Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2016, Az. IV ZR 24/14

4. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 9108

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Gegenstand

Altvertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung nach dem sog. Antragsmodell: Auslegung eines Widerspruchs des Versicherungsnehmers als Rücktrittserklärung; Wirksamkeit der Rücktrittsrechtsbelehrung


Tenor

Auf die Revision der Klägerseite wird das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 30. Dezember 2013 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 3.219,64 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden d. [X.]) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.

2

Diese wurde aufgrund eines Antrags d. [X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. Dezember 2001 nach dem so genannten Antragsmodell des § 8 [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung vom 21. Juli 1994 (im Folgenden: § 8 [X.] a.F.) abgeschlossen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. [X.] bei Antragstellung die vollständige Verbraucherinformation gemäß § 10a [X.] und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Im Antragsformular befand sich eine Belehrung über das Rücktrittsrecht.

3

Im Februar 2008 kündigte d. [X.] den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 16. Januar 2009 erklärte d. [X.] schließlich den Widerspruch nach § 5a [X.] a.F.

4

Mit der Klage verlangt d. [X.] - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten [X.], insgesamt 3.219,64 €.

5

Nach Auffassung d. [X.] ist sie wirksam vom Versicherungsvertrag zurückgetreten. Da sie nicht ordnungsgemäß über ihr Rücktrittsrecht belehrt worden sei, habe sie auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] a.F. den Rücktritt noch erklären können.

6

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, das [X.] die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. [X.] das Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

8

I. Dieses hat angenommen, dass der Vertrag nach dem [X.] zustande gekommen sei - was die Revision nicht angreift. Ein Widerrufsrecht nach § 8 Abs. 5 Satz 1 [X.] a.F. scheide nicht aufgrund der erteilten Belehrung aus, da sich diese lediglich zu einem Rücktrittsrecht verhalte, zudem nicht drucktechnisch deutlich hervorgehoben und deshalb in materieller und formeller Hinsicht nicht ordnungsgemäß erfolgt sei. Das Widerrufsrecht sei indes erloschen, da d. [X.] nach der Kündigung im Mai 2008 den Rückkaufswert erstattet bekommen habe, so dass beiderseits eine vollständige Erbringung der Leistungen eingetreten sei.

9

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Ein - mit der Revision allein weiterverfolgter - Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 346 Abs. 1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.

1. Im Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass d. [X.] das Rücktrittsrecht aus § 8 Abs. 5 Satz 1 [X.] a.F. wirksam ausgeübt hat.

a) Die mit Schreiben vom 16. Januar 2009 abgegebene Erklärung d. [X.] kann ungeachtet ihrer Bezeichnung als Widerspruch "nach § 5a [X.]" als Rücktrittserklärung nach § 8 Abs. 5 Satz 1 [X.] a.F. ausgelegt werden. Entscheidend ist, dass darin der unbedingte Wille zum Ausdruck kommt, sich rückwirkend vom Vertrag lösen und die Rückzahlung sämtlicher Prämien geltend machen zu wollen (vgl. [X.]surteil vom 17. Dezember 2014 - [X.], [X.], 224 Rn. 13 m.w.[X.]).

b) Bei Abgabe der Erklärung vom 16. Januar 2009 war die Rücktrittsfrist nach dem zugrunde zu legenden Sachverhalt noch nicht abgelaufen.

aa) Mangels - noch nachzuholender - Feststellungen des Berufungsgerichts ist in der Revisionsinstanz davon auszugehen, dass d. [X.] nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 8 Abs. 5 Satz 3 [X.] a.F. belehrt wurde. Allerdings war die Belehrung im Antragsformular nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, deshalb inhaltlich falsch, weil sie sich "lediglich" zu einem Rücktrittsrecht verhielt. Ein solches Recht gewährte § 8 Abs. 5 Satz 1 [X.] a.F. d. [X.] nach einem Vertragsschluss im [X.].

Eine - vom Berufungsgericht vermisste - drucktechnische Hervorhebung der Belehrung war - wie die Revisionserwiderung mit ihrer Gegenrüge geltend macht - vom Wortlaut des § 8 Abs. 5 [X.] a.F. (wie auch des § 8 Abs. 4 [X.] in der vom 1. Januar 1991 bis zum 28. Juli 1994 gültigen Fassung) nicht ausdrücklich vorausgesetzt. Der [X.] hat aber zu § 8 Abs. 5 [X.] a.F. bereits klargestellt, dass auch eine Belehrung über das Rücktrittsrecht zur Erreichung ihres gesetzlichen Zweckes inhaltlich möglichst umfassend, unmissverständlich und aus Sicht der Verbraucher eindeutig sein musste. Das erforderte eine Form der Belehrung, die dem Aufklärungsziel Rechnung trug und darauf angelegt war, den Angesprochenen aufmerksam zu machen und das maßgebliche Wissen zu vermitteln ([X.]surteile vom 17. Dezember 2014 aaO Rn. 16; vom 16. Oktober 2013 - [X.], [X.], 1513 Rn. 14 m.w.[X.]). Mit der Frage, ob die d. [X.] gegebene Belehrung diesen formalen Anforderungen genügte oder nicht, wird sich das Berufungsgericht noch näher zu befassen haben.

Es wird bei seiner erneuten Prüfung zugrunde zu legen zu haben, dass der Versicherer d. [X.] nicht über eine etwaige Form der Rücktrittserklärung belehren musste, weil von ihm nicht verlangt werden konnte, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung des § 8 Abs. 5 [X.] a.F. auszulegen (vgl. [X.], Urteile vom 1. August 2014 - 20 U 21/14, juris Rn. 22; vom 21. Oktober 2011 - 20 U 138/11, juris Rn. 10).

bb) Im Falle einer nicht ordnungsgemäßen Belehrung stünde der Wirksamkeit der Rücktrittserklärung nicht der Ablauf der für einen solchen Fall bestimmten Frist aus § 8 Abs. 5 Satz 4 [X.] a.F. entgegen, nach der das Rücktrittsrecht bei unterbliebener Belehrung jedenfalls einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Diese Befristung ist unwirksam, wie der [X.] aufgrund einer richtlinienkonformen Auslegung des § 8 [X.] a.F. entschieden und im Einzelnen begründet hat ([X.]surteil vom 17. Dezember 2014 aaO Rn. 20 ff.).

c) Ein vom Berufungsgericht angenommenes Erlöschen des Rücktrittsrechts infolge beiderseits vollständiger Leistungserbringung (vgl. dazu [X.]surteil vom 16. Oktober 2013 aaO Rn. 25 ff.) kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil eine analoge Anwendung der Regelungen aus § 7 Abs. 2 VerbrKrG, § 2 Abs. 1 Satz 4 [X.] nach Außerkrafttreten dieser Gesetze zum Zeitpunkt der Abwicklung des [X.] nicht mehr möglich ist (vgl. dazu [X.]surteil vom 17. Dezember 2014 aaO Rn. 28).

2. Nach der Zurückverweisung wird sich das Berufungsgericht gegebenenfalls auch mit der Höhe der nach § 346 Abs. 1 BGB zurückzugewährenden Leistungen und Nutzungszinsen zu befassen haben (vgl. [X.]surteile vom 17. Dezember 2014 aaO Rn. 35 ff.; vom 11. November 2015 - [X.], [X.], 33 Rn. 31 ff.; vom 29. Juli 2015 - [X.], [X.], 1101 Rn. 35 ff.; [X.], [X.], 1104 Rn. 33 ff.).

Mayen                         [X.]                                  Dr. Karczewski

               Lehmann                                      Dr. Brockmöller

Meta

IV ZR 24/14

29.06.2016

Bundesgerichtshof 4. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG Görlitz, 30. Dezember 2013, Az: 2 S 115/13

§ 5a VVG vom 21.07.1994, § 8 Abs 5 S 1 VVG vom 21.07.1994

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.06.2016, Az. IV ZR 24/14 (REWIS RS 2016, 9108)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9108

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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