Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.08.2021, Az. III R 10/20

3. Senat | REWIS RS 2021, 2974

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Gegenstand

Kindergeld: Unionsrechtliche Familienbetrachtung gilt auch im Verfahrensrecht


Leitsatz

1. Ein Kindergeldantrag, der von einem im Inland lebenden, jedoch nur nachrangig berechtigten Elternteil gestellt worden ist, hemmt den Ablauf der Festsetzungsfrist und verhindert den Eintritt der Festsetzungsverjährung zugunsten des anderen, im EU-Ausland lebenden Elternteils, der vorrangig anspruchsberechtigt ist, aber zunächst keinen eigenen Kindergeldantrag gestellt hat.

2. Ein derartiger, vor dem 01.01.2016 gestellter Antrag macht die Beachtung der strengeren Identifizierbarkeitsanforderungen des § 62 Abs. 1 Satz 2 EStG n.F. entbehrlich.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 10.12.2019 - 11 K 2529/18 Kg wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Im Revisionsverfahren ist streitig, ob das Finanzgericht ([X.]) die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) zu Recht verpflichtet hat, zugunsten der Klägerin und [X.] (Klägerin) für die [X.] von Januar 2012 bis ... 2015 (Streitzeitraum) Kindergeld gemäß §§ 62 ff. des Einkommensteuergesetzes (EStG) für deren leibliche [X.]ochter ([X.]) festzusetzen.

2

Die Klägerin ist [X.] Staatsangehörige und lebte im Streitzeitraum in der [X.] ([X.]). [X.] lebte im Haushalt der Klägerin in [X.] und ging dort zur Schule.

3

Die Klägerin erhielt für die laut [X.]orentscheidung am ... 1996 (wohl Schreibfehler) bzw. ausweislich des von der [X.]orentscheidung in Bezug genommenen [X.]-Urteils vom 13.12.2017 - 11 K 2502/16 Kg (nicht veröffentlicht --n.v.--) am ... 1999 (dieses Datum wird auch in den [X.] genannt) geborene [X.] in [X.] keine Familienleistungen, da die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt waren. Die Klägerin war in [X.] nicht erwerbstätig und bezog auch keine Rente.

4

Der im Streitzeitraum in der [X.] ([X.]) lebende leibliche [X.]ater ([X.]) der [X.], ein [X.] Staatsangehöriger, war aufgrund eines [X.]erkehrsunfalls erwerbsunfähig und erhielt vom Unfallgegner aus dessen Haftpflichtversicherung bis ... 2014 als Rente bezeichnete monatliche Geldleistungen und seit ... 2015 die gesetzliche Altersrente, weshalb die Familienkasse den Kindergeldanspruch der Klägerin ab ... 2015 anerkannte.

5

[X.] stellte am 11.04.2013 einen Antrag auf Festsetzung von Kindergeld für [X.], der von der Familienkasse mit Bescheid vom 12.03.2015 abgelehnt wurde. Der am 24.03.2015 eingelegte Einspruch und die nach Ergehen der Einspruchsentscheidung am 24.06.2016 erhobene Klage des [X.] hatten keinen Erfolg. Das [X.] hielt gemäß § 64 Abs. 1 EStG (allenfalls) die Klägerin, nicht aber den [X.], für anspruchsberechtigt ([X.]-Urteil vom 13.12.2017 - 11 K 2502/16 Kg, n.v.).

6

Mit Datum vom 04.07.2017 stellte die Klägerin einen Kindergeldantrag, den die Familienkasse mit Bescheid vom 28.06.2018 ablehnte. [X.] sei gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der [X.]erordnung ([X.]) Nr. 883/2004 des [X.] und des [X.] ([X.] --ABl[X.]-- 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung ([X.]O Nr. 883/2004 --Grundverordnung--) nicht zur Zahlung von [X.] verpflichtet, weil der Kindergeldanspruch im Streitzeitraum nur auf dem Wohnsitz des [X.] in [X.] beruhe. Der bis ... 2014 in Raten ausgezahlte Schadensersatz sei keine Rente i.S. des Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der [X.]O Nr. 883/2004.

7

Auf die nach einem erfolglosen Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 27.07.2018) erhobene Klage der Klägerin hob das [X.] den ablehnenden Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf und verpflichtete die Familienkasse, zugunsten der Klägerin Kindergeld für das Kind [X.] für den [X.]raum von Januar 2012 bis ... 2015 festzusetzen. Nach Ansicht des [X.] genügte es, dass [X.] seinen Wohnsitz in [X.] gehabt und den [X.]atbestand des § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfüllt habe. Der Wohnsitz der Klägerin in [X.] werde nach dem einschlägigen [X.] Recht fingiert. Nach diesen [X.]orschriften vermittle [X.] der Klägerin für [X.], die gleichfalls in einem Mitgliedstaat der [X.] ([X.]) gelebt habe, aufgrund seines Wohnsitzes in [X.] einen Anspruch auf Kindergeld nach den §§ 62 ff. [X.] Anspruchsvoraussetzungen der §§ 32, 62 ff. EStG seien auch im Übrigen erfüllt. Gemäß § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG sei das Kindergeld zugunsten der Klägerin --und nicht zugunsten des [X.]-- festzusetzen, weil sie die [X.] im maßgeblichen [X.]raum in ihren Haushalt aufgenommen habe. Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der [X.]O Nr. 883/2004, welcher die Gewährung von [X.] eines nachrangig verpflichteten Staats in den Fällen einer sog. "[X.]", d.h. in den Fällen ausschließe, in denen der Kindergeldanspruch allein auf dem Wohnsitz beruhe, sei entgegen der Auffassung der Familienkasse nicht anwendbar, weil kein tatsächliches Zusammentreffen von Familienleistungen vorliege. Die Klägerin habe nur in [X.] einen Kindergeldanspruch.

8

Hiergegen wendet sich die Familienkasse mit der Revision.

9

Die Familienkasse hält den Ausschlusstatbestand für [X.] des Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der [X.]O Nr. 883/2004 in einer "[X.]" bereits dann für anwendbar, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem der vorrangig Kindergeldberechtigte und das Kind ihren Wohnsitz hätten, im Allgemeinen Familienleistungen gewährt würden, auch wenn im konkreten Fall tatsächlich kein derartiger Anspruch bestehe.

Die Familienkasse beantragt, das Urteil des [X.] Münster vom 10.12.2019 - 11 K 2529/18 Kg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] hat zutreffend entschieden, dass der Klägerin gemäß §§ 32, 62 ff. [X.] i.[X.].m. Art. 67 f. der [X.] 883/2004 und Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.]erordnung ([X.]) Nr. 987/2009 des [X.] und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der [X.]erordnung ([X.]) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ([X.] 2009 Nr. L 284, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung ([X.] 987/2009 --Durchführungsverordnung--) in dem vom [X.] zuerkannten Umfang Kindergeld zusteht.

1. Die [X.]oraussetzungen für den Kindergeldanspruch der Klägerin gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3, § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 64 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 [X.] liegen vor. Das [X.] hat nach Art. 67 Satz 1 der [X.] 883/2004 i.[X.].m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] 987/2009 insbesondere auch zutreffend einen inländischen Wohnsitz der Klägerin [X.] § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 [X.] fingiert.

a) Der Anwendungsbereich der [X.] 883/2004 und der dazu ergangenen [X.] 987/2009 ist eröffnet. Die Klägerin ist [X.] Staatsangehörige, also Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der [X.], und fällt damit nach Art. 2 Abs. 1 der [X.] 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich dieser [X.]erordnung. Das Kindergeld nach dem [X.] ist eine Familienleistung [X.] Art. 1 Buchst. z der [X.] 883/2004, weshalb gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der [X.] 883/2004 auch deren sachlicher Anwendungsbereich eröffnet ist (vgl. z.B. Senatsurteil vom 26.07.2017 - III R 18/16, [X.], 98, [X.], 1237, Rz 13).

b) Gemäß Art. 67 Satz 1 der [X.] 883/2004 hat eine Person auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats. Gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] 987/2009 ist bei der Anwendung von Art. 67 und 68 der [X.] 883/2004 die Situation der gesamten Familie in einer Weise zu berücksichtigen, als würden alle beteiligten Personen unter die Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats fallen und dort wohnen (vgl. dazu z.B. Senatsurteil vom 04.02.2016 - III R 17/13, [X.], 134, [X.], 612, Rz 11 ff. und Rz 18, jeweils m.w.N.; Urteil des [X.] --BFH-- vom 13.07.2016 - XI R 7/15, [X.], 1722, Rz 21). Zu den "beteiligten Personen" [X.] Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] 987/2009 gehören die Familienangehörigen [X.] Art. 1 Buchst. i Nr. 1 Buchst. i der [X.] 883/2004. Darunter sind insbesondere die Eltern und das Kind zu verstehen (vgl. auch Senatsurteile in [X.], 134, [X.], 612, Rz 18, und vom 28.04.2016 - III R 40/12, [X.], 1469, Rz 22). Der Kindergeldanspruch gemäß §§ 62 ff. [X.] kann somit z.B. auch einem Elternteil zustehen, der nicht in [X.] wohnt (Urteil des Gerichtshofs der [X.] --EuGH-- [X.] vom 22.10.2015 - [X.]/14, [X.]:C:2015:720, Leitsatz 1, Rz 38 und Rz 41; Senatsurteile in [X.], 134, [X.], 612, und vom 27.07.2017 - III R 17/16, [X.], 201, Rz 10 ff.).

c) Im Streitfall wird nach diesen Grundsätzen der Wohnsitz der Klägerin in [X.] gemäß Art. 67 Satz 1 der [X.] 883/2004 i.[X.].m. Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der [X.] 987/2009 fingiert, weil der Kindsvater [X.] damals seinen Wohnsitz in [X.] hatte. Dies wird auch von der Familienkasse nicht angezweifelt.

2. Anders als die Familienkasse vorträgt, ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von ([X.] nicht gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der [X.] 883/2004 ausgeschlossen, obwohl der Kindergeldanspruch allein auf dem Wohnsitz des [X.] beruht.

a) Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der [X.] 883/2004 ist nur anwendbar, wenn tatsächlich konkurrierende Ansprüche vorliegen. Nach seinem eindeutigen Wortlaut setzt Art. 68 der [X.] 883/2004 in den Abs. 1 und 2 voraus, dass in mehr als einem Mitgliedstaat tatsächlich Ansprüche auf Familienleistungen bestehen. Kommt es nicht zu einer Kumulierung derartiger Ansprüche, weil nur in einem Mitgliedstaat die Tatbestandsvoraussetzungen des jeweiligen Anspruchs erfüllt sind, ist Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der [X.] 883/2004 nicht anwendbar (vgl. etwa Senatsurteil vom 18.02.2021 - III R 27/19, [X.], 60, [X.]N[X.] 2021, 886, Rz 21).

b) Im Streitfall ist Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der [X.] 883/2004 hiernach nicht anwendbar, weil die Klägerin für den Streitzeitraum nur einen Anspruch auf [X.] Kindergeld hat. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 118 Abs. 2 [X.]O) hatte sie im maßgeblichen [X.]raum keinen Anspruch auf [X.] Familienleistungen. Dass die Klägerin einen Anspruch auf Familienleistungen eines anderen Staats --z.B. der [X.] oder dass [X.] einen Anspruch auf Familienleistungen etwa nach [X.]m Recht gehabt hat, hat das [X.] nicht festgestellt und wird auch von den Beteiligten nicht behauptet. Anders als im Fall des [X.] vom 18.02.2021 - III R 71/18 ([X.], 53, [X.]N[X.] 2021, 884, Rz 28) stehen im Streitfall neben dem [X.] Kindergeldanspruch keine weiteren Familienleistungsansprüche im Raum.

3. Bei Antragstellung war für das Kindergeld für die [X.] ab Januar 2012 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, denn der für den Kindergeldanspruch der Klägerin maßgebliche Antrag wurde nicht erst im Juli 2017, sondern bereits im April 2013 von [X.] gestellt und mit Einspruch vom 24.03.2015 auf die [X.] bis Januar 2015 erstreckt.

a) Auf die Festsetzung von Kindergeld als Steuervergütung (§ 31 Satz 3 [X.]) sind gemäß § 155 Abs. 5 der Abgabenordnung ([X.]) die [X.]orschriften über die Steuerfestsetzung einschließlich der Bestimmungen über die Festsetzungsverjährung (§§ 169 bis 171 [X.]) sinngemäß anzuwenden (z.B. BFH-Urteil vom 09.09.2015 - XI R 9/14, [X.], 166, m.w.N.). Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 [X.] im Regelfall vier Jahre und beginnt bei entsprechender Anwendung des § 170 Abs. 1 [X.] mit Ablauf des Jahres, in dem der Kindergeldanspruch entstanden ist.

Gemäß § 67 Satz 1 [X.] ist das Kindergeld bei der zuständigen Familienkasse schriftlich zu beantragen. Die [X.]erwendung eines amtlichen [X.]ordrucks ist nicht vorgeschrieben (Senatsbeschluss vom 25.08.2009 - III B 136/08, juris, unter [X.]; Selder in [X.]/[X.], § 67 [X.] Rz 11; [X.]/[X.], [X.], 40. Aufl., § 67 Rz 1; [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 67 [X.] Rz 6). Der [X.] muss auch nicht eigenhändig unterschrieben werden; [X.]ertretung ist zulässig (Senatsbeschluss vom 25.08.2009 - III B 136/08, juris, unter II.3.). Zudem wirkt sich die Familienbetrachtung gemäß Art. 67 Satz 1 der [X.] 883/2004 i.[X.].m. Art. 60 Abs. 1 Sätze 2 und 3 der [X.] 987/2009 auch in verfahrensrechtlicher Weise aus. Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der [X.] 987/2009 bestimmt, dass ein von einem Elternteil, einer als Elternteil behandelten Person oder einer als [X.]ormund des Kindes handelnden Person oder Institution gestellter Antrag auch zugunsten einer Person zu berücksichtigen ist, die selbst keinen Antrag gestellt hat. Damit wird u.a. vermieden, dass der an sich nur nachrangig zuständige Mitgliedstaat --wie in dem noch zur [X.]orgängerrechtslage ergangenen EuGH-Urteil [X.] vom 14.10.2010 - [X.]/09 ([X.]:C:2010:605, Rz 53 ff. und [X.] nur deshalb die vollen Familienleistungen erbringen muss, weil im vorrangig zuständigen Mitgliedstaat kein Antrag auf Familienleistungen gestellt wurde (vgl. etwa Senatsurteil vom 22.02.2018 - III R 10/17, [X.], 214, BStBl II 2018, 717). Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der [X.] 987/2009 bewirkt darüber hinaus aber auch allgemein, dass einem Elternteil oder Berechtigten ein Familienleistungsanspruch zustehen kann, obwohl er selbst keinen Antrag gestellt hat (vgl. etwa EuGH-Urteil [X.] vom 22.10.2015 - [X.]/14, [X.]:C:2015:720, Rz 47 f.; BFH-Urteil vom 13.07.2016 - XI R 44/13, [X.], 1720, Rz 26; Senatsurteile in [X.], 134, [X.], 612; vom 28.04.2016 - III R 68/13, [X.], 20, [X.], 776, Rz 28; [X.]/[X.], [X.]orbemerkungen vor §§ 62 bis 78, Rz 28).

Nach diesen Grundsätzen enthält der von dem anderen Elternteil [X.] der von einer als Elternteil behandelten Person oder von der Person oder Institution, die als [X.]ormund des Kindes oder der Kinder handelt-- gestellte Antrag gemäß Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der [X.] 987/2009 inzident auch einen Antrag zugunsten der berechtigten Person, die selbst keinen Leistungsantrag gestellt hat. Sowohl nach dem weit gefassten Wortlaut der [X.]orschrift als auch nach ihrem Sinn und Zweck ist davon auszugehen, dass dieser Antrag auch den Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 171 Abs. 3 [X.] zugunsten der anspruchsberechtigten Person solange hemmt, bis hierüber unanfechtbar entschieden worden ist.

b) Im Streitfall wurde der [X.] für die [X.] ab Januar 2012 danach vor Eintritt der Festsetzungsverjährung gestellt, da zugunsten der Klägerin, die zunächst keinen eigenen Antrag gestellt hatte, der Antrag des [X.] vom 11.04.2013 und dessen Einspruch vom 24.03.2015 zu berücksichtigen sind. Die Klägerin hat den Antrag des [X.] bereits mit Schreiben vom 15.11.2016 ausdrücklich für sich in Anspruch genommen und den Kindergeldanspruch jedenfalls spätestens mit dem entsprechenden Formblatt vom 04.07.2017, das am 07.07.2017 bei der Familienkasse eingegangen ist, vor Beendigung der den Ablauf der Festsetzungsfrist hemmenden [X.]erfahren präzisiert. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ein eigenes Antragsverfahren neben dem zu ihren Gunsten von [X.] ausgelösten [X.]erfahren betrieb, bestehen nicht.

4. Die Klägerin musste im Streitfall auch nicht gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 [X.] in der ab 09.12.2014 geltenden Fassung identifizierbar sein (zu den Anforderungen bei einem Auslandssachverhalt vgl. Senatsurteil vom 01.07.2020 - III R 22/19, [X.], 320, Rz 22). § 62 Abs. 1 Satz 2 [X.] in der ab 09.12.2014 geltenden Fassung ist im Streitfall nicht anwendbar, weil die [X.]orschrift gemäß § 52 Abs. 49a Sätze 4 und 5 [X.] nur dann für [X.] gilt, die [X.]räume betreffen, die vor dem 01.01.2016 liegen, wenn der Antrag auf Kindergeld erst nach dem 31.12.2015 gestellt wurde. Nach den obigen Ausführungen zu Art. 60 Abs. 1 Satz 3 der [X.] 987/2009 wurde der für den Kindergeldanspruch der Klägerin maßgebliche [X.] des [X.] vor dem 31.12.2015, nämlich bereits am 11.04.2013 und in Bezug auf die [X.] bis einschließlich ... 2015 mit Erhebung des Einspruchs am 24.03.2015, gestellt. Die Klägerin hat den Antrag des [X.] als eigenen übernommen und im weiteren [X.]erfahren, insbesondere im Formblatt vom 04.07.2017 präzisiert.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

III R 10/20

31.08.2021

Bundesfinanzhof 3. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 10. Dezember 2019, Az: 11 K 2529/18 Kg, Urteil

§§ 31ff EStG 2009, § 31 EStG 2009, §§ 62ff EStG 2009, § 62 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 155 Abs 5 AO, §§ 169ff AO, § 169 AO, Art 67 S 1 EGV 883/2004, Art 68 Abs 2 S 3 EGV 883/2004, Art 60 Abs 1 S 2 EGV 987/2009, § 32 Abs 1 Nr 1 EStG 2009, § 32 Abs 3 EStG 2009, § 63 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009, § 64 Abs 1 EStG 2009, § 64 Abs 2 S 1 EStG 2009, Art 60 Abs 1 S 3 EGV 987/2009, § 171 Abs 3 AO, § 62 Abs 1 S 2 EStG 2009 vom 02.12.2014, EStG VZ 2012, EStG VZ 2013, EStG VZ 2014, EStG VZ 2015

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 31.08.2021, Az. III R 10/20 (REWIS RS 2021, 2974)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2974

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