Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2015, Az. X ZR 113/13

X. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 5761

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BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X [X.]
Verkündet am:
8. September 2015
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

PALplus
EPÜ Art. 54 Abs. 3
Eine ältere nachveröffentlichte Patentanmeldung ist bei der [X.] auch dann zu berücksichtigen, wenn sie nach ihrer [X.] zurückge-nommen wird oder als zurückgenommen gilt.
[X.], Urteil vom 8. September 2015 -
X [X.] -
[X.]

-
2
-
Der X.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 8.
September 2015 durch [X.], die Richter [X.], Dr.
Grabinski und [X.] sowie die Richterin Dr.
Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 3.
Juli 2013 verkündete Urteil des 5.
Senats ([X.]) des [X.] wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin ein Viertel und die Beklagte drei Viertel zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch für die [X.] erteilten [X.] Patents
595
790 (Streitpatent), das unter Inanspruchnahme der Priorität der [X.] Patentanmeldung 41
12
712.9 ([X.]) vom 18.
April 1991 am 9. April 1992 angemeldet wurde und nach [X.] durch Zeitablauf erloschen ist. Von insgesamt acht Patentansprüchen hat Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut:
"Verfahren zum kompatiblen Übertragen einer [X.]
(106) in nicht zum vertikalen Rücklauf 1
-
3
-
gehörenden Zeilen eines Fernsehsignals, wobei die [X.] in verbesserten 16:9-Empfängern auswertbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass als [X.] in der von [X.] freien Hälfte der ersten oder letzten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern ein Datenpaket übertragen wird, welches Einlauf-, Start-
und Nutzinformationsdaten enthält, wobei empfangsseitig die [X.] für
die phasen-richtige Rückgewinnung des Datentaktes der Nutzinformations-daten dienen und die Startinformationsdaten zur Adressierung der Nutzinformationsdaten sowie zur selektiven Erfassung des Beginns der Nutzinformationsdaten dienen, und dass die [X.] mindestens zwei der folgenden [X.] umfasst:
-

[X.], das kein [X.] ist und keine [X.] enthält;
-

[X.] ohne [X.];
-

[X.] von [X.] mit [X.];
-

[X.] von [X.] mit [X.], insbesondere mit einer Unterscheidung zwischen als statisch und als bewegt geltendem Bildinhalt der Halb-
oder Vollbilder."
Die Klägerin, die wegen Verletzung des Streitpatents in Anspruch ge-nommen wird, hat mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, dem Gegenstand des Streitpatents, das die angegebene Priorität nicht wirksam beanspruchen könne, fehle die Patentfähigkeit. Patentanspruch
2 und die Beschreibung ent-hielten jeweils unzulässige Erweiterungen. Weiterhin sei der Gegenstand nicht in einer für den Fachmann ausführbaren Weise offenbart.
2
-
4
-
Das Patentgericht hat das Streitpatent teilweise für nichtig erklärt, indem Patentanspruch
1 am Ende folgendes
Merkmal angefügt worden ist:
"und dass den [X.] ein Impuls der Dauer T2 vorangestellt ist, dessen Pegel der maximalen Amplitude Umax der Daten entspricht und dessen Breite ein Mehrfaches der [X.] der Daten umfasst."
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das [X.] nur noch beschränkt verteidigt, indem im erteilten Patentanspruch
1 das Wort "mindestens" sowie die letzten beiden Spiegelstriche und Patentan-spruch
2 vollständig gestrichen werden sollen. Die Klägerin, die ihre eigene Be-rufung zurückgenommen hat, tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Sendung von Fernseh-signalen.
1.
Nach der Beschreibung im Streitpatent ist bekannt, dass Fernseh-signale im Breitbildformat 16:9 gemäß der zum Prioritätszeitpunkt in Aussicht genommenen PALplus-Norm kompatibel zur damals gültigen PAL-Norm so übertragen werden, dass sie in herkömmlichen Fernsehempfängern mit dem Bildformat 4:3 als "[X.]" mit schwarzen Balken am oberen und unte-ren Bildrand wiedergegeben werden können. Damit Fernseher mit Bildschirmen im 16:9-Format aus dem [X.] das ursprüngliche Fernsehsignal mit einer erhöhten Bildauflösung generieren können, wird für die Zeilen der 3
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5
-
schwarzen Balken der Schwarzwert angehoben, so dass in diesen Zeilen [X.] übertragen werden können.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, mit dem Fernsehsignal [X.] zur jeweils übertragenen Signalart auf eine den
bisherigen Standard möglichst wenig berührende Weise mit zu übertragen.
2.
Zur Lösung schlägt Patentanspruch
1 in der im [X.] verteidigten Fassung ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Gliederungsziffern gemäß dem patentgerichtlichen Urteil, [X.] mit teilweise entsprechend dem technischen Ablauf geänderter Abfolge):
1.
Das Verfahren ist zum kompatiblen Übertragen einer Sig-nalart-Zusatzinformation (106) in Zeilen eines [X.] geeignet.
1.1
Die [X.] wird in Zeilen des [X.] übertragen, die nicht zum vertikalen Rücklauf gehö-ren.
3a.
Die [X.] wird in der von Bildsig-nalen freien Hälfte der ersten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen
oder
3b.
die [X.] wird in der von Bildsig-nalen freien Hälfte der letzten aktiven Bildzeile von Fernsehbildern übertragen.
2.
Die [X.] ist in verbesserten 16:9-Empfängern auswertbar.
4.
Als [X.] wird ein Datenpaket übertra-gen.
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6
-
4.1
Das Datenpaket enthält Einlauf-, Start-
und Nutzinfor-mationsdaten.
4.2
Die [X.] dienen empfangsseitig für die phasenrichtige Rückgewinnung des Datentaktes der Nutzinformationsdaten.
4.3
Die Startinformationsdaten dienen zur Adressierung der Nutzinformationsdaten sowie zur selektiven Erfassung des Beginns der Nutzinformationsdaten.
5.
Die [X.] umfasst die beiden fol-genden [X.]:
5.1
[X.], das kein [X.] ist und keine [X.] enthält,
5.2
[X.] ohne [X.].
3.
Im Hinblick auf zwei Merkmale bedarf der Patentanspruch näherer Erläuterung:
a)
Merkmal
1 ist dahin zu verstehen, dass bei einem kompatibel übertragenen Fernsehsignal das Fernsehbild sowohl von herkömmlichen [X.] gemäß dem alten [X.] im Bildformat 4:3 als auch von neueren [X.] im Breitbildformat 16:9 nach dem [X.] wiedergeben werden können.
b)
Die Merkmale 3a und 3b beschreiben konkret, an welchen Stellen im übertragenen Fernsehbild die [X.] übertragen wer-den kann, und bestimmen
damit Merkmal 1.1 näher. Gemäß dem zum Priori-tätszeitpunkt etablierten [X.] werden die Fernsehbilder im Zeilen-sprungverfahren mit zwei [X.]ern übertragen, indem in jedem [X.] von 9
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-
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einer Zeile jeweils zur übernächsten Zeile gesprungen und die übersprungenen Zeilen jeweils vom nächsten [X.] übertragen werden. Dabei beginnt das erste [X.] in dessen erster Zeile erst in der Mitte der Zeile, so dass deren erste Hälfte frei bleibt, und im zweiten [X.] endet die letzte Zeile bereits in der Mitte, so dass deren zweite Hälfte frei bleibt.
II.
Das Patentgericht hat die Neuheit des Gegenstands von Pa-tentanspruch
1 in der von der Beklagten bereits in erster Instanz als ersten Hilfsantrag verteidigten Fassung verneint.
Das Streitpatent habe nur einen Zeitrang vom 9.
April 1992; es könne die Priorität der [X.] nicht wirksam in Anspruch nehmen. Die [X.] betreffe nicht dieselbe Erfindung. Unter anderem gehe eine [X.] für die Signalart "Letterbox ohne Zusatzinfo" (Merkmal
5.2) aus der [X.] nicht her-vor.
Die europäische Patentanmeldung
555
918 ([X.]) sei für die Neuheits-prüfung gemäß Art.
89 iVm Art.
54 Abs.
3 EPÜ zu berücksichtigen, weil sie wirksam die Priorität der vor dem Streitpatent angemeldeten [X.] Pa-tentanmeldung 92
200
407.2 ([X.]) beanspruche. Dem stehe nicht entgegen, dass die in [X.] formulierten Patentansprüche einen anderen Gegenstand [X.] als die in der [X.] formulierten Patentansprüche. Entscheidend sei vielmehr, dass der Gegenstand der [X.], soweit er im Streitfall für den Neu-heitsvergleich herangezogen werde, von dem gesamten [X.] der [X.] einschließlich seiner Ausführungsbeispiele mit umfasst gewesen sei.
Die [X.] nehme sämtliche Merkmale des Patentanspruchs
1 sowohl in der erteilten als auch in der -
nunmehr im Berufungsverfahren allein, in erster Instanz noch hilfsweise
-
verteidigten Fassung vorweg.
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-
Die [X.] befasse sich mit Zusatzsignalen in einer PALplus-System-umgebung zur Übertragung von Steuerdaten in Form von [X.]. Als [X.] für solche Systemparameter benenne sie explizit unter anderem das [X.] (4:3 oder 16:9), ob es sich um ein [X.] oder ein Stan-dard-PAL-Signal handele und ob die "schwarzen Balken" bei Übertragung eines 16:9-Bildes als 4:3-Bild-Videoinformationen zur Erhöhung der vertikalen Auflö-sung enthielten. Diese [X.] stellten gemäß ihrer Funktion [X.]en dar, die nach der weiteren Beschreibung der [X.] in der freien Hälfte der ersten aktiven Zeile eines [X.] zu übertragen seien (Merkmale
1.1,
3a) und von einem verbesserten 16:9-Empfänger ausge-wertet werden könnten (Merkmal
2). Mit dem Vorschlag, die [X.] an einem standardgemäß freien Platz der Bildzeile zu übertra-gen, werde dem Fachmann eine zum normalen PAL-Fernsehsignal kompatible Übertragungsmöglichkeit mitgeteilt (Merkmal
1). Die [X.] werde als [X.] und somit als Datenpaket übertragen (Merkmal
4). [X.] der Beschreibung der [X.] könne diese [X.] eine Präambel auf-weisen mit einem Trainingssignal für die Datensynchronisation zur phasenrich-tigen Rückgewinnung im Empfangsgerät (Merkmal
4.2). Weiterhin enthalte die Präambel eine Sequenz zur präzisen Lokalisierung des [X.] im PALplus-Steuersignal, die damit der Adressierung und
der selektiven Erfassung der Nutzinfomationsdaten diene (Merkmal
4.3). Daraus ergebe sich ein [X.] mit Einlauf-, Start-
und Nutzinformationsdaten (Merkmal
4.1).
Mit der übertragenen [X.] erhalte das [X.] Informationen über Fernsehsignalarten (Merkmal
5),
wie über das Bild-format (4:3 oder 16:9), womit das Empfangsgerät ein [X.]-Signal im Bildformat
4:3 erkennen könne (Merkmal
5.1). Weiterhin werde im Falle des [X.]s die Zusatzinformation übertragen, ob die bei einem 16:9-Format mitübertragenen "schwarzen" Letterbox-Balken Videoinformationen 16
17
-
9
-
enthielten. Der Fachmann erkenne, dass damit auch angezeigt werde, wenn dies nicht der Fall sei, die Zeilen der schwarzen Balken mithin keine [X.] enthielten. Folglich kennzeichne diese [X.] unmittelbar auch ein [X.] ohne [X.] (Merk-mal
5.2).
III.
Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand.
1.
Im Ergebnis zu Recht weist das Patentgericht dem Streitpatent den Zeitrang seiner Anmeldung vom 9.
April 1992 zu. Das Streitpatent kann die Priorität der [X.] Voranmeldung ([X.])
vom 18.
April 1991 nicht in An-spruch nehmen.
a)
Gemäß Art. 87 Abs. 1 EPÜ kann die Priorität einer früheren [X.] nur dann in Anspruch genommen werden, wenn diese dieselbe Erfin-dung betrifft. Dies setzt voraus, dass die mit der späteren Anmeldung [X.] dem Fachmann in der früheren Anmeldung in ihrer Gesamtheit als zu der angemeldeten Erfindung gehörend offenbart ist ([X.], Urteil vom 11. September 2001 -
X [X.], [X.]Z 148, 383, 391 -
Luftverteiler). Für die Beurteilung der identischen [X.] gelten die Prin-zipien der [X.] ([X.], Urteil vom 14. Oktober 2003 -
X [X.], GRUR 2004, 133, 135 -
Elektronische Funktionseinheit; Urteil vom 14. August 2012 -
X [X.], [X.], 1133 Rn. 30 -
UV-unempfindliche Druckplatte).
b)
Jedenfalls Merkmal
5.2 ist in dem [X.] [X.] nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
Die Übertragung einer [X.] für das Senden von [X.]en ohne (Video-)Zusatzinformationen in den Zeilen der "schwarzen Balken" wird in der [X.] nicht ausdrücklich erwähnt. Der Fach-18
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-
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-
mann, den das Patentgericht zutreffend als einen Diplomingenieur der Nach-richtentechnik mit Hochschulausbildung sowie besonderen Erfahrungen und Kenntnissen in der Fernsehübertragungstechnik einschließlich der dabei zu be-rücksichtigenden Standardisierungsvorschriften definiert hat, vermag dieses Merkmal auch nicht der Gesamtheit der in der [X.] offenbarten Informationen und Hinweise zu entnehmen.
Soweit die [X.] zum Stand der Technik ausführt, zumindest in einer Übergangszeit würden auf einem vorhandenen Fernsehkanal sowohl herkömm-liche als auch "Letterbox"-Signale übertragen, weshalb jeder Signaltyp durch eine geeignete Kennung identifizierbar sein müsse (Sp.
1 Z.
16 bis
20), ent-nimmt der Fachmann daraus die Anregung, solche Kennungen zu generieren. Im Sinne einer eindeutigen und unmittelbaren [X.] liest der Fachmann dabei jedoch nur Kennungen für Bildformate und Übertragungsmodi mit, deren Übertragung damals bereits als Standard etabliert oder formuliert war. Das Ge-nerieren von noch nicht als Standard etablierten Kennungen für andere Über-tragungsformen bedarf nicht zuletzt hinsichtlich ihrer Zweckmäßigkeit einer [X.] Überlegung des Fachmanns. Da das Senden einer Kennung für die Über-tragung von 16:9-Bildformaten ohne Videozusatzinformationen in den Zeilen der schwarzen Balken zum Zeitpunkt der Anmeldung der [X.] weder zum [X.] noch zum [X.] gehörte, zählt diese Kennung nicht zu denjenigen, die von der [X.] offenbart werden.
Patentanspruch
1 geht in der von der Beklagten im Berufungsverfahren verteidigten Fassung somit über den [X.] der
[X.] hinaus und kann die Priorität nicht in Anspruch nehmen. Inwieweit auch die weiteren vom Patentgericht angeführten Gründe einer Inanspruchnahme der Priorität entge-genstehen, kann offen bleiben.
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-
2.
Zu Recht hat das Patentgericht angenommen, dass der Gegen-stand von Patentanspruch
1 in der im Berufungsverfahren verteidigten Fassung nicht neu
ist. Die [X.] offenbart diesen Gegenstand mit einem früheren Zeit-rang.
a)
Der [X.] kommt gemäß Art.
89
EPÜ der
von ihr
in Anspruch [X.] der [X.] zu.
aa)
Beide Druckschriften stimmen weitestgehend überein. [X.] was
die vom Patentgericht herangezogenen Beschreibungen anbelangt, aus denen das Patentgericht die Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Streitpatents abgeleitet hat, sind der Wortlaut der
[X.] und der Wortlaut der [X.] praktisch
identisch. In beiden Druckschriften wird, wie auch die Beklagte zuletzt nicht mehr in Abrede gestellt hat,
dieselbe Erfindung offenbart.
bb)
Der Inanspruchnahme der Priorität steht nicht entgegen, dass [X.] des [X.]s der [X.] nicht in den in der [X.] formulierten [X.] enthalten sind. Für die Priorität reicht es gemäß Art.
88 Abs.
4 EPÜ aus, dass entsprechende Ausführungen
in der Beschreibung der [X.] enthal-ten sind, denn maßgeblich ist der gesamte Inhalt der Voranmeldung.
cc)
Die ältere Anmeldung ist
zu einem Zeitpunkt veröffentlicht worden, zu dem sie
noch anhängig war. Damit ist sie für die [X.] gemäß Art.
54 Abs.
3 EPÜ zu berücksichtigen, auch wenn die Anmeldung seit 1996 wegen Nichtzahlung einer Jahresgebühr als zurückgenommen gilt. Eine ältere Anmeldung ist wegen ihrer Rücknahme, Zurückweisung oder Erledigung durch Nichtzahlung der Jahresgebühr nur dann nicht mit ihrem [X.] zu be-rücksichtigen, wenn sie infolgedessen zum Zeitpunkt der
[X.] nicht mehr anhängig war
(vgl. [X.]/Mellulis, EPÜ, 2.
Aufl., Art.
54 Rn.
201a; [X.], [X.], 10.
Aufl., §
3 Rn.
74c; Busse/Keukenschrijver, [X.], 25
26
27
28
29
-
12
-
7.
Aufl., §
3 Rn.
147; [X.]/[X.], [X.], 9.
Aufl., §
3 [X.]/Art.
54 EPÜ Rn.
78; Singer/[X.]/[X.], EPÜ, Art.
54 Rn.
114; B[X.]E 33, 171, 173
f.; siehe auch [X.] vom 9.
Dezember 1981 -
J
05/81, ABl.
1982, 155, 157). Wird die Anmeldung nach ihrer [X.] zurückgenommen, fällt damit zwar auch die Möglichkeit einer [X.]
weg. Dies rechtfertigt aber kein einschränkendes Verständnis des Art. 54 Abs. 3 EPÜ, der
kein Doppelpa-tentierungsverbot formuliert, sondern zum Stand der Technik den

gesamten

Inhalt einer älteren nachveröffentlichten [X.] Patentanmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung zählt. Schon die Entscheidung des [X.] für die Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Anmeldung ("whole content approach") und gegen die vom [X.] in Art. 4 Abs. 3 und Art. 6 eröffnete Möglichkeit, auf die [X.] der früheren Anmeldung abzustellen ("prior claim approach"), macht deutlich, dass die (umfassende) Berücksichtigung älterer
Anmeldungen bei dem für die [X.] maßgeblichen Stand der Technik nicht nur dazu be-stimmt ist, einer [X.] vorzubeugen. Sie soll auch
den Erstan-melder
vor einer Einschränkung seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit durch die Erteilung eines Patents
auf die von
ihm offenbarte Erfindung
aufgrund
einer
späteren
Anmeldung eines Dritten schützen (vgl. zu §
3 Abs.
2 [X.]: BT-Drucks.
7/3712 S.
29 li.
Sp.).
Dieser Schutzzweck verliert nicht an Bedeutung, wenn der ältere Anmelder sich nach der [X.] seiner Anmeldung entscheidet, die Anmeldung zurückzunehmen und damit die Erfindung für die Allgemeinheit freizugeben, deren technisches Wissen durch die erneute Offen-barung einer ihr bereits zur Verfügung stehenden technischen Lehre nicht be-reichert wird.
b)
Die [X.] betrifft ein erweitertes Fernsehsignal mit Steuerdaten zum Steuern eines erweiterten Fernsehdecoders.
30
-
13
-
aa)
Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt
hat, offenbart
die [X.] die Merkmale
1 bis
5.1 (ohne das alternative Merkmal
3b). Dies wird von der Berufung auch nicht in Frage gestellt.
bb)
Für das verbleibende Merkmal 5.2 gilt nichts anderes.
Die Beschreibung der [X.] offenbart
weiterhin:
"In the PALplus system, [X.], which indicate important sys-tem parameters such as, [X.] (4:3 or nal or a standard PAL signal, whether the "black bars", which result when a 16:9 aspect ratio picture is transmitted within a 4:3 aspect ratio picture, [X.]

(Sp.
3 Z.
21 -
33).
Dem ist unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass in dem offenbar-ten Übertragungssystem [X.] vorgesehen sein können, die nicht nur [X.], ob es sich bei dem übertragenen Signal um ein [X.] oder ein [X.]-Signal handelt. Für Letzteres bedürfte es -
wie dem Fachmann offensichtlich ist
-
nur einer
der drei genannten, in den [X.] codierten Informationen.
Eine offenbarte Lehre ist aus fachmännischer Sicht grundsätzlich als ein sinnvolles Ganzes
zu verstehen; ihre Aussagen sollen weder
zu einem wider-sprüchlichen noch zu einem sinnlosen Bedeutungsgehalt führen (vgl. [X.] Ur-teil vom 12.
Mai 2015 -
X
ZR
43/13, [X.], 875 Rn.
16 -
Rotorelemente). Die beiden anderen mit [X.] codierten Informationen zum Bildseitenver-hältnis und zu den Videozusatzinformation in den Zeilen der schwarzen Balken ergeben nur einen Sinn, wenn hiermit auch Modi ermöglicht werden, die weder vollständig dem [X.]-Signal mit einem Bild im [X.] 4:3 noch vollständig dem [X.] mit einem Bild im [X.] 16:9 und 31
32
33
34
35
-
14
-
Videozusatzinformationen
in den Zeilen der schwarzen Balken entsprechen. Daraus ergibt sich für die dritte in den [X.] codierte Information, dass mit den beiden möglichen Werten "0" und "1", die ein Steuerbit annehmen
kann, angezeigt wird, ob bei einem 16:9-Bild in einer 4:3-Bildübertragung die Zeilen in den schwarzen Balken Videozusatzinformationen enthalten oder nicht.
Soweit die Beklagte meint, die Lehre der [X.] bleibe an der erörterten Stelle entsprechend den zitierten einleitenden Worten "In the PALplus system" diesem System verhaftet und stehe einem Verständnis entgegen, das aus die-sem System herausführe, entspricht dies nicht dem Bedeutungsgehalt der [X.]. Die dritte Information bezieht sich ausdrücklich auf den Fall, dass ein 16:9-Bild mit schwarzen Balken in einem 4:3-Bildformat übertragen wird. Für diesen Fall soll die Information gegeben werden, ob in den Zeilen der schwar-zen Balken Videozusatzinformationen enthalten sind. Die Information wäre für diesen Fall bedeutungs-
und sinnlos, wenn damit nicht auch das Gegenteil an-gezeigt werden können soll, also ein 16:9-Bild mit schwarzen Balken in einem 4:3-Bildformat ohne Videozusatzinformationen. Denn sonst wäre das Steuerbit für diese Information bei einer PALplus-Übertragung immer auf "1" für "ja" zu setzen, während bei einer [X.]-Übertragung das Steuerbit auf "0" zu setzen und dieser letztere Fall im Übrigen vom Empfänger nicht auszuwerten wäre. Das Steuerbit wäre damit synchron zum Steuerbit der zweiten Information (PALplus oder [X.]) und redundant. Ebenso wäre auch die erste in den [X.] codierte Information (4:3-
oder 16:9-Format) synchron und re-dundant zur zweiten Information, wenn ein 16:9-Bild immer nur im PALplus-Format übertragen würde. Da für eine solche Redundanz kein Sinn ersichtlich ist, zeigt die Aufzählung der drei oben dargestellten, in [X.] codierten In-formationen dem Fachmann, dass mit diesen Informationen [X.] gekennzeichnet werden können, die weder
einem 4:3-[X.]-Bild noch
einem 16:9-PALplus-Bild vollständig entsprechen. Dazu gehört, 36
-
15
-
dass mit den [X.] auch die Verneinung der dritten Information signalisiert werden soll, mithin der Umstand, dass die schwarzen Balken bei einem 16:9-Bild in einem 4:3-Übertragungsformat keine Videozusatzinformationen enthal-ten (Merkmal
5.2).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
121 Abs.
2 [X.], §
92 Abs.
1, §
97 Abs.
1, §
516 Abs.
3 ZPO.
Meier-Beck
[X.]
Grabinski

[X.]
Kober-Dehm
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 03.07.2013 -
5 Ni 19/12 (EP) -

37

Meta

X ZR 113/13

08.09.2015

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2015, Az. X ZR 113/13 (REWIS RS 2015, 5761)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 5761

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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