann der Wiedereinsetzungsantrag schon [X.] nicht gestützt werden, weil er nach Ablauf der [X.] ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] müssen alle Tatsachen, die für die Wiedereinsetzung von Bedeutung sein können, grund-sätzlich innerhalb der Antragsfrist vorgetragen werden (§
234 Abs.
1, §
236 Abs.
2 Satz 1 ZPO).
Lediglich erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach §
139 ZPO geboten ist, dürfen noch nach Fristablauf erläutert oder
vervollständigt werden (Senatsbeschlüsse vom 12.
Mai 1998 -
VI
ZB 10/98, [X.], 642, 643 und vom 29.
Januar 2002 12
13
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8
-

-
VI
ZB 28/01, juris Rn.
4; [X.], Beschlüsse vom 7. März 2002 -
IX
ZR 235/01, [X.], 2107, 2108 und vom 21. Oktober 2010 -
IX
ZB 73/10,
NJW 2011, 458 Rn.
17).
Der Vortrag des [X.] im Schriftsatz vom 6. Februar 2012 hat die ge-mäß §
234 Abs.
1 Satz 2 und Abs.
2 ZPO einen Monat nach dem Ende
der krankheitsbedingten Verhinderung
des Prozessbevollmächtigten, also am 23.
Januar 2012 abgelaufene [X.] nicht gewahrt. Auch ent-hält der Vortrag entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht lediglich eine Erläuterung oder Vervollständigung des früheren Vorbringens, auf die das Berufungsgericht nach §
139 ZPO hätte hinwirken müssen. Denn der Kläger hatte
sich in seinen Schriftsätzen vom 21. und 22. Dezember 2011 ausschließ-lich auf die krankheitsbedingte Verhinderung seines Prozessbevollmächtigten in der [X.] bis zum 20. Dezember 2011 gestützt, ohne auch nur ansatzweise dar-zutun, dass der Prozessbevollmächtigte am 21. Dezember 2011 Bemühungen entfaltet hätte, um die erst an diesem Tag ablaufende Frist zu wahren. Das [X.] durfte bei dieser Sachlage ohne weiteres davon ausgehen, dass es solche Bemühungen nicht gegeben hatte.
bb) Die nunmehr im Schriftsatz vom 6. Februar 2012 vorgetragenen Be-mühungen sind im Übrigen auch nicht ausreichend, um die Fristversäumnis zu entschuldigen.
In Anbetracht des unmittelbar bevorstehenden
Fristablaufs hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.] die vorliegende Sache nach Beendigung seiner krankheitsbedingten Verhinderung am 21. Dezember 2011 vorrangig bearbeiten müssen. Dass er daran auf Grund anderer unaufschiebbarer [X.] gehindert gewesen wäre, ist nicht dargetan. Mit
seiner Anfrage beim [X.]anwalt hätte er deshalb nicht -
wie geschehen
-
bis zum späten Nachmittag 15
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9
-

abwarten dürfen, da
er damit rechnen
musste, dass er den [X.] mög-licherweise nicht sofort erreichen würde oder dass dieser sich nicht in der Lage sah, sofort über die Einwilligung in die Fristverlängerung zu entscheiden. Im Übrigen hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.] sich auch nach dem mit der Sekretärin des [X.] geführten Telefonat
weiter darum bemühen müssen, den [X.] zu erreichen. Selbst wenn er -
was allerdings schon nicht vorgetragen ist
-
die Sekretärin unter Hinweis auf die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit um einen Rückruf des [X.] noch am selben Tag ge-beten haben sollte, hätte er nach Ablauf einer gewissen Frist erneut versuchen müssen,
den [X.] zu erreichen.
Dass der Prozessbevollmächtigte des [X.] den [X.] mit den danach erforderlichen Anstrengungen am 21. Dezember 2011 nicht hätte [X.] können, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Um "kurz vor 17:19 Uhr"
war der [X.] nur deshalb nicht erreichbar, weil er sich zu diesem [X.]punkt in einer Besprechung befand. Nicht dargetan ist auch, dass die [X.] die Einwilligung in die Fristverlängerung verweigert hätten. Dagegen spricht, dass der Prozessbevollmächtigte des [X.] für sein Anliegen
einen nachvollziehbaren Grund hatte. Zwar hat der Kläger auch vorgetragen, der [X.]anwalt habe am 22. Dezember 2011 die Einwilligung in die Fristverlänge-rung verweigert. Dies hat
er jedoch -
nur
-
damit begründet, dass die Frist zu diesem [X.]punkt bereits abgelaufen war.
d) Über die oben genannten Gründe hinaus muss auch davon [X.] werden, dass die Fristversäumung schon deshalb auf einem Verschul-den des Prozessbevollmächtigten des [X.] beruht, weil dieser die [X.] am 21.
Dezember hätte fertigen und einreichen können.
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-
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-

Zwar können die oben (3. a) dargestellten Grundsätze nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung für die Frist zur Rechtsmittelbegründung nicht gelten. Denn für die Begründung müsste der schuldlos säumigen [X.] an sich die volle Frist zur Verfügung stehen ([X.]/[X.], ZPO, 29.
Aufl., §
234 Rn.
3).
Dem ist aber nicht zu folgen. Denn dass das Gesetz dem Rechtsmittel-führer für die Begründung seines Rechtsmittels eine bestimmte Frist zubilligt, beruht auf einer typisierenden Bewertung des damit verbundenen Aufwandes. Für die Verschuldensprüfung im Rahmen des §
233 ZPO sind demgegenüber die Umstände des jeweiligen Einzelfalles maßgeblich ([X.]/[X.], aaO, §
233 Rn.
15; [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
233 Rn.
28). Es kann [X.] nicht ohne Berücksichtigung dieser Umstände aus jeder unverschuldeten Fristverkürzung ohne weiteres ein Wiedereinsetzungsgrund abgeleitet werden. Ebenso wie bei den Fristen zur Rechtsmitteleinlegung muss vielmehr darauf abgestellt werden, was von der [X.] und ihrem Anwalt in ihrer Lage bei Be-rücksichtigung der Umstände des Falles verständiger Weise zu erwarten war (vgl. Senatsurteil vom 9. Dezember 1975 -
VI
ZR 198/74, NJW 1976, 626, 627). Dem entsprechend hat der [X.] selbst in einem Fall, in dem der Rechtsanwalt am Nachmittag des letzten Tages der Berufungsbegründungsfrist unvorhersehbar krankheitsbedingt verhindert war, die Frage geprüft (und ver-neint), ob es dem Anwalt zuzumuten war, die Berufungsbegründung am Abend dieses Tages zu fertigen (Urteil vom 15. Februar 1967 -
VIII
ZB 3/67, [X.], 476).
e) Der Streitfall gibt keinen Anlass, die an einen Rechtsanwalt zur Wah-rung der Berufungsbegründungsfrist zu stellenden Anforderungen weiter zu konkretisieren. Denn der Kläger hat -
auch im Rechtsbeschwerdeverfahren
-
nicht konkret dazu vorgetragen, aus welchen Gründen es seinem [X.] unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, die Berufungsbe-20
21
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gründung nach Beendigung seiner krankheitsbedingten Verhinderung am 21. Dezember 2011 zu fertigen und einzureichen. Sein Vortrag in der Gegenvorstel-lung vom 6. Februar 2012, wonach die Fertigung der fünfeinhalbseitigen [X.] am 22. Dezember 2011 eine Arbeitszeit von vier Stunden in Anspruch genommen habe, spricht im Gegenteil dafür, dass der [X.] die Berufungsbegründung mit zumutbarem Aufwand bereits am Vortag hätte fertigen und einreichen können. Jedenfalls kann in Ansehung die-ses Vortrags entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht davon aus-gegangen werden, dass alleine der Umfang der Berufungsbegründung belegt, dass sie am 21. Dezember nicht hätte gefertigt und eingereicht werden können.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungsge-richt nicht verkannt, dass der Kläger dargelegt hat, die Berufungsbegründung sei am 21.
Dezember 2011 noch nicht fertiggestellt gewesen. Es ist aber -
wie ausgeführt
-
mit Recht davon ausgegangen, dass der Kläger die [X.] nicht hinreichend entschuldigt hat.
4. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde schließlich geltend, das [X.] hätte das Wiedereinsetzungsgesuch in einen Antrag auf erneute Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist umdeuten müssen, über den vor der Verwerfung der Berufung hätte entschieden werden müssen.
Zwar gilt auch im Verfahrensrecht der Grundsatz, dass eine fehlerhafte [X.]handlung in eine zulässige und wirksame umzudeuten ist (analog §
140 BGB),
wenn deren Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem maßgeblichen [X.]willen entspricht und kein schutzwürdiges
Interesse des Gegners entgegensteht ([X.], Beschluss vom 21. Juni 2000 -
XII
ZB 93/00, NJW-RR 2001, 279). Der Schriftsatz des [X.] vom 21. Dezember 2011 ge-nügt aber nicht den Voraussetzungen für einen Antrag, die Frist zur Berufungs-23
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12
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begründung über einen Monat hinaus zu verlängern. Eine solche Verlängerung ist nämlich nach §
520 Abs.
2 Sätze 2 und 3 ZPO nur mit Einwilligung des [X.] zulässig. Zur Vollständigkeit eines entsprechenden Antrags gehört deshalb die Darlegung der Einwilligung, wenn der Gegner sie nicht unmittelbar dem [X.] gegenüber erklärt hat ([X.], Beschluss vom 22. März 2005 -
XI
ZB 36/04, NJW-RR 2005, 865
f.). Der Schriftsatz des [X.] vom 21. Dezember 2011 enthält keine Darlegung einer Einwilligung der [X.], die diese in Ermange-lung einer rechtzeitigen Anfrage auch nicht erteilt
hatten.
Galke
Zoll
[X.]

[X.]
[X.]

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 12.09.2011 -
8 [X.]/11 -

LG [X.], Entscheidung vom 20.01.2012 -
8 [X.]/11 -

Meta

VI ZB 18/12

01.07.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 01.07.2013, Az. VI ZB 18/12 (REWIS RS 2013, 4619)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 4619

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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