Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.06.2012, Az. III S 1/12

3. Senat | REWIS RS 2012, 5880

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Gegenstand

(Instanzielle Unzuständigkeit des BFH für den Erlass einer einstweiligen Anordnung - Kein vorläufiger Rechtsschutz nach § 69 FGO bei rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens)


Leitsatz

1. NV: Der BFH ist nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht als Gericht der Hauptsache für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 FGO instanziell zuständig.

2. NV: Der BFH ist zwar nach Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde als Gericht der Hauptsache für die Entscheidungen über die Anträge nach § 69 Abs. 3 und Abs. 6 FGO zuständig. Solchen Anträgen fehlt aber das Rechtschutzbedürfnis, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nicht mehr geändert oder aufgehoben werden kann.

Tatbestand

1

I. Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Antragsteller) erzielte im Jahr 2000 (Streitjahr) Einkünfte aus einer Arztpraxis. Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Tätigkeitsfinanzamt --[X.]--) stellte mit [X.] 2000 vom 21. Oktober 2002 die Einkünfte des Antragstellers aus freiberuflicher Tätigkeit erklärungsgemäß --unter Vorbehalt der [X.] auf 148.110 DM fest und bat um Übersendung diverser Unterlagen.

2

Das [X.] erhöhte mit geändertem [X.] vom 19. Dezember 2006 (Änderungsbescheid 2000) die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit auf rd. 244.030 DM. Den am 23. April 2007 eingelegten Einspruch verwarf das [X.] als unzulässig. Das Finanzgericht ([X.]) wies die hiergegen erhobene und auf Aufhebung des [X.] gerichtete Klage mit Urteil vom 18. Dezember 2007  7 [X.]/07 ab. Der Änderungsbescheid 2000 sei [X.]. [X.] lägen nicht vor. Die hiergegen wegen Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde verwarf der [X.] ([X.]) mit Beschluss vom 26. September 2008 V[X.] 23/08 als unzulässig.

3

Mit Schreiben vom 15. November 2010 beantragte der Antragsteller die Korrektur des [X.] nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung. Die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit seien auf den vormaligen Betrag (rd. 75.728 €) zu reduzieren. Das [X.] lehnte dies mit Schreiben vom 22. November 2010 ab. Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der hiergegen erhobenen Klage beantragte der Antragsteller, das [X.] zu verpflichten, den Änderungsbescheid 2000 dahingehend zu korrigieren, dass ein Gewinn von 75.728 € festgestellt werde, hilfsweise den Änderungsbescheid 2000 aufzuheben. Das [X.] wies die Klage durch Urteil vom 8. Juli 2011  3 [X.] ab. Der Verpflichtungsklage könne nicht stattgegeben werden, weil keine Korrekturvorschrift eingreife. Die hilfsweise erhobene Anfechtungsklage sei unzulässig, weil das [X.] hierüber bereits mit Urteil vom 18. Dezember 2007  7 [X.]/07 rechtskräftig entschieden habe.

4

Der Antragsteller legte gegen das Urteil des [X.] vom 8. Juli 2011  3 [X.] beim [X.] Beschwerde (Az. [X.] 239/11) wegen Nichtzulassung der Revision ein. Zugleich hat die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers in mehreren Schreiben unter Verwendung jeweils unterschiedlicher Formulierungen beantragt, der [X.] möge insbesondere "AdV", "die Aufhebung der Vollziehung" oder "Rechtsschutz nach § 69 Abs. 6 [X.]O" gewähren. In einem weiteren Schreiben hat die Prozessbevollmächtigte zuletzt "in Abänderung des Antrags auf AdV Antrag auf Aufhebung der Vollziehung oder auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt". Der [X.] hat die Beschwerde [X.] 239/11 durch Beschluss vom 30. Mai 2012 als unbegründet zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

5

II. Der Antrag ist unzulässig.

6

1. Der Senat legt die Schreiben des Antragstellers dahingehend aus (§§ 133, 157 des Bürgerlichen Gesetzbuches analog), dass er vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) gegen den Änderungsbescheid 2000 begehrt.

7

Hierbei berücksichtigt der Senat zum einen, dass der Antragsteller gegen den Bescheid, durch den die Korrektur des [X.] abgelehnt wurde, keinen vorläufigen Rechtsschutz nach § 69 [X.]O erreichen könnte, weil dieser Ablehnungsbescheid keinen vollziehbaren Inhalt besitzt (z.B. [X.] vom 1. April 1997 [X.], [X.] 1997, 601, m.w.N.), zum anderen, dass für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 114 [X.]O --gerichtet auf die Vornahme der abgelehnten Korrektur des [X.]-- nicht der [X.], sondern das [X.] zuständig wäre (§ 114 Abs. 2 Satz 2 [X.]O). Im Übrigen hat der Antragsteller keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 114 Abs. 3 [X.]O i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung).

8

2. Im Streitfall kann dahinstehen, ob der Antragsteller einen Antrag nach § 69 Abs. 3 [X.]O auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung des [X.] oder einen solchen nach § 69 Abs. 6 [X.]O auf Aufhebung bzw. Änderung eines bereits in dieser Sache nach § 69 Abs. 3 [X.]O ergangenen Beschlusses des [X.] gestellt hat. Beiden Anträgen fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.

9

Der [X.] ist zwar nach der Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision als Gericht der Hauptsache für die Entscheidungen über die Anträge nach § 69 Abs. 3 und nach Abs. 6 [X.]O zuständig (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 6 [X.]O; s. [X.]-Beschlüsse vom 4. Juni 1996 [X.], [X.] 1996, 915; vom 12. Juli 1994 [X.]/94, [X.] 1995, 230). Beide Verfahren setzen aber einen in der Hauptsache angefochtenen (vollziehbaren) Verwaltungsakt voraus, der noch geändert oder aufgehoben werden kann (s. [X.]-Beschlüsse vom 5. September 2001 [X.], [X.] 2002, 67, zu § 69 Abs. 3 [X.]O; in [X.] 1995, 230, zu § 69 Abs. 6 [X.]O; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 69 [X.]O Rz 1209).

Hieran fehlt es im Streitfall. Die Sache ist bereits durch den Beschluss des [X.] vom 26. September 2008 [X.]/08, mit dem die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 18. Dezember 2007  7 [X.] als unzulässig verworfen wurde, rechtskräftig entschieden; der angefochtene Änderungsbescheid 2000 kann nicht mehr geändert oder aufgehoben werden.

3. Das Verfahren ist nicht in entsprechender Anwendung des § 70 Satz 1 [X.]O i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes von Amts wegen an das zuständige [X.] als das Gericht der Hauptsache i.S. des § 114 Abs. 2 Sätze 1 und 2 [X.]O zu verweisen, weil kein Antrag nach § 114 [X.]O, sondern einer nach § 69 [X.]O gestellt wurde.

Meta

III S 1/12

04.06.2012

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

§ 69 Abs 3 FGO, § 69 Abs 6 FGO, § 70 S 1 FGO, § 114 Abs 2 FGO, § 114 Abs 3 FGO, § 17a Abs 2 S 1 GVG, § 133 BGB, § 157 BGB, § 920 Abs 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.06.2012, Az. III S 1/12 (REWIS RS 2012, 5880)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5880

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