Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.08.2019, Az. 3 StR 165/19

3. Strafsenat | REWIS RS 2019, 4705

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Gegenstand

Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrags bei versäumter Einreichung einer Revisionsbegründung


Tenor

1. Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des [X.] vom 26. November 2018 wird verworfen.

2. Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des [X.] gegen den Beschluss des [X.] vom 11. Februar 2019, mit dem die Revision des Angeklagten gegen das vorbenannte Urteil als unzulässig verworfen worden ist, wird auf seine Kosten verworfen.

Gründe

1

1. Das [X.] hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

2

Nachdem der Angeklagte und seine Verteidigerin fristgerecht Revision eingelegt hatten, ist dieser das Urteil am 3. Januar 2019 zugestellt worden. Bis einschließlich 4. Februar 2019 ist beim [X.] allein eine vom Angeklagten eigenhändig verfasste Revisionsbegründung eingegangen, während die Verteidigerin [X.] erklärt hat, der Angeklagte werde die Revision persönlich zu Protokoll der Geschäftsstelle begründen. Mit Beschluss vom 11. Februar 2019 hat das [X.] daraufhin die Revision nach § 346 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen, weil innerhalb der [X.] keine "Revision" in der von § 345 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Form angebracht worden sei.

3

Mit beim [X.] am 15. Februar 2019 eingegangenem Schreiben vom 13. Februar 2019 hat der Angeklagte eine Entscheidung des [X.] nach § 346 Abs. 2 StPO beantragt. Zur Begründung ist dort im Wesentlichen ausgeführt, seine Verteidigerin habe ihm erst am 29. Januar 2019 mitgeteilt, keine [X.] einzureichen. Ihm stehe aber ein Recht auf Mitwirkung eines Verteidigers zu. Zudem habe er bereits vor dieser Mitteilung seiner Verteidigerin darum ersucht gehabt, die Revision selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle zu begründen. Auf das Gesuch sei nicht reagiert worden.

4

Am 13. März 2019 ist der Angeklagte dem Rechtspfleger des [X.] vorgeführt worden. Er hat zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt, er stelle den Antrag auf Übersendung einer von einem Teil der Akte zu fertigenden Abschrift. Weitere Prozesshandlungen hat er bei dieser Gelegenheit nicht vorgenommen.

5

Mit weiterem Schreiben vom 30. Januar 2019, das beim [X.] am 4. Februar 2019 eingegangen war, hatte der Angeklagte beantragt, ihm nach § 140 StPO einen Pflichtverteidiger (anstelle oder neben seiner bisherigen Verteidigerin) beizuordnen. Diesen Antrag hatte das Landegericht noch am selben Tag abgelehnt. Eine Auswechselung des Pflichtverteidigers sei nicht geboten, weil die bisherige Verteidigerin - die fernmündlich bekundet hatte, sie sehe keine "Revisionsgründe" - als selbständiges Organ der Rechtspflege berechtigt gewesen sei, ihre Mitwirkung an der Begründung einer nach ihrer Überzeugung offensichtlich aussichtslosen Revision zu verweigern. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das [X.] mit Beschluss vom 29. Mai 2019 als unbegründet verworfen. Im [X.] ist es der Begründung des [X.]s gefolgt und hat sich dabei auf ein Urteil des [X.] vom 22. März 2007 (59519/00, NJW 2008, 2317) berufen.

6

2. Den Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Sinne des § 45 StPO sowie auf Entscheidung des [X.] nach § 346 Abs. 2 StPO muss der Erfolg versagt bleiben.

7

a) Das Schreiben des Angeklagten vom 13. Februar 2019 ist auch als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der [X.] auszulegen. Denn der Angeklagte macht der Sache nach geltend, er sei, da er die Formerfordernisse für eine Revisionsbegründung innerhalb der vorgesehenen Frist nicht habe erfüllen können, im Sinne des § 44 Satz 1 StPO unverschuldet an deren Wahrung gehindert gewesen. Seine Verteidigerin sei nicht willens gewesen, eine [X.] einzureichen; Erklärungen zu Protokoll der Geschäftsstelle seien ihm nicht möglich gewesen.

8

aa) Der Wiedereinsetzungsantrag ist allerdings bereits deshalb nach § 45 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig, weil die Revisionsbegründung in der von § 345 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Form nicht zwischenzeitlich nachgeholt worden ist.

9

bb) Die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist ebenso wenig zurückzustellen, um die Sache an das [X.] zur Beiordnung eines anderen oder weiteren Pflichtverteidigers zurückzugeben.

Zwar hat der [X.] (s. Beschlüsse vom 18. Januar 2018 - 4 [X.], NStZ-RR 2018, 84; vom 5. Juni 2018 - 4 [X.], juris) eine derartige Zurückgabe der Sache zur Bestellung eines anderen Verteidigers vor der Entscheidung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Fällen angeordnet, in denen ein - das Verschulden des Angeklagten ausschließender - "offenkundiger Mangel" der Verteidigung im Sinne der Rechtsprechung des [X.] (s. Urteil vom 10. Oktober 2002 - 38830/97, NJW 2003, 1229 [X.]. 59 ff. [X.]) vorlag (vgl. auch [X.], Beschluss vom 28. Juni 2016 - 2 StR 265/15, [X.]R StPO § 44 Verschulden 11). [X.] kann, ob hier ein solcher "offenkundiger Mangel" der Verteidigung darin zu sehen ist, dass die Verteidigerin des Angeklagten, nachdem sie Revision eingelegt hatte, das Rechtsmittel nicht begründet hat (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Juni 2018 - 4 [X.], aaO; ferner [X.], Beschluss vom 28. Juni 2016 - 2 StR 265/15, aaO), insbesondere ob ihre fernmündliche Bekundung, sie sehe keine "Revisionsgründe", einen derartigen Mangel ausschließt. Zu bedenken ist freilich, dass der [X.] in dem von der Beschwerdeentscheidung des [X.] in Bezug genommenen Urteil vom 22. März 2007 (59519/00, NJW 2008, 2317) zwar für das [X.] Prozesskostenhilferecht darauf erkannt hat, es sei nicht Aufgabe des Staates, einen - beigeordneten - [X.] dazu zu zwingen, ein nach seiner Überzeugung aussichtloses Rechtsmittel einzulegen. Jedoch hat er es gleichermaßen als notwendig erachtet, dass der "Mandant" noch ausreichend Zeit habe, einen anderen - beizuordnenden - [X.] zu finden (s. aaO, [X.]. 132 f.).

Unabhängig hiervon trifft den Angeklagten jedoch ein erhebliches eigenes Verschulden jedenfalls ab dem 13. März 2019, als er die Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle hätte [X.] nachholen können. Er hat dies nicht nur unterlassen, sondern - der dienstlichen Stellungnahme des mit der Protokollierung befassten [X.] vom 24. April 2019 zufolge - ausdrücklich mitgeteilt, er habe "nunmehr einen Rechtsanwalt, auf eigene Kosten, beauftragt", der auch schon "alles in die Wege geleitet" habe. Jedenfalls unter Zugrundelegung dieser Angaben lag ein Mangel der Verteidigung nicht (mehr) vor.

b) Der zulässige Antrag auf Entscheidung des [X.] nach § 346 Abs. 2 StPO ist unbegründet, weil das [X.] mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht das Rechtsmittel als unzulässig verworfen hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Denn innerhalb der mit dem Ablauf des 4. Februar 2019 endenden [X.] ist keine gemäß § 345 Abs. 2 StPO formgerechte Revisionsbegründung angebracht worden, ohne dass - wie dargelegt - gegen die Fristversäumung noch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden kann.

Schäfer     

      

[X.]     

      

Spaniol

      

Tiemann     

      

Berg     

      

Meta

3 StR 165/19

07.08.2019

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Wuppertal, 26. November 2018, Az: 26 KLs 29/18

§ 44 S 1 StPO, § 45 Abs 2 S 2 StPO, § 345 Abs 2 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.08.2019, Az. 3 StR 165/19 (REWIS RS 2019, 4705)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4705

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