Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.06.2021, Az. 6 StR 334/20

6. Strafsenat | REWIS RS 2021, 4941

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Gegenstand

Untreue: Vermögensnachteil beim Immobilienverkauf unter Wert


Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 24. April 2020 werden als unbegründet verworfen.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten M.       wegen Untreue zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die Angeklagten [X.].      und [X.]     wegen Beihilfe zur Untreue jeweils unter Strafaussetzung zur Bewährung zu Freiheitsstrafe von neun Monaten und die Angeklagte [X.]       wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Geldstrafe verurteilt. Zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung hat das [X.] die Strafen in Teilen für vollstreckt erklärt. Die auf [X.] der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten sind unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2

Nach den Feststellungen des [X.]s waren die Angeklagten M.       und [X.].       Geschäftsführer bzw. Geschäftsführerin, die Angeklagten [X.]       und [X.]      Liegenschaftssachbearbeiterinnen, letztere ab September 2009 zudem Prokuristin bei der B.            -B.    -G.                                                  ([X.]). Aufgabe der [X.] war es, als Geschäftsbesorgerin für das [X.] die durch die [X.] [X.] früher militärisch genutzten, nunmehr landeseigenen Grundstücke zu verwalten, zu vermarkten und zu verwerten. Der Angeklagte M.       hatte die Geschäftsanteile der landeseigenen [X.] im Zuge der Privatisierung im Jahr 2006 über ihm gehörende Gesellschaften vom [X.] erworben.

3

Mit einem vom Angeklagten M.       initiierten Kaufvertrag vom 2. November 2009 veräußerte die [X.], [X.] vertreten durch die Angeklagte [X.]    , die etwa 65 Hektar große Teilfläche des ehemaligen Flugplatzes in [X.]. Die Liegenschaft wurde ohne vorherige Einholung eines externen Verkehrswertgutachtens zu einem Kaufpreis von 205.000 Euro veräußert, obwohl mindestens 800.000 Euro erzielbar gewesen wären. Zuvor hatte die Angeklagte [X.]     im August 2009 eine Wertermittlung zur Preisfindung erstellt und darin den allen Angeklagten bekannten wahren Wert des Grundstücks verschleiert. Die Angeklagte [X.]        bestätigte diesen „Preisvermerk“ wider besseren Wissens als plausibel. Bei der Käuferin handelte es sich um eine eigens von dem Angeklagten M.       zu diesem Zweck gegründete Projektgesellschaft, an der er wirtschaftlich maßgeblich beteiligt war.

4

Die [X.] legte diesen Preisvermerk neben anderen Unterlagen dem [X.] Ministerium der Finanzen vor. In Unkenntnis des wahren Wertes des Grundstücks und des Umfangs der wirtschaftlichen Beteiligung des Angeklagten an der Käuferin erteilte das [X.] die im Innenverhältnis zur [X.] angesichts der Grundstücksgröße erforderliche Zustimmung. Hiernach genehmigten die Angeklagten M.       und [X.].       den Vertragsschluss durch die Angeklagte [X.]     . Die Käuferin erschloss die Fläche, riss vorhandene Gebäude ab, beseitigte Altlasten und veräußerte die baureifen Grundflächen später gewinnbringend. Sie schloss unter anderem am 16. Dezember 2009 mit einem Logistikunternehmen einen Kaufvertrag über etwa 20 Hektar zum Kaufpreis von 5,6 Millionen Euro.

II.

5

1. [X.] ist nicht verjährt. Es kann dahinstehen, ob - wie die Revisionen meinen - der amtsgerichtliche Durchsuchungsbeschluss vom 4. Juli 2014 konkrete Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit hätte enthalten müssen. Denn sogar eine Verletzung des [X.] - die hier nicht im Raum steht - hätte lediglich die verfahrensrechtliche Fehlerhaftigkeit des Beschlusses, nicht jedoch die für ein Entfallen der Unterbrechungswirkung nötige Unwirksamkeit nach sich gezogen (vgl. [X.], Urteil vom 10. November 2016 - 4 StR 86/16, [X.]R StGB § 78c Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Durchsuchung 1, Rn. 13, mwN). Dies würde erst recht für insofern fehlende Ausführungen im Durchsuchungsbeschluss gelten.

6

2. Die von den Revisionen jeweils inhaltsgleich erhobene Ausschöpfungsrüge (§ 261 StPO) ist bereits unzulässig. Ausweislich der Gliederungen und Überschriften sowie des eindeutigen Wortlauts der Revisionsbegründungen wird die in einer fehlerhaften Würdigung der eingeführten Urkunden und fehlenden Auseinandersetzung mit allen Beweismitteln gesehene Verletzung von § 261 StPO als eine einheitliche Verfahrensrüge geltend gemacht. Die von der Antragsschrift des [X.] aufgezeigte Unzulässigkeit erstreckt sich mithin auf die Rüge insgesamt (vgl. [X.], Urteil vom 13. Juli 2017 - 3 [X.], [X.], 158, 159).

7

3. Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Das [X.] hat unter sorgfältiger Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung sowohl die Pflichtverletzung (a), als auch den Nachteil im Sinne von § 266 StGB rechtsfehlerfrei festgestellt (b).

8

a) Die Pflichtverletzung liegt vor, obwohl nach den Bestimmungen des [X.] sowohl der unterwertige Verkauf unter besonderen Voraussetzungen als auch der Verkauf an ein mit der [X.] verbundenes Unternehmen möglich waren. Denn der Angeklagte M.       hat in Kenntnis der für die Erschließung der Gesamtfläche, den Abriss von Gebäuden und die Kampfmittelbeseitigung erwarteten Kosten, in dem Wissen um den Stand des [X.] sowie eines Angebots von 5,6 Millionen Euro für eine baureife Teilfläche von nur 20 Hektar den Verkauf zu einem Kaufpreis von nur 205.000 Euro an die von ihm gegründete Käuferin veranlasst. Trotz des ersten Preisvermerks der Angeklagten [X.]     vom November 2008, der noch einen Mindestverkaufspreis von rund 2,1 Millionen Euro auswies, hat der Angeklagte M.       keinen externen Sachverständigen mit der Verkehrswertermittlung beauftragt. Dazu wäre er jedoch verpflichtet gewesen. Denn die Veräußerung von Grundflächen hatte nach den Bestimmungen des mit der [X.] geschlossenen [X.] grundsätzlich zum Verkehrswert zu erfolgen, der entweder durch Ausschreibung oder durch Einholung eines Verkehrswertgutachtens zu ermitteln war ([X.]). Da die Ausschreibung keinen Hinweis auf die Anrechnung der zu erwartenden Kosten der Kampfmittelbeseitigung oder eine entsprechende Schätzung enthielt, durfte der Kaufpreis nicht nach dem Angebot des einzigen Interessenten für die nicht baureife Gesamtfläche von 65 Hektar veranschlagt werden, zumal im Rahmen der Ausschreibung das von der [X.] nicht akzeptierte Angebot noch auf 325.000 Euro gelautet hatte und nachträglich auf 205.000 Euro reduziert worden war. Die Pflichtverletzung (vgl. [X.], 126, 170, 210 f.; [X.], Urteil vom 6. Dezember 2001 - 1 [X.], [X.]St 47, 187, 197) zeigt sich in der fehlenden Transparenz der Entscheidung im Verhältnis zum [X.] und aus den vom Angeklagten M.       verfolgten eigenwirtschaftlichen Zielen.

9

b) Da der Kaufpreis unter Außerkraftsetzung der Grundsätze fairer Preisbildung abgesprochen wurde, hat das [X.] rechtsfehlerfrei den Vermögensnachteil nach der Differenz zwischen Verkehrswert und erzieltem Kaufpreis bemessen.

aa) Ob ein Vermögensnachteil eingetreten ist, muss grundsätzlich durch einen ex ante vorzunehmenden Vergleich des gesamten Vermögens vor und nach der beanstandeten Verfügung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geprüft werden (vgl. [X.], Beschluss vom 17. August 2006 - 4 [X.], [X.], 378, 379, mwN). Für die Bestimmung des objektiven Werts einer Immobilie ist die Feststellung ihres Verkehrswertes der zutreffende Ansatz (vgl. [X.], Beschluss vom 2. Juli 2014 - 5 [X.], [X.], 517, 519). Dieser bemisst sich nach dem Preis, der im maßgebenden Zeitpunkt im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre (vgl. § 194 BauGB; [X.], Urteil vom 26. [X.]i 1977 - [X.], NJW 1977, 1725). Dazu kann ein Kaufpreis zugrunde gelegt werden, der für die Beschaffung eines gleichartig gelegenen und eingerichteten Grundstücks erforderlich wäre oder den ein Kaufbewerber, der ebenfalls einen solchen Betrieb führen will, dafür aufwenden würde (vgl. [X.], aaO). Das sachverständig beratene [X.] hat den Verkehrswert einer noch zu erschließenden, von Altlasten zu befreienden und nach [X.] mit [X.] zu veräußernden Fläche ermittelt. Zwar kann der Verkehrswert einer Immobilie regelmäßig nur annäherungsweise und nicht exakt im Sinne einer mathematischen Genauigkeit ermittelt werden, so dass unterschiedliche Ergebnisse bei der Schätzung des Verkehrswertes in gewissen Toleranzen unvermeidbar sind (vgl. [X.], Urteil vom 10. Oktober 2013 - [X.], [X.]Z 198, 265 mwN). Aus den Urteilsgründen ergibt sich indessen rechtsfehlerfrei (vgl. [X.], Urteil vom 29. September 1992 - 1 [X.], [X.]R StPO § 261 Sachverständiger 4), dass die Angeklagte [X.]     wertmindernde Faktoren in ihrem zweiten Preisvermerk vom August 2009 wider besseren Wissens zu hoch veranschlagt, damit den Wert des Grundstücks in nicht mehr vertretbarer Weise reduziert und so dem unterwertigen Verkauf den Weg geebnet hat.

Zwar ist dem [X.] - worauf die Revision zutreffend hinweist - bei der Ermittlung des Verkehrswerts ein [X.] unterlaufen, der sich zu Ungunsten der Angeklagten auf 31.818,90 Euro beläuft. Dieser Fehler hat sich aber nicht auf die Ermittlung des Nachteils ausgewirkt. Denn das [X.] hat in Abweichung vom Gutachten der Sachverständigen zu Gunsten der Angeklagten einen Verkehrswert von (nur) 856.097,39 Euro ermittelt und weiter zu Gunsten der Angeklagten einen „tatsächlich erzielbaren“ Kaufpreis von 800.000 Euro und damit einen Vermögensnachteil von „mindestens 600.000 Euro“ ([X.]) zugrunde gelegt. Der [X.] kann ausschließen, dass das [X.] ohne den [X.] einen noch niedrigeren Mindestnachteil für das [X.] festgestellt hätte.

bb) Die weitere Feststellung, das [X.] hätte für die Liegenschaft ohne das pflichtwidrige Verhalten des Angeklagten M.      einen um „mindestens 600.000 Euro“ höheren Kaufpreis erzielt, war mit Blick auf die finanzielle und personelle Unterstützung der Käuferin durch die [X.], das Angebot des Logistikunternehmens für den Erwerb einer baureifen Teilfläche von nur rund 20 Hektar über 5,6 Millionen Euro und die bei realistischer Betrachtung zu erwartenden Kosten für Erschließung und Kampfmittelbeseitigung möglich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 2021 - 6 StR 235/20, Rn. 8, mwN).

4. Der Rechtsfolgenausspruch beruht nicht auf die Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehlern. Ohne Rechtsfehler hat das [X.] beim Angeklagten M.       den Strafrahmen von § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB ohne zusätzlichen Vergleich mit den im Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle angenommen (vgl. [X.], Urteil vom 31. März 2004 - 2 [X.], NJW 2004, 2394, 2395). Das Urteil beruht nicht darauf, dass das [X.] bei den Angeklagten [X.].     , [X.]     und [X.]      nicht geprüft hat, ob die Indizwirkung des [X.] angesichts der vertypten Strafmilderungsgründe entfällt. Denn der [X.] kann mit Blick auf den Vergleich des [X.] mit dem - betreffend die Angeklagten [X.]     und [X.]        sogar doppelt - nach § 49 StGB gemilderten Strafrahmen des § 266 Abs. 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 StGB ausschließen, dass das [X.] die ohnehin milden Strafen noch niedriger bemessen hätte.

Es benachteiligt die Angeklagten nicht, dass das [X.] keine Einziehungsentscheidung getroffen hat.

5. Dem Antrag des [X.], den Schuldspruch betreffend die Angeklagte [X.].       von Beihilfe auf Täterschaft zu ändern, kann der [X.] mangels Feststellungen zur inneren Tatseite betreffend die Reichweite ihrer Verpflichtung aus dem Geschäftsführerverhältnis nicht folgen. Gleichwohl kann der [X.] die Revision im [X.] verwerfen (§ 349 Abs. 2 StPO). Denn der [X.] hat ungeachtet des den Strafausspruch nicht berührenden Schuldspruchänderungsantrags insgesamt Verwerfung der Revisionen beantragt (vgl. [X.], Beschlüsse vom 24. März 2021 - 3 StR 22/21, NStZ-RR 2021, 190; vom 3. [X.]i 2011 - 5 [X.] mwN).

Sander     

        

König     

        

Feilcke

        

Fritsche     

        

von [X.]     

        

Meta

6 StR 334/20

16.06.2021

Bundesgerichtshof 6. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Potsdam, 24. April 2020, Az: 23 KLs 17/16

§ 266 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.06.2021, Az. 6 StR 334/20 (REWIS RS 2021, 4941)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 4941

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