Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.11.2010, Az. I R 73/09

1. Senat | REWIS RS 2010, 1741

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Gegenstand

Steuerrechtliche Berücksichtigung von Beiträgen zu niederländischer Krankenversicherung


Leitsatz

1. NV: Beiträge zu einer niederländischen Krankenversicherung können jedenfalls dann nicht als Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sich entsprechende Beiträge zu einer deutschen Versicherung im Hinblick auf die für Vorsorgeaufwendungen geltenden Abzugsbeschränkungen nicht auswirken würden .

2. NV: Beiträge zu einer Krankenversicherung können nicht bei der Bemessung des anzuwendenden Steuersatzes (negativer Progressionsvorbehalt) berücksichtigt werden .

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob Beiträge zur [X.] Krankenversicherung steuermindernd berücksichtigt werden können.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr (2005) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie aus Vermietung und Verpachtung; die Klägerin war in [X.] nichtselbständig tätig. In diesem Zusammenhang wurden für die Klägerin in [X.] Beiträge zur dortigen Krankenversicherung gezahlt.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) behandelte bei der Festsetzung der Einkommensteuer für das Streitjahr die Einkünfte der Klägerin als steuerfrei, bezog sie aber gemäß § 32b des Einkommensteuergesetzes in seiner für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG 2002) in die Bemessung des Steuersatzes ein. Dabei berücksichtigte er die Beiträge zur [X.] Krankenversicherung insgesamt nicht als steuermindernde Posten. Während eines deshalb geführten Klageverfahrens ist unstreitig geworden, dass --entgegen der ursprünglichen Sachbehandlung seitens des [X.]-- der Arbeitgeberbeitrag die Einkünfte der Klägerin mindert; dem hat das [X.] erstinstanzlich durch die Einschränkung seines Antrags auf Klageabweisung Rechnung getragen. Das Finanzgericht ([X.]) hat die Klage, soweit das Begehren der Kläger über den Antrag des [X.] hinausging, abgewiesen ([X.] Köln, Urteil vom 26. Mai 2009  1 K 3199/07); sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 415 abgedruckt.

4

Mit ihrer vom [X.] zugelassenen Revision rügen die Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen sinngemäß, das Urteil des [X.] aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass bei der Bemessung des Steuersatzes Einkünfte der Klägerin in Höhe von 17.336 DM berücksichtigt werden.

5

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Der angefochtene Steuerbescheid ist nicht zum Nachteil der Kläger rechtsfehlerhaft.

7

1. Die Einkünfte der Klägerin aus ihrer Tätigkeit in den Niederlanden sind nach dem Abkommen zwischen der [X.] und dem [X.] zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete ([X.] 1960, 1782, BStBl I 1960, 382) --DBA-Niederlande-- von der Einkommensteuer befreit. Sie sind aber gemäß § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002 in die Ermittlung eines besonderen Steuersatzes einzubeziehen, der auf das zu versteuernde Einkommen der Kläger anzuwenden ist ("Progressionsvorbehalt"). Darüber herrscht zwischen den Beteiligten kein Streit.

8

2. Das [X.] hat es im Ergebnis zu Recht abgelehnt, die von der Klägerin gezahlten Beiträge zur [X.] Krankenversicherung als Sonderausgaben i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002 abzuziehen. In diesem Zusammenhang kann im Streitfall offenbleiben, ob ein solcher Abzug im Grundsatz zulässig ist. Insbesondere muss nicht entschieden werden, ob aus europarechtlichen Gründen in einem anderen Staat der [X.] geleistete Versicherungsbeiträge trotz § 10 Abs. 2 EStG 2002 in [X.] abziehbar sind, wenn die Einkünfte aus jenem Staat --hier: aus den [X.] durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Einkommensteuer befreit sind (vgl. dazu Gerichtshof der [X.], Urteil vom 19. November 2009 [X.]/08 "[X.]", Internationales Steuerrecht 2009, 892). Denn das [X.] hat unwidersprochen und in Übereinstimmung mit der Aktenlage vorgetragen, dass eine zusätzliche Berücksichtigung jener Beiträge im Hinblick auf die für Vorsorgeaufwendungen geltenden Abzugsbeschränkungen (§ 10 Abs. 3 EStG 2002) nicht zu einer Verminderung der festzusetzenden Steuer führen würde. Daher liegt eine den Klägern nachteilige Ungleichbehandlung der streitigen Vorsorgeaufwendungen mit vergleichbaren im Inland gezahlten Aufwendungen nicht vor. Vielmehr ist in beiden Konstellationen für eine Minderung der festgesetzten Steuer durch einen zusätzlichen Sonderausgabenabzug kein Raum.

9

3. Ebenso können die streitigen Aufwendungen nicht bei der Bemessung des auf das zu versteuernde Einkommen der Kläger anzuwendenden Steuersatzes berücksichtigt werden. Maßgeblich ist insoweit zum einen § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG 2002, nach dem u.a. durch ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der [X.] Besteuerung freigestellte Einkünfte im Rahmen des [X.] zu berücksichtigen sind. Daran anknüpfend bestimmt zum anderen § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG 2002, dass die betreffenden Einkünfte den anzuwendenden Steuersatz erhöhen oder vermindern. In die von § 32b Abs. 2 Nr. 2 EStG 2002 vorgeschriebene Berechnung gehen demnach nur Einkünfte ein. Sonderausgaben zählen indessen nicht zu den Einkünften, sondern werden erst im [X.] an die Ermittlung der Einkünfte vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (§ 2 Abs. 4 EStG 2002). Das schließt ihre Berücksichtigung im Rahmen des [X.] aus.

Die von den Klägern begehrte Rechtsfolge könnte mithin nur dann eintreten, wenn die in Rede stehenden Versicherungsbeiträge nicht den Sonderausgaben, sondern den Werbungskosten zuzuordnen wäre. Das ist aber nicht der Fall, da Beiträge zur Krankenversicherung ein allgemeines Lebensrisiko abdecken (Kulosa in [X.]/[X.]/[X.], Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 10 EStG [X.] 155; Blümich/[X.], § 10 EStG [X.] 171). Anders kann es bei einer Versicherung sein, die speziell ein berufliches Risiko betrifft (Bundesfinanzhof, Urteil vom 13. April 1976 [X.]/73, [X.], 149, [X.] 1976, 599); darum geht es jedoch im Streitfall erkennbar nicht. Daher hat das [X.] einen Werbungskostenabzug --und in der Folge eine Berücksichtigung der Aufwendungen im Rahmen des [X.]-- zu Recht abgelehnt.

Meta

I R 73/09

03.11.2010

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend FG Köln, 26. Mai 2009, Az: 1 K 3199/07, Urteil

§ 10 Abs 1 Nr 2 EStG 2002, § 10 Abs 3 EStG 2002, § 32b Abs 1 Nr 3 EStG 2002, § 32b Abs 2 Nr 2 EStG 2002, § 9 Abs 1 EStG 2002, § 10 Abs 2 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 03.11.2010, Az. I R 73/09 (REWIS RS 2010, 1741)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1741

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