Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2011, Az. VI ZR 5/10

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 2281

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BUNDES[X.]ERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]

Verkündet am:

18. Oktober 2011

Holmes

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der [X.]eschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
B[X.]HZ:
nein
B[X.]HR:
ja
B[X.]B § 823 Ah, [X.]; KU[X.] §§ 22, 23; [X.][X.] Art. 1 Abs.1, Art. 2 Abs. 1
Zur Zulässigkeit der [X.] kontextbezogener Fotos in einem Presse-artikel über Prominente beim Besuch einer Vernissage.
B[X.]H, Urteil vom 18. Oktober 2011 -
VI [X.] -
K[X.]

L[X.] Berlin

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
18.
Oktober 2011
durch den
Vorsitzenden
Richter [X.]alke, die Richter
[X.], Pauge
und Stöhr
und die Richterin von Pentz
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel
der Beklagten werden das
Urteil des
10. Zivil-senats des
Kammergerichts
vom 26.
November
2009 aufgehoben und
das Urteil
des [X.] vom 11.
September 2008
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Klägerin, eine Tochter von [X.] und Nichte des Staatsoberhaupts des [X.], verlangt von der [X.]
als Verlegerin der Zeitschrift "[X.]" die Unterlassung einer [X.].
In der
Ausgabe
Nr.
16 der Zeitschrift vom 10.
April 2008 wurde unter der Überschrift "[X.] der [X.]OLDKINDER" ein Artikel veröffentlicht, der unter anderem mit einem die Klägerin zeigenden Foto bebildert ist, in das fol-gender Text eingeblendet ist: "IM [X.]EDRÄN[X.]E der Vernissage: [X.]alerist und Millionenerbe [X.] und eine Besucherin diskutieren mit der jungen Kunstko-1
2
-

3

-

lumnistin [X.] die Werke eines [X.] in der Scream [X.]allery, die [X.] gehört".
Der Artikel befasst sich mit dem [X.] Nachtleben der in der Berichterstattung sogenannten "[X.]", unter anderem
mit dem Besuch der Klägerin
in der Vernissage anlässlich
der
Eröffnung einer Ausstellung des [X.] [X.] in der Scream [X.]allery.
Das [X.] hat die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, "das Foto auf Seite
22 in [X.] Nr.
16 vom 10.4.2008 mit der Bildinnenschrift "IM [X.]E-DRÄN[X.]E der Vernissage:
[X.]alerist und Millionenerbe [X.] und eine Besu-u.a. [X.] zeigt, erneut zu veröffentlichen". Die Berufung der [X.] hat das Oberlandesgericht
zurückgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsan-trag weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht
der Klägerin ein Unterlas-sungsanspruch analog §
1004 Abs.
1 Satz
2 B[X.]B i.V.m. §
823 Abs.
1, Abs.
2 B[X.]B, §§
22
f. KU[X.], Art.
2 Abs.
1, Art.
1 Abs.
1 [X.][X.] zu. Nach
dem vom
erken-nenden Senat entwickelten abgestuften Schutzkonzept erweise sich die ange-griffene Bildberichterstattung bei Abwägung der betroffenen [X.]rundrechtspositi-onen als rechtswidrig. Eine konkludente Einwilligung der Klägerin in die streit-gegenständliche Bildveröffentlichung liege nicht vor. Diese
sei auch nicht nach §
23 Abs.
1 Nr.
1 KU[X.] gerechtfertigt, weil
sich dem begleitenden Bericht weder 3
4
-

4

-

eine Auseinandersetzung mit
einer die Öffentlichkeit bewegenden Frage noch ein Beitrag zu einer [X.] entnehmen lasse. Der Umstand, dass die porträtierte "[X.]" eine gesellschaftliche Erscheinung darstelle, reiche nicht aus. Die Klägerin, die weder ein Amt bekleide noch
eine offizielle Funktion ausübe, sei auch nicht derart in Erscheinung getreten, dass über sie losgelöst von einem konkreten Anlass berichtet werden dürfe. Die Bildveröffentlichung sei auch nicht deswegen gerechtfertigt,
weil der
Bericht erwähne, dass die Klägerin für das "[X.]" einen Beitrag über Kunst verfasst habe. Ein Zu-sammenhang zwischen der Autorenschaft in diesem Magazin und dem Besuch der Vernissage bestehe
nicht.

II.
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist die Auffassung des Berufungsgerichts, eine konkludente Einwilligung der Klägerin in die streitgegenständliche Bildveröffent-lichung habe nicht vorgelegen (vgl. §
22
Satz 1
KU[X.]). Nur aus ihrer
Teilnahme an der [X.] und einer von der Beklagten behaupteten Kennt-nis
davon, dass Fotos angefertigt wurden, ist nicht auf eine konkludente Einwil-ligung zu schließen. Irgendwelche Handlungen der Klägerin, aus denen der [X.] auf eine solche Einwilligung hätte schließen können, sind nicht dargetan (vgl. Senatsurteil vom 13.
April 2010 -
VI
ZR 125/08, [X.], 1090 Rn.
11).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht
der Klägerin der geltend gemachte
Unterlassungsanspruch entsprechend
§
1004 Abs.
1 Satz
2 B[X.]B,
§
823 Abs.
1, Abs.
2 B[X.]B, §§
22, 23 KU[X.], Art.
1 Abs.
1 [X.][X.], Art.
2 Abs.
1 5
6
7
-

5

-

[X.][X.]
nicht zu. Die beanstandete Bildveröffentlichung war nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§
22, 23 KU[X.] zulässig.
a) Das Berufungsgericht beurteilt die Zulässigkeit der [X.] im Ansatz zu Recht nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§
22, 23 KU[X.] (vgl. etwa
Senatsurteile vom 6.
März 2007 -
VI
ZR 51/06, B[X.]HZ
171, 275 Rn.
9
ff.; vom 10.
März
2009
-
VI
ZR 261/07, B[X.]HZ
180, 114 Rn.
9
ff.;
vom 7.
Juni 2011
-
VI
ZR 108/10, VersR
2011, 1065 Rn.
14
ff., jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerf[X.]E
120, 180, 201
f., 211
ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen [X.]erichtshofes für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. E[X.]MR, NJW
2004, 2647
Rn. 45 ff.). Danach dürfen
Bildnisse einer Person grundsätzlich mit deren -
hier nicht vor-liegenden
-
Einwilligung verbreitet werden (§
22 Satz
1 KU[X.]). Hiervon besteht allerdings gemäß §
23 Abs.
1 KU[X.] eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§
23 Abs.
2 KU[X.]).
aa) Nach diesem Schutzkonzept erfordert schon die Beurteilung, ob Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte vorliegen, eine Abwägung zwi-schen den Rechten des Abgebildeten aus Art.
1 Abs.
1, Art.
2 Abs.
1 [X.][X.], Art.
8 Abs.
1 [X.] einerseits und den Rechten der Presse aus Art.
5 Abs.
1 Satz
2 [X.][X.], Art.
10 Abs.
1 [X.] andererseits (vgl. etwa Senatsurteile vom 10.
März 2009 -
VI
ZR 261/07, aaO, Rn.
10; vom 7.
Juni 2011 -
VI
ZR 108/10, aaO,
Rn.
17
mwN). Der Begriff des Zeitgeschehens ist zugunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinne zu verstehen; er umfasst nicht nur Vorgänge von histo-risch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaft-lichem Interesse. Die grundrechtliche [X.]ewährleistung umfasst auch unterhal-tende Beiträge, etwa über das Privat-
oder Alltagsleben prominenter Personen, 8
9
-

6

-

sowie die Abbildung von Personen (vgl. Senatsurteile vom 26.
Oktober 2010 -
VI
ZR 190/08, [X.], 127
Rn.
14; vom 13.
April 2010 -
VI
ZR 125/08, aaO,
Rn.
13 mwN). Allerdings bedarf es bei unterhaltenden Inhalten im beson-deren Maß einer abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtsposi-tionen. Für die Abwägung ist von maßgeblicher Bedeutung, ob die Medien im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse ernsthaft und sachbezogen erörtern, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllen und zur Bildung der öffentlichen Meinung beitragen,
oder ob sie -
ohne Bezug zu einem zeitgeschichtlichen Ereignis
-
lediglich die Neugier der Leser oder [X.] nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigen (vgl. Senatsurteil vom 13.
April 2010 -
VI
ZR 125/08, aaO,
Rn.
14 mwN). Insoweit reicht allerdings bereits die Möglichkeit aus, dass der Beitrag der Meinungsbil-dung zu Fragen von allgemeinem Interesse dienen kann (vgl. Senatsurteil vom 1.
Juli 2008 -
VI
ZR 67/08, VersR
2008, 1411 Rn.
30; BVerf[X.]E
120, 183, 203; E[X.]MR, Urteile vom 16.
November 2004, Beschwerde-Nr.
53678/00, [X.] und [X.] gegen
Finnland,
NJW 2006, 591
Rn.
40; vom 1.
März 2007, Be-schwerde-Nr.
510/04, [X.] u.a. gegen
Norwegen, §
82).
bb) Nach diesen [X.]rundsätzen liegt bei Berücksichtigung des [X.]esamt-kontextes der [X.] einschließlich der Wortberichterstattung ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte vor. Es handelt sich um einen un-terhaltenden Beitrag über das Privat-
oder Alltagsleben prominenter Personen, der Anlass zu sozialkritischen Überlegungen sein kann. Auch wenn
[X.]egen-stand des Beitrags dabei -
wie im Fall der Klägerin
-
nicht durchweg Personen sind, die ein Amt
innehaben
oder eine sonstige Position im öffentlichen Leben ausfüllen, interessiert es weite Kreise der Öffentlichkeit zu erfahren, dass
junge Menschen als Abkömmlinge reicher und/oder adliger Prominenz
an einem [X.] Abend
ihre Freizeit
in der in dem Artikel geschilderten Weise
gestalten. In diesem Zusammenhang wird auch über die Eröffnung der Vernissage berichtet, 10
-

7

-

bei der das beanstandete Foto aufgenommen wurde. Obgleich es sich um eine geschlossene Veranstaltung für geladene [X.]äste handelte, war ein Fotograf
ei-ner bekannten Bildagentur
anwesend, der von den [X.]ästen Aufnahmen
anfertig-te. Die Fotos konnten allgemein bezogen werden. Damit kann sich die Klägerin im Zusammenhang mit dem veröffentlichten Foto nicht mehr auf einen
ge-schlossenen
Charakter der Veranstaltung berufen.
Bei einer solchen Veranstal-tung ist es
ohnehin
nicht
ungewöhnlich, dass nur geladene [X.]äste Einlass [X.],
aber
dennoch publikumswirksam darüber berichtet wird, zumal die [X.]allerie
dem "[X.]"
Ron Wood
gehört
und Werke eines
[X.] veröf-fentlich wurden.
Es handelt sich nicht um einen Eingriff in den privaten Bereich oder einen Bericht, der sich auf das Privatleben der Klägerin beschränkt. Die Klägerin hat sich durch die Teilnahme an der
Veranstaltung in den Bereich des gesellschaft-lichen
Lebens begeben. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sie selbst in dem "[X.]" über eine Kunstausstellung in Spanien
be-richtet hat und der Besuch der Kunstausstellung mithin bei ihr nicht nur unter privaten [X.]esichtspunkten zu beurteilen ist. Dies wird in dem Artikel deutlich, indem -
quasi innerhalb des Berichts über "die lange Nacht
der [X.]OLDKINDER"
-
über die [X.] berichtet wird. In der Bildinnenschrift "IM [X.]EDRÄN[X.]E ..." wird ebenfalls darauf Bezug genommen, da
die Klägerin als "junge [X.]" bezeichnet wird. Dadurch wird ein Zusammenhang zwischen ihrer
journalistischen Tätigkeit hinsichtlich einer Kunstausstellung und der Teilnahme an der Vernissage hergestellt.
Indem der Artikel sich damit befasst, was im Moment "cool" ist, welchen Stellenwert "Royals" in der
"[X.]" haben und welche Veranstaltungen diese und die anderen Abkömmlinge Prominenter besuchen, zeichnet er zu-gleich ein Bild
der Nachkommen gesellschaftlich einflussreicher und vermögen-11
12
-

8

-

der
Personen, welches für die Öffentlichkeit interessant ist und die
sozialen Un-terschiede, in denen junge Menschen aufwachsen, deutlich werden
lässt. [X.] an dem Bezug zur Tätigkeit der Klägerin als "junge Kunstkolumnis-tin"
und ihrem vertrauten Umgang mit [X.]alleristen
wird aufgezeigt, welche Türen für solche jungen
Menschen offenstehen, wodurch zugleich ihre berufliche Ent-wicklung gefördert wird
("People der nächsten 40 Jahre").

cc)
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen
sind keine überwiegenden berechtigten Interessen der
Klägerin

23 Abs.
2 KU[X.]) er-kennbar, die bei der gebotenen Würdigung der Berichterstattung in ihrer [X.]e-
samtheit der Verbreitung des sie zeigenden Fotos entgegenstünden.
4. [X.] beruht auf §
91 Abs.
1 ZPO.

[X.]alke
[X.]
Pauge

Stöhr
von
Pentz

Vorinstanzen:
L[X.] Berlin, Entscheidung vom 11.09.2008 -
27 [X.]/08 -

K[X.] Berlin, Entscheidung vom 26.11.2009 -
10 U 189/08 -

13
14

Meta

VI ZR 5/10

18.10.2011

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.10.2011, Az. VI ZR 5/10 (REWIS RS 2011, 2281)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2281

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 5/10

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