Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.06.2010, Az. V B 13/09

5. Senat | REWIS RS 2010, 6231

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Zur Darlegung von Zulassungsgründen


Leitsatz

1. NV: Die Behauptung, die Entscheidung sei für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von grundsätzlicher Bedeutung, ist keine Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). In der Beschwerdebegründung muss schlüssig und substantiiert dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist.

2. NV: Die Behauptung, das FG habe seine Pflicht zur Sachaufklärung verletzt, indem es sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung und der Literatur auseinandergesetzt habe, führt nicht zur Zulassung der Revision. Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann (hier: Verletzung der Sachaufklärungspflicht), so muss der Kläger außerdem vortragen, dass er den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe oder aus welchen entschuldbaren Gründen er an einer solchen Rüge vor dem FG gehindert gewesen sei.

3. NV: Der Vortrag, der Tatbestand des FG-Urteils sei unzutreffend, stellt keine Rüge eines Verfahrensfehlers dar. Insoweit kommt gegebenenfalls ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 108 FGO in Betracht.

4. NV: Die Rüge unzutreffender Rechtsanwendung durch das FG führt grundsätzlich nicht zur Zulassung der Revision. Selbst wenn dem FG bei der Beweiswürdigung oder bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts Fehler unterlaufen sein sollten, rechtfertigt das nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO. Ein Rechtsanwendungsfehler führt erst dann zur Zulassung der Revision, wenn er von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung ist.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) alle Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) geltend.

3

1. Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) trägt die Klägerin vor, die Entscheidung sei für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen von grundsätzlicher Bedeutung. Das erfüllt nicht die Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 [X.]O an die Darlegung eines Zulassungsgrundes. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung gestützt, setzt die Zulassung voraus, dass der Beschwerdeführer eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellt, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll (vgl. z.B. Beschlüsse des [X.] --[X.]-- vom 18. März 2010 [X.]/08, nicht amtlich veröffentlicht --n.v.--; vom 14. März 2000 [X.]/00, [X.], 1148). Darüber hinaus muss in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargetan werden, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. [X.] vom 18. März 2010 [X.]/08, n.v.; vom 20. März 2006 [X.], [X.], 1320).

4

2. Die Klägerin hat auch keine Divergenz dargelegt. Die Zulassung einer Revision wegen Divergenz erfordert nicht nur, dass das Finanzgericht ([X.]) bei gleichem oder vergleichbar festgestelltem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Rechtsauffassung vertritt als der [X.], der Gemeinsame Senat, der [X.] ([X.]), ein anderes oberstes [X.] oder ein anderes [X.] ([X.] vom 18. Februar 2010 [X.]/08, n.v.; vom 14. Oktober 2009 [X.]/09, [X.]/NV 2010, 443; vom 28. September 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2010, 167), sondern die Klägerin muss darüber hinaus einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des [X.] und den Entscheidungen, von denen die Vorinstanz abgewichen sein soll, gegenüberstellen (vgl. z.B. [X.] vom 19. Januar 2010 [X.]/08, [X.]/NV 2010, 918; vom 8. Mai 2009 [X.]/08, [X.]/NV 2009, 1432, m.w.N.). Soweit die Klägerin geltend macht, das [X.]-Urteil stehe im Widerspruch zu den Entscheidungen des [X.] vom 22. Januar 2004 [X.] ([X.]E 205, 319, [X.], 630), vom 22. Mai 2003 [X.]/01 ([X.]E 203, 193, [X.] 2003, 819), vom 30. Juni 2005 [X.] ([X.]/NV 2005, 1849), vom 17. April 2008 [X.]/06 ([X.]E 221, 498, [X.] 2009, 2), vom 26. Juli 2006 [X.]/05 ([X.]/NV 2007, 113) und des [X.] vom 28. Juni 2007 [X.]/06, [X.] ([X.]/NV Beilage 2007, 418), vom 30. September 2003 C-167/01, [X.] (Slg. 2003, [X.]), hat sie z.T. abstrakte Rechtssätze weder aus dem [X.]-Urteil noch aus den Entscheidungen, zu denen die Abweichung bestehen soll, herausgearbeitet. Soweit die Klägerin Rechtssätze aus dem Urteil des [X.] vom 29. April 2004 [X.]/02, [X.] (Slg. 2004, [X.]) oder des [X.] wiedergegeben hat, fehlt es jedenfalls an der Darlegung eines dem widersprechenden Rechtssatzes aus dem [X.]-Urteil.

5

3. Auch die Behauptung, das [X.] habe seine Pflicht zur Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 [X.]O) "und damit" Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt, indem es sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung und der Literatur auseinandergesetzt habe, führt nicht zur Zulassung der Revision. Wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, auf deren Beachtung der Betroffene verzichten kann (hier: Verletzung der Sachaufklärungspflicht), so muss die Klägerin außerdem vortragen, dass sie den Verstoß in der Vorinstanz gerügt habe oder aus welchen entschuldbaren Gründen an einer solchen Rüge vor dem [X.] gehindert gewesen sei ([X.] vom 24. Februar 2010 [X.], n.v.; vom 4. August 2006 [X.]/04, n.v.). Ausweislich des [X.] der mündlichen Verhandlung wurde "die Streitsache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Sicht" erörtert, ohne dass ein Beweisantrag gestellt oder seitens der Klägerin auf ihn oder andere Aufklärungsmaßnahmen hingewirkt wurde. Im Übrigen hätte die Klägerin darlegen müssen, inwiefern es nach der für die Beurteilung, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, allein maßgeblichen Rechtsauffassung des [X.] im Rechtsstreit über Zinsen auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Steuerschuld ankommen konnte.

6

4. Soweit die Klägerin geltend macht, der Tatbestand des [X.]-Urteils sei unzutreffend, weil sie nicht vorbehaltlos auf den Antrag auf Erlass nach § 227 der Abgabenordnung ([X.]) verzichtet, sondern deutlich gemacht habe, dieses Ziel im Wege der Nichtzulassungsbeschwerde bzw. Revision in der nächsten Instanz weiterzuverfolgen, rügt sie keinen Verfahrensfehler. Insoweit wäre seitens der Klägerin gegebenenfalls ein Antrag auf [X.] nach § 108 [X.]O zu stellen gewesen. Sollte die Klägerin meinen, dem [X.] sei durch die Nichtbescheidung ihres Erlassantrags ein Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O unterlaufen, trifft das nicht zu. Ausweislich des [X.] (zu dessen Beweiskraft siehe § 94 [X.]O i.V.m. § 165 der Zivilprozessordnung --ZPO--) hat die Klägerin keinen Erlassantrag gestellt.

7

5. Im Wesentlichen rügt die Klägerin in Art einer Revisionsbegründung die unzutreffende Rechtsanwendung durch das [X.]. Das führt nicht zur Zulassung der Revision. Selbst wenn dem [X.] bei der Beweiswürdigung oder bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts Fehler unterlaufen sein sollten, rechtfertigt das nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 [X.]O ([X.] vom 24. August 2006 [X.], [X.]/NV 2007, 69; vom 22. August 2006 [X.], [X.]/NV 2007, 116; vom 18. Dezember 2007 [X.], [X.]/NV 2008, 595; vom 25. September 2007 [X.]/06, [X.]/NV 2008, 26; vom 13. August 2007 [X.], [X.]/NV 2008, 23). Ein [X.] führt erst dann zur Zulassung der Revision, wenn er von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung ist (vgl. z.B. [X.] vom 3. März 2010 VIII B 216/09, n.v.; vom 8. Februar 2006 [X.]/04, [X.], 1116; vom 14. Februar 2002 [X.]/01, [X.]/NV 2002, 798, und vom 28. Juni 2002 [X.], [X.]/NV 2002, 1474). Eine Entscheidung ist nur dann (objektiv) willkürlich in diesem Sinn, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht ([X.] in [X.], 1116; vom 24. Juli 2002 [X.], [X.]/NV 2002, 1488, m.w.N.). [X.] ist anzunehmen, wenn das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (vgl. [X.] in [X.], 1116; vom 5. März 2001 [X.]/00, [X.]/NV 2001, 1036). Ein derartiger schwerwiegender Rechtsfehler ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht.

Meta

V B 13/09

01.06.2010

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend FG Nürnberg, 25. November 2008, Az: II 341/2005, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 227 AO, § 76 Abs 1 FGO, § 108 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO, § 116 Abs 3 S 3 FGO, § 24 UStG 1999

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 01.06.2010, Az. V B 13/09 (REWIS RS 2010, 6231)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 6231

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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