Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2015, Az. KZR 17/14

Kartellsenat | REWIS RS 2015, 4387

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[X.]:[X.]:[X.]:2015:061015UKZR17.14.0

BUN[X.]SGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
KZR 17/14
Verkündet am:

6. Oktober 2015

Bürk

Amtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

Zentrales Verhandlungsmandat
[X.] § 30 Abs. 2a; AEUV Art. 106 Abs. 2
a)
§ 30 Abs. 2a [X.] ist mit Art. 106 Abs. 2 AEUV vereinbar.
b)
Der flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften ist eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Inte-resse im Sinne des [X.]srechts.
c)
Der Gesetzgeber hat die Presseverlage und Presse-[X.]en sowie ihre Vereinigungen damit betraut, den flächendeckenden und diskriminierungs-freien Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften im stationären Einzelhandel sicherzustellen und damit unabhängig von den Kosten jede Zeitungs-
und Zeitschriftenverkaufsstelle zu beliefern, die darum nachsucht.
[X.], Urteil vom 6. Oktober 2015 -
KZR 17/14 -
[X.]

[X.]

-
2
-

Der [X.]ellsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 6.
Oktober 2015 durch die Präsidentin des [X.] [X.], den
Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Meier-Beck
sowie die Richter
Dr.
[X.], Dr.
Bacher und Dr.
Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.]n wird das Urteil des 1. [X.]ellsenats des [X.] vom 26. Februar 2014 aufge-hoben.
Auf die Berufung des [X.]n wird das Urteil der [X.] für Handelssachen des [X.] vom 14. Februar 2012 ab-geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin ist die Vertriebsgesellschaft der [X.], die mit einem Marktanteil von 15% am gesamten Pressemarkt einer der führenden [X.] Zeitschriftenverlage ist. Sie ist Marktführerin im Bereich der Pro-gramm-
und Frauenzeitschriften. Der [X.] ist ein Branchenverband, dem alle verlagsunabhängigen [X.] angehören.
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In [X.] werden nahezu alle Zeitungen und Zeitschriften, die über den stationären
Einzelhandel mit Ausnahme der Bahnhofsbuchhandlungen verkauft werden, auf Großhandelsebene von [X.] vertrieben. [X.] -
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts -
55 (nach Vortrag der [X.]n derzeit noch 43) verlagsunabhängigen [X.]en gibt es 15 Gros-sisten mit unterschiedlichen Verlagsbeteiligungen, zu denen auch die [X.] ([X.]) zählt, ein hundertprozentiges Konzernunternehmen der [X.]. Die [X.] ist außer in [X.] seit 2008 auch in den [X.] [X.] ([X.]) und [X.] ([X.]) als Pressegrossist tätig.
Grundsätzlich versorgt jeweils nur ein [X.] ein bestimmtes Gebiet mit den Publikationen sämtlicher Verlage ([X.]). Lediglich in vier Gebieten, zu denen außer den Tätigkeitsgebieten der [X.] auch [X.] gehört, besteht ein sogenanntes Doppel-Grosso mit Objekttrennung, wobei zwei [X.]en jeweils die Produkte bestimmter Verlage ausschließlich vertreiben.
Die [X.]en kaufen die Zeitungen und Zeitschriften von den Verlagen, deren Vertriebsgesellschaften oder [X.] und verkaufen sie zu gebundenen Preisen an die Einzelhändler in ihrem Gebiet weiter. Nicht ver-kaufte Exemplare werden von den Verlagen rückvergütet (Remissionsrecht). Die Vergütung der [X.]en richtet sich nach [X.], die zwischen ihnen und den Verlagen jeweils für mehrere Jahre vereinbart werden. Diese Verhandlungen werden für die verlagsunabhängigen und regelmäßig auch für die verlagsverbundenen
[X.] mit allen Verlagen vom [X.]n geführt (zentrales Verhandlungsmandat). Das hat zur Folge, dass die Verlage mit allen Mitgliedern des [X.]n einheitliche Preise und Konditionen vereinbaren.
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Als die im Jahr 2003 über das zentrale Verhandlungsmandat des [X.] abgeschlossene Handelsspannenvereinbarung Ende Februar 2009 auslief, versuchte die Klägerin, die Vertragskonditionen individuell mit den einzelnen [X.]en auszuhandeln. Dazu waren die [X.]en nicht bereit.
Die Klägerin hat beantragt,
die [X.] unter Androhung von [X.] zu verurteilen, es zu unterlassen,
für [X.] in [X.] einheitliche [X.] (insbesondere Handelsspannen und Laufzeiten) mit bzw. gegenüber den Verlagen/Vertriebsgesellschaften/[X.] zu verhandeln und/oder zu vereinbaren
und/oder
[X.] aufzufordern, individuelle Verhandlungen mit der Klägerin über [X.] zu verweigern.
Das [X.] hat der Klage gestützt auf Art. 101 Abs.
1 AEUV in Verbindung mit § 33 Abs. 1 [X.] stattgegeben ([X.],
[X.]/E [X.]-R 3532). Die dagegen gerichtete Berufung
ist ohne
Erfolg
geblieben
([X.], [X.]/E [X.]-R 4242). Mit der vom Senat zugelassenen Revision begehrt der [X.] weiterhin die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe
A. Das Berufungsgericht hat die Klage aus Art. 101 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit §
33 Abs. 1 [X.] für begründet erachtet und dazu ausgeführt:
Die Befugnis des [X.]n, für seine Mitglieder einheitliche Vertrags-konditionen mit den Verlagen zu verhandeln und zu vereinbaren,
verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV. Das zentrale Verhandlungsmandat
bezwecke eine horizontale Wettbewerbsbeschränkung, indem es einen Rabatt-
und Kon-5
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ditionenwettbewerb zwischen den [X.] bei der Belieferung mit Zeitungen und Zeitschriften verhindere. Zwar bestehe zwischen den Presse-grossisten im Hinblick auf die vereinbarten Gebietsmonopole kein aktueller Wettbewerb. Es liege aber ein potentielles Wettbewerbsverhältnis vor.
Das zentrale Verhandlungsmandat des [X.]n sei nicht nach Art. 101 Abs. 3 AEUV freigestellt. Der [X.] habe schon nicht ausreichend dargelegt, dass das zentrale Verhandlungsmandat und in dessen Folge
die bundes-einheitlichen Preise und Konditionen für die Vertriebsleistungen des Presse-Großhandels zu Effizienzvorteilen führten, die die wettbewerbswidrigen Wirkun-gen des zentralen Verhandlungsmandats überwögen. Ein Preis-
und Konditio-nenwettbewerb werde aller Wahrscheinlichkeit nach dazu führen, dass in einem Gebiet mehrere [X.] tätig würden. Dass dann die Presse-grossisten im Vergleich zum [X.] weniger in der Lage oder willens sein sollten, die Absatzmöglichkeiten der von ihnen vertriebenen [X.] in ihrem Gebiet voll auszuschöpfen, sei nicht erkennbar.
Die Anwendung von Art. 101 Abs. 1 AEUV sei schließlich nicht gem. Art.
106 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit § 30 Abs. 2a [X.] ausgeschlossen. Es spreche zwar Einiges dafür, den flächendeckenden und diskriminierungsfreien
Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften durch den Großhandel an den stationären Einzelhandel als Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse anzusehen. Bei den [X.] handele es sich aber nicht um betraute Unternehmen im Sinne von Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV,
da
ihnen
durch
§
30 Abs. 2a [X.]
keine Verpflichtung auferlegt werde, eine bestimmte Leistung zu erbringen und [X.] auch dann zu vertreiben, wenn dies im Einzelfall wirtschaftlich unrentabel sei. Auch sehe § 30 Abs. 2a Satz 2 [X.] eine Betrauung der [X.] nur dann vor, wenn sie eine Branchenvereinbarung nach Satz 1 abgeschlossen hätten. Eine solche [X.] Betrauung sei nicht zulässig, zumal es auch an st[X.]tlichen Kontroll-
und 10
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Überwachungsmöglichkeiten fehle. Zudem greife die Ausnahme nach Art. 106 Abs. 2 AEUV selbst bei Annahme einer Betrauung nicht ein, da die Anwendung des [X.]ellverbots
auf
das zentrale Verhandlungsmandat die Erfüllung der vom [X.]n behaupteten Sonderaufgabe nicht
hindere.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision des [X.]n ist begründet und führt zur Abweisung der Klage. Der Klägerin steht gegen den [X.]n kein Unterlassungsanspruch aus Art. 101 Abs. 1 AEUV in Verbin-dung mit § 33 Abs. 1 [X.] zu. Nach Art. 106 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit §
30 Abs. 2a [X.]
ist
die Anwendung des unionsrechtlichen Verbots wettbe-werbsbeschränkender Absprachen auf das zentrale Verhandlungsmandat des [X.]n ausgeschlossen.
[X.] Für die von der Klägerin erhobene Klage besteht ein Rechtsschutz-bedürfnis.
1. Ziel des von der Klägerin geltend gemachten Unterlassungsantrags ist es, ihr individuelle Verhandlungen mit den einzelnen [X.] zu er-möglichen. Dieses Ziel
kann sie durch bloßes [X.] nicht erreichen, sondern nur dann, wenn dem [X.]n gemeinsame Verhandlungen für seine Mitglieder sowie die Aufforderung an seine Mitglieder, individuelle Verhand-lungen zu verweigern, verboten werden.
2.
Die Klägerin ist als Betroffene
nach § 33 Abs. 1 Satz 3 [X.]
berech-tigt, Unterlassungsansprüche gegen den [X.]n geltend zu machen. Sie
ist als Vertragspartnerin der [X.] Marktteilnehmer auf der Markt-gegenseite und damit Marktbeteiligte (vgl. [X.],
Urteil vom 7. Februar 2006

[X.], [X.]/E [X.]-R 1779 Rn. 14 -
Probeabonnement).
Die Klägerin ist
auch
unmittelbar
in ihren
wirtschaftlichen Interessen
beeinträchtigt, wenn der [X.]
zentral für
seine Mitglieder
verhandelt und sie
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auffordert, individuelle Verhandlungen mit
der Klägerin
zu verweigern.
Die Klägerin könnte bei individuellen Verhandlungen mit den [X.]en voraus-sichtlich andere Preise und Konditionen aushandeln. Unabhängig von der
Marktstärke der Klägerin
werden ihre Marktchancen und die
Marktverhältnisse durch das zentrale Verhandlungsmandat des [X.]n
beeinflusst.
I[X.] Der Klägerin stehen keine kartellrechtlichen Ansprüche gegen den
[X.]n
zu. Dabei
kann dahin stehen, ob auf das räumlich auf [X.] und sachlich
jedenfalls
im Wesentlichen
auf
deutschsprachige
Presseerzeug-nisse beschränkte Vertriebssystem des [X.] überhaupt anwendbar ist
oder ob es an der dafür erforderlichen Voraussetzung einer spürbaren Beeinträchtigung
des Handels zwischen
Mitgliedst[X.]ten
fehlt. Ebenso wenig bedarf der Entscheidung, ob das zentrale Verhandlungsmandat des [X.]n eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellt, die nicht nach Absatz 3 dieser Vorschrift freigestellt ist, oder ob das
nicht der Fall ist, etwa weil zwischen den Presse-[X.]en weder aktueller noch potentieller Wettbewerb besteht. Auf [X.]ellrecht gestützte Ansprüche der Klägerin
scheiden
jedenfalls
nach § 30 Abs. 2a [X.] in Verbin-dung mit Art. 106 Abs. 2 AEUV aus.
1. Nach Art. 106 Abs. 2 AEUV ist eine Anwendung der [X.] ausgeschlossen, wenn Unternehmen mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut sind, sofern die Anwendung der Wettbewerbsregeln die Erfüllung der diesen Unternehmen übertragenen be-sonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert
und durch die [X.] die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das dem Interesse der [X.]. Diese Voraussetzungen sind
im Streitfall
erfüllt.
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2. Die dem [X.]n angehörenden [X.] sind als wirt-schaftlich tätige Einheiten Unternehmen im Sinne von Art. 106 Abs. 2 AEUV.
3.
Der
flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften
ist
nach dem insoweit unionsrechtlich maßgeblichen Willen des [X.] Gesetzgebers
eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaft-lichem Interesse.
a)
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse sind marktbezogene Tätigkeiten, die im Interesse der Allgemeinheit erbracht und daher von den Mitgliedst[X.]ten mit besonderen Gemeinwohlverpflichtungen verbunden werden. Die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit sich ein Mitgliedst[X.]t zu Recht auf das Vorhandensein und den Schutz einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabe berufen kann, sind im [X.]srecht nicht abschließend geregelt. Die Mitgliedst[X.]ten verfügen daher über ein weites Ermessen bei der Definition dessen, was sie als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse ansehen. Die entsprechenden Ent-scheidungen der Mitgliedst[X.]ten werden von der [X.] lediglich auf "offenkundige Fehler"
überprüft ([X.], Urteil vom 12. Februar 2008 -
T-289/03, [X.]. 2008, [X.] Rn. 165 f. -
[X.];
Urteil
vom 15. Juni 2005 -
T-17/02, [X.]. 2005, [X.] Rn. 216 -
[X.]; Mitteilung der [X.] zu den Leistungen der Daseinsvorsorge in [X.], [X.]. 2001 [X.] 17/4 Rn. 22; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], EU-Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 84). Auch die Gerichte der [X.] und der Mitgliedst[X.]ten können insoweit keine weitergehende Kontrolle ausüben (vgl. [X.] in [X.]/[X.], Europäisches [X.]ellrecht, 12. Aufl., Art. 106 AEUV Rn. 48).
Danach wurden als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse in der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte und von der [X.] bisher die Energieversorgung, Postdienste, Verkehrsleistungen, 19
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Telekommunikations-
und Kommunikationsnetze, Rundfunk, Wasserversorgung und Abfallentsorgung anerkannt, wobei jeweils eine Pflicht zur flächen-deckenden und diskriminierungsfreien Versorgung ohne Rücksicht auf die Wirtschaftlichkeit jedes einzelnen Vorgangs in Rede stand (vgl. Mitteilung der [X.] zu den Leistungen der Daseinsvorsorge in [X.], [X.]O
Anhang II; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]
[X.]O
Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 85; [X.] in [X.]/Hilf/[X.], Das Recht der Europäischen [X.], Stand März 2011, Art. 106 AEUV Rn. 38; [X.] in [X.]/[X.], [X.]ellrecht,
12. Aufl., § 30 [X.] Rn. 130).
b)
Nach diesen Grundsätzen ist nicht zu beanstanden, dass der deut-sche Gesetzgeber den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften als Dienstleistung von allgemeinem wirt-schaftlichem Interesse ansieht.
Der Gesetzgeber
bezweckte mit der
Neuregelung in § 30 Abs. 2a [X.], das seit Jahrzehnten bewährte [X.] kartellrechtlich abzusichern, da es wesentlich zur Überallerhältlichkeit von [X.] und zu einem diskriminierungsfreien Zugang insbesondere auch von Titeln kleinerer Verlage und von Titeln mit kleineren Auflagen zum Lesermarkt beigetragen habe (Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] zum Regierungsentwurf zur 8. [X.]-Novelle, BT-Drucks. 17/11053 [X.]). Der Gesetzgeber will durch das [X.] einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften gewährleisten, auch soweit dies etwa in ländlichen Gebieten oder in Bezug auf Nischenprodukte unwirtschaftlich ist. Im Hinblick auf die Bedeutung einer im gesamten [X.] flächendeckenden publizistischen Vielfalt und des Marktzugangs auch kleinerer Verlage für die Grundrechte der Presse-
und Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) handelt es sich dabei um eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe ([X.] in [X.]/[X.],
[X.]O
§
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Rn.
130; MünchKommWettbR-Bremer/[X.], 2. Aufl., § 30 [X.] Rn. 109; wohl auch [X.] in [X.]/[X.], Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., § 30 [X.] Rn. 166; [X.], [X.], 501, 503 f.). Die Regelung des §
30 Abs.
2a [X.] bezweckt dagegen nicht den Schutz der Gruppeninteressen der [X.] ([X.],
[X.], 1116, 1119), auch wenn sie sich für einen erheblichen Teil dieser Unternehmen vorteilhaft auswirken mag.
c)
Der Gesetzgeber hat das ihm unionsrechtlich bei der Definition des allgemeinen wirtschaftlichen Interesses eingeräumte Ermessen nicht deshalb überschritten, weil er nicht die betroffene Dienstleistung selbst, sondern mit den [X.] eine
bestimmte [X.]ellabsprache legitimiert hat und so der Pressevertrieb über [X.] weitgehend den Wettbewerbsregeln entzogen worden ist (vgl. [X.], [X.], 501, 503 f.).
Anlass für das Tätigwerden des Gesetzgebers war allerdings, dass das zentrale Verhandlungsmandat des [X.]n in erster Instanz als kartellrecht-lich unzulässig eingestuft worden war und das bestehende Vertriebssystem des [X.] deshalb "kartellrechtlich abgesichert"
werden sollte (vgl. BT-Drucks. 17/11053 [X.]). Das stellt indes nicht in Frage, dass es sich beim flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungen und Zeit-schriften um eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse handelt, und dass die gesetzliche Regelung in § 30 Abs. 2a [X.] diese im öffentlichen Interesse liegenden Vertriebsparameter gewährleisten soll (BT-Drucks. [X.]O).
Die Vorschrift des § 30 Abs. 2a [X.] nimmt den Pressevertrieb auch nicht generell von der Anwendung der Wettbewerbsregeln aus. Vielmehr müssen für die Nichtanwendbarkeit der Wettbewerbsregeln
jeweils
sowohl die
besonderen Voraussetzungen des
§ 30 Abs. 2a [X.]
wie auch
diejenigen
des
Art. 106 Abs. 2 AEUV vorliegen.
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11
-

4.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts stellt § 30 Abs. 2a [X.] einen ausreichenden und wirksamen [X.] im Sinne von Art. 106 Abs.
2 AEUV dar.
a) Eine Betrauung setzt einen Hoheitsakt voraus, also ein Gesetz oder einen Verwaltungsakt, der die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen des betrauten Unternehmens zu Dienstleistungen klar definiert ([X.]H, Urteil vom 11. April 1989 -
66/86, [X.]. 1989, 803 Rn. 55
-
Ahmed Saeed Flugreisen; [X.], [X.]. 2008, [X.] Rn. 181 -
[X.]; [X.] in [X.]/[X.]
[X.]O
Art. 106 AEUV Rn. 54). Der [X.] verkörpert die politische Entscheidung eines Mitgliedst[X.]tes, die Gewährleistungsverantwortung für die Versorgung der Bevölkerung mit bestimmten Dienstleistungen zu übernehmen, und zwar in der Weise, dass das im [X.] bezeichnete Unternehmen verpflichtet wird, auf diese Dienstleistungen bezogene konkrete Aufgaben auch dann zu erfüllen, wenn dies im Einzelfall wirtschaftlich unrentabel ist ([X.]/[X.] in [X.]/[X.]
[X.]O Art. 106 Abs. 2 AEUV Rn. 53).
Die Vorschrift des § 30 Abs. 2a [X.] stellt einen st[X.]tlichen Hoheitsakt dar, der klar den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungs-
und Zeitschriftensortimenten als gemeinwirtschaftliche Aufgabe der Presse-[X.]en definiert, die auch dann zu erfüllen ist, wenn dies im Einzelfall wirtschaftlich unrentabel ist.
b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts scheitert eine unions-rechtlich wirksame Betrauung nicht daran, dass nach § 30 Abs. 2a [X.] Verlage und [X.] sowie deren Vereinigungen nur im Sinne von Art.
106 Abs. 2 AEUV betraut sind, soweit entsprechende Branchenverein-barungen einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von [X.] und Zeitschriften durch die [X.] vorsehen, die
Presse-28
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grossisten mithin zur
Übernahme der Gewährleistungsverantwortung für die Dienstleistung
nicht verpflichtet sind.
[X.]) Nach der Rechtsprechung der [X.]sgerichte ist der obligatorische [X.]harakter der betreffenden Dienstleistung wesentliche Voraussetzung einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabe im Sinne des [X.]srechts. "Obligatorischer
[X.]harakter"
bedeutet, dass die durch einen Hoheitsakt mit einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabe betrauten Wirtschaftsteilnehmer grundsätzlich verpflichtet sind, die betreffende Dienstleistung unter Berücksichtigung der für ihre Erbringung geltenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auf dem Markt anzubieten ([X.], [X.]. 2008, [X.] Rn. 188 -
[X.]). Jedoch ist der einseitige Verzicht auf die Erbringung einer Dienstleistung mit der Auferlegung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen grundsätzlich vereinbar. So kann ein Mitgliedst[X.]t Schifffahrtsgesellschaften, die sich an [X.] von, zwischen und nach Inseln beteiligen, nach Art.
4 Abs.
1 VO 3577/92 gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen hinsichtlich bestimmter Verkehrsdienste auferlegen. Es steht einem Reeder aber grundsätzlich frei, die fraglichen Verkehrsdienste zu erbringen. Nur wenn er sie erbringt, muss er die dabei auferlegten Verpflichtungen beachten (vgl. [X.]H, Urteil vom 20. Februar 2001

[X.]-205/99, [X.]. 2001, [X.] Rn. 64 -
Analir; [X.], [X.]. 2005, [X.] Rn. 189

[X.]). Der [X.] muss danach nicht zwingend gewährleisten, dass
die Dienstleistung
von dem betrauten Unternehmen
tatsächlich
dauerhaft
erbracht wird.
Weiter hat das Gericht der [X.] entschieden, dass einem Wirtschafts-teilnehmer die Wahrnehmung einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabe durch [X.] übertragen werden kann, dafür aber die Zustimmung des [X.]sempfängers erforderlich ist (vgl. [X.], [X.]. 2005, [X.] Rn. 188

[X.]).
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Nicht ausreichend für eine wirksame Betrauung ist dagegen ein bloßer Erlaubnisvorbehalt (vgl. [X.]H, Urteil vom 2. März 1983 -
7/82, [X.]. 1983, 483 Rn. 29 ff. -
GVL). Eine st[X.]tliche Erlaubnis genügt trotz ihres [X.]harakters als Hoheitsakt nicht den Anforderungen an eine Betrauung, weil es an einer Übertragung der Dienstleistungserbringung auf bestimmte Unternehmen fehlt.
[X.]) Danach liegt
im Streitfall
ein ausreichender [X.] vor ([X.]/[X.], [X.], 303, 306 f.; Haus, [X.] 2014, 830, 836; wohl auch [X.], Stand 1. Februar 2015, § 30 [X.] Rn. 32; [X.] in [X.]/[X.]
[X.]O §
30 [X.] Rn. 166; zweifelnd [X.] in [X.]/[X.] [X.]O § 30 [X.] Rn. 131; [X.] in [X.]/[X.], [X.] und Europäisches [X.]ellrecht, 2. Aufl., § 30 [X.] Rn. 39 und wohl auch MünchKommWettbR-Bremer/[X.] [X.]O
§ 30 [X.] Rn. 111).
(1) Der Wortlaut von §
30 Abs.
2a Satz
2 [X.] sieht eine Betrauung ausdrücklich vor. Damit hat der Gesetzgeber seinen Willen, die am [X.] beteiligten Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, unmissverständlich zum Ausdruck gebracht.
(2) In der Anknüpfung der Betrauung an [X.] liegt keine unzulässige Bedingung. Der Gesetzgeber hat die Bestimmung des § 30 Abs. 2a [X.] in Kenntnis und vor dem Hintergrund der bestehenden Marktverhältnisse eingeführt. Kennzeichnend dafür waren die seit Jahrzehnten bestehenden [X.] zwischen den Verlagen, den [X.] und deren Verbänden, die nach Auffassung des Gesetzge-bers in vorbildlicher Weise einen flächendeckenden und diskriminierungsfreien Pressevertrieb sichergestellt haben. Diese vom Gesetzgeber vorgefundene Lage, bei
der die gemeinwirtschaftliche Aufgabe im Pressevertrieb
bereits langfristig
erfüllt wurde, wollte der Gesetzgeber bewahren
(vgl. BT-Drucks. 17/11053, [X.]). Wird, wofür der Gesetzgeber keinen Anhaltspunkt hatte, 34
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-
14
-

künftig keine Branchenvereinbarung mehr abgeschlossen, so entfällt die Voraussetzung für die Betrauung. Dieser Sachverhalt entspricht demjenigen nach Ablauf einer -
unbedenklich zulässigen

befristeten Betrauung. Der
Gesetzgeber
muss dann im Rahmen seiner Gestaltungshoheit neu entschei-den, ob und gegebenenfalls wie er die Erbringung der gemeinwirtschaftlichen Aufgabe künftig gewährleistet.
(3) Durch die vom Gesetzgeber in § 30 Abs. 2a [X.] verwendeten Worte "soweit"
und "insoweit"
wird keine konditionale Verknüpfung im Sinne einer Bedingung für die Betrauung formuliert, deren Eintritt ungewiss ist. Vielmehr handelt es sich vor dem Hintergrund der tatsächlichen und vom Gesetzgeber vorausgesetzten Marktverhältnisse um eine notwendige zeitliche Verknüpfung. Sobald es künftig an einer Branchenvereinbarung im Sinne von §
30 Abs. 2a [X.] fehlen sollte, wäre diese
Betrauung aufzuheben. Das nimmt die Bestimmung mit der Formulierung "soweit"
vorweg.
(4) Der Anwendung von Art. 106 Abs. 2 AEUV steht daher nicht entgegen, dass die Verlage und [X.] sowie deren Verbände nach § 30 Abs. 2a [X.] nicht verpflichtet sind, weiterhin
[X.]
abzuschließen, die den diskriminierungsfreien und flächendeckenden Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften durch die [X.] gewährleisten. Ausreichend ist vielmehr, dass
solange
solche [X.]
wie bisher
abgeschlossen werden,
der Gesetzgeber die Presseverlage und Presse-[X.]en sowie ihre Vereinigungen damit betraut hat, den flächendeckenden und diskriminierungsfreien Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften im statio-nären Einzelhandel sicherzustellen und damit unabhängig von den Kosten jede Zeitungs-
und Zeitschriftenverkaufsstelle zu beliefern, die darum nachsucht. Solange die Voraussetzungen für diese
Betrauung
weiter vorliegen, sind die Verlage, [X.]en und ihre Vereinigungen auch grundsätzlich verpflichtet, die Dienstleistung des Pressevertriebs an den stationären Einzelhandel unter 38
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Berücksichtigung der vom Gesetzgeber festgelegten gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auf dem Markt anzubieten. Diese Dienstleistung hat infolge-dessen den vom [X.]srecht geforderten obligatorischen [X.]harakter (vgl. [X.], [X.]. 2008, [X.] Rn. 188 -
[X.]).
Die Regelung in § 30 Abs. 2a [X.] stellt damit auch keinen bloßen Erlaubnisvorbehalt dar, der für eine wirksame Betrauung nicht ausreichen würde (vgl. [X.]H, [X.]. 1983, 483 Rn. 31 f. -
GVL).
cc) Schließlich
scheitert eine wirksame Betrauung nicht daran, dass
st[X.]tliche Kontroll-
und Überwachungsmöglichkeiten
fehlen. Bei einem nicht flächendeckenden oder diskriminierungsfreien Vertrieb entfiele die an die Einhaltung dieser Voraussetzungen geknüpfte Betrauung mit der Folge, dass eventuelle [X.] den Wettbewerbsregeln unterlägen. Außerdem ist über § 30 Abs. 3 Satz 2 [X.] eine besondere kartellbehördliche Missbrauchsaufsicht eröffnet, die neben die Eingriffsbefugnisse des Amtes gemäß §§ 32, 19 und 20 [X.] tritt, die nach § 30 Abs. 2a Satz 2 [X.] unbe-rührt bleiben.
5. Die Wettbewerbsregeln
der [X.]
sind auf das zentrale Verhand-lungsmandat des [X.]n nicht anwendbar, da
ihre Geltung die Erfüllung der besonderen Aufgaben, die den [X.] übertragen worden sind, im Sinne von Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV verhindern würde.
a)
Für eine Verhinderung im Sinne von Art.
106 Abs. 2 Satz 1 AEUV reicht es aus, wenn die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgaben bei einer Anwendung der Wettbewerbsregeln gefährdet wäre.
Nach
Art. 14 AEUV obliegt es der [X.] und den Mitgliedst[X.]ten im Rahmen ihrer jeweiligen Befugnisse, die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse so zu gestalten, dass diese
Dienste
ihre Aufgabe erfüllen können. Im Hinblick auf 40
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-

diese unionsrechtliche Funktionsgarantie
(vgl.
[X.] in [X.]/Hilf/[X.] [X.]O Art. 106 Rn. 74; [X.] [X.]O Art. 106 Rn.
94)
setzt
eine Verhinderung im Sinne von
Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV
nach der neueren Rechtsprechung der [X.]sgerichte
nicht
mehr
voraus, dass die Anwendung des [X.]srechts mit der Erfüllung der besonderen Aufgabe nachweislich unvereinbar ist
(so noch [X.]H, Urteil vom 30. April 1974 -
155/73, [X.]. 1974, 409 Rn. 15 -
Sacchi;
Urteil
vom 3. Oktober 1985 -
311/84,
[X.]. 1985, 3261 Rn.17 -
[X.]BEM). Vielmehr
kommt es darauf an, ob
bei
Anwendung
der Wettbewerbsvorschriften die Erfüllung der dem Unternehmen übertragenen be-sonderen Aufgaben gefährdet wäre. Eine bloße Behinderung oder Erschwerung der Aufgabenerfüllung genügt
allerdings
nicht (vgl. [X.]H, Urteil vom 23.
Oktober 1997 -
[X.]-159/94, [X.]. 1997, [X.] Rn. 95 -
[X.]/[X.]; Urteil vom 21. September 1999 -
[X.]-67/96, [X.]. 1999, [X.] Rn. 107

[X.]; Urteil vom 3. März 2011 -
[X.]-437/09, [X.]. 2011, [X.] Rn. 76 -
AG2R Prévoyance; [X.], Urteil vom 1. Juli 2010 -
T-568/08 und [X.]/08, [X.]. 2010 3397 Rn. 138 -
Métropole télévision).
Die Ausnahme nach Art. 106 Abs. 2 AEUV ist somit auf dasjenige Maß zu beschränken, das erforderlich ist, um eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung zu verhindern (vgl. [X.],
Mitteilung zu den Leistungen der Daseinsvorsorge in [X.], [X.].
2001 Nr. [X.] 17/04 Rn.
23).
b) Bei der Prüfung der Frage, ob die Anwendung der Wettbewerbsregeln die Aufgabenerfüllung eines mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaft-lichen Interesse betrauten Unternehmens gefährdet, besteht ein Ermessens-spielraum des nationalen Gesetzgebers.
[X.]) Das [X.]srecht in der Fassung des [X.] erkennt seit 1. Januar 2009 ausdrücklich als gemeinsamen Wert der [X.] einen weiten Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen Behörden in der Frage an, wie die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse auf eine 44
45
-
17
-

den Bedürfnissen der Nutzer so gut wie möglich entsprechende Weise zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind (Art. 1 des Protokolls Nr. 26 zum [X.], [X.].
2008 Nr. [X.] 115/308).
[X.]) Ein solcher Spielraum ist schon deshalb erforderlich, weil die Beurteilung der Gefährdung notwendig eine komplexe Prognose dazu verlangt, wie
sich die Marktverhältnisse im Fall einer Anwendung der Wettbewerbsregeln entwickeln würden
(zur Absenkung der Darlegungslast des Mitgliedst[X.]ts bei komplexen Bewertungen vgl. auch [X.]H, [X.]. 1999, [X.]
Rn. 120 -
[X.]). Beim Pressevertrieb geht das [X.] davon aus, ein Wegdenken des über Jahrzehnte praktizierten, fortentwickelten und sehr komplexen [X.]systems führe zu einer rein hypothetischen Marktbetrachtung, die eine fusionsrechtliche Untersagung nicht tragen könne; es sei offen, welche Wettbewerbsbedingungen und Marktpositionen ohne ein System der [X.] herrschen würden (B[X.]A, Fallbericht vom 19.
Dezember 2011
-
B 6-39/11, S. 4).
cc) Im
Zusammenhang mit der Anwendung von Art. 106 Abs. 2 AEUV im Beihilferecht
ist
der Prüfungsumfang der [X.] und der Gerichte hinsicht-lich der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit von Ausgleichszahlungen an ein mit einer gemeinwirtschaftlichen Aufgabe betrautes Unternehmen wegen des Ermessens der Mitgliedst[X.]ten bei der Definition einer solchen Aufgabe und der Festlegung der Bedingungen für ihre Durchführung auf offenkundige Fehler beschränkt. Zu überprüfen ist allein, ob das System der [X.] auf offenkundig unzutreffenden wirtschaftlichen oder tatsächlichen Prämissen beruht und ob es zur Erreichung der verfolgten Ziele offenkundig ungeeignet ist. Den Mitgliedst[X.]ten kommt ein weites Ermessen bei der Beurteilung der Frage zu, wie sicherzustellen ist, dass die gemeinwirtschaftliche Aufgabe unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen erfüllbar ist. Nicht geprüft wird, ob sich der Markt tatsächlich in einer gewissen Weise entwickeln 46
47
-
18
-

würde
und ob die Anwendung der Regulierungsinstrumente unerlässlich ist, um die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Aufgabe zu gewährleisten (vgl. [X.], [X.]. 2008, [X.] Rn. 220-222 und 266 bis 268 -
[X.]).
Auch im Glücksspielrecht ist ein Wertungsspielraum der Mitgliedst[X.]ten bei der Frage anerkannt, wie sie die Ziele des Verbraucherschutzes und des Schutzes der [X.] verwirklichen
([X.]H, Urteil vom 8. September 2010

[X.]-316/07 u.a., [X.]. 2010, I-8069 Rn.
79
ff. -
Stoss u.a.).
Gibt es
-
wie im Pressevertrieb -
auf einem Gebiet keine Gemeinschafts-regelung, so ist die [X.] nicht befugt, über die Kosten einer Dienstleis-tung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse, über die Zweckmäßigkeit der von den nationalen Behörden auf diesem Gebiet getroffenen Entscheidungen oder über die wirtschaftliche Effizienz des öffentlichen Betreibers in dem ihm vorbehaltenen Sektor zu entscheiden ([X.], Urteil vom 27. Februar 1997

106/95, [X.]. 1997, [X.] Rn. 108 -
FFSA; [X.].
2010, [X.] Rn. 139

Métropole télévision). In entsprechender Weise erkennt der Gerichtshof der Europäischen [X.] bei Beschränkungen des Warenverkehrs aus Gründen des Gesundheitsschutzes einen weiten Beurteilungsspielraum der Mitgliedst[X.]ten an ([X.]H, Urteil vom 14. Juli 1983 -
174/82, [X.]. 1983, 2445 Rn. 18 f.

[X.]), wenn unionsrechtliche Regelungen fehlen und Unsicherheiten bei der Beurteilung bestehen.
c)
Besteht danach
ein Einschätzungsspielraum
der Mitgliedst[X.]ten
und gibt
es
große Prognoseunsicherheiten, so
ist der
durch Art. 106 Abs. 2 AEUV
unionsrechtlich eröffnete Prüfungsumfang der mitgliedst[X.]tlichen Gerichte gegenüber Maßnahmen des nationalen Gesetzgebers
auf eine Kontrolle offen-kundiger Fehler beschränkt (vgl. von [X.]
in Bitburger Gespräche, Jahr-buch 2002/I, S.
73,
87; [X.], [X.]ML 1995, 157, 170
ff.; [X.] [X.]O Art. 106 AEUV Rn. 97 f.; Haus, [X.] 48
49
50
-
19
-

2014, 830, 837). Maßgeblich
ist, ob die mitgliedst[X.]tliche Regelung offenkundig ungeeignet ist, den ihr zugrunde liegenden Zweck zu erfüllen und ob dieser Regelung eine offenkundig unzutreffende Tatsachengrundlage zugrunde liegt.
d) Nach diesen Grundsätzen ist die Einschätzung des Gesetzgebers, der flächendeckende und diskriminierungsfreie Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften wäre bei Anwendung der Wettbewerbsregeln auf die in § 30a Abs.
2a [X.] aufgeführten [X.] gefährdet, ökonomisch plausibel und unionsrechtlich nicht zu beanstanden
(vgl. [X.], ZUM 2013, 18, 24 f.; aA [X.] in [X.]/[X.]
[X.]O
§ 30 [X.] Rn. 166; offen [X.] in [X.]/[X.]
[X.]O
§ 30 [X.] Rn. 132).

[X.])
Das durch § 30 Abs. 2a [X.] ermöglichte zentrale [X.] des [X.]n ist geeignet, entsprechend der Absicht des Gesetzge-bers den international als vorbildlich angesehenen Pressevertrieb in [X.] zu erhalten, der bislang einen flächendeckenden und diskriminierungs-freien Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften gewährleistet hat.
Ein flächendeckender, neutraler Universaldienst ist durch einheitliche Preise und Konditionen gekennzeichnet, die ohne Rücksicht auf die Wirt-schaftlichkeit jedes einzelnen Vorgangs festgesetzt werden (vgl. [X.]H, Urteil vom 19. Mai
1993 -
[X.]-320/91, [X.]. 1993, [X.] Rn. 15 -
[X.]orbeau). Diese
einheitlichen
Preise und Konditionen
gewährleistet im
Vertriebssystem des
[X.] das zentrale Verhandlungsmandat des [X.]n.
Indem die zentralen Verhandlungen die [X.]en
daran hindern, an ihren jeweiligen tatsächlichen Kosten orientierte, nach Gebieten differenzierte Preise beim Vertrieb desselben Zeitschriftentitels anzuwenden, tragen sie zur Überallerhältlichkeit aller
Presseerzeugnisse bei. Bei einer räumlichen Preis-differenzierung wäre zu befürchten, dass insbesondere wirtschaftlich [X.] Verlage den Vertrieb von [X.] mit kleiner Auflage auf Ballungs-51
52
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20
-

gebiete mit hoher Verkaufsstellendichte oder umsatzstarke Standorte (etwa bestimmte Universitätsstädte) konzentrieren, weil für sie die weitere Belieferung ländlicher und umsatzschwacher Regionen wegen erhöhter Vertriebskosten unwirtschaftlich wäre.
Wegen der bundeseinheitlichen Preisbindung für ihre Zeitungen und Zeitschriften hätten diese Verlage keine Möglichkeit, regional höhere Vertriebskosten durch höhere Preise in der entsprechenden Region auszugleichen.
Die Verlage wären zunehmend gezwungen zu prüfen, an welchen Verkaufsstellen sich für sie der Vertrieb welcher Titel lohnt.
Ergäbe
sich daraus ein räumlich differenziertes Presseangebot, bestände
faktisch auch keine Neutralität
des Pressevertriebs mehr. Es würden nicht mehr alle Presseerzeugnisse überall angeboten.

Zudem wurde das
seit Jahrzehnten unbestritten positive Marktergebnis im [X.] Pressevertrieb, das durch die
Überallerhältlichkeit von [X.] und
den
diskriminierungsfreien Zugang insbesondere auch von Titeln kleinerer Verlage und von Titeln mit kleinerer Auflage zum [X.] ist
(vgl. BT-Drucks. 17/11053, [X.]), in einem System der ge-bietsbezogenen Alleinauslieferung erreicht. Die Beibehaltung dieses
wesentlich durch die Gebietsmonopole der [X.]en geprägten Vertriebssystems lässt auch
künftig
die vom Gesetzgeber gewünschten [X.] erwarten. Die
weitere Zulässigkeit der
zentralen Verhandlungen des
[X.]n
ist geeignet,
die bestehenden Gebietsmonopole zu erhalten. Die
Verlage
haben
dann
keinen Anlass, im Hinblick auf bessere Konditionen bei einem Wettbewerber den [X.]en zu wechseln. Auch die Presse-[X.]en
haben
bei einheitlichen Preisen und Konditionen kaum Interesse daran, außerhalb ihres [X.] tätig zu werden. Dementsprechend nimmt das [X.] an, die gemeinsame Verhandlung der Konditionen durch den [X.]n sei Teil des bestehenden Systems, das tatsächlichen und potentiellen Wettbewerb zwi-schen verlagsunabhängigen [X.]en ausschließe (B[X.]A, Fallbericht
[X.]O
S. 4). Davon geht auch die Klägerin aus, die
durch Beseitigung des
zentralen
55
-
21
-

Verhandlungsmandats
Verhandlungsspielräume eröffnen und
auf diese Weise
die
systemprägenden
Gebietsmonopole aufbrechen
will.

[X.]) Die Prognose des Gesetzgebers, das zentrale Verhandlungsmandat sei zur
Abwehr einer Gefährdung
der von ihm verfolgten Ziele erforderlich, ist ökonomisch plausibel; offenkundige Fehler dieser Einschätzung sind nicht er-sichtlich.
(1) Der Gesetzgeber konnte und musste bei seiner Gefahrenprognose die verfassungsrechtlichen Aspekte des Pressevertriebs berücksichtigen.
Eine vielfältige und möglichst umfassend vertriebene Presse ist von grundlegender Bedeutung für die außer durch Art. 5 Abs. 1 GG auch durch Art. 6 Abs. 1 EUV iVm
Art. 11 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta sowie Art. 10 Abs. 1 [X.] geschützte freie Meinungsbildung. Nach einer Änderung des nach Ansicht des Gesetzgebers bewährten Großhandelsvertriebssystems könnten etwaige negative Entwicklungen auf dem grundrechtssensiblen Presse-
und Pressevertriebsmarkt nur schwer oder gar nicht rückgängig gemacht werden. Dagegen schließt das gegenwärtige, durch zentrale Verhandlungen und Gebietsmonopole gekennzeichnete Pressevertriebssystem Diskriminierungen der Verlage beim Zugang zum Vertrieb ebenso zuverlässig aus, wie es die Überallerhältlichkeit von Presseprodukten gewährleistet.
Zudem hat das [X.] hervorgehoben, dass gerade neue, finanzschwache oder minderheitenorientierte Presseunternehmen, die zum Aufbau eines eigenen Vertriebsnetzes außerstande sind, auf den freien Vertrieb durch die [X.] angewiesen sind, um ihr
Publikum zu erreichen ([X.] 77, 346, 355). Dabei gewährleisten insbesondere die im Voraus bekannten einheitlichen Preise und Konditionen einen einfachen und sicheren Marktzugang. Wären die zentralen Verhandlungen unzulässig, müsste dagegen jeder Verlag
über die Handelsspannen dezentral verhandeln oder 56
57
58
59
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22
-

einen Nationalvertrieb zwischenschalten (zum Beitrag des [X.] für den Marktzutritt kleinerer Verlage vgl. auch [X.], 9. [X.], BT-Drucks. 12/3031, S. 318).
(2)
Der Gesetzgeber ist nach Anhörung verschiedener Sachverständiger im Gesetzgebungsverfahren zur 8. [X.]-Novelle zu dem Ergebnis gelangt, dass das bisherige [X.]-System,
dessen
wesentlicher
Bestandteil
gemeinsame Verhandlungen der [X.]
sind, maßgeblich
zur Über-allerhältlichkeit von [X.] und zu einem diskriminierungsfreien Zugang insbesondere auch von Titeln kleinerer Verlage und von Titeln mit kleineren Auflagen zum Lesermarkt beigetragen hat
(BT-Drucks. 17/11053, [X.],
sowie Wortprotokoll
des [X.] zur öffentlichen Anhörung zur 8. [X.]-Novelle, Protokoll Nr. 17/74, [X.] ff.).
Eine Gefährdung des den verfassungsrechtlichen Anforderungen
in vorbildlicher Weise
Rech-nung tragenden
Pressevertriebssystems brauchte der Gesetzgeber nicht hinzunehmen.
(3) Bei einem Wegfall des zentralen Verhandlungsmandats
erscheint durchaus naheliegend, dass große Verlage
und
Verlage mit auflagenstarken Titeln, ungeachtet der Möglichkeit kleinerer Verlage, ihren Vertrieb in National-vertrieben zu bündeln, aufgrund ihrer Marktstärke sowie der
großen Auflagen, deren Vertrieb sie nachfragen, bessere Preise und Konditionen
als kleinere Verlage
durchsetzen
könnten, so dass
die
Vertriebskosten
für kleinere Verlage
relativ
zu denjenigen großer Verlage
oder auch absolut
pro verkauftem Exemplar
stiegen. Es ist weiter plausibel, dass
nach
einem Aufbrechen der Gebietsmonopole
mittels
individueller
Verhandlungen
insgesamt
höhere Ver-triebskosten
für den Pressevertrieb
anfielen. Zwar
dürfte nicht wahrscheinlich
sein, dass [X.] die Belieferung eines benachbarten Gebiets aufnähmen, wenn dies für sie unrentabel
wäre. Würde
jedoch ein Pressegros-sist
in
einem
benachbarten
Gebiet
tätig,
wäre
nicht zu erwarten, dass er dieses
60
61
-
23
-

Vertriebsgebiet gleich
für alle Verlage übernähme. Infolgedessen
entstände
ein Doppel-
oder Mehrfach-Grosso, das
parallele Vertriebsstrukturen
erforderte. Dadurch würde
der
Vertrieb insgesamt verteuert. In den bestehenden Doppel-Grosso
Gebieten mag diese Situation
zwar
für alle Beteiligten wirtschaftlich auskömmlich sein. Es
handelt sich
dabei
jedoch
um Großstädte oder
daran angrenzende Gebiete, in denen aufgrund der
Verkaufsstellendichte
parallele Vertriebsstrukturen wirtschaftlicher betrieben werden können
als in
ländlichen Gebieten.
Ob und wie die [X.] die Mindereinnahmen
ausgleichen
könnten, die
ihnen bei
Gewährung besserer Preise und Konditionen
an
Groß-kunden oder wegen des Verlustes
von
Großkunden in dem bisher belieferten Gebiet
entstünden, ist von vielen Faktoren
abhängig,
zu denen
insbesondere das
Verhalten der Verlage,
der [X.] und
der belieferten Ein-zelhändler
zählt. Bei dieser Beurteilung handelt es sich um eine
komplexe
Prognose.
Mangels Erfahrungen mit
einem wettbewerblich verfassten
Großhandelsvertrieb für
Presseerzeugnisse
in [X.]
ist es kaum möglich,
die weitere Entwicklung
zuverlässig
vorauszusagen. Es ist denkbar, dass Wettbewerb zu Effizienzsteigerungen
führte, die Mindereinnahmen jedenfalls teilweise kompensieren könnten. Nicht fernliegend erscheint aber
auch, dass es zu einer Konsolidierung bei den [X.] käme
und im Laufe der Zeit
immer
weniger
[X.]en
immer
größere Gebiete belieferten. [X.] ist
ferner, dass es für kleinere Verlage und unrentable Verkaufspunkte, vor allem in ländlichen Gebieten,
zu höheren Preisen und schlechteren Konditionen käme, mit der Folge, dass der Vertrieb von Nischenprodukten oder die Belieferung unrentabler Verkaufspunkte längerfristig eingestellt würde.
(4) Dagegen bietet
zwar zunächst das kartellrechtliche Missbrauchs-verbot (§ 19 Abs. 2 Nr. 1
[X.]) einen gewissen Schutz. Dieser Schutz griffe
je-62
63
-
24
-

doch
nicht mehr
ein, wenn
ein Pressegrossist in einem bestimmten Gebiet
seine
marktbeherrschende Stellung
verlöre.
Die Vorschrift des
§ 19 Abs. 2 Nr. 3 [X.]
verbietet zudem
unterschiedliche Preise und Konditionen nur dann, wenn sie sachlich nicht gerechtfertigt
sind. Insbesondere kann ein marktbeherrschen-des Unternehmen nicht gezwungen werden, seine Leistung zu nicht kosten-deckenden Preisen anzubieten ([X.], Beschluss vom 22. Juli 1999

KVR
12/98, [X.]Z 142, 239, 247 f. -
Flugpreisspaltung). Es wäre daher durchaus
zu befürchten, dass nach Beendigung des zentralen [X.]s des [X.]n
[X.]
in zulässiger Weise
ein Preissystem anwendeten, in
dem höhere Fracht-
und sonstige Vertriebskosten für entlegene Verkaufspunkte oder Kleinmengen bei der Preisgestaltung berücksichtigt würden.
Einer Einstellung unrentabler Nischenprodukte oder
Nichtbelieferung von
Verkaufspunkten
stände
auch nicht der gleichgerichtete Wunsch der Verlage und [X.] nach einem möglichst umfassenden Vertrieb entgegen. Dieser Wunsch fände
dort
seine Grenze, wo ein
Vertrieb zu wirtschaftlich tragbaren Bedingungen nicht mehr möglich
wäre.
Eine
Pflicht zur flächendeckenden Versorgung geht somit deutlich über ein Verbot der Diskriminierung und unbilligen Behinderung hinaus.
(5) Es kann dahinstehen, ob
sich
die den nationalen Gerichten bei der Anwendung von Art. 106 Abs. 2 AEUV übertragene Erforderlichkeitsprüfung
auch auf die Frage erstreckt, ob dem nationalen Gesetzgeber zur Vermeidung der Gefährdung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ein die Geltung der Wettbewerbsregeln weniger beschränkendes Mittel
zu Gebote steht (verneinend
[X.]H, Urteil vom 23. Oktober 1997 -
[X.]-157/94, [X.]. 1997, [X.] Rn. 58 -
Stromhandelsmonopol; [X.], [X.]. 2008, [X.] Rn. 268

[X.]; von [X.] [X.]O S. 87 f.; [X.], [X.]ML 1995, 157, 170 ff.; so in
Verfahren, in denen -
wie im Streitfall -
neben dem Kläger nur das betraute Unternehmen beteiligt
war, auch [X.]H, Urteil vom 19. Mai 1993 -
[X.]-320/91, [X.]. 1993, [X.] Rn. 16 ff. -
[X.]orbeau; Urteil vom 27. April 1994 -
[X.]-393/92, 64
-
25
-

[X.]. 1994, [X.] Rn. 49 f. -
Almelo; Urteil vom 18. Juni 1998 -
[X.]-266/96, [X.]. 1998, [X.] Rn. 44 f. -
[X.]orsica Ferries II; [X.]. 2011, [X.] Rn. 77 ff. -
AG2R Prévoyance; dazu [X.]/[X.] in [X.]/[X.] [X.]O Art.
106 Abs. 2 AEUV Rn. 110; abweichend
[X.]H, Urteil vom 25. Juni 1998

[X.]-203/96, [X.]. 1998, [X.] Rn. 67 -
Dusseldorp).
Denn eine andere Möglichkeit, wie sich das verfassungsrechtlich geschützte, positive Marktergebnis beim Pressevertrieb ohne das zentrale Verhandlungsmandat des [X.]n ebenso zuverlässig in einer Weise sichern ließe, die den Wettbewerb weniger beschränkte, ist nicht ersichtlich.
Das gilt auch für das vom Berufungsgericht erwogene, auf kleinere Titel und Verlage beschränkte zentrale Verhandlungsmandat. Für die [X.]en bestände dann der
Druck,
Großkunden
bessere Preise und Konditionen
gewähren zu müssen, um sie nicht zu verlieren, in gleicher Weise wie bei einer vollständigen Beendigung der Zentralverhandlungen (vgl. o. Rn. 61). Unter diesen Umstän-den
ist jedenfalls nicht offensichtlich fehlerhaft, dass der Gesetzgeber eine Beschränkung des zentralen Verhandlungsmandats nicht als Alternative zu
dessen vollständiger
gesetzlicher
Absicherung erwogen hat.

6. Die Entwicklung des Handelsverkehrs wird durch die Nichtanwendung des [X.]ellverbots
auf die [X.] des [X.]n
nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt, das den Interessen der Europäischen [X.] zuwider läuft (Art. 106 Abs. 2 Satz 2 AEUV). Dabei kann dahinstehen, ob es sich hierbei um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal
für die
partielle
Befreiung von der Geltung des [X.]srechts handelt oder nur um eine negative Vorgabe für die Prüfung nach Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV (zum Meinungs-stand
vgl.
[X.] [X.]O Art. 106 AEUV Rn. 99).

Der Vertrieb
über das [X.] bezieht sich weitestgehend auf [X.] Zeitungen und Zeitschriften, die von [X.] [X.]en über 65
66
67
-
26
-

Einzelhändler im Inland an [X.] Leser verkauft werden sollen. Der
für
die
internationale Presse wichtige Bahnhofsbuchhandel
ist
nicht Teil des hier
in Rede stehenden
Vertriebssystems.
Im Hinblick auf diese Umstände
begegnet
schon die vom Berufungsgericht ohne weiteres angenommene Anwendbarkeit des Wettbewerbsrechts
der [X.] Zweifeln. Es fehlen Feststellungen dazu, ob das Vertriebssystem des [X.] zu einer spürbaren Handelsbeein-trächtigung zwischen Mitgliedst[X.]ten führt
(vgl. [X.]H, Urteil vom 16. Juni 1981 -
126/80, [X.]. 1981, 1563 Rn. 17 -
Salonia).
Jedenfalls ist ausgeschlossen, dass einer
im Übrigen zulässigen
Anwendung des Art. 106 Abs. 2 Satz 1 AEUV
eine
geringfügige
Beeinträchtigung des Handels entgegenstehen könnte, wie sie im vorliegenden Fall allenfalls in Rede stehen kann.

7. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen [X.] nach Art.
267 Abs.
3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. [X.]H, Urteil vom 6. Oktober 1982 -
283/81, [X.].
1982, 3415 Rn.
21 -
[X.].[X.]L.F.[X.]T.). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung von Art. 106 Abs. 2 AEUV, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder zweifelsfrei zu beantworten ist.
Unter Berücksichtigung des Spielraums der Mitgliedst[X.]ten bei der Definition und Ausgestaltung der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaft-lichem Interesse sowie der Rechtsprechung der [X.]sgerichte zu den Anforderungen
an
eine Betrauung und
die
Verhinderung der Aufgabenerfüllung
bestehen an der richtigen Anwendung des [X.]srechts im vorliegenden Fall keine vernünftigen Zweifel.

Auch eine Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der [X.]
besteht nicht. Eine Betrauung der hier vorliegenden Art
mit Leistungen des flächendeckenden und nichtdiskriminierenden Pressevertriebs
ist in der [X.]
bisher
einmalig.
68
69
70
-
27
-

II[X.] Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig (§ 561 ZPO). Die Anwendung von § 1 [X.] ist
nach § 30 Abs. 2a Satz 1 [X.]
ausgeschlossen. Der von der Klägerin im Wege einer Hilfsbegründung geltend gemachte
Anspruch aus
§ 21 Abs. 2 [X.] kommt als Grundlage für das Klagebegehren nicht in Betracht. Es ist nicht festgestellt, dass der
[X.] Druck ausgeübt
hat, um [X.]en zu einem nach § 21 Abs. 2 [X.]
verbotenen Verhalten zu veranlassen.
Eine andere Anspruchsgrundlage für den Unterlassungsantrag der Klägerin ist nicht ersichtlich. Der Senat
hat
daher in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist abzuweisen.
[X.]. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
[X.]
Meier-Beck
[X.]

Bacher
Deichfuß
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 14.02.2012 -
88 O ([X.]) 17/11 -

[X.], Entscheidung vom 26.02.2014 -
VI-U ([X.]) 7/12 -

71
72

Meta

KZR 17/14

06.10.2015

Bundesgerichtshof Kartellsenat

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 06.10.2015, Az. KZR 17/14 (REWIS RS 2015, 4387)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4387

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Wettbewerbsbeschränkung: Voraussetzung einer verbotenen Diskriminierung - Grossistenkündigung


Referenzen
Wird zitiert von

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I ZB 68/10

X ZR 79/13

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