Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.10.2013, Az. V B 68/13

5. Senat | REWIS RS 2013, 1828

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Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

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Gegenstand

Statthaftigkeit eines erneuten AdV-Antrags beim BFH nach Ablehnung des Antrags durch das FG


Leitsatz

1. NV: Die Einschränkung § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO für einen erneuten AdV-Antrag gilt auch dann, wenn in der Hauptsache inzwischen ein Verfahren beim BFH anhängig ist und der erneute Antrag deshalb beim BFH gestellt wird.

2. NV: Veränderte Umstände, die eine erneute Entscheidung rechtfertigen, liegen nicht vor, wenn das FG die Klage abweist und dabei die Revision zum BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zulässt.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss vom 30. Juni 2011  2 V 332/11 hatte das Finanzgericht ([X.]) einen Antrag des [X.], Revisionsklägers und Antragstellers (Antragsteller) auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der [X.] 1998 bis 2001 vom 21. Juni 2007 abgelehnt, ohne die Beschwerde zum [X.] ([X.]) zuzulassen.

2

Die Klage in derselben Sache wies das [X.] mit --dem am 10. April 2013 zugestellten-- Urteil vom 20. Februar 2013  2 K 1037/10 als unbegründet ab, ließ jedoch die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--) zu, und zwar im Hinblick auf die Frage des Umfangs eines möglichen Zeugenbeweises bei vollständigem Verlust sämtlicher Belege.

3

Der Antragsteller legte mit [X.] vom 7. Mai 2013 Revision ein (V R 23/13) und beantragte mit Schreiben vom 8. Juli 2013 beim [X.] die AdV der Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2001.

4

Der Antragsteller ist der Auffassung, es lägen veränderte Umstände i.S. des § 69 Abs. 6 [X.]O vor: Das [X.] sei ursprünglich davon ausgegangen, dass für die Anerkennung des Vorsteuerabzugs bei Verlust sämtlicher Belege eine nach Streitjahren getrennte Aufstellung vorzulegen sei, aus welchen Lieferungen und Leistungen der Vorsteuerabzug begehrt werde. Hierzu müssten Angaben zum Leistungsgegenstand, Leistungszeitpunkt und zur Höhe des Entgelts gemacht werden. Auf der Grundlage der Diskussion in der mündlichen Verhandlung sei das [X.] insoweit von dieser Auffassung abgerückt, als es --trotz Abweisung der [X.] hinsichtlich der Frage des Umfangs des Zeugenbeweises ausdrücklich die Revision zum [X.] zugelassen habe. Durch die Zulassung der Revision seien veränderte Umstände gegeben, die eine AdV rechtfertigen.

5

An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung bestünden ernstliche Zweifel, da das Urteil des [X.] formelles und materielles Bundesrecht verletze.

Entscheidungsgründe

6

II. Der Antrag auf [X.] ist unzulässig.

7

1. [X.] kann nach § 69 Abs. 3 Satz 1 [X.]O auf Antrag die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen und nach § 69 Abs. 6 Satz 1 [X.]O [X.] über Anträge nach § 69 Abs. 3 [X.]O jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 [X.]O).

8

a) Da die Entscheidung des Gerichts über einen Antrag nach § 69 Abs. 3 [X.]O nicht in materieller Rechtskraft erwächst, steht es dem Antragsteller frei, jederzeit einen neuen Antrag zu stellen. Die Zulässigkeit eines solchen Folgeantrags ist allerdings an die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 [X.]O gebunden (vgl. [X.] vom 24. Februar 2005 VIII B 216/03, [X.] 2005, 1328 Leitsatz 1; vom 18. September 1996 I B 39/96, [X.] 1997, 247; vom 25. März 1998 IX S 27/97, [X.] 1998, 1115; vom 13. Oktober 1999 I S 4/99, [X.], 34, [X.], 86; vom 24. August 2004 VIII S 1/04, juris). Eine erneute Entscheidung in der Sache kann der Antragsteller also nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände herbeiführen.

9

b) Diese Einschränkung gilt auch dann, wenn in der Hauptsache inzwischen ein Verfahren beim [X.] als dem Gericht der Hauptsache anhängig ist und der erneute Antrag deshalb beim [X.] gestellt wird. Es wäre nicht gerechtfertigt, den Beteiligten allein wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Zuständigkeitswechsels eine Rechtsschutzmöglichkeit zu eröffnen, die das Gesetz ihnen gegenüber dem erstinstanzlichen Gericht versagt. Andernfalls könnte durch wiederholte [X.] die Vorschrift des § 128 Abs. 3 [X.]O unterlaufen werden, nach der die Beschwerde gegen den eine Aussetzung ablehnenden Beschluss des [X.] nur statthaft ist, wenn das [X.] sie zugelassen hat (vgl. [X.] in [X.] 1998, 1115; vom 4. November 1996 IX S 7/96, [X.] 1997, 492). Diese Regelung zielt darauf ab, dass ein einmal vom [X.] entschiedenes Verfahren auf [X.] nicht ohne Zutun des [X.] an den [X.] herangetragen werden soll. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn eine Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen [X.]-Entscheidung eine solche Möglichkeit letztlich doch eröffnen würde. Hierdurch könnte die vom Gesetz vorgegebene grundsätzliche Beschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes auf eine Instanz für eine Vielzahl von Fällen unterlaufen werden (vgl. [X.]-Beschluss in [X.] 1998, 1115). Im Ergebnis kann deshalb auch ein --zutreffenderweise beim [X.] gestellter-- erneuter Antrag auf [X.] nur nach § 69 Abs. 6 Satz 2 [X.]O statthaft sein (vgl. [X.]-Beschluss vom 24. August 2004 VIII S 1/04, juris).

c) Da der [X.] als Gericht der Hauptsache sowohl für die Entscheidung über einen neuen Antrag als auch für die Änderung oder Aufhebung des vom [X.] erlassenen Beschlusses zuständig ist (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 69 [X.]O Rz 1194; [X.] in Beermann/[X.], [X.] Verfahrensrecht, § 69 [X.]O Rz 335; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 [X.]O Rz 164) und für beide Anträge dieselbe Einschränkung des § 69 Abs. 6 Satz 2 [X.]O gilt, kann der Senat offen lassen, ob das Rechtsschutzbegehren des [X.] als [X.] oder Änderungsantrag auszulegen ist.

2. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 [X.]O liegen im Streitfall nicht vor.

a) Nach dieser Vorschrift ist die Zulässigkeit des Antrags von veränderten Umständen (Alt. 1) oder von zwar unveränderten Umständen abhängig, die aber im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemacht worden sind (Alt. 2). "Umstände" in diesem Sinne können Tatsachen und Beweismittel sein, die nach Ablehnung der [X.] entstanden oder bekannt geworden sind. Dasselbe gilt, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage inzwischen höchstrichterlich (anders) entschieden worden oder inzwischen ein die entscheidungserhebliche Rechtsfrage betreffender Vorlagebeschluss ergangen ist [X.] in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 199; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 69 [X.]O Rz 166, jeweils m.w.N.).

b) Der Antragsteller hat nicht vorgetragen und es ist auch den Akten nicht zu entnehmen, dass im [X.] an die [X.]-Entscheidung des [X.] vom 30. Juni 2011 Umstände eingetreten oder erkennbar geworden wären, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder die maßgebliche Rechtslage in einem neuen Licht erscheinen ließen. Seit dem 30. Juni 2011 haben sich weder die entscheidungserheblichen Normen des Umsatzsteuergesetzes --UStG-- (§§ 14, 15 UStG) geändert noch ist eine Entscheidung des [X.] ergangen, nach der sich die Rechtslage für die Beurteilung der Frage nach einer Anerkennung des Vorsteuerabzugs bei Verlust sämtlicher Belege anders als bisher darstellt.

c) Eine Änderung der maßgeblichen Rechtslage kann --entgegen der Ansicht des [X.] auch nicht darin gesehen werden, dass das [X.] die Revision zum [X.] wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 [X.]O) zugelassen hat. Abgesehen davon, dass selbst eine gegenüber dem Aussetzungsbeschluss veränderte rechtliche Beurteilung durch das [X.] im Hauptsacheverfahren hierfür nicht genügen würde (vgl. [X.] in [X.], Kommentar zur [X.]O, § 69 Rz 112a; [X.] in Beermann/[X.], a.a.[X.], § 69 [X.]O Rz 331), ist das [X.] im Hauptsacheverfahren bei seiner Rechtsansicht geblieben und hat die Klage demgemäß abgewiesen. Die Zulassung der Revision durch das [X.] ermöglicht dem [X.] zwar eine entscheidungserhebliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, stellt selbst aber noch keine Änderung der maßgeblichen Rechtslage i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 [X.]O dar.

Meta

V B 68/13

21.10.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

§ 69 Abs 3 FGO, § 69 Abs 6 S 2 FGO, § 115 Abs 2 Nr 1 FGO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.10.2013, Az. V B 68/13 (REWIS RS 2013, 1828)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1828

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