Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2014, Az. VI ZR 9/14

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 1499

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
VI [X.]

Verkündet am:

11. November 2014

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtein
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja

KUG § 22 Satz 1

Zur konkludenten Einwilligung in die [X.] eines Bildnisses in einem [X.] (hier: Foto von einer Hostess, die auf einer Prominen-tenparty im Auftrag einer Promotion-Agentur Aktionsware (Zigaretten) an-bietet).

BGH, Urteil vom 11. November 2014 -
VI [X.] -
LG [X.]

[X.]

-

2

-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
11.
November 2014
durch den Vorsitzenden [X.], die Richter [X.], Pauge, [X.] und die Richterin Dr. Oehler
für Recht erkannt:
Die Revision gegen
das Urteil der 27.
Zivilkammer des [X.] vom 17.
Dezember 2013 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Der Kläger, ein Rechtsanwalt,
verlangt von dem Beklagten aus abgetre-tenem Recht seiner Mandantin (künftig: [X.]) die Erstattung von [X.]. Der Beklagte betreibt ein Internetportal ([X.]), auf wel-chem Fotos von Veranstaltungen (insbesondere Partys) gezeigt werden. Die [X.] beauftragte den Kläger mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Inte-ressen im Zusammenhang mit der [X.] eines Fotos auf der Web-seite des Beklagten. Das Foto zeigt
die [X.] während ihrer Tätigkeit als Hostess im Auftrag einer Promotion-Agentur auf der Veranstaltung "[X.]", deren Gastgeber der aus der Fernsehserie "Germanys
next Topmodel" bekannt gewordene S. war. In der Bildüberschrift wurden noch andere anwesende "Prominente" namentlich genannt. Das
beanstandete
Bild zeigt
die [X.], wie sie
als Hostess
im Auftrag
ihres Arbeitgebers einem Gast aus einem Korb Zigaretten anbietet.
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-

Nachdem die [X.] ihr Bild auf der Website des Beklagten entdeckt hatte, forderte der Kläger in ihrem Auftrag den Beklagten auf, es zu unterlas-sen, Bildnisse von seiner Mandantin zu verbreiten. Darüber hinaus machte er die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten geltend. Der Beklagte gab daraufhin zwar eine Unterlassungserklärung ab, die Erstattung der Rechtsanwaltskosten lehnte er hingegen ab. Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger aus abgetretenem Recht der [X.] deren Anspruch auf Erstattung der vorgenannten Rechtsanwaltskosten geltend. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abgewie-sen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält die [X.] des Bildnisses der Zeden-tin gemäß §
23 Abs.
1 Nr.
1 KUG für rechtmäßig, so dass der [X.] auch kein Erstattungsanspruch bezüglich der außergerichtlich entstandenen [X.] zustehe. Nach den Maßstäben der höchstrichterlichen Recht-sprechung sei von einem zeitgeschichtlichen Ereignis im Sinne des §
23 Abs.
1 Nr.
1 KUG auszugehen. Auch wenn Gastgeber und Gäste der Veranstaltung nur einem Teil der Bevölkerung bekannt seien, bestehe ein legitimes Informa-tionsinteresse dieses Bevölkerungsteils zu erfahren, welche Partys diese Pro-minenten besuchten und wie sie feierten. Zwar sei die [X.] selbst nicht prominent und auf dem Foto seien auch keine Prominenten zu sehen, doch [X.] dies nicht dazu, dass deshalb kein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschich-2
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te vorliege. Das legitime Informationsinteresse der Öffentlichkeit erstrecke sich nicht allein auf die prominenten Teilnehmer, sondern auch auf die weiteren Um-stände der Veranstaltung, in diesem Fall
etwa darauf, dass es auch Hostessen gegeben habe und den Gästen Zigaretten angeboten worden seien. Zudem wäre eine Bildberichterstattung über vergleichbare Veranstaltungen kaum mög-lich, wenn die Presse verpflichtet wäre, zwischen nicht prominenten und promi-nenten Teilnehmern zu unterscheiden und von Ersteren eine Einwilligung ein-zuholen bzw. sie bei der [X.] des Bildes unkenntlich zu machen. Bei größeren Veranstaltungen dürfe es sich kaum vermeiden lassen, dass bei Foto-
und Filmaufnahmen auch das Servicepersonal zu sehen sei. Das Erfor-dernis, von [X.] nicht prominenten Teilnehmern eine Einwilligung für die Foto-veröffentlichung einzuholen, wäre ein erheblicher Eingriff in die von Art.
5 Abs.
1 Satz
1 GG geschützte Meinungsfreiheit des Beklagten, wohingegen
die Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. des Rechts am eigenen Bild der [X.] weniger schwer wiege. Das Bild zeige sie weder in einer peinlichen noch unangenehmen Situation, sondern in Ausübung ihrer be-ruflichen Tätigkeit. Sie habe aufgrund des Charakters der Veranstaltung und des prominenten Gastgebers damit rechnen müssen, dass auf der Veranstal-tung Foto-
und Filmaufnahmen gemacht würden. Es sei zudem unstreitig, dass auch noch mehrere Videodokumentationen auf der Internetplattform "youtube" abrufbar seien. Selbst wenn die [X.] nicht nach §
23 Abs.
1 Nr.
1 KUG rechtmäßig gewesen sei, wäre die Verbreitung des Bildnisses der Zeden-tin jedenfalls gemäß §
23 Abs.
1 Nr.
3 KUG rechtmäßig. Danach seien auch die sogenannten repräsentativen Aufnahmen, bei denen einzelne Personen als charakteristisch und beispielhaft für die Ansammlung herausgegriffen würden, etwa um die Stimmung bei einem bestimmten Ereignis öffentlichen Interesses zu verdeutlichen, von §
23 Abs.
1 Nr.
3 KUG erfasst. Im Streitfall handele es sich um ein
für das Ereignis repräsentatives Foto, wobei das Berichterstattungs--

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-

interesse des Beklagten auch hier das Interesse der [X.] an dem Schutz ihres Rechts am eigenen Bild überwiege.

II.
Das Berufungsurteil hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung
stand. Das Berufungsgericht
hat
einen Anspruch der
[X.] gegen den [X.] auf Unterlassung der [X.] des beanstandeten Bildnisses aus §
1004 Abs.
1 Satz
2, §
823 Abs.
1, Abs.
2 [X.]. §§
22, 23 KUG, Art.
1 Abs.
1, Art.
2 Abs.
1 GG
mit Recht verneint, weshalb auch kein Anspruch auf Erstattung der mit der vorgerichtlichen Geltendmachung des Unterlas-sungsanspruchs entstandenen Rechtsanwaltskosten besteht.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zu-lässigkeit von [X.] nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§
22, 23 KUG zu beurteilen ist (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6.
März 2007 -
VI
ZR 51/06, [X.], 275 Rn.
9
ff.; vom 18.
Oktober 2011 -
VI
ZR 5/10, [X.], 116 Rn.
8 f.; vom 22.
November 2011 -
VI
ZR 26/11, [X.], 192 Rn.
23
f.; vom 18.
September 2012 -
VI
ZR 291/10, [X.], 1403 Rn.
26; vom 28.
Mai 2013 -
VI
ZR 125/12, [X.], 1178 Rn.
10 und vom 8.
April 2014 -
VI
ZR 197/13, [X.], 890 Rn.
8, jeweils mwN), das sowohl mit ver-fassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. [X.] 120, 180, 201
ff.) als auch mit der Rechtsprechung des [X.] im [X.] steht (vgl. [X.],
NJW 2004, 2647 sowie [X.], 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§
22 Satz
1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß §
23 Abs.
1 Nr.
1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich 4
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der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für die Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§
23 Abs.
2 KUG).
2. Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts ist unter den Umständen des [X.] bereits
-
was das Berufungsgericht
aus rechtli-chen Gründen offen gelassen hat -
von einer konkludenten Einwilligung (vgl. Senatsurteil vom 28.
September 2004 -
VI
ZR 305/03, VersR
2005, 83 Rn.
12 mwN) der [X.]
im Sinne des §
22 Satz 1 KUG
auszugehen, so dass dahin-stehen
kann, ob die beanstandete Bildveröffentlichung nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG oder § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG auch ohne Einwilligung der [X.]
zulässig
gewesen wäre.
a) Die [X.] war als Hostess von
einer
Promotion-Agentur damit [X.], auf einer Party mit prominenten Gästen als Aktionsware Zigaretten
einer bestimmten Marke
zum Zwecke der Werbung anzubieten. Dabei war ihr nach den vom Berufungsgericht in Bezug
genommenen Feststellungen des Amtsgerichts von ihrem Arbeitgeber zuvor Informationsmaterial ausgehändigt worden, in welchem
ihre Tätigkeit näher beschrieben wurde. Darin findet sich u. a. der Hinweis, es dürften zwar keine Interviews gegeben werden, Fotos
seien jedoch
erlaubt, eventuelle Kamerateams seien freundlich an die [X.] oder dessen Auftraggebers zu
verweisen. Dem Informationsschreiben sind "Beispielbilder für die Fotodokumentation"
[X.], auf denen lächelnde Hostessen mit [X.] zusammen mit anderen Personen für Fotos posieren.
b) Der [X.] musste
danach
sowohl durch die Art der Veranstaltung als auch durch die Art ihrer Tätigkeit bewusst sein, dass mit Fotos auch ihrer Person und deren [X.] zu rechnen und dies
aus [X.] von 6
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-

7

-

ihrem Arbeitgeber
und dessen Auftraggeber
durchaus
erwünscht war.
Von [X.] konnten aufgrund der äußeren Umstände auch Medienvertreter, die auf der Veranstaltung anwesend waren, ausgehen. Sie konnten die Tätigkeit der [X.] unter den Umständen des [X.] nur dahin verstehen, dass sie mit
Fotos und
deren
[X.] im Interesse des Auftraggebers
einver-standen war.
3. Da
insoweit
keine weiteren Feststellungen mehr in Betracht kommen, konnte der Senat die entsprechende Beurteilung selbst vornehmen und das Berufungsurteil im Ergebnis
durch Zurückweisung der Revision
aufrechterhal-ten.
Galke

[X.]
Pauge

[X.]
Oehler
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 04.07.2013 -
12 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 17.12.2013 -
27 [X.]/13 -

9

Meta

VI ZR 9/14

11.11.2014

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2014, Az. VI ZR 9/14 (REWIS RS 2014, 1499)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 1499

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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VI ZR 9/14

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